Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten und widerklagenden Partei aufgetragen.
Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Für die beklagte und widerklagende Partei (im folgenden: Beklagte) wurde mit Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18.5.1982 (S.61 a) Rechtsanwalt Dr.Leander B zum Verfahrenshelfer bestellt, dem das Urteil des Erstgerichtes vom 9.4.1984 am 24.5.1984 zugestellt wurde. Mit Beschluß des Ausschusses der genannten Rechtsanwaltskammer vom 5.6.1984 wurde anstelle des bisherigen bestellt gewesenen Verfahrenshelfers Rechtsanwalt Dr.Andreas Leopold D*** zum Verfahrenshelfer der Beklagten bestellt, der gegen das Ersturteil die am 4.7.1984 zur Post gegebene Berufung erhob. Am 5.7.1984 bestellte der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland Rechtsanwalt Dr.Klaus GRÖßWANG zum Verfahrenshelfer der Beklagten.
Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten als verspätet zurück.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 464 ZPO beginne die vierwöchige Berufungsfrist mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils. Lediglich dann, wenn eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei innerhalb dieser Frist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantrage, beginne für sie die Berufungsfrist mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwalts und einer schriftlichen Urteilsausfertigung an ihn, zu laufen. Diese Bestimmung habe nur den Fall im Auge, daß eine zunächst unvertretene Partei nach Erhalt des Urteils des Erstgerichts zum Zwecke der Erhebung der Berufung die Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenshelfer beantrage. Im vorliegenden Fall sei die Beklagte stets rechtsanwaltlich vertreten gewesen, sodaß die vierwöchige Berufungsfrist mit der Zustellung des Ersturteils an Rechtsanwalt Dr.Leander B zu laufen begonnen habe; die Umbestellung des Verfahrenshelfers habe auf den Fristablauf keinen Einfluß, es könne nur fraglich sein, ob neben Dr.Andreas Leopold C auch Dr.Leander B berechtigt und verpflichtet gewesen sei, die Berufung zu erheben.
Der gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der Beklagten ist gerechtfertigt.
Nach ständiger Rechtsprechung bewirkt das durch Umbestellung herbeigeführte Ausscheiden eines im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechtanwaltes, daß die noch im Lauf befindliche Rechtsmittelfrist mit der Zustellung des Dekrets über die Bestellung des anderen Rechtsanwalts an diesen neu zu laufen beginnt (AnwBl.1984, 448; 3 Ob 513/84; 3 Ob 33/81; SZ 44/133 ua; Fasching Kommentar IV 52; ErgBd.56). Damit wird zur gehörigen Wahrung der Rechte der Verfahrenshilfe genießenden Partei sichergestellt, daß ihrem neuen Verfahrenshelfer zur Informationsaufnahme und zur Ausarbeitung des Rechtsmittels die volle Rechtsmittelfrist zur Verfügung steht. Der Beschluß des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom 5.6.1984 wurde Rechtsanwalt Dr.Andreas Leopold D nach der Aktenlage frühestens am 6.6.1984 (durch Hinterlegung), zugestellt. Demnach wurde aber die am 4.7.1984 zur Post gegebene Berufung der Beklagten rechtzeitig erhoben, sodaß spruchgemäß zu entscheiden ist.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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