Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Herausgabe von sechs namentlich genannten Bildern des Kunstmalers Gottlieb Theodor D. Er behauptet, er sei Eigentümer dieser Bilder, welche ihm im Frühjahr 1981 von unlauteren Geschäftspartnern herausgelockt und an die beklagte Partei weiterverkauft worden seien. Die beklagte Partei sei nicht redlich gewesen und somit nicht Eigentümerin der Bilder geworden.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, sie habe die sechs Bilder mit Kaufvertrag vom 9.April 1981 von der E F Betriebs-GesellschaftmbH gutgläubig um den Preis von S 150.000 erworben. Die Verkäuferin habe den Kaufvertrag im Rahmen ihres Handelsgewerbes geschlossen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die beklagte Partei kaufte die Bilder mit Kaufvertrag vom 9.April 1981 von der E G GesellschaftmbH (künftig kurz GesmbH genannt). Die GesmbH wurde im Juli 1980 von den Gründungsgesellschaftern Franz H und Michael I gegründet, zum Geschäftsführer wurde Franz J bestellt. Gerhard K trat im Gesellschaftsvertrag nicht in Erscheinung, wurde jedoch von den Gesellschaftern mit Generalvollmacht ausgestattet und ist nach außen hin gemeinsam mit H und I als 'Firmenchef' bzw. 'Firmeninhaber' aufgetreten. Der Kläger war im Februar 1980 mit K, H und I in Kontakt gekommen. Er beabsichtigte, sein Seegrundstück am L in eine gemeinsam zu gründende Gesellschaft einzubringen, wobei beabsichtigt war, auf dem Grundstück ein Hotel zu errichten. Die GesmbH sollte als Komplementärin eine 'Belastung' (gemeint wohl: einen Kredit im Wege der Belastung) des Grundstücks durch die M Köstendorf in der Höhe von S 2 Mill in die zum Zweck des Hotelbetriebs zu gründende N (künftig kurz KG genannt) einbringen, während der Kläger einerseits das Grundstück zur Verfügung und andererseits seine Gemäldesammlung des Malers D zur Verfügung stellen wollte. Der Kläger wußte nicht, daß H und K mehrfach vorbestrafte Betrüger waren, für diverse Straftaten in der BRD verurteilt wurden und sich der Verbüßung von Strafen durch Flucht entzogen hatten. Er hielt sie für seriöse Geschäftspartner. Da der Kläger nicht genügend Raum für die mehrere hundert Bilder umfassende Gemäldesammlung hatte, kamen er und K überein, daß die Gemäldesammlung einschließlich der persönlichen Aufzeichnungen und Schriftstücke des verstorbenen D in die Betriebsräumlichkeiten der GesmbH zur Aufbewahrung übergeben werden sollten. Die Aufzeichnungen und Schriftstücke betrafen den sogenannten künstlerischen Nachlaß des Malers. Hierunter versteht man eine Dokumentation sämtlicher von diesem Maler gemalter Bilder samt Zeitungsausschnitten, einem Lebenslauf des Künstlers und ähnliches. Bei diversen Besuchen in den Räumlichkeiten der GesmbH konnte der Kläger feststellen, daß die Bilder vorhanden waren. Wäre es zur Gründung der KG gekommen, dann hätte der Kläger das Eigentum an sämtlchen Bildern zu deren Gunsten aufgeben müssen. Zu den Räumlichkeiten, in denen die Bilder gelagert waren, hatte nur K einen Schlüssel. Einen Gesellschaftsvertrag gab es noch nicht, sondern lediglich Vorbesprechungen, die schriftlich festgehalten wurden. Zwischen der GesmbH und dem Kläger existiert ein Vertrag vom 7.August 1980, nach dessen Punkt 7. der Kläger als Gegenleistung für eine Privatschuldübernahme von 4 Mill. S durch die GesmbH den Gemäldenachlaß des Malers D als Eigentum an die KG zur Verfügung stellt und ihr die Verwertungsrechte überträgt. In einem Brief vom 28.August 1980 teilte der Kläger der 'Firma O HAUS-Restaurationsbetriebe' mit, daß die Bilder laut beiliegender Liste zum Versand bereitgestellt und sofort greifbar seien. Als die Zahlung der 4 Mill S erfolgen sollte, wurde der Kläger vertröstet.
K teilte ihm mit, daß er die Bilder nach Anif verbracht habe, weil er befürchtete, die Bank in Köstendorf könnte auf die Bilder greifen. Am 15.April 1981 wurden K, H und I verhaftet. Bereits mit Kaufvertrag vom 9.April 1981 waren die sechs Bilder, deren Herausgabe der Kläger begehrt, von der beklagten Partei zum Preis von S 150.000 gekauft und ihr übergeben worden. Als Verkäuferin trat die GesmbH auf. Den Kaufvertrag unterfertigte H. Zur Gründung der KG kam es mangels devisenbehördlicher Genehmigung der Nationalbank nicht. Die beklagte Partei war beim Kaufvertrag durch den Geschäftsführer Herbert B vertreten, welcher eine Reihe von Bildern über Auftrag von H bereits im Februar 1981 geschätzt hatte. Anläßlich dieser Gelegenheit hatte er auch Einsicht in den künstlerischen Nachlaß des Malers genommen. Er hegte keinen Zweifel, daß H verfügungsberechtigt sei, weil solche Unterlagen normalerweise nur jemand besitzt, der ein bestimmtes Naheverhältnis zum Maler aufweist. Vor der Unterfertigung des Kaufvertrages war Herbert B auch der Punkt 7. des Vertrages vom 7.August 1980 zwischen der GesmbH und dem Kläger bekannt. Daß die KG noch nicht existierte, wußte er nicht. Er hegte jedoch keinen Verdacht, daß H als Vertreter der GesmbH zur Verwertung der Bilder nicht berechtigt sein könnte. Der Preis von S 150.000 für die sechs Bilder kann nicht als unüblich festgestellt werden. Daß der Kläger bei der Salzburger Antiquitätenmesse einen Ankauf der Bilder vorgeschlagen hätte, konnte der Erstrichter nicht feststellen.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Kläger habe den Beweis des mangelnden guten Glaubens der beklagten Partei nicht erbracht. Die beklagte Partei habe nach § 366 HGB und § 367 ABGB Eigentum an den Bildern erworben.
Das Berufungsgericht gab über Berufung des Klägers dem Klagebegehren statt. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme jener über den Wert der sechs Bilder, vertrat jedoch die Auffassung, die Unkenntnis des Geschäftsführers der beklagten Partei von der mangelnden Berechtigung der GesmbH sei nicht entschuldbar. Daß er sich über den Eigentumserwerb der GesmbH nicht erkundigt habe, müsse ihm als grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Bei Verfügungen über Waren, mit denen der betreffende Kaufmann normalerweise nicht handelt, sei der gute Glaube nach den Grundsätzen über den prima-facie-Beweis in der Regel zu verneinen, sofern nicht besondere Umstände ausnahmsweise für das Vorliegen der Verfügungsmacht sprächen. Auch auf eine Situation, bei der die GesmbH als Stellvertreter des Klägers anzusehen und das Rechtsgeschäft gleichzeitig nach § 366 HGB zu werten wäre, könne sich die beklagte Partei nicht berufen. Beim Erwerb von einem Stellvertreter komme es nämlich auf die Kaufmannseigenschaft des Vertretenen und nicht auf die des Vertreters an.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen oder die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und diesen eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Der Kläger beantragt, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil die Entscheidung unter anderem von der Lösung der Frage abhängt, ob sich das Berufungsgericht mit einer in der Berufungsbeantwortung enthaltenen Bekämpfung der Beweiswürdigung durch die in erster Instanz siegreiche Partei auseinandersetzen muß und ob, falls dies nicht geschieht, dieser Umstand in einer außerordentlichen Revision gerügt werden kann. Dazu fehlt es bisher an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, sodaß die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukommt.
Die Revision ist auch berechtigt.
Die beklagte Partei hat in ihrer Berufungsbeantwortung unter anderem gerügt, daß das Erstgericht der Zeugin P nicht geglaubt und daher nicht festgestellt hat, daß der Kläger anläßlich der Antiquitätenmesse die beklagte Partei sinngemäß aufgefordert habe, die Bilder zu kaufen. Sie rügte ferner, daß den Aussagen der Zeugen H und K, wonach der Kläger zum Verkauf der Gemälde seine ausdrückliche Zustimmung gegeben habe, um damit Unkosten, welche der GesmbH entstanden waren, abzudecken, nicht geglaubt wurde. Dazu hatte die beklagte Partei bereits in erster Instanz vorgebracht (ON 24 S 105), daß der Eigentumserwerb der Bilder auch auf eine vom Kläger an die GesmbH erteilte Vollmacht gegründet werde. Dies ist aber für die Frage des Eigentumserwerbs der beklagten Partei gerade dann von wesentlicher Bedeutung, wenn ein Erwerb nach § 367 ABGB und § 366 HGB, wie noch dargelegt werden wird, zu verneinen ist. Bis zur ZVN 1983 war es ständige Rechtsprechung, daß die in erster Instanz siegreiche Partei die für sie ungünstigen Feststellungen des Erstgerichtes noch in der Revision bekämpfen kann, auch wenn sie dies in der Berufungsmitteilung nicht getan hat, es sei denn, das Berufungsgericht hatte zu diesen Fragen bereits Stellung genommen (SZ 26/262, SZ 54/160 uva). Nach dem Inkrafttreten der ZVN 1983 hat der Oberste Gerichtshof zwar die Frage offengelassen, ob dieser Grundsatz im Hinblick auf die Verbesserung des rechtlichen Gehörs des Berufungsgegners im Falle einer ordentlichen Revision (§ 503 Abs 1 ZPO) noch gerechtfertigt ist. Im Fall einer außerordentlichen Revision wurde jedoch die Möglichkeit einer Bekämpfung der Beweiswürdigung dann verneint, wenn die in erster Instanz siegreiche Partei die Feststellung im Berufungsverfahren nicht bekämpft hat. Die Bekämpfung der Beweiswürdigung könne in einem außerordentlichen Rechtsmittel nicht nachgeholt werden. Die letzte Möglichkeit, Beweisrügen zu erheben, sei im letzten ordentlichen Rechtsmittel gegeben (7 Ob 1501/85). Im vorliegenden Fall hatte die beklagte Partei aber in ihrer Berufungsbeantwortung eine Beweisrüge erhoben, mit welcher sich das Berufungsgericht nicht, und zwar entgegen der Ansicht des Revisionsgegners auch nicht schlüssig, auseinandergesetzt hat. In einem solchen Fall muß der betroffenen Partei das Recht eingeräumt werden, den Mangel des Berufungsverfahrens auch noch mit außerordentlicher Revision zu rügen. Da das Berufungsgericht letzte Beweisinstanz ist, muß es sich vor der Abänderung des Ersturteils mit den Beweisrügen der in erster Instanz siegreichen Partei auseinandersetzen. Geschieht dies wie hier nicht, so gefährdet der wesentliche Mangel des Berufungsverfahrens die Rechtssicherheit.
Insoweit ist die Revision daher berechtigt.
Hingegen kann der beklagten Partei nicht beigepflichtet werden, soweit sie sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes wendet, ein Erwerb des Eigentums liege weder gemäß § 367 ABGB noch gemäß § 366 HGB vor.
Die Bilder wurden von der GesmbH an die beklagte Partei verkauft. Dem Geschäftsführer der beklagten Partei war der Vertrag vom 7. August 1980
bekannt. Darin stellte der Kläger die Bilder jedoch der erst zu gründenden KG und nicht etwa der GesmbH 'als Eigentum zur Verfügung'. Unter diesen Umständen wäre der Geschäftsführer der beklagten Partei verpflichtet gewesen, nachzuforschen, ob die KG gegründet wurde und ob sie etwa das Eigentum an den Bildern auf die GesmbH übertragen habe. Aus der Tatsache, daß sich die GesmbH im Besitz der Bilder und des künstlerischen Nachlasses des Malers befand, konnte er nicht ableiten, daß sie auch Eigentümerin der Bilder geworden oder über diese verfügungsberechtigt war. Die Unterlassung derartiger Nachforschungen stellt eine auffallende Sorglosigkeit dar. Lag aber beim Erwerb der Bilder auf Seite des Geschäftsführers der beklagten Partei grobe Fahrlässigkeit vor, dann konnte die beklagte Partei weder nach § 367 ABGB noch nach § 366 HGB Eigentum erwerben. Damit ist es aber bedeutungslos, ob bei Verfügungen eines Kaufmannes über Waren, mit denen er normalerweise nicht handelt, nach den Grundsätzen über den prima-facie-Beweis der gute Glaube in der Regel zu verneinen ist und ob es beim Erwerb nach § 366 HGB auf die Kaufmannseigenschaft des Vertreters oder des Vertretenen ankommt.
Da sich das Berufungsgericht jedoch nicht mit der Bekämpfung der Beweiswürdigung durch die beklagte Partei auseinandergesetzt hat, war in Stattgebung der außerordentlichen Revision das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufzutragen. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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