OGH 11Os31/85

OGH11Os31/856.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.März 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 7.Jänner 1985, GZ 36 Vr 2.916/84- 15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 9.Februar 1957 geborene Kraftfahrer Walter A des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach dem § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, zwischen 27.Oktober und 12.November 1980 in Pfaffenhofen Angelina B, die damals dreizehnjährige Tochter seiner Lebensgefährtin und späteren Ehegattin Elfriede B, an den Brüsten und am Geschlechtsteil betastet zu haben.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch mit auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Das Schöffengericht stützte seine Feststellungen auf die 'angezogenen Beweismittel' nach 'entsprechender Beweiswürdigung' (S 83 d.A). Der Verantwortung des Angeklagten, der die Tat entschieden in Abrede stellte, stehen dabei die belastenden Angaben der Angelina B als einziger vernommener Zeugin entgegen. Das Erstgericht befand die Aussage der Zeugin für glaubwürdig und berief sich dazu insbesondere auf den guten (persönlichen) Eindruck und den Umstand, daß sich Angelina B 'im wesentlichen in ihrer Aussage nicht widersprochen hat' (S 83 d.A).

Zutreffend bemängelt nun der Beschwerdeführer, daß im Urteil jedenfalls ein Widerspruch in der Sachverhaltsdarstellung der genannten Zeugin nicht erörtert wurde: So deponierte Angelina B vor der Gendarmerie, sie habe ihrer Mutter Elfriede B kurz nach deren Rückkehr aus dem Genesungsheim Kössen (im November 1980) den inkriminierten Vorfall erzählt, die Mutter habe ihr dies aber nicht geglaubt (S 24 d.A). Demgegenüber brachte die Zeugin in der Hauptverhandlung vor, daß die Mutter ihrer diesbezüglichen Mitteilung doch Glauben geschenkt, dem Angeklagten aber aus Angst nichts davon gesagt habe (S 69 d.A).

Es liegt in der Natur der Sache, daß in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht und keine oder doch nur minder bedeutsame objektive Verfahrensergebnisse zur Beurteilung zur Verfügung stehen, welcher Darstellung die höhere Glaubwürdigkeit gebührt, auch (bloß) Begleitumstände der Tat betreffende Abweichungen und Widersprüche in der Sachverhaltsschilderung erhöhte Beachtung verdienen. Dieser Erkenntnis Rechnung tragend hätte sich daher das Schöffengericht (auch) mit der oben gerügten Widersprüchlichkeit in der Zeugenaussage des Tatopfers zwecks Vermeidung eines formalen Begründungsmangels kritisch befassen müssen. Dies umso mehr, als der Angeklagte, dessen Verantwortung nur implicite, sohin weder ausdrücklich noch in ihrer Gesamtheit, die Glaubwürdigkeit versagt wurde, auch vorbrachte, seine inzwischen verstorbene Gattin hätte ihn sicherlich 'zur Rede gestellt und hinausgeworfen', wäre ihr ein solcher Vorfall schon seinerzeit (glaubhaft) berichtet worden (S 66 und 67

d. A), wobei ein Indiz für die Richtigkeit dieser Ansicht auch in der Formulierung der Strafanzeige (arg.: nun - S 26 d.A) erblickt werden kann.

Die gerügte Unvollständigkeit der Urteilsbegründung macht die bekämpfte Entscheidung nichtig nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 e StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Auf das übrige Beschwerdevorbringen brauchte demnach nicht mehr eingegangen zu werden.

Mit seiner durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Bloß der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß einem im erneuerten Verfahren allenfalls gestellten Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über die Aussagekraft der Angaben der Zeugin Angelina B nur bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen (s. EvBl. 1959/276, 1983/18 u. a.) stattgegeben werden müßte.

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