OGH 8Ob24/84

OGH8Ob24/8417.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GesmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) A***** und 2.) V*****, beide vertreten durch Dr. Rudolf Zitta, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 250.623,70 S sA infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. Jänner 1984, GZ 4 R 243/83‑19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 21. September 1983, GZ 11 Cg 215/82‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00024.840.0117.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 10.586,63 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920 S an Barauslagen und 787,88 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 17. Mai 1979 ereignete sich auf der Paß-Gschütt-Bundesstraße im Ortsgebiet von ***** im Begegnungsverkehr ein Unfall, an dem der von P***** gelenkte LKW der Klägerin mit Betonmischeraufbau (111.523 S) und der von K***** gelenkte, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte LKW-Zug der Erstbeklagten (Zugwagen N 105.758 und Anhänger N 65.700) beteiligt waren. Dabei wurde P***** getötet und wurden beide Fahrzeuge beschädigt. Der wegen dieses Verkehrsunfalls vorerst gegen K***** gestellte Strafantrag wurde gemäß § 227 Abs 1 StPO zurückgezogen.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Bezahlung von 250.623,70 S sA. Der Lenker des LKW-Zugs der Erstbeklagten sei mit einer für die Straßenbreite und die örtlichen Verhältnisse überhöhten Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h gefahren und habe den LKW-Zug so weit nach rechts gelenkt, dass er mit den rechten Rädern des Zugwagens die Bordsteinkante gestreift und dabei eine am Gehsteig befindliche Betonschachtabdeckung hochgekippt habe. Der Anhänger sei über die aufgestellte Abdeckung gefahren und dadurch plötzlich nach links geschleudert worden. Dadurch sei er mit dem gerade entgegenkommenden LKW der klagenden Partei zusammengestoßen. Es treffe daher den Lenker des LKWs der erstbeklagten Partei ein Verschulden an dem Unfall. Der Ersatzanspruch werde auch auf das EKHG gestützt. Für den Lenker des Klagsfahrzeugs sei das plötzliche Schleudern des Anhängers ein unabwendbares Ereignis gewesen.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Den Lenker des LKW-Zugs treffe kein Verschulden, weil die Geschwindigkeit von ca 40 km/h auf der 6,45 m breiten Fahrbahn nicht überhöht gewesen sei; das Aufkippen des Kanaldeckels sei für ihn ein unabwendbares Ereignis gewesen, weil das Vorstehen des Kanaldeckels in die Fahrbahn nicht erkennbar gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von den Beklagten dagegen erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Dagegen richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragte, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die von den Vorinstanzen über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus getroffenen entscheidungswesentlichen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Fahrbahn der im Unfallsbereich keine wesentliche Krümmung aufweisenden Paß-Gschütt-Bundesstraße betrug 6,45 m. In Fahrtrichtung des LKW-Zugs gesehen schließt an den rechten Fahrbahnrand der Straße ein erhöhter, gegenüber der Straße durch eine Granitsteinleiste abgegrenzter Gehsteig an; links von der Fahrbahn befindet sich ein niveaugleiches geschottertes Bankett, auf dem im Unfallsbereich zur Unfallszeit Grabungsarbeiten durchgeführt wurden und Aushubmaterial bis auf 0,4 m in den Fahrbahnbereich hinein gelagert war. Das Aushubmaterial wurde so hoch aufgeschlichtet, dass es mit Kraftfahrzeugen nicht überfahren werden konnte. An der Baustelle wurde gearbeitet. Gegenüber der Grabungsstelle war (in Richtung des Lastzugs gesehen) am rechten Fahrbahnrand ein ca 0,4 m in die Fahrbahn hineinragendes Kanalgitter situiert. Im Bereich des anschließenden Gehsteigs befand sich ein Wasserschacht, der am Unfallstag mit einem Stahlbetondeckel abgedeckt war. Der Deckel war mit einem Flacheisen eingefasst und reichte mit einer Seite – dem Verlauf der Granitsteineinfassung folgend – an den Fahrbahnrand der Bundesstraße heran; er war so gelagert, dass seine Oberfläche niveaugleich mit dem Gehsteig war und damit höher als die angrenzende Fahrbahn lag. Aus der Fahrtrichtung des LKW-Zugs gesehen war die links der Straße befindliche Baustelle auf eine Entfernung von ca 100 m durch eine Tafel „Achtung Baustelle“ angekündigt. Außerdem war die Arbeitsstelle durch eine Abplankung abgesichert. Diese Baustelle und die durch den Erdaushub bedingte Verengung der befahrbaren Straßenfläche um ca 0,4 m waren schon bei Annäherung aus größerer Entfernung wahrzunehmen. Der Lenker des 2,5 m breiten LKW-Zugs der erstbeklagten Partei näherte sich der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von ca 40 bis 45 km/h. Er nahm schon aus größerer Entfernung sowohl das Vorhandensein der Baustelle als auch das Entgegenkommen des Betonmischers der Klägerin wahr. Bei der Straßenbreite von 6,45 m und der Breite beider Fahrzeuge von rund 5 m stand auch bei Bedachtnahme auf die gegebene Fahrbahnverengung für die Begegnung beider Fahrzeuge ein freier Raum von ca 1,05 m zur Verfügung. Das entgegenkommende Fahrzeug der Klägerin hielt eine Geschwindigkeit von ca 30 bis 40 km/h ein. Für durchschnittliche LKW-Lenker ist es ohne weiteres möglich, bei Geschwindigkeiten im Bereich zwischen 30 bis 50 km/h äußerst rechts an den Straßenrand auszuweichen und damit den rechnerisch größten Sicherheitsabstand zum Gegenverkehr zu erzielen. Bei Ansichtigwerden des unauffällig mit geringerer Geschwindigkeit entgegenkommenden Betonmischers entschloss sich der Lenker des Fahrzeugs der Erstbeklagten, seine Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fortzusetzen. Er beabsichtigte ganz an den rechten Fahrbahnrand auszuweichen und der Gehsteigkante entlangzufahren, ohne diese zu streifen. Dabei wäre bei der Begegnung für den Gegenverkehr ein ca 3,50 m freier Fahrbahnteil verblieben (6,05 m abzüglich ca 5 cm Abstand zur Gehsteigkante minus ca 2,5 m Fahrzeugbreite ergibt 3,5 m). Hiedurch hätte er dem entgegenkommenden LKW-Lenker, dessen Fahrzeug ungefähr gleich breit war, die Einhaltung von ausreichenden Sicherheitsabständen zur Baustelle und zum Gegenverkehr ermöglicht. Auch der Lenker des Fahrzeugs der klagenden Partei hatte keinen Anlass, die Begegnungssituation bedenklich aufzufassen. Er behielt seine Fahrgeschwindigkeit bei und wäre (ohne Unfall) mit ausreichendem Sicherheitsabstand (rechts und links je ca 0,5 m) an der Baustelle und am entgegenkommenden LKW-Zug vorbeigefahren. Der auf dem Gehsteig befindliche Schachtdeckel war gegen ein Aufkippen nicht abgesichert, da er nur lose in seiner Fassung lag und die zur Straße gerichtete Seite ungesichert frei lag. Ähnlich konstruierte Schachtdeckel, die sich im Bereich der Bundesstraße an anderen Stellen befanden, waren bei früheren Gelegenheiten durch Anfahren von Kraftfahrzeugen verschiedentlich aus ihrer Auflage geworfen worden; die sodann auf der Fahrbahn liegenden oder in sie hineinragenden Deckel wurden meist von Gemeindebediensteten im Zuge der Straßenreinigung wieder in ihre ursprüngliche Lage gebracht. Am Tage des Unfalls stand der Schachtdeckel im Bereich der Unfallstelle zumindest 1 bis 2 cm weit in die Fahrbahn der Bundesstraße hinein. Es konnte von den Vorinstanzen nicht ausgeschlossen werden, dass der Deckel noch weiter und damit auffälliger in die Bundesstraße hineingeragt hat. Falls der Deckel nur 1 bis 2 cm über die Gehsteigkante vorgestanden ist, war dies für den Lenker des LKW-Zugs bei seiner Annäherung an den Schachtdeckel unter Bedacht auf die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit nicht wahrnehmbar. Es wäre für ihn nicht zu erkennen gewesen, dass der Kanaldeckel irgendeine Gefahr für sein Fahrzeug darstellen könnte. Falls der Deckel weiter vorgestanden hätte, wäre dies für den Lenker des Beklagtenfahrzeugs wahrnehmbar gewesen. K***** hat den Schacht und dessen Abdeckung vor dem Unfall überhaupt nicht bewusst wahrgenommen. Mit den rechten Rädern des Zugfahrzeugs wurde der zumindest 1 bis 2 cm in die Fahrbahn hineinragende Rand des Schachtdeckels gestreift; hiedurch wurde der Deckel aus seiner horizontalen Lage gekippt und stellte er sich unter dem Kraftwagenzug auf. Das rechte vordere Zwillingsrad des unbeladenen und daher bei Hindernissen instabilen Anhängers fuhr auf den in Längsstellung befindlichen Schachtdeckel auf. Dadurch wurde der Schachtdeckel nach rechts auf den Gehsteig geschleudert, die Frontpartie des Anhängers jedoch nach links auf den Gegenverkehr versetzt. Es kam zu einer Überdeckung zwischen dem LKW der Klägerin und dem Anhänger des LKW-Zugs. Der Aufbau des Anhängers wurde durch die Wucht des Zusammenstoßes vom Fahrgestell getrennt und kam nach einer Drehung um mehr als 90 Grad nahezu zur Gänze außerhalb der Straße zu liegen. Der LKW der Klägerin stand in der Endposition schräg nach links auf der Fahrbahn, während sich der LKW-Zug nach dem Unfall zum Teil auf dem erhöhten Gehsteig befand, wobei der Anhänger annähernd fahrbahnparallel war. Das Fahrerhaus des Betonmischers war stark verformt. Diese auffallend breite Überdeckung ist damit zu erklären, dass durch die Verdrehung des nach links geschleuderten Anhängeraufbaus dessen vordere Schmalseite zunehmend in Richtung Straßenmitte geriet, sodass die Überdeckung solange zunahm bis die Längsachse des Betonmischers dieselbe Richtung aufwies wie die Schmalseite des Anhängeraufbaus.

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht den Unfall für den Lenker des Betonmischers als unabwendbares Ereignis gemäß § 9 Abs 1 EKHG, da auch keiner der Fälle der Haftung für außergewöhnliche Betriebsgefahr nach § 9 Abs 2 EKHG vorliege. Ein Verschulden des Lenkers des LKW-Zugs sei nicht gegeben. Der Erstbeklagte habe aber den Entlastungsbeweis nach § 9 EKHG nicht erbracht, weil bei einer Fahrlinie ganz nahe der Gehsteigkante ein besonders sorgfältiger Lenker mit Beeinträchtigungen wie etwa Reifenschäden mit Schleudergefahr oder Verreißen der Lenkung beim Anstoßen an den Randstein rechnen müsse. Aber auch bei Bejahung der Einhaltung der gebotenen Sorgfalt hafteten die Beklagten, weil die Schleuderbewegung des Anhängers jedenfalls eine außergewöhnliche Betriebsgefahr darstelle, die durch einen Dritten, nämlich andere Straßenbenützer, die den Kanaldeckel verschoben hätten, ausgelöst worden sei.

Das Berufungsgericht erachtete es als nicht erforderlich, auf die Ausführungen in der Rechtsrüge näher einzugehen, weil schon aus anderen Erwägungen der Unfall für den Lenker des LKW-Zugs kein unabwendbares Ereignis dargestellt habe. Die Haftung nach § 9 Abs 1 EKHG sei ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht worden sei. Unabwendbar sei ein Ereignis nur dann, wenn es trotz aller erdenklicher Sachkunde und Vorsicht nicht abgewendet werden könne, wenn sich also in der dem Halter zurechenbaren Sphäre keinerlei Mangel im Sinne des § 9 Abs 1 und 2 EKHG ergebe. Dies bedeute, dass in jedem Falle der Halter nachzuweisen habe, der Lenker habe die äußerste, nach den Umständen des Falles mögliche Sorgfalt eingehalten (Koziol, Haftpflichtrecht II, 457; 2 Ob 46/81). Diese sei dann beobachtet, wenn der Fahrzeuglenker eine besonders überlegene Aufmerksamkeit, Geistesgegenwart und Umsicht gezeigt habe (JBl 1972, 150; ZVR 1974, 190; ZVR 1980, 105 ua). Bleibe ungeklärt, ob ein im Rahmen des § 9 EKHG zu berücksichtigender Umstand für die Entstehung des Unfalls ursächlich war, bestünden also Zweifel darüber, ob der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde, so gehe dies zu Lasten des Halters (ZVR 1970, 91; 1971, 179; 1978, 304 ua). Bei mehreren möglichen Versionen des Unfallsgeschehens sei im Zweifel wegen dieser den Halter treffenden Beweislast von der für den Kläger günstigeren Möglichkeit auszugehen (ZVR 1978, 232 ua). Im vorliegenden Fall sei der Unfall durch das Aufstellen des in die Fahrbahn hineinragenden Kanaldeckels verursacht worden. Das Hereinragen sei bei einem Ausmaß bis 2 cm nicht, darüber hinaus aber wohl erkennbar gewesen. Ein derartiges weiteres Hereinragen und damit die Wahrnehmbarkeit habe nach den Feststellungen nicht ausgeschlossen werden können. Bei der für die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses erforderlichen Sorgfalt wäre bei einem wahrnehmbaren Herausragen des Kanaldeckels und der damit sichtbaren Kippposition ein so nahes Heranfahren des LKW-Zugs an den Gehsteig nicht mehr zulässig und damit der Unfall vermeidbar gewesen. Auch wenn sich der Kraftfahrer nicht auf den konkreten Unfallsablauf habe einstellen müssen, so hätte er doch einen Anstoß an den Kanaldeckel vermeiden müssen, weil nicht nur bei einem Kippen, sondern auch bei einem Überfahren eine Instabilität des Anhängers und damit eine Gefahrenquelle für andere habe eintreten können. Schon aus diesen Gründen liege ein unabwendbares Ereignis für den Lenker des Beklagtenfahrzeugs nicht vor. Dem Erstgericht sei auch zuzustimmen, dass die Schleuderbewegung, die der Anhänger nach links vollführt habe, eine außergewöhnliche Betriebsgefahr darstelle. Koziol, Haftpflichtrecht II, 458, bejahe unter Ablehnung der Auffassung Klugs (ÖJZ 1965, 233 f), dass für außergewöhnliche Betriebsgefahr auch gehaftet werde, wenn diese nicht durch ein Tier oder einen nicht beim Betrieb tätigen Dritten ausgelöst wurde, sondern einen Fall höherer Gewalt darstelle. Das Berufungsgericht schließe sich der hier geäußerten Lehrmeinung an, sodass eine Haftungsbefreiung für die Beklagten auch aufgrund der außergewöhnlichen Betriebsgefahr, auf die der Unfall zurückzuführen gewesen sei, nicht in Betracht komme.

Demgegenüber beharren die Beklagten in ihrer Revision auf dem Standpunkt, im gegenständlichen Fall sei für den Lenker des LKW-Zugs ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 EKHG vorgelegen. Sie wenden sich aber auch gegen die Ansicht der Vorinstanzen, das plötzliche Versetzen des Anhängers habe eine außergewöhnliche Betriebsgefahr dargestellt; die vom LKW-Zug eingehaltene Geschwindigkeit von 40 km/h müsse als so gering angesehen werden, dass sie zur Annahme einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr nicht ausreiche. Die Revisionswebrer verkennen dabei das Wesen der außergewöhnlichen Betriebsgefahr iSd § 9 Abs 2 EKHG und die mit deren Vorliegen verbundenen Rechtsfolgen. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn die Gefahren, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs verbunden sind, durch das Hinzutreten besonderer nicht schon im normalen Betrieb gelegener Umstände vergrößert werden (ZVR 1979/139; 2 Ob 172/82 ua). Als solche durch die gewöhnliche Betriebsgefahr hervorgerufene besondere Gefahrensituationen wurden etwa das Verreißen eines Fahrzeugs (8 Ob 7/81, ZVR 1983/1), allenfalls im Zusammenhang mit der Vornahme einer Notbremsung (ZVR 1978/326; ZVR 1982/280; ZVR 1983/202) oder einem Schleudern des Fahrzeugs (8 Ob 294/81) angesehen. Dies muss aber auch für das Ausbrechen eines Fahrzeugs oder – wie hier – eines Anhängers gelten, wodurch ebenfalls eine besondere Gefahrensituation herbeigeführt wird, die ein so starkes Zurechnungsmoment bildet, dass sie gegenüber dem sie auslösenden Ereignis als Schadensursache verselbständigt wird (vgl EB zur RV des EKHG in Veit-Veit, EKHG4, 135, FN 1 zu § 9; ZVR 1975/273; ZVR 1977/45; ZVR 1978/326 ua).

In ihrer Rechtsrüge vertreten die Beklagten schließlich noch die Meinung, der Erstbeklagte hafte für die vom LKW-Zug ausgegangene außergewöhnliche Betriebsgefahr nicht, weil aus § 9 EKHG klar hervorgehe, dass das Verhalten des Tieres oder des nicht beim Betrieb tätigen Dritten dem Schadenseintritt unmittelbar vorangehen müsste. ein unmittelbares Verhalten eines Dritten liege hier aber nicht vor, weil zwischen dem Verschieben des Kanaldeckels – wollte man dieses auf ein Verhalten eines Dritten zurückführen – und dem Versetzen des Anhängers kein unmittelbarer Zusammenhang iSd § 9 EKHG bestehe. Auch diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach § 9 Abs 2 EKHG haftet der Halter für die Folgen eines durch einen außenstehenden Dritten oder ein Tier und – nach Koziol (Haftpflichtrecht II² 559), und der ihm folgenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17. Mai 1983, 2 Ob 172/82, entgegen der von Klug, die Haftbefreiungsgründe des § 9 EKHG, ÖJZ 1965, 233 f vertretenen Ansicht – auch durch höhere Gewalt herbeigeführten Unfalls, wenn der Unfall unmittelbar auf die durch diese Ereignisse ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen ist. Voraussetzung für das Platzgreifen einer Gefährdungshaftung trotz Unabwendbarkeit des Ereignisses ist somit, dass der Unfall unmittelbar auf die außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen ist, die durch die genannten Ereignisse (außenstehender Dritter, Tier oder höhere Gewalt) ausgelöst wurde; der unmittelbare Zusammenhang muss daher zwischen der außergewöhnlichen Betriebsgefahr und dem Unfallsereignis und nicht zwischen dem Verhalten des Dritten, des Tieres oder als höhere Gewalt anzusehenden Ereignis und dem Unfall bestehen. Liegt aber eine außergewöhnliche Betriebsgefahr vor, die iSd letzten Hablsatzes des § 9 Abs 2 EKHG als Schadensursache verselbständigt wird, so kommt – entgegen der Ansicht der Revisionswerber – ein Haftungsauschluss iSd § 9 Abs 1 EKHG nicht mehr in Betracht, selbst wenn der Lenker des LKW-Zugs jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beobachtet hätte (ZVG 1978/326; ZVR 1980/280 ua).

Die Vorinstanzen haben somit zu Recht die Voraussetzungen einer Gefährdungshaftung des Erstbeklagten als Halter des LKW-Zugs und damit auch einer Haftung der Zweitbeklagten als Haftpflichtversicherer (§ 63 KFG 1967) für die Folgen aus dem gegenständlichen Unfall als gegeben angenommen.

Der Revision konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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