OGH 2Ob661/84

OGH2Ob661/8418.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Hermann H*****, vertreten durch Dr. Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei prot. Firma L***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Wolf Dieter Jetzelsberger und Dr. Michael Wonisch, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 733.365,28 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 9. Juli 1984, GZ 1 R 177/84-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. Mai 1984, GZ 14 Cg 576/82-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben, die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die von der Hermann H***** Gesellschaft mbH für die beklagte Partei errichtete Wohnhausanlage in S***** weist folgende Mängel auf: Im Bereich der Blumentröge und Balkonbrüstungen wurden die außenseitigen Balkonestrich- und Fugenabschlüsse unsauber ausgeführt. Bei den Außenputzarbeiten wurden die unteren Abschlüsse nicht geradlinig hergestellt, die Mörtelreste wurden zum Teil nicht beseitigt. Die oberen Anschlüsse der Kunststoffnoppenmatten wurden nicht einwandfrei am Untergrund befestigt. Die Behebung dieser Mängel erfordert einen Aufwand von rund 30.600 S. Die von der beklagten Partei begehrte Behebung der Mängel wurde bisher nicht vorgenommen. Die Hermann H***** GesmbH hat dem Kläger nach dessen Behauptungen ihre Werklohnrestforderung abgetreten. Gegen das auf Bezahlung dieser Forderung samt Anhang gerichtete Klagebegehren wendet die beklagte Partei ua mangelnde Fälligkeit wegen Nichtvornahme der verlangten Mängelbehebung ein.

Das Erstgericht folgte dem Rechtsstandpunkt der beklagten Partei und wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil aus dessen Gründen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene Revision des Klägers ist im Ergebnis berechtigt.

Die Rechtsmeinung der Vorinstanzen über das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers eines Werks entspricht allerdings der auch im Schrifttum gebilligten herrschenden Rechtsprechung. Der Besteller des Werks darf die gesamte Gegenleistung bis zur gehörigen Erfüllung des Vertrags, somit bis zur begehrten Verbesserung des mangelhaften Werks, verweigern. Dieses Recht steht dem Besteller grundsätzlich auch bei Vorliegen geringer Mängel zu und findet seine Grenze nur in dem im § 1295 Abs 2 ABGB normierten, nicht nur für den Bereich des Schadenersatzrechts geltenden Grundsatz, dass die Ausübung eines Rechts nicht zur Schikane ausarten darf (SZ 54/35; SZ 53/7; SZ 52/23; SZ 48/108 ua; Aicher in Rummel ABGB Rdz 7 zu § 1052). Der Hinweis der Revision auf die vereinzelt vertretene Meinung der Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts auf das zur Mängelbehebung erforderliche Deckungskapital (SZ 44/69; Wahle in Klang 2 IV/2 90) bietet keinen Anlass, von der herrschenden Rechtsprechung abzugehen. Eine solche Beschränkung würde dem mit dem Leistungsverweigerungsrecht verfolgten Zweck nicht gerecht, dem Besteller die Erlangung eines einwandfreien Werks zu sichern und ihn der undankbaren Aufgabe zu entheben, auf Erbringung der Verbesserung klagen oder selbst die Beseitigung der vorhandenen Mängel durch einen anderen Unternehmer erreichen zu müssen. Dem Besteller wird damit keineswegs eine beliebige Verzögerung der Zahlung zugestanden, liegt es doch beim Unternehmer, von vornherein ein mängelfreies Werk herzustellen oder vorhandene Mängel umgehend zu beheben. Da die festgestellten Mängel einen Aufwand von immerhin rund 30.000 S erfordern, liegen auch keine bloß geringfügigen Mängel vor. Der beklagten Partei kann daher auch nicht schikanöse Rechtsausübung vorgeworfen werden, weil diese nur dann gegeben wäre, wenn eine Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildete (SZ 28/133 uva). Unzutreffend ist auch - wie bereits das Berufungsgericht richtig hervorgehoben hat - die Rechtsmeinung des Klägers, dass die Bestimmungen des § 377 HGB anzuwenden seien. Diese Bestimmungen gelten nur für den Bereich des Handelskaufs, also des Kaufs von Waren oder Wertpapieren, sowie des Werklieferungsvertrags, der eine bewegliche Sache zum Gegenstand hat. Auf den reinen Werkvertrag (wie im vorliegenden Fall) ist § 377 HGB nicht anzuwenden (JBl 1983, 39; RdW 1984, 41; Schlegelberger-Hefermehl, HGB5 Rdz 8 zu § 377).

Die Fälligkeit des Werklohns kann zwar nur so lange hinausgeschoben werden, als ein Verbesserungsanspruch besteht und die Verbesserung im Interesse des Bestellers liegt. Fällt dieses Interesse weg, besteht kein Bedürfnis nach Gewährung eines gänzlichen Leistungsverweigerungsrechts (RdW 1984/41). Daraus lässt sich aber für den Kläger deshalb nichts gewinnen, weil die Veräußerung der Eigentumswohnungen durch die beklagte Partei und der Umstand, dass die beklagte Partei bisher wegen der vorhandenen Mängel nicht in Anspruch genommen wurde, für sich allein noch nicht einen Interessewegfall bedeutet. Darüber hinausgehende Behauptungen wurden aber vom Kläger gar nicht aufgestellt.

Das Recht auf Zurückbehaltung des Entgelts für die bereits erbrachte Werkleistung ist dispositiver Natur. Es kann in der Regel - von den hier nicht in Betracht kommenden Einschränkungen nach § 6 Abs 1 Z 6 und 7 des Konsumentenschutzgesetzes abgesehen - durch Parteienvereinbarung abbedungen und auch modifiziert werden. Im vorliegenden Fall haben sich beide Parteien auf einen vereinbarten Haftrücklass berufen, die beklagte Partei auch unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der Ö-Norm B 2110. Dieser Ö-Norm kommt aber keine allgemein verbindliche Wirkung zu, weil sie nicht gemäß § 5 des Normengesetzes 1971 für verbindlich erklärt wurde (vgl Ö-Normenverzeichnis Teil 1 153 f; JBl 1972, 200; EvBl 1970/96). Sie könnte daher nur kraft Parteienvereinbarung Geltung haben. Die Vereinbarung eines Haftrücklasses kann - entgegen der Meinung des Berufungsgerichts - nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der redlichen Verkehrsübung nicht nur als Absicherung allfälliger Rückforderungsansprüche des Bestellers, sondern auch als Sicherungsmittel für alle in der Regel in Betracht kommenden Gewährleistungsansprüche des Bestellers verstanden werden. Die Vereinbarung eines Haftrücklasses in bestimmter Höhe könnte daher in Abänderung der allgemeinen Regel das Recht der Leistungsverweigerung auf den vereinbarten Betrag beschränken. Ob eine solche Beschränkung von den Parteien gewollt war, ist nach den Auslegungsregeln der §§ 914 f ABGB zu ermitteln. Eine abschließende Stellungnahme zu dieser Frage ist jedoch entbehrlich, weil keine Feststellungen der Vorinstanzen über die von den Parteien tatsächlich getroffene Vereinbarung eines Haftrücklasses vorliegen. In dieser Richtung ist daher das Verfahren (§ 182 Abs 1 ZPO) zu ergänzen. Je nach dem Ergebnis ist dann allenfalls auch auf die übrigen, bisher nicht geprüften Einwendungen gegen die Klagsforderung einzugehen. Vorerst wird allerdings die strittige Forderungsabtretung zu prüfen sein.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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