OGH 7Ob531/85

OGH7Ob531/857.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josefa A, Hausfrau, Großpesendorf, Wolfgruben Nr.66, vertreten durch Dr. Gerald Weidacher, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider die beklagte Partei B C, vertreten durch Dr. Alfred Lind, Rechtsanwalt in Graz, wegen 90.000 S s.A. und Feststellung (Gesamtstreitwert 140.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 4.Dezember 1984, GZ 1 R 196/84-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 6. August 1984, GZ 23 Cg 100/83-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 5.398,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 480 S Barauslagen und 447,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde am 28.7.1977 nach der Geburt ihres 5.Kindes im Landeskrankenhaus Graz sterilisiert. Trotzdem wurde sie neuerlich schwanger und gebar am 27.3.1980 ihr sechstes Kind. Die an der damals 40-jährigen Klägerin vorgenommene Sterilisation wurde vom ärztlichen Gesichtspunkt aus ordnungsgemäß durchgeführt. Diese Methode garantiert eine höchstmögliche Sicherheit des Erfolges, so daß nach einem derart operativen Eingriff eine Schwangerschaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr möglich ist. Die Versagerquote liegt im Bereich von 3 %o bis 2 %. Es hat daher von 100 Frauen etwa eine die gleichen Chancen einer Schwangerschaft, wie gleichaltrige Frauen, die nicht sterilisiert worden sind. Die Wahrscheinlichkeit, daß eine Frau mit 40 Jahren schwanger wird, liegt bei etwa 5 %.

Die Klägerin wurde vor Durchführung der Sterilisation nicht auf die Möglichkeit eines allfälligen Versagens hingewiesen. Wäre sie darauf hingewiesen worden, hätte sie die Sterilisation nicht an sich vornehmen lassen.

Schon vor der Geburt ihres 5.Kindes sowie nach der Geburt des 6. Kindes haben die Ehegatten normal und ohne Schutzmittel geschlechtlich verkehrt.

Daraus läßt sich schließen, daß eine solche Art des Geschlechtsverkehrs auch bei Unterbleiben der Sterilisation zwischen den beiden erwähnten Geburten stattgefunden hätte.

Nach Feststellung der neuerlichen Schwangerschaft im Jahre 1979 wurde der Klägerin eine Abtreibung angeboten, doch lehnte die Klägerin ab.

Die Vorinstanzen haben das auf den Titel des Schadenersatzes gestützte Begehren auf Zahlung von 90.000 S sowie Feststellung, daß die Beklagte der Klägerin für sämtliche weiteren Schäden auf Grund der neuerlichen Schwangerschaft zu haften habe, abgewiesen. Hiebei vertraten sie den Standpunkt, der die Sterilisation durchführende Arzt habe zwar insoweit rechtswidrig gehandelt als er die Klägerin nicht auf die Möglichkeit einer Schwangerschaft hingewiesen habe, doch sei die Kausalität dieses Verhaltens deshalb nicht erwiesen, weil infolge der Art, wie die Klägerin vor der 5.Schwangerschaft und nach der 6.Geburt den Geschlechtsverkehr praktiziert habe und auf die sie den Geschlechtsverkehr auch zwischen diesen beiden Schwangerschaften praktiziert hätte, eine neuerliche Schwangerschaft ohne Sterilisation wesentlich wahrscheinlicher eingetreten wäre, als im Falle der Sterilisation. Im übrigen wäre das Schadenersatzbegehren deshalb verjährt, weil die Klage erst am 24.3.1983 eingebracht worden sei. Der Klägerin sei aber bereits im Jahre 1979 infolge Feststellung der neuerlichen Schwangerschaft bekannt gewesen, daß die Sterilisation nicht erfolgreich verlaufen sei. Schon ab dieser Kenntnis beginne die Verjährungsfrist zu laufen.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs.1 Z 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Daß die mangelnde Aufklärung der Klägerin über die Fehlerquellen einer Sterilisation rechtswidrig war, ist nicht mehr strittig. Ebenso steht außer Zweifel, daß die Rechtswidrigkeit auch schuldhaft war. Nach § 1295 ABGB begründet ein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten jedoch nur dann eine Schadenersatzpflicht, wenn es auch für den eingetretenen Schaden kausal war.

Der Beweis für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem Eintritt des Schadens obliegt dem Beschädigten (JBl.1985, 36, JBl.1984, 554, RZ 1977/24 ua). Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe für die Annahme vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden (JBl.1984, 554 ua). Eine Unterlassung ist dann für den Schadenerfolg kausal, wenn die Vornahme eines bestimmten und möglichen aktiven Handelns das Eintreten des Erfolges verhindert hätte. Keine Kausalität liegt daher vor, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre (JBl.1984, 554, EvBl.1984/3 ua).

Dem Schädiger steht daher der Beweis frei, daß die Folgen der realen schädigenden Handlung ident sind mit denen anderer hypothetischer Ursachen (6 Ob878/82).

Richtig ist, daß die Rechtsprechung die Aufhebung einer Haftung infolge überholender Kausalität im allgemeinen verneint hat (Reischauer in Rummel, Rdz 14 zu § 1302). Von einer sogenannten überholenden Kausalität kann hier jedoch deshalb nicht gesprochen werden, weil eine solche nur gegeben ist, wenn das tatsächlich eingetretene Ereignis ohne die schädigende Ursache s p ä t e r auch eingetreten wäre. Im vorliegenden Fall muß nach den getroffenen Feststellungen jedoch davon ausgegangen werden, daß das Ereignis, auf das die Schadenersatzpflicht der Beklagten gegründet wird, bei Wegfall des rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens jenes Arztes, für den die Beklagte zu haften hat, infolge eines anderen Sachverhaltes mit größerer Wahrscheinlichkeit zum selben Zeitpunkt eingetreten wäre, zu dem es tatsächlich eingetreten ist. Der eingetretene Erfolg wurde sohin nicht durch das rechtswidrige Verhalten des Arztes der Beklagten, sondern durch das eigene Verhalten der Klägerin verursacht. Das rechtswidrige Verhalten des Arztes hat lediglich den Eintritt des schädigenden Ereignisses nicht verhindert. Daraus ergibt sich aber, daß es für den Eintritt dieses Ereignisses an sich nicht kausal war, sondern höchstens für die vergeblich aufgewendeten Kosten der Sterilisation, die nicht zu dem gewünschten, das Ereignis verhindernden Erfolg geführt hat. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bewiesen, daß die Klägerin zwischen der 5. und der 6.Schwangerschaft ohne die Sterilisation im sexuellen Bereich ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, das mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Schwangerschaft geführt hätte, als dies durch die Sterilisation der Fall war.

Damit fehlt es aber an der Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens des Arztes bezüglich der Schwangerschaft der Klägerin. Sohin scheidet ein Schadenersatzanspruch wegen der nachfolgenden Geburt aus.

Denkbar wäre ein Schadenersatzanspruch wegen der Sterilisation, die sich nachträglich als vergeblich erwiesen hat. In dieser Richtung hat die Klägerin lediglich einen Teil ihres Schmerzengeldanspruches von insgesamt 30.000 S geltend gemacht. Ob ein solcher Schadenersatzanspruch tatsächlich besteht, muß hier nicht geprüft werden, weil feststeht, daß der Klägerin ihre neuerliche Schwangerschaft bereits im Jahre 1979 bekannt war. Mit Kenntnis dieser Schwangerschaft wußte sie aber, daß die Sterilisation nicht den gewünschten Erfolg hatte. Ihr war also zu diesem Zeitpunkt bereits jener Sachverhalt bekannt, der eine Schadenersatzklage ermöglichte. Demnach begann mit der Kenntnis der Schwangerschaft, also im Jahre 1979 die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu laufen. Diese Verjährungsfrist war bei Einbringung der Klage im März 1983 abgelaufen. Sohin ist auch der vorerwähnte Teil des Schadenersatzanspruches der Klägerin infolge Verjährung nicht mehr berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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