OGH 7Ob704/84

OGH7Ob704/8417.1.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder Doris G*****, geboren am ***** 1972, und Stefan G*****, geboren am ***** 1973, infolge Revisionsrekurses der Mutter Elisabeth G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Benn‑Ibler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. September 1984, GZ 43 R 929/84‑198, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 18. Juni 1984, GZ 3 P 14/83‑188, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00704.840.0117.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Nach der zuletzt getroffenen gerichtlichen Regelung steht dem Vater der beiden Minderjährigen ein Besuchsrecht an jedem ersten Sonntag im Monat von 9:00 Uhr bis 19:00 Uhr zu (ON 93). Die Mutter beantragt dem Vater das Besuchsrecht gänzlich zu entziehen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach seinen Feststellungen haben sich die Fronten zwischen den Eltern im Laufe der Zeit verhärtet. Die Eltern sind derart aversiv und feindlich zueinander eingestellt, dass sie nicht einmal ein Telefongespräch führen können. Die Minderjährigen nehmen am Konflikt der Eltern mehr denn je Anteil. Die Mutter hat ihre Einflussmöglichkeit auf die Kinder voll ausgenützt. Es ist ihr gelungen, die beiden Minderjährigen zu Parteigängern im Streit um das Besuchsrecht zu machen. Bei beiden Kindern konnte aber keine betont negative Haltung gegenüber dem Vater festgestellt werden. Beide Kinder weisen jedoch Merkmale einer neurotischen Störung auf. Bei der mj Doris zeigen sich erhöhte Ängstlichkeit, ausgeprägte seelische Unsicherheit und Ambivalenzgefühle. Beim mj Stefan steht eine starke seelische Bedrückung mit besonderen Hemmungsreaktionen und affektiver Einengung im Vordergrund. Wenn die derzeitigen Gegebenheiten keine Änderung erfahren, ist die seelische Gesundheit der Minderjährigen bedroht. Ein negatives Vaterbild stört insofern die weitere psychosoziale Ausreifung, als gerade die günstige Bewältigung der Pubertätskrise bei jedem Kind sehr vom Erleben der Persönlichkeit des Vaters mitbestimmt wird. Nach den allgemeinen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen heißt dies: Je negativer das Vaterbild ist, umso größer sind die Pubertätsprobleme. Bei den beiden Minderjährigen muss daher befürchtet werden, dass unter Umständen schwere Pubertätsneurosen mit dauernden seelischen Schäden auftreten können. Zur gedeihlichen psychischen Entwicklung ist der Kontakt zum Vater erforderlich. Eine weitere Kontaktlosigkeit der Kinder zum Vater könnte deren seelische Gesundheit gefährden. Für eine Gefährdung der körperlichen Gesundheit der Minderjährigen gibt es keine Hinweise. Die beiden Minderjährigen lehnen zwar ein Besuchsrecht des Vaters ab. Für diese Ablehnung sind aber mehr die Wirkungsweisen der Mutter als effektive Eigeninitiativen der Kinder ausschlaggebend. Die neurotisierten und leicht zu verunsichernden Kinder sehen in der Mutter die dominierende Bezugs‑ und Vertrauensperson. Infolge ihrer leichten Beeinflussbarkeit folgen sie den Tendenzen der Mutter. Diese hat es nicht zuwegegebracht, den Minderjährigen einen sicheren Rückhalt und eine ausreichende Geborgenheit zu bieten. Dies drückt sich in der anhaltenden seelischen Irritation der Minderjährigen aus.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, dass eine gänzliche Versagung des Besuchsrechts nur aus besonders schwerwiegenden Gründen zulässig sei, insbesondere wenn das Wohl der Kinder eine solche Maßnahme erfordere. Im vorliegenden Fall verlange aber gerade das Wohl der Kinder einen Kontakt zum Vater, weil durch eine weitere Kontaktlosigkeit die seelische Entwicklung der Kinder gefährdet wäre.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss und trat der Rechtsmeinung des Erstgerichts bei.

Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter nach § 16 AußStrG aus den Anfechtungsgründen der Aktenwidrigkeit und der Nichtigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens dieser Anfechtungsgründe unzulässig.

Bei der Feststellung, dass für die Ablehnung der Besuchskontakte durch die Kinder mehr die Wirkungsweisen der Mutter ausschlaggebend waren, handelt es sich um eine Schlussfolgerung im Tatsachenbereich, die den Vorwurf der Aktenwidrigkeit nicht begründen kann (EFSlg 39.780, 37.376 uva). Von den auch im Außerstreitverfahren sinngemäß geltenden Nichtigkeitsgründen der Zivilprozessordnung (EFSlg 42.366) kommt nach den Rechtsmittelausführungen nur der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO in Betracht. Dieser ist jedoch nicht schon bei bloß mangelhafter Begründung einer Entscheidung verwirklicht, sondern nur bei Vorliegen der in dieser Bestimmung näher umschriebenen, qualifizierten Voraussetzungen (MGA ZPO 13 § 477 Z 9/3 f; Fasching  IV, 305). Die Meinung, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen so unzureichend begründet wären, dass sie sich nicht überprüfen ließen, wird jedoch nicht einmal von der Rechtsmittelwerberin vertreten (vgl AS 71).

Demgemäß ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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