OGH 6Ob702/84

OGH6Ob702/8422.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton D*****, vertreten durch Dr. Anton Pokorny und Dr. Franz Withoff, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K*****, vertreten durch Dr. Hans Frieders und Dr. Heimo Puschner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 740.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 6. September 1984, GZ 1 R 137/84-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. Mai 1984, GZ 14 Cg 95/82-32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte die urteilsmäßige Feststellung, dass er nicht als Bürge und Zahler der beklagten Partei für den von dieser einem namentlich genannten Dritten gewährten Kredit im Betrag von 1,6 Mio S hafte.

Der Kläger hatte zunächst die Echtheit der seinen Namenszug tragenden Urkunde über seine Bürgenverpflichtung bestritten, diese Bestreitung aber nach der Erörterung des im Rechtsstreit eingeholten Schriftsachverständigengutachtens nicht mehr weiter verfolgt. Zur Stützung seines Feststellungsbegehrens hielt der Kläger danach die Behauptungen aufrecht, er habe dem Leiter der Zweigstelle einer inländischen Kreditunternehmung, in dessen Büro dieser mit dem Kreditwerber verhandelt habe, wiederholt erklärt, nur als Ergänzung einer vorgesehenen Pfandhaftung der vom Kreditwerber mit dem Kreditbetrag zu erwerbenden Liegenschaft einerseits betragsbeschränkt bis 500.000 S und andererseits nur unter der Voraussetzung eine Haftung übernehmen zu wollen, dass der Kreditbetrag als Kaufpreis für eine bestimmte vom Kreditwerber angegebenen Liegenschaft verwendet werde. Sollte ihm jedoch die Erklärung eines davon abweichenden Inhalts zuzurechnen sein, würde dies darauf beruhen, dass ihm die Erklärung durch Täuschungshandlungen des erwähnten Zweigstellenleiters herausgelockt worden wäre. Die beklagte Partei habe einen Teilbetrag der Kreditsumme zu Handen eines Treuhänders ausbezahlt und nach dem Scheitern des Liegenschaftsankaufs wieder zurückbezahlt erhalten. Der restliche Kreditbetrag sei aber anderweits verwendet worden. Über das Vermögen des Kreditnehmers sei in der Folge der Konkurs eröffnet worden. Die Beklagte habe das Kreditverhältnis als aufgelöst erklärt, eine Forderung von mehr als 740.000 S geltend gemacht und gegenüber dem Kläger auf der Rechtsverbindlichkeit seiner Bürgenerklärung im Sinne der hierüber errichteten Urkunde vom 23. Jänner 1980 bestanden. Dies habe für den Kläger zur Folge gehabt, dass eine andere inländische Kreditunternehmung seine weitere Kreditwürdigkeit verneint habe.

Die beklagte Partei wendete eine aufrechte Haftung des Klägers im Sinne seiner ohne die behaupteten Willensmängel eigenhändig unterschriebenen Bürgschaftserklärung vom 23. Jänner 1980 sowie das Fehlen eines Feststellungsinteresses ein.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; dabei sprach es aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 300.000 S übersteige.

Aus dem vom Berufungsgericht unter Übernahme der erstrichterlichen Feststellungen zugrundegelegten Sachverhalt ist hervorzuheben:

Ein Kreditwerber bemühte sich um einen von der beklagten Partei zu gewährenden Privatkredit von 1,6 Mio S zur Finanzierung eines Liegenschaftsankaufs. Die beklagte Partei forderte ihn zur Bürgenstellung auf. Der Kläger erklärte sich nach mehreren Gesprächen zur Übernahme einer Bürgschaft bereit.

Am 23. Jänner 1980 unterfertigte der Kläger in einer Zweigstelle einer inländischen Kreditunternehmung vor dem Leiter dieser Zweigstelle, der die Verhandlungen über die Kreditgewährung mit dem Kreditwerber geführt hatte, und in Gegenwart des Kreditwerbers die als Bürgschaftsübernahme bezeichnete Urkunde. Vorher hatte der Kläger den Kreditvertrag der beklagten Partei mit dem Kreditwerber durchgelesen. Nach den über den Formularvordruck hinaus besonders vereinbarten Vertragspunkten 12 bis 16 wurde im Kreditvertrag nicht nur auf die Bürgenhaftung des Klägers (P 12) und dessen Risikoversicherung (P 14) hingewiesen, sondern in P 13 ausdrücklich festgehalten, der Kreditnehmer und seine Ehefrau haben der beklagten Partei „die ihnen künftig je zur Hälfte gehörige Liegenschaft … als Haupteinlage und die ihnen je zur Hälfte gehörige Liegenschaft ... als Nebeneinlage bis zum Höchstbetrag von 2 Mio S ja an erster Stelle simultan zu verpfänden. Die zu erwerbende Liegenschaft ist zum vollen Neubauwert gegen Brandschaden versichert zu halten. Die Vinkulierungserklärung … ist bei Unterschriftsleistung vorzulegen … (Die beklagte Partei) … wird die Treuhandvaluta von 1 Mio S unter Haftung des Kreditnehmers für alle Schäden während der Zeit der Treuhandschaft an Herrn Dr. … überweisen, der für die Eintragung des Simultanpfandrechts an erster Stelle Sorge tragen wird.“

Nach dem Inhalt der Bürgschaftserklärung übernahm der Kläger zur Sicherstellung aller Forderungen der beklagten Partei aus dem näher bezeichneten Kreditverhältnis über die Gewährung eines Kredits von 1,6 Mio S an den Kreditwerber die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB. Bei der schriftlichen Abfassung der Bürgenerklärung wurde ein Vordruck verwendet. Der dritte Absatz des in insgesamt vier Absätze gegliederten Textes lautet wörtlich:

„Ich/wir verzichte(n) auf die Geltendmachung der mir/uns als Bürgen nach dem Gesetz zustehenden Einreden, insbesondere auf die Einrede der Aufrechnung. Ihre Rechte gehen erst dann auf mich/uns als Bürgen über, wenn Sie wegen ihrer sämtlichen Ansprüche gegen den Hauptschuldner vollständig befriedigt sind. Bei etwaiger Verlängerung des von Ihnen gegebenen Kredits bleibt diese Bürgschaft in Geltung.“ Der anschließende Satz: „Sie erlischt auch nicht durch vorübergehende Rückzahlung des Kredits bei Fortbestand des Kreditverhältnisses.“ wurde auf Verlangen des Klägers vor dessen Unterschriftsleistung gestrichen.

Gleichzeitig mit der Unterfertigung der Bürgschaftserklärung unterschrieb der Kläger den Antrag an einen inländischen Versicherer auf Abschluss einer Risikoversicherung mit einer Versicherungssumme von 500.000 S.

Von einer Begrenzung der Bürgenhaftung auf die Höhe dieser Versicherungssumme von 500.000 S war nie die Rede. Im Antrag auf Risikoversicherung wurde die genannte Versicherungssumme gewählt, weil bei einer höheren Versicherungssumme eine ärztliche Untersuchung erforderlich gewesen wäre.

Der Kläger erörterte weder mit dem Kreditwerber noch mit dem Zweigstellenleiter, was in dem Falle geschehen sollte, dass der vom Kreditwerber angestrebte Grunderwerb unterbliebe.

Die beklagte Partei überwies die Kreditsumme im Teilbetrag von 1 Mio S dem im Kreditvertrag als Treuhänder genannten Notar und im Restbetrag auftragsgemäß auf das Konto einer Handelsgesellschaft. Der Liegenschaftskauf des Kreditwerbers kam nicht zustande, der Notar zahlte den Treuhandbetrag von 1 Mio S an die beklagte Partei zurück. Der restliche Kreditbetrag ist nicht vollständig zurückbezahlt.

Als sich der Kläger bei einem inländischen Kreditinstitut um einen Kredit von 50.000 S bewarb, wurde sein Antrag unter Hinweis auf seine Bürgenhaftung für einen 1,6 Mio S-Kredit abgelehnt. Hierauf behauptete der Kläger gegenüber der beklagten Partei zunächst, die Unterschrift auf der Bürgschaftserklärung vom 23. Jänner 1980 stamme nicht von seiner Hand. Später behauptete er eine Betragsbeschränkung der Bürgenhaftung mit 500.000 S.

Das Erstgericht anerkannte das Vorliegen eines Feststellungsinteresses, erachtete aber die begehrte Feststellung nicht als berechtigt. Es folgerte: Die Urkunde über die Bürgschaftserklärung sei echt; dem Kläger sei der ihm oblegene Beweis für das Vorliegen des von ihm behaupteten Willensmangels, der Beschränkung seiner Bürgenhaftung mit einem Betrag von 500.000 S sowie die Bindung seiner Bürgenhaftung an die Voraussetzung, dass der an den Kreditnehmer auszuzahlende Kreditbetrag zu keinem anderen Zweck als dem Ankauf einer bestimmten Liegenschaft verwendet werde, nicht gelungen.

Das Berufungsgericht billigte dem Kläger ebenfalls das Feststellungsinteresse zu, teilte aber auch die dem erstinstanzlichen Urteil zugrundegelegte Beweislastverteilung. Im Übrigen wertete es die vom Kläger behauptete Einschränkung seiner Bürgenhaftung auf den Fall, dass der Kreditnehmer den Kreditbetrag zur Zahlung des Kaufpreises für eine bestimmte Liegenschaft verwende, nicht als eine typische Voraussetzung einer Bürgschaftserklärung, wie sie der Kläger nach dem Inhalt der hierüber vorliegenden Urkunde abgegeben habe; nach dieser Beurteilung sei die Anfechtung der festgestellten Rechtsgeschäftserklärung wegen des sogenannten Entfalls der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen.

Der Kläger ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem im Sinne des Klagebegehrens gestellten Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die beklagte Partei strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Hilfsantrags berechtigt.

Der Kläger verpflichtete sich nach dem Inhalt seiner Bürgschaftserklärung als Bürge und Zahler zur Sicherung der Forderungen der beklagten Partei gegenüber einem dritten Kreditnehmer, weil die beklagte Partei die Kreditgewährung von der Stellung eines tauglichen Bürgens abhängig gemacht hatte. Die Bürschaftsverpflichtung ist wegen der Leistung des Gläubigers an den Hauptschuldner keinesfalls als unentgeltliches Geschäft iSd § 901 letzter Satz ABGB zu werten, selbst wenn in dem - mangels entsprechenden Parteivorbringens nicht näher erörterten und geklärten - Verhältnis des Klägers zum Hauptschuldner die Übernahme der Bürgenhaftung ein reiner Liberalitätsakt gewesen sein sollte. Die Vorinstanzen und auch der Rechtsmittelwerber haben daher zutreffend eine Anfechtbarkeit des Bürgschaftsvertrags aus Gründen, die bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften beachtlich sein könnten, nicht in Erwägung gezogen.

Die Bürgenhaftung des Klägers wurde aber inhaltlich durch die zu besichernde Forderung der beklagten Partei bestimmt. Deshalb ist vorweg zu prüfen, ob die Verwendung der Darlehensvaluta durch den Hauptschuldner zum Ankauf einer bestimmten Liegenschaft etwa ein den Kreditvertrag wesensmäßig bestimmendes Element von der Art war, dass eine andersartige Verwendung der Darlehensvaluta den Kreditvertrag zu einem anderen gemacht hätte. In einem solchen Falle wäre nämlich in einer von der beklagten Partei und dem Hauptschuldner ausdrücklich oder stillschweigend vorgenommenen nachträglichen Umwidmung eines Teils der Kreditsumme zur Abdeckung der Verbindlichkeiten einer - dem Kreditnehmer zumindest wirtschaftlich nahestehenden - Handelsgesellschaft eine Novation mit den Wirkungen des § 1378 ABGB gelegen. Dass die beklagte Partei dem Kreditwerber den von ihm zur Finanzierung eines Liegenschaftskaufs beantragten Kredit nicht oder nur zu wesentlich anderen Abreden in der Hauptsache einzuräumen bereit gewesen wäre, wurde nicht einmal behauptet. Festgestellt wurde vielmehr eine letztlich erfolgreiche Bewerbung des Kreditnehmers um einen „Privatkredit“.

Die Finanzierung eines konkreten Liegenschaftskaufs war zwar der offengelegte Anlass für den Kreditwunsch des Kreditwerbers, ist aber nach dem festgestellten Sachverhalt nicht als Wesensmerkmal des Kreditvertrags im oben erwähnten Sinn zu erkennen.

Ein offensichtliches vertraglich gewahrtes Interesse der beklagten Partei ist aber an der pfandrechtlichen Sicherstellung ihrer Ansprüche aus dem Kreditvertrag anzunehmen, wobei die Bewirkung dieser Besicherung in Ansehung eines Teilbetrags von 1 Mio S durch die vereinbarte Treuhandschaft gewährleistet sein sollte. In dem sicherlich nur hypothetischen Fall, dass dem Kreditwerber das Eigentum an der von ihm mit der Darlehensvaluta zu kaufen gedachten Liegenschaft aufgrund eines anderen Rechtsgeschäfts zugefallen (etwa durch Leibrentenvertrag, Schenkung oder letztwillige Zuwendung), also ein Barerfordernis hinfällig geworden wäre, oder dass sich die Liegenschaftseigentümerin unter Aufrechterhaltung ihre Eigentums zur Pfandbestellung bereit gefunden hätte, hätte die beklagte Partei keine Handhabe besessen, von ihrer Kreditzusage abzustehen oder einen bereits gewährten Kredit wieder einzufordern. Sollte der Kläger bei der Übernahme seiner Bürgschaftsverpflichtung jedoch der Ansicht gewesen sein, die beklagte Partei sei nach dem Kreditvertrag zur Auszahlung der Kreditsumme nur verpflichtet, wenn gewährleistet sei, dass der Betrag zu dem vom Kreditwerber angegebenen Kauf verwendet werde, wäre nach dem festgestellten Sachverhalt die Veranlassung eines derartigen Irrtums nicht der beklagten Partei zuzurechnen. Der Kläger hat nicht behauptet, er habe der beklagten Partei dargelegt oder diese habe auf andere Weise Kenntnis gehabt, aus welchem Grund er sich zur Bürgschaft für den Kreditwerber überhaupt bereit gefunden habe, dass er etwa ein persönliches Interesse am Eigentumserwerb des Kreditwerbers an der Liegenschaft besessen hätte oder ähnliches. Dazu fehlt es auch an Feststellungen. Dass der beklagten Partei ein oben erwähntes Interesse des Klägers hätte auffallen müssen, scheidet ebenso wie eine rechtzeitige Aufklärung eines beim Kläger vorgelegenen Irrtums aus. Die Pfandbestellungsverpflichtung diente offenkundig nur dem Sicherungsbedürfnis der beklagten Partei.

Wäre vor oder bei Leistung der Bürgschaft die vereinbarte Pfandbestellung erfolgt, wäre dem Kläger die Regelung nach § 1360 ABGB zustatten gekommen. Auf die in der Bürgschaftserklärung enthaltene Verzichtserklärung in ihrer allgemeinen Form hätte sich die beklagte Partei aus dem Grunde des § 937 ABGB nicht berufen können.

Die gesetzliche Regelung des § 1360 ABGB umreißt mangels wirksamer Abbedingung die Interessen des Klägers, die bei einer Ergänzung des Bürgschaftsvertrags durch eine Regelung für den nicht bedachten, aber in der Folge eingetretenen Fall der Vereitelung des Liegenschaftskaufs nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs zu beachten sind.

Bis zur Pfandbestellung war die Sicherung der beklagten Partei durch das vereinbarte Simultanpfandrecht auf der zu erwerbenden Liegenschaft und eine bereits im Eigentum des Kreditwerbers und seiner Ehefrau gestandenen Liegenschaft nur durch die Treuhandschaft im Teilbetrag von 1 Mio S gesichert. In dieser Hinsicht ist es zur Rückzahlung und damit - von Nebenforderungen an Zinsen und Spesen abgesehen - auch zu keiner aufrecht gebliebenen Rückzahlungsforderung der beklagten Partei gekommen. Im Übrigen ist aber zu erwägen:

Der Bürgschaftsvertrag ist im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag in ergänzender Vertragsauslegung dahin zu verstehen, dass die beklagte Partei dem Kläger als Bürgen und Zahler gegenüber die Obliegenheit getroffen hat, die im Kreditvertrag vorgesehenen hypothekarischen Sicherheiten zu bewirken, etwa bestehende Ansprüche auf ein Ersatzpfand zu betreiben oder aber ein etwa bestehendes Recht zur vorzeitigen Beendigung des Kreditverhältnisses auszuüben. Soweit infolge einer Verletzung dieser Obliegenheiten durch die beklagte Partei eine Bürgenhaftung des Klägers aktualisiert worden wäre, könnte sie von der beklagten Partei nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie nicht gleichzeitig bewiese, dass auch ohne Obliegenheitsverletzung die Bürgenhaftung eingetreten wäre. Mit anderen Worten, der Kläger hätte zu behaupten und zu beweisen, dass die vorgesehene Pfandhaftung für die beklagte Partei - und damit auch für ihn im Wege der Einlösung - volle Deckung für die Rückzahlungsforderung geboten hätte, die in dem Zeitpunkt bestand, als das Scheitern des Kaufvertrags der beklagten Partei bekannt geworden war, die beklagte Partei es aber verabsäumt habe, ihr zustehende Ansprüche auf Bestellung eines Ersatzpfandes oder auf Aufkündigung des Kreditverhältnisses geltend zu machen; der beklagten Partei stand allerdings der Gegenbeweis offen, dass solche Unterlassungen das Bürgenrisiko nicht erhöht hätten. Es ist daher der übereinstimmende Vertragswille der Streitteile bei Abschluss des Bürgschaftsvertrags zu unterstellen, dass Nachlässigkeiten des Gläubigers, die zur Schmälerung oder zum Verlust der hypothekarischen Sicherstellung führen, ebenso wie Versäumnisse in einer möglichen vorzeitigen Fälligstellung der Rückzahlungverpflichtung gegenüber dem Bürgen zu verantworten sind.

Die beklagte Partei hat sich ernstlich auf eine uneingeschränkte Haftung des Klägers im Sinne seiner Bürgschaftserklärung berufen. Die Vorinstanzen haben daher das Feststellungsinteresse des Klägers zutreffend anerkannt.

Der Kläger hat mit seinen Ausführungen zum sogenannten Wegfall der Geschäftsgrundlage den Entfall seiner Haftung aufgrund von Vertragsregelungen, die trotz fehlenden Niederschlags im Vertragswortlaut als vereinbart angesehen werden müssten, geltend gemacht. Diese Frage ist unter dem Gesichtspunkt der oben dargelegten ergänzenden Vertragsauslegung zu beurteilen. Zur abschließenden Klärung des Rechtsfalls bedarf es aus der von der rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen abweichenden Betrachtungsweise einer Verfahrensergänzung in erster Instanz.

In Stattgebung der Revision war die Rechtssache daher unter Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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