OGH 7Ob616/84

OGH7Ob616/8413.12.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude K*****, vertreten durch Dr. Alfred F. Cerny, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Eugen K*****, vertreten durch Dr. Harry Zamponi, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterhalt (Streitwert im Revisionsverfahren 79.200 S samt Nebengebühren), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 3. April 1984, GZ R 82/84‑15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 12. Dezember 1983, GZ C 211/83 ‑9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00616.840.1213.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das im klagsstattgebenden Teil und im Umfang der Abweisung eines Teilbegehrens von 19.120 S als nicht bekämpft unberührt bleibt, wird im Übrigen aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufgetragen, bei der auf die Kosten des Revisionsverfahrens gleich Verfahrenskosten zweiter Instanz Bedacht zu nehmen sein wird.

 

Begründung:

Der Beklagte war aufgrund eines Unterhaltsvergleichs vom 20. 12. 1976 verpflichtet, der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 5.500 S zu bezahlen. In der Folge erfüllte er Wünsche der Klägerin nach einer Unterhaltserhöhung stets nach Maßgabe der kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen und zahlte zuletzt seit Mai 1983 7.530 S und Sozialversicherungsbeiträge von 360 S = zusammen 7.890 S monatlich, also gegenüber der Unterhaltsfestsetzung um 2.390 S monatlich mehr. Mit Klage vom 5. 5. 1983 begehrte die Klägerin eine neue gerichtliche Festsetzung des Unterhalts in der Höhe von 2.660 S über den früheren Titel hinaus, also zusammen 8.160 S. In einem Telefongespräch am 16. 6. 1983 erklärte sich der Beklagtenvertreter damit einverstanden, ein Versäumungsurteil ergehen zu lassen, wenn die in der Zwischenzeit geleisteten Zahlungen im Klagebegehren berücksichtigt würden. In der Folge besuchte auch die Klägerin – weil sie aus einer vom Gericht eingeholten Lohnauskunft erkannte, dass sie in ihrer Klage zu wenig begehrt hatte – die Tagsatzung vom 21. 6. 1983 nicht und dehnte mit einem Fortsetzungsantrag vom 22. 9. 1983 das Klagebegehren um weitere (3.111 S monatlich, später wieder eingeschränkt auf weitere) 2.200 S auf einen Erhöhungsbetrag von 4.860 S (= insgesamt 10.360 S) monatlich aus, weil diese Erhöhung der Lohnauskunft entspreche. Der Beklagte machte geltend, dass die Rechtssache bereits anlässlich des Telefonats vom 16. 6. 1983 verglichen worden sei.

Der Erstrichter gab dem erweiterten Klagebegehren voll statt. Er vertrat die Rechtsansicht, dass eine vergleichsweise Unterhaltsfestsetzung anlässlich des Telefonats vom 16. 6. 1983 oder später nicht erfolgt sei und der Unterhalt daher in der beim ursprünglichen Vergleich maßgeblichen Relation von rund einem Drittel des Einkommens des Beklagten festzusetzen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren im Umfang des erweiterten Begehrens ab, weil einerseits die vom Erstgericht festgestellte Vereinbarung einen Unterhaltsvergleich darstelle und andererseits die Erhöhungsbeträge rückwirkend keinesfalls begehrt werden könnten. Überdies wies die zweite Instanz das ursprüngliche Begehren im Umfang der bis Dezember 1983 bereits geleisteten Zahlungen ab.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin gegen die Teilabweisung des ausgedehnten Klagebegehrens auf weitere 2.200 S monatlich ist berechtigt.

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin hängt die Frage einer rechtsgeschäftlichen Willensäußerung nicht davon ab, ob beide Parteien vorhatten, einen Vertrag zu schließen, weil der Erklärungsinhalt im Schuldrecht nach den allgemeinen Auslegungsregeln aus dem Empfängerhorizont, also danach zu beurteilen ist, welches Verständnis ein redlicher Erklärungsempfänger von der Erklärung gewinnen durfte und gewonnen hat ( Rummel in Rummel , ABGB, Rdz 8 zu § 863 mwN). Eine rechtsgeschäftliche Erklärung der klagenden Partei in Richtung einer Zustimmung zu einem Vergleichsanbot ist allerdings im vorliegenden Fall schon deshalb fraglich, weil überhaupt keine bestimmte Erklärung des (damaligen) Klagevertreters beim Telefongespräch vom 16. 6. 1983 festgestellt wurde.

Dem Fehlen klarer Feststellungen in dieser Richtung kommt aber keine entscheidende Bedeutung zu, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch eine ausdrückliche oder stillschweigende Annahme eines Anbots des Beklagtenvertreters – es zu einem Versäumungsurteil kommen zu lassen, wenn die in der Zwischenzeit geleisteten Zahlungen im Klagebegehren berücksichtigt würden – zu keinem Vergleichsabschluss geführt hätte, der dem in der Folge ausgedehnten Klagebegehren entgegenstünde. Einerseits war die gewünschte Einschränkung des Klagebegehrens selbstverständlich und überflüssig (EFSlg 23.221, 38.207, 40.710), sodass eher ein Anerkenntnisvertrag (im Umfang der ganzen begehrten Erhöhung) anzunehmen wäre. Darüber hinaus ist aber eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die zu einem Abgehen von einem verglichenen Unterhaltsbetrag für die Zukunft berechtigt, schon darin zu erblicken, dass dem Unterhaltsberechtigten nach Abschluss der Vereinbarung die richtige höhere Bemessungsgrundlage bekannt geworden ist. Es bedarf dann für die Geltendmachung des höheren Unterhalts nur für die Zukunft auch keiner Anfechtung des gerichtlichen Vergleichs wegen Irrtums (EFSlg 37.614). Schon aus diesem Grunde war die Klägerin ebenso, wie sie es nach einem irrtümlich erwirkten Versäumungsurteil gewesen wäre (vgl auch Wit , JBl 1981, 406 ff), im noch anhängigen Verfahren berechtigt, ungeachtet eines außergerichtlichen Anerkenntnisses oder Vergleichs für die Zukunft den richtigen Unterhaltsbetrag zu begehren. Eine bindende Vereinbarung steht also entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts dem strittigen Restbegehren nicht im Weg. Dasselbe gilt aber auch für die Einwendung des Beklagten, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung die Gehaltsauskunft des Dienstgebers vom 27. 5. 1983 bereits aktenkundig gewesen sei. Es kommt nicht darauf an, ob der damalige Klagevertreter sich durch Akteneinsicht über das wahre Einkommen des Beklagten informieren hätte können, sondern höchstens darauf, ob er die Lohnauskunft bereits gekannt hat. Hier waren aber die Parteien weder von der Einholung der Lohnauskunft noch von deren Einlangen verständigt worden, und auch die Ergebnisse des Beweisverfahrens bieten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin oder ihr Vertreter das wahre Einkommen des Beklagten im Zeitpunkt des Telefongesprächs der Rechtsanwälte bereits gekannt hätte.

Der Anspruch der Klägerin auf weitere Unterhaltserhöhung besteht daher für die Zeit ab der Klagsausdehnung dem Grunde nach zu Recht. Für die Vergangenheit gebührt hingegen nach ständiger Rechtsprechung kein Unterhalt. Die Erlassung eines Teilurteils hierüber ist aber nicht zweckmäßig.

In seiner Berufung hatte der Revisionsgegner die Bemessung der Unterhaltserhöhung auch mit dem Argument bekämpft, selbst bei Zugrundelegung der ursprünglichen Relation zwischen Unterhalt und Einkommen ergebe sich kein höherer als maximal der Betrag von 8.400 S monatlich. Mit Bemessungsfragen kann sich aber der Oberste Gerichtshof auch im Rahmen einer zulässigen Revision nicht befassen (EvBl 1964/425, SZ 49/28 uva). Da sich das Berufungsgericht auch in den Entscheidungsgründen nicht abschließend mit der Bemessungsfrage befasst hat, muss die Rechtssache an die zweite Instanz zurückverwiesen werden.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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