OGH 5Ob80/84

OGH5Ob80/8420.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Ramazan Ö*****, vertreten durch Wolfgang W*****, wider die Antragsgegner Leonhardt G*****, und Waltraud O*****, beide vertreten durch Dr. Ernst Mayrhofer, Sekretär des Bezirksverbandes Linz des Landesverbandes der Haus‑ und Grundbesitzer Oberösterreichs, Linz, Spittelwiese 13, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurs der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 16. Juli 1984, GZ 13 R 488/84‑10, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz‑Land vom 17. April 1984, GZ Msch 32/82‑7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00080.840.1120.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Begründung

Die Antragsgegner sind je zur Hälfte Eigentümer des Hauses H*****. Es handelt sich dabei um ein altes Bauernhaus, das vor dem 1. 7. 1953 errichtet wurde und im November 1980, als es die Antragsgegner kauften, leer stand und unbewohnt sowie nicht vermietet war.

Im April 1982 mietete der Antragsteller eine im Erdgeschoss dieses Hauses gelegene, aus drei Wohnräumen und einer Küche im Ausmaß von 50,3 m 2 bestehende Wohnung, die über einen Kaltwasseranschluss verfügt; WC und Badezimmer mit Warmwasseranschluss befinden sich „am Gang“. Von April 1982 bis einschließlich Februar 1983 bezahlte der Antragsteller den Antragsgegnern einen monatlichen Pauschalmietzins von je 1.600 S; eine Betriebskostenabrechnung erfolgte bisher weder für 1982 noch für 1983. Seit März 1983 bezahlt der Antragsteller monatlich 497,18 S einschließlich Umsatzsteuer und 200 S Betriebskosten‑a‑conto.

Mit dem am 20. 12. 1982 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz begehrte der Antragsteller die Entscheidung, dass 1. die Wohnung nach § 16 MRG in die Ausstattungskategorie D falle und demnach der höchstzulässige Hauptmietzins aufgrund von deren Größe 290,70 S einschließlich Umsatzsteuer betrage, 2. die Antragsgegner für die Zeit von April 1982 bis einschließlich Dezember 1982 einen Überschreitungsbetrag von 11.783,70 S (= 1.309,30 S x 9) zurückzuerstatten hätten. Er ging davon aus, dass die Wohnung nur über einen Wasseranschluss verfüge (Kategorie D) und eine Nutzfläche von 48,94 m 2 aufweise, während ihm ein monatlicher Hauptmietzins einschließlich USt von 1.600 S vorgeschrieben worden sei.

Die Antragsgegner begehrten Antragsabweisung und wendeten ein: Die Nutzfläche der Wohnung sei größer als 48,94 m 2 . Der Antragsteller habe eine Badebenützung eingeräumt erhalten, welche das fehlende Kategoriemerkmal „Klosett im Innern“ gemäß § 16 Abs 3 Satz 2 MRG aufwiege. Die monatlichen Mietzinsvorschreibungen von je 1.600 S hätten auch die anteiligen Betriebskosten und öffentlichen Abgaben enthalten. Schließlich sei infolge der trotz Kenntnis der Rechtslage anstandslosen Zahlung des vorgeschriebenen Mietzinses durch mehr als sechs Monate hindurch eine Mietzinsvereinbarung im Sinne des § 16 Abs 1 Z 7 MRG zustandegekommen.

Das Erstgericht sprach unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts aus, dass die Wohnung gemäß § 16 MRG in die Ausstattungskategorie D falle, der höchstzulässige Hauptmietzins monatlich 298,78 S (einschließlich 8 % USt von 22,13 S), seit 1. 1. 1984 monatlich 304,31 S (einschließlich 10 % USt von 27,66 S) betrage und das höchstzulässige Zinsausmaß in der Zeit von April 1982 bis einschließlich Dezember 1982 ohne Berücksichtigung des Umstands, dass in den monatlichen Zinsvorschreibungen Betriebskosten‑a‑conti von je 200 S enthalten gewesen seien, um 11.710,98 S überschritten worden sei. Das Mehrbegehren (Feststellung einer weiteren Überschreitung des höchstzulässigen Zinsausmaßes um 8,08 S einschließlich USt monatlich; Leistungsbegehren) wurde rechtskräftig abgewiesen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner, die nur mehr die Einordnung der Wohnung in die Ausstattungskategorie C anstreben, nicht Folge und erklärte den Revisionsrekurs gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG für zulässig. Es führte aus:

Gemäß § 16 Abs 2 Z 3 MRG sei eine Wohnung der Ausstattungskategorie C eine solche in brauchbarem Zustand, die zumindest über eine Wasserentnahmestelle und ein Klosett im Innern verfüge; nach § 16 Abs 2 Z 4 MRG sei eine Wohnung der Ausstattungskategorie D eine solche, die entweder über keine Wasserentnahmestelle oder über kein Klosett im Innern verfüge. Gemäß § 16 Abs 3 Satz 2 MRG sei eine Wohnung in eine Ausstattungskategorie auch bei Fehlen eines Ausstattungsmerkmals einzuordnen, wenn das fehlende Ausstattungsmerkmal, nicht jedoch eine Badegelegenheit, durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie aufgewogen werde.

Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts habe der Antragsteller eine Wohnung bestehend aus drei Wohnräumen und einer Küche im Ausmaß von 50,3 m 2 mit Kaltwasseranschluss gemietet, wobei sich Toilette und Badezimmer mit Warmwasseranschluss „am Gang“ befänden. Mangels eines im Innern der Wohnung vorhandenen Klosetts sei daher zunächst von einer Wohnung der Ausstattungskategorie D auszugehen.

Ein Badezimmer mit Warmwasseranschluss „am Gang“ sei kein Ausstattungsmerkmal einer höheren Ausstattungskategorie des Mietrechtsgesetzes. Da nach § 16 Abs 3 Satz 2 MRG nur ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie ein fehlendes Ausstattungsmerkmal aufzuwiegen imstande seien, könne das vorhandene Badezimmer mit Warmwasseranschluss „am Gang“ eine Einordnung der vorliegenden Wohnung in die Ausstattungskategorie C nicht rechtfertigen. Der von Rieder in „Die Bundesregierung informiert: Mietrechtsgesetz“ (Seite 21) vertretenen Auffassung, wonach eine Wohnung mit WC und Bad außerhalb des Wohnungsverbandes nicht als D‑Wohnung, sondern als C‑Wohnung gelten solle, könne nicht gefolgt werden, weil diese Rechtsansicht dem Gesetzestext, der für die Einordnung in eine höhere Kategorie ausdrücklich ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie voraussetze, widerspreche. Der Vollständigkeit halber sei noch zu erwähnen, dass das Merkmal des Klosetts auch nicht durch eine „Nutzfläche von mindestens 30 m 2 “ aufgewogen werde, solange die Wohnung nur über einen Kaltwasseranschluss verfüge und Bad sowie WC über den Gang zu benützen seien. Das fehlende Merkmal müsse nämlich durch ein anderes Merkmal aufgewogen werden, das ihm an Bedeutung etwa gleichkomme, was hier nicht der Fall sei.

Gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG sei der Revisionsrekurs gegen die Bestätigung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses für zulässig zu erklären gewesen, weil die Sache im Hinblick auf die Probleme des nachträglichen Einbaues eines Klosetts in Altbauwohnungen und auf die in der von Bundesministerium für Justiz für die rechtssuchende Bevölkerung herausgegebenen Broschüre zum Mietrechtsgesetz gegenteilig geäußerte Rechtsansicht von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag festzustellen, dass die Wohnung des Antragstellers im Haus *****, in die Ausstattungskategorie C (§ 16 Abs 2 Z 3 MRG) einzuordnen sei, sodass der höchstzulässige Hauptmietzins gemäß § 16 Abs 2 Z 3 und Abs 4 MRG vom April 1982 bis Dezember 1983 monatlich 553,30 S zuzüglich 8 % USt, im Jänner 1984 monatlich 553,30 S zuzüglich 10 % USt und seit 1. Februar 1984 monatlich 613,66 S zuzüglich 10 % USt betrage und das höchstzulässige Zinsausmaß demnach für den Zeitraum April 1982 bis Dezember 1982 um 9.021,96 S überschritten worden sei, wobei das monatliche Betriebskosten‑a‑conto von 200 S unberücksichtigt sei.

Die Antragsgegner beharren unter Berufung auf Rieder, „Die Bundesregierung informiert: Mietrechtsgesetz“ (S 21), auf ihrem Standpunkt, dass die gegenständliche Wohnung (zumindest) in die Ausstattungskategorie C falle, weil das fehlende Kategorie‑C‑Merkmal „Klosett im Innern“ durch die Ausstattungsmerkmale der höheren Ausstattungskategorien „eine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit“ und „Warmwasseraufbereitung“ aufgewogen werde. Diese Merkmale höherer Ausstattungskategorien sowie die Nutzfläche von immerhin 50,3 m 2 ‑ die allerdings kein selbständiges Kategoriemerkmal sei ‑ führten dazu, dass die gegenständliche Wohnung nicht auf eine Stufe mit den in § 16 Abs 2 Z 4 MRG beschriebenen „Bassenawohnungen“ üblicher Art gestellt werden könne; sie biete einen erheblich größeren Komfort als Kategorie‑D‑Wohnungen, wie sie in der genannten Gesetzesstelle typisiert worden seien. Der Gesetzgeber stelle in § 3 Abs 1 MRG auf die technischen Möglichkeiten ab, wenn es um nützliche Verbesserungen wie den Einbau eines WC gehe. Lägen solche technischen Möglichkeiten nicht vor, dann solle eben die „Aufwiegungsklausel“ des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG einen gerechten Ausgleich schaffen.

Der Antragsteller hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 37 Abs 3 Z 18 MRG zulässig und im Sinne der nachstehenden Ausführungen auch berechtigt.

Es ist ‑ wie dem Rekursgericht beigepflichtet werden kann ‑ davon auszugehen, dass gemäß § 16 Abs 3 Satz 2 MRG eine Wohnung in eine Ausstattungskategorie auch bei Fehlen eines Ausstattungsmerkmal nur dann einzuordnen ist, wenn das fehlende Ausstattungsmerkmal, nicht jedoch eine Badegelegenheit, durch ein oder mehrere Ausstattungsmerkmale einer höheren Ausstattungskategorie, nicht aber bloß durch sonstige (etwa im § 16 Abs 1 MRG genannte) wertbestimmende Faktoren aufgewogen wird (5 Ob 40/84; vgl auch Würth‑Zingher , MRG 2 , 79 f, Anm 38 zu § 16). Die Entscheidung darüber, in welche Ausstattungskategorie die gegenständliche Wohnung einzuordnen ist, hängt also davon ab, ob das fehlende Kategorie‑C‑Merkmal „Klosett im Innern“ durch das Ausstattungsmerkmal höherer Kategorie „eine dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit“ aufgewogen wird. (Dass die 30 m 2 übersteigende Wohnungsgröße kein Ausstattungsmerkmal höherer Kategorie im Sinne des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG ist, räumen die Antragsgegner selbst ein; der im Bad vorhandene Warmwasseranschluss stellt das Kategorie‑A‑Merkmal der Warmwasseraufbereitung nicht her; vgl dazu Derbolav , MRG, 50 f, Anm 19 zu § 16).

Bei Beurteilung der Frage, was unter einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit zu verstehen ist, sind ‑ wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (MietSlg 35.319/33; 5 Ob 15/84, 5 Ob 35/84, 5 Ob 49/84 ua) ‑ die im maßgeblichen Zeitpunkt (§ 16 Abs 3 Satz 1 MRG) geltenden Bauvorschriften und Förderungsrichtlinien sowie die in diesem Zeitpunkt herrschenden Verkehrsauffassungen heranzuziehen (vgl auch Würth in ImmZ 1982, 132 Punkt 14; Würth‑Zingher , MRG 2 , 77, Anm 28 und 30 zu § 16; Schimetschek , ImmZ 1983, 424). Geschieht dies, so ergibt sich, dass der hier maßgebliche zeitgemäße Standard grundsätzlich die Lage der Badegelegenheit innerhalb der Wohnung erfordert (vgl § 2 Abs 1 Z 2 Wohnbauförderungsgesetz 1968; § 2 Abs 8 Z 1 lit b Gesamtbaukosten‑ und Ausstattungsverordnung LGBl für Oö 1980/44), wofür auch schon der Wortlaut der Ziffern 1 und 2 des § 16 Abs 2 MRG spricht, wonach eine Wohnung der Ausstattungskategorie A bzw B als eine Wohnung in brauchbarem Zustand definiert wird, die zumindest aus ... und einer dem zeitgemäßen Standard entsprechenden Badegelegenheit (Baderaum oder Badenische) besteht (zum Begriff der Wohnung nach der Verkehrsauffassung vgl Eckharter‑Hauswirth‑Meinhart‑Rollwagen , Die Nutzfläche im Wohnrecht 44 f, wonach unter einer Wohnung [in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs] ein selbständiger und abgeschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen ist, der geeignet ist, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses einer einzelnen Person oder einer durch enge Bande zusammengefügten Gemeinschaft/Familie auf Dauer zu dienen; zum Begriff Wohnung vgl auch MietSlg 34.370/7). Derbolav (MRG, 50 f; Anm 19 zu § 16) vertritt denn auch die Rechtsansicht, dass eine Wohnung der Kategorie D (bei der der Einbau eines WC oft besonders schwierig ist) auch ohne WC durch Einbau einer Badenische oder eines Badezimmers zur Kategorie C angehoben werden kann.

Im Hinblick auf diese Erwägungen vermag sich der Oberste Gerichtshof gleich dem Rekursgericht der Auffassung Rieders in „Die Bundesregierung informiert: Mietrechtsgesetz“ (Seite 21), dass eine Wohnung mit WC und Bad außerhalb des Wohnungsverbandes schlechthin nicht als D‑Wohnung, sondern als C‑Wohnung gelte, nicht anzuschließen. Hingegen erscheint es dem Obersten Gerichtshof im Rahmen der vom Gesetzgeber mittels der Gleitklausel des § 16 Abs 3 Satz 2 MRG, wenn auch in engen Grenzen, offenbar angestrebten Anpassung der starren Kategorieeinteilung des § 16 Abs 2 MRG an den Einzelfall gerechtfertigt, ein „Aufwiegen“ des fehlenden „Klosetts im Innern“ durch eine „dem zeitgemäßen Standard entsprechende Badegelegenheit“ dann anzunehmen, wenn das Badezimmer zwar „am Gang“ liegt, der die Verbindung zwischen Wohnung und Badezimmer herstellende Gang aber seiner Funktion und Lage nach (ebenso wie das Badezimmer) nur den Wohnungsbenützer dient, weil diesfalls der Wohnkomfort gegenüber dem Regelfall (Badegelegenheit innerhalb des Wohnungsverbandes) nicht erheblich vermindert ist.

Um den gegenständlichen Fall abschließend beurteilen zu können, fehlt es daher an ausreichenden Tatsachenfeststellungen, welcher Umstand zur Aufhebung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung führen muss.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht wegen der begehrten spruchmäßigen Feststellung der Ausstattungskategorie der Wohnung des Antragstellers auch zu klären haben, ob die Antragsgegner in Bezug auf die ihnen gehörende Liegenschaft noch weitere Hauptmietverträge geschlossen haben. Bejahendenfalls werden die anderen Hauptmieter der Liegenschaft zwecks Vermeidung der Nichtigkeit des gegenständlichen Verfahrens an diesem im Sinne des § 37 Abs 3 Z 2 MRG zu beteiligen sein (MietSlg 35.429/29, 35.430/33 ua; vgl auch Würth‑Zingher , MRG 2 , 174 f, Anm 30 und 31 zu § 37).

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

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