OGH 11Os182/84

OGH11Os182/8431.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Jänner 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kohlegger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut Karl A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 27.September 1984, GZ 17 Vr 1.967/83-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt bzw. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird zurückgewiesen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird dem Schöffengericht aufgetragen, sich in dieser Sache der Verhandlung und Urteilsfällung zu unterziehen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft legt dem am 26.März 1956 geborenen, derzeit beschäftigungslosen Großhandelskaufmann Helmut Karl A zur Last, am 5. August 1983 in Bregenz dadurch, daß er mit seinem PKW V 131.749, bei welchem er zuvor das Licht ausgeschaltet hatte, mit Vollgas auf die einen Schutzweg überquerenden Josef B und Peter C zufuhr, wobei Josef D vom PKW seitlich erfaßt und niedergestoßen wurde und hiebei eine Prellung im Bereich der unteren Brust- und oberen Lendenwirbelsäule erlitt und Peter C stürzte und sich einen Bruch des linken Daumens und einen Bluterguß an der Innenseite des rechten Unterfußes zuzog, den genannten Personen absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt und hiedurch das Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB begangen zu haben (S 186 d.A).

Mit dem angefochtenen Urteil erklärte sich das Schöffengericht in dieser Sache für nicht zuständig, weil die Möglichkeit, daß der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, nicht auszuschließen und daher die Entscheidungskompetenz des Geschwornengerichtes gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Staatsanwaltschaft gegen dieses Unzuständigkeitsurteil zugunsten des Angeklagten erhobenen, auf die Z 6 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu. Nach den Umständen des Falles erweist sich für die Frage, ob die inkriminierte Tat als in die sachliche Kompetenz des Schöffengerichtes fallendes Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs. 1 StGB (wie unter Anklage gestellt) oder aber als Verbrechen des versuchten Mordes nach den §§ 15, 75 StGB, worüber das Geschwornengericht zu verhandeln und zu entscheiden hätte, zu beurteilen ist, allein die innere Tatseite von Bedeutung.

Zutreffend weist das Schöffengericht darauf hin, daß gewisse in seinem Unzuständigkeitsurteil näher bezeichnete Umstände, könnten sie als erwiesen angenommen werden, einer Feststellung nicht entgegenstünden, der Angeklagte habe bei der Tat den Eintritt einer Todesfolge ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden. Davon ausgehend gelangte das Schöffengericht zur Ablehnung seiner sachlichen Zuständigkeit offenkundig auf Grund der rechtsirrigen Ansicht, es genüge hiefür bereits eine Verdachtslage, die die Möglichkeit nicht ausschließe, einen Sachverhalt für erwiesen zu halten, der die Subsumtion unter einen den Geschwornengerichten zur Aburteilung vorbehaltenen Tatbestand rechtfertigen würde (siehe S 195, 196 d.A).

Dem kann aber nicht gefolgt werden.

Wenn auch für ein Unzuständigkeitsurteil des Schöffengerichtes kein voller Beweis erforderlich sein kann, daß der Angeklagte eine der im § 14 Abs. 1 Z 1 bis 11 StPO angeführten Taten verübt hat (siehe Mayerhofer-Rieder in ENr. 9 zu § 261 StPO), so reichen doch andererseits bloße Zweifel an der Zuständigkeit des Schöffengerichtes nicht hin. Die vorerwähnte Verdachtslage muß sich vielmehr zu einem sogenannten Anschuldigungsbeweis verdichtet haben (Mayerhofer-Rieder a.a.O. ENr. 10), wovon erst gesprochen werden kann, wenn Verfahrensergebnisse bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes die Annahme der Erfüllung aller Merkmale eines bestimmten Straftatbestandes als naheliegend erkennen lassen.

Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies mit anderen Worten:

Der Angeklagte müßte eines Handelns mit (zumindest bedingtem) Tötungsvorsatz auf Grund bestimmter im Verfahren hervorgekommener Umstände als in höherem Grad verdächtig erscheinen.

Davon kann aber hier nicht die Rede sein:

Das plötzliche Zufahren auf die Fußgängergruppe mit dem zwar unbeleuchteten Fahrzeug, aber unter relativ guten Sichtverhältnissen indiziert an sich - nach Lage des Falles - noch nicht einen Tötungsvorsatz. Stünde es doch nicht einmal mit der - stets gleichbleibenden - Verantwortung des Angeklagten, er habe jene Personen nur schrecken wollen, in Widerspruch. Dem weiteren Hinweis im Unzuständigkeitsurteil, der Angeklagte habe Peter C mit dem 'Kaltmachen' bedroht, kann angesichts des Umstandes, daß diese Drohung weder vom Angeklagten zugegeben noch von möglichen Tatzeugen bestätigt wird und daß an ihrer Realität nunmehr der angeblich so Bedrohte selbst zweifelt (S 175 ff. d.A), keine besondere Bedeutung für einen Rückschluß auf das innere Vorhaben beigemessen werden. Und schließlich fehlt es der vom Zeugen Peter C - allerdings nur im Vorverfahren - bekundeten öußerung des Angeklagten, 'es werde den Zeugen teuer zu stehen kommen' (S 16 d.A), in Richtung eines damit in Aussicht gestellten Angriffes auf das Leben an hinreichendem Substrat.

Aus all dem folgt, daß das Schöffengericht bei der gegebenen Sachlage zu Unrecht seine (sachliche) Zuständigkeit verneinte. Der berechtigten, zum Vorteil des Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher gemäß dem § 285 e StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Da der Angeklagte die von ihm angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde nicht (fristgerecht) ausführte, und es auch unterließ, bei ihrer Anmeldung einen der in den Z 1 bis 11 des § 281 Abs. 1 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen, war seine Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 StPO in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 StPO zurückzuweisen.

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