OGH 2Ob662/84

OGH2Ob662/8427.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.-Ing. Darinka P*****, vertreten durch Dr. Gert Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Elmar A*****, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 848.000 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. Juli 1984, GZ 4 R 106/84-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 27. März 1984, GZ 25 Cg 13/82-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat dem Beklagten die mit 15.865,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.200 S Barauslagen und 1.333,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte und Siegfried P*****, der damalige Ehemann der Klägerin, erwarben im Jahr 1971 je zur Hälfte eine Liegenschaft auf dem Semmering und errichteten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Führung des auf der Liegenschaft befindlichen Hotels und zur Verwertung der sonstigen Liegenschaftsanteile. Es sollten Neu- und Umbauten durchgeführt werden. 1972 übertrugen der Beklagte und Siegfried P***** die Planung und Bauleitung für den Neubau der Klägerin. Diese legte für erbrachte Leistungen eine Rechnung über 1,5 Millionen S oder 1,8 Millionen S. Sie erhielt einen Teilbetrag von 399.999 S bezahlt. Da weitere Geldmittel nicht vorhanden waren, wurde vereinbart, dass die Klägerin einen Miteigentumsanteil an der Liegenschaft, mit dem das Wohnungseigentum an den zu errichtenden Wohnungen Nr 37 und 38 zu verbinden sei, um 848.000 S erwerbe und der Kaufpreis mit dem noch offenen Architektenhonorar der Klägerin in Gegenverrechnung gebracht werde. Die Übernahme und Übergabe sollte mit der bücherlichen Durchführung des noch zu errichtenden verbücherungsfähigen Kaufvertrags erfolgen. Ein solcher Vertrag wurde jedoch nicht errichtet. In der Folge schied Siegfried P***** aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit der Beklagten aus. Am 19. 4. 1977 unterfertigte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, in welcher sie unwiderruflich auf alle wie immer gearteten Ansprüche, insbesondere aus Architektenleistungen gegenüber dem Beklagten verzichtete und sich durch die bereits erfolgten Zahlungen für vollkommen befriedigt erachtet. Diese Verzichtserklärung war Bestandteil der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Siegfried P***** und dem Beklagten.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Bezahlung eines Betrags von 848.000 S mit der Begründung, die Verschaffung von Miteigentum und Wohnungseigentum an den Wohnungen Nr 37 und 38 durch den Beklagten sei nicht mehr möglich, sodass die vereinbarte Gegenverrechnung nicht mehr stattfinden könne und der ursprüngliche Geldanspruch der Klägerin wieder auflebe.

Der Beklagte wendete unter anderem ein, die Klägerin habe auf alle Ansprüche verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, die Aussagen der Klägerin und des Siegfried P*****, der Anspruch der Klägerin auf Eigentumsübertragung der Apartments 37 und 38 sei von der Verzichtserklärung nicht umfasst gewesen, würden durch den klaren Wortlaut der Verzichtserklärung widerlegt. Der Anspruch der Klägerin sei durch Verzicht erloschen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es vertrat die Ansicht, die Verzichtserklärung sei nach der Vertrauenstheorie auszulegen. Ein redlicher und verständiger Erklärungsempfänger habe die Erklärung der Klägerin dahin verstehen dürfen, dass ihm gegenüber die Klägerin keine Ansprüche mehr unter welchem Titel und aus welchem Geschäft immer erheben werde. Die Klägerin habe ein obligatorisches Anwartschaftsrecht auf Übergabe der Wohnungen Nr 37 und 38 und Einverleibung des Eigentums an der Liegenschaft sowie des Wohnungseigentums gehabt. Die Erklärung des Verzichts auf Ansprüche welcher Art immer habe von einem redlichen und verständigen Erklärungsempfänger dahin verstanden werden dürfen, dass damit auch auf das obligatorische Anwartschaftsrecht verzichtet werde. Ein davon abweichender Wille der Klägerin sei unbeachtlich. Zur Auslegung der Willenserklärung der Klägerin wäre nur zu schreiten, wenn die Erklärung mehrdeutig wäre. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Klägerin habe daher auf das Anwartschaftsrecht verzichtet.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtenen Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Verzichtserklärung sei nach der Vertrauenstheorie auszulegen. Sie führt aus, es habe sich um ein unentgeltliches Geschäft gehandelt, weshalb es darauf ankomme, was die Klägerin habe erklären wollen und nicht, wie der Beklagte die Erklärung verstanden habe. Selbst wenn man aber die Vertrauenstheorie heranziehe, hätte zur Auslegung der Erklärung der Klägerin iSd § 915 ABGB geschritten werden müssen, da eine mehrdeutige Erklärung vorliege. Die Verzichtserklärung sei ein einseitig verbindlicher Vertrag, weshalb im Zweifel anzunehmen sei, die Klägerin habe sich die geringere Last auferlegen wollen.

Die Ansicht der Revisionswerberin, es habe sich um ein unentgeltliches Geschäft gehandelt, kann nicht geteilt werden. Die Verzichtserklärung war Bestandteil der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen dem damaligen Ehemann der Klägerin und dem Beklagten. Der Beklagte nahm die Verzichtserklärung an und stimmte der Vermögensauseinandersetzung mit dem Gatten der Klägerin zu. Dass diese Vermögensauseinandersetzung ein zweiseitig verbindlicher Vertrag war, kann nicht zweifelhaft sein. Die Vermögensauseinandersetzung des Beklagten fand zwar nicht mit der Klägerin, sondern deren Gatten statt, doch behauptete die Klägerin nicht, sie habe nicht gewusst, dass ihre Verzichtserklärung Bestandteil dieser Vermögensauseinandersetzung sei (Die Klägerin sagte aus, ihr Gatte habe ihr erklärt, ihre Verzichtserklärung sei Bedingung dafür, dass der beklagte dem Ausscheiden des Gatten der Klägerin zustimme. Sie war sich also bewusst, dass die Erklärung Bestandteil der Vermögensauseinandersetzung war.). Die Klägerin gab ihre Verzichtserklärung somit ab, damit der Beklagte einer Vereinbarung mit ihrem Gatten zustimme. Damit handelte es sich aber nicht um einen einseitig verbindlichen Vertrag, auf den die Vertrauenstheorie nicht anwendbar wäre.

Trotzdem kommt es gemäß § 914 ABGB auf die Absicht der Parteien an. Den Aussagen der Klägerin und ihres früheren Gatten über die Parteienabsicht schenkte das Erstgericht jedoch keinen Glauben. Mangels anderer Beweisergebnisse kann daher nur vom Wortlaut des Vertrags ausgegangen werden. Nach diesem verzichtete die Klägerin aber auf alle wie immer gearteten Ansprüche gegenüber dem Beklagten. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, hatte die Klägerin noch kein Eigentum an Liegenschaftsanteilen erworben, sondern nur ein obligatorisches Anwartschaftsrecht, das von ihrem Verzicht mitumfasst war.

Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen, weshalb der Revision ein Erfolg versagt bleiben musste.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte