European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00635.840.1122.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Ehe der Eltern des Minderjährigen ist zwar noch aufrecht, doch leben die Eltern in getrennten Haushalten und es ist ein Scheidungsverfahren anhängig. Mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom 27. 10. 1983 wurden die Elternrechte hinsichtlich des Minderjährigen der Mutter V***** zugewiesen. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 14. 3. 1984 wurde dem Vater hinsichtlich des Minderjährigen ein laufendes Besuchsrecht an jedem 2. und 4. Wochenende im Monat von Freitag 12:00 Uhr bis Samstag 19:00 Uhr eingeräumt, sowie die Entscheidung über das weitere Begehren bezüglich des laufenden Besuchsrechts (begehrt wurde jedes 2. und 4. Wochenende im Monat von Freitag 12:00 Uhr bis Montag Vormittag 9:00 Uhr) vorbehalten.
Mit dem Beschluss ON 63 bestellte das Erstgericht Hofrat Dr. E***** zum Sachverständigen und beauftragte ihn zur Gutachtens‑Erstattung darüber, ob die Einräumung des vom Vater beantragten und über den Beschluss vom 14. 3. 1984 hinausgehenden Besuchsrechts dem Wohle des Minderjährigen entspreche (Pt 1.), weiters trug es den Parteien zur Deckung der voraussichtlich entstehenden Sachverständigen‑Gebühren einen Kostenvorschuss von je 3.000 S binnen 14 Tagen auf (Pt 2.) und erteilte ihnen den Auftrag, den Ladungen des Sachverständigen Folge zu leisten (Pt 3.).
Mit dem Beschluss ON 66 hat das Erstgericht den Antrag des Vaters, dem Eintritt des Minderjährigen in eine „gute Privatschule“ zuzustimmen, für welche Kosten der Vater aufkommen würde, zurückgewiesen.
Zufolge Übertragung der Elternrechte (§ 144 ABGB) an die Mutter V***** gemäß § 177 Abs 2 ABGB sei diese die alleinige gesetzliche Vertreterin des Kindes und damit auch berechtigt, über die Wahl der Schule zu entscheiden. Die Wahl der Schule, die das Kind besuchen soll, obliege ausschließlich dem Elternteil, dem die elterlichen Rechte zuerkannt worden seien.
Den vom Vater und der Mutter gegen den Beschluss ON 63 erhobenen Rekursen sowie dem vom Vater gegen den Beschluss ON 66 erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Da das Rekursgericht die Beschlüsse des Erstgerichts bestätigt hat, ist die Anfechtung nur aus den im § 16 AußStrG aufgezählten Gründen der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder der Nullität (Nichtigkeit) zulässig. Der Rekurswerber führt bezüglich der Entscheidung des Rekursgerichts über den Beschluss des Erstgerichts ON 63 aus, es liege bereits ein kinderpsychologisches Gutachten der Jugendgerichtshilfe Wien vor; jede weitere Untersuchung und Befragen des Minderjährigen stelle eine überflüssige und nicht vertretbare Belastung des aufgrund der häuslichen Verhältnisse ohnehin schwer irritierten Kindes dar.
Mit diesem Vorbringen bekämpft der Vater eine verfahrensrechtliche Entscheidung, nämlich die Bestellung eines Sachverständigen durch das Pflegschaftsgericht. Im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG können Verfahrensverstöße aber nur geltend gemacht werden, wenn sie derart schwerwiegend sind, dass ihnen das Gewicht einer Nichtigkeit beigemessen werden muss. Davon kann aber bei der in das Gebiet der Beweiswürdigung des Erstgerichts fallenden Entscheidung über die Bestellung eines Sachverständigen keine Rede sein. Bezüglich der Punkte 2.) und 3.) des erstgerichtlichen Beschlusses ON 63 enthält das Rechtsmittel keine Ausführungen, sodass darauf nicht einzugehen war.
Bezüglich der Entscheidung des Rekursgerichts über den Beschluss des Erstgerichts ON 66 vertritt der Rechtsmittelwerber die Auffassung, es entspreche dem Wohl des Kindes besser, eine gute Schulausbildung zu genießen. Das Pflegschaftsgericht müsste die für das Wohl des Kindes entscheidende Funktion der Schulwahl erkennen.
Diese Ausführungen können dahin verstanden werden, dass der Rechtsmittelwerber in der Entscheidung des Rekursgerichts, welches die Auffassung des Erstgerichts billigte, die Wahl der Schule obliege allein dem Elternteil, dem die Elternrechte zuerkannt worden seien, im vorliegenden Fall also der Mutter, eine offenbare Gesetzeswidrigkeit erblickt.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt jedoch nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird, oder wenn die Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechts in Widerspruch steht (vgl die in GMA 30, Edelbacher , Verfahren Außerstreitsachen 2 zu § 16 AußStrG unter B.) E 19 und E 21 angeführten Entscheidungen). Die Wahl der Schule, die das Kind besuchen soll, zählt nicht zu den im § 154 Abs 2 ABGB taxativ aufgezählten (EFSlg 35.950) Maßnahmen, die zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils bedürfen. Welcher Elternteil die Wahl der Schule zu treffen hat, ist vielmehr im Gesetz überhaupt nicht ausdrücklich geregelt. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit kann daher in der vom Rekursgericht gebilligten Auffassung des Erstgerichts, die Wahl der Schule, die das Kind besuchen soll, obliege ausschließlich dem Elternteil, dem die elterlichen Rechte zuerkannt wurden, nicht erblickt werden. Diese Auffassung entspricht vielmehr der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (EFSlg 40.929). Auch davon, dass durch die Entscheidung des Rekursgerichts Grundprinzipien des Rechts verletzt, etwa das Wohl des Kindes gänzlich missachtet worden sei, kann nach den Umständen des vorliegenden Falls keine Rede sein.
Da der Rechtsmittelwerber somit keinen der im § 16 AußStrG angeführten Anfechtungsgründe darzutun vermochte, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)