OGH 9Os139/84

OGH9Os139/8413.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 1984 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Obauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger (Berichterstatter), Dr.Horak, Dr.Reisenleitner und Dr.Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schiller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günter A wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 erster Satz zweiter Fall SuchtgiftG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 12.Juni 1984, GZ 29 Vr 154/84-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Strasser, und des Verteidigers Dr.Beck, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem auf § 16 Abs 2 zweiter Strafsatz SuchtgiftG gegründeten Strafausspruch einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Günter A wird für die ihm zur Last fallenden Vergehen nach § 16 Abs 1 Z 1 und Z 2 dritter und vierter Fall, Abs 2 erster Satz zweiter Fall SuchtgiftG und nach § 165 StGB gemäß § 16 Abs 2 zweiter Strafsatz SuchtgiftG zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten und unter Anwendung des § 28 Abs 2 StGB gemäß § 165 StGB zu einer Geldstrafe von 30 (dreißig) Tagessätzen verurteilt; der Tagessatz wird mit 80 (achtzig) Schilling bestimmt und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Tagen festgesetzt.

Gemäß § 38 Abs 1 StGB wird die Vorhaft vom 14.Jänner 1984, 13.30 Uhr, bis 23.Jänner 1984, 14.45 Uhr, und vom 16.Mai 1984, 15.00 Uhr, bis 5.Juni 1984, 15.30 Uhr, auf die Freiheits- und die Geldstrafe angerechnet.

II. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen Vergehens nach § 165 StGB gerichtet ist, verworfen; im übrigen wird der Angeklagte damit sowie mit seiner Berufung auf die zu I.

getroffene Entscheidung verwiesen.

III. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 23-jährige Günter A (zu 1.1. und 2.) des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 1 und Z 2 dritter und vierter Fall, Abs 2 'erster Fall' (gemeint: erster Satz zweiter Fall) SuchtgiftG und (zu 1.3.) des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 StGB schuldig erkannt und hiefür nach 'der zweiten Strafstufe' (richtig: dem zweiten Strafsatz) des § 16 Abs 2 SuchtgiftG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 (sieben) Monaten verurteilt; gemäß § 16 Abs 3 SuchtgiftG wurde ein Suchtgiftvorrat von 29.7 Gramm Haschisch für verfallen erklärt.

In den Urteilsgründen wies das Erstgericht selbst darauf hin, daß es die Bestimmung des § 28 Abs 2 StGB übersehen hat, wonach neben der im zweiten Strafsatz des § 16 Abs 2 SuchtgiftG zwingend angedrohten Freiheitsstrafe für das ausschließlich mit Geldstrafe bedrohte Vergehen nach § 165 StGB eine Geldstrafe zu verhängen gewesen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil wird sowohl vom Angeklagten als auch von der Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, und zwar vom Angeklagten in bezug auf den Schuldspruch wegen Vergehens nach § 165 StGB nominell aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO sowie vom Angeklagten und von der Staatsanwaltschaft in Ansehung des Unterbleibens der Verhängung einer Geldstrafe für das Delikt nach § 165 StGB je aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO. Das zuletzt bezeichnete Vergehen liegt dem Angeklagten deshalb zur Last, weil er Anfang Jänner 1984 in Linz Sachen, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, nämlich 300 DM Bargeld und mindestens 10 Päckchen Zigaretten, durch übernahme von Andreas B, der diese Sachen durch von ihm verübte Einbruchsdiebstähle erlangt hatte, an sich brachte. Nach den diesbezüglichen Urteilskonstatierungen traf der Angeklagte am 4.Jänner 1984 in einem Linzer Lokal den ihm seit mehreren Jahren bekannten und gleich ihm beschäftigungslosen Andreas B und erzählte ihm von seiner mißlichen finanziellen Situation. Als ihm B nach dem Verlassen des Lokals drei (aus einem Einbruchsdiebstahl stammende) 100 DM-Scheine in die Hand drückte, nahm der Angeklagte diese freudig an, ohne sich nach ihrer Herkunft zu erkundigen. Einige Tage später traf der Angeklagte neuerlich mit B zusammen, der ihm davon erzählte, daß er einen Einbruch in ein Briefmarkengeschäft verübt hatte und ihm sodann mindestens 10 Päckchen gestohlener Zigaretten schenkte (S 93). In rechtlicher Beziehung ging das Erstgericht davon aus, daß der Angeklagte bei Aufwendung gehöriger Sorgfalt die diebische Herkunft der Sachen erkennen hätte können und ihm daher zumindest unbewußte Fahrlässigkeit zur Last falle.

In seiner auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rüge wendet der Angeklagte dagegen ein, das Erstgericht habe 'aktenwidrig festgestellt', daß er bei Aufwendung pflichtgemäßer Sorgfalt die deliktische Herkunft der an sich gebrachten Sachen erkennen hätte können; vor der übernahme der 300 DM habe er keine Kenntnis von Einbruchsdiebstählen des B gehabt; bei der übernahme der Zigaretten sei ihm nur der angebliche Einbruch des B in ein Briefmarkengeschäft bekannt gewesen, sodaß er zwar eine diebische Herkunft von Briefmarken oder von Bargeld, nicht aber von Zigaretten erkennen hätte können.

Mit diesem Vorbringen wird weder eine Aktenwidrigkeit im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO noch sonst ein formaler Begründungsmangel geltend gemacht, sondern vielmehr ein Rechtsirrtum in Ansehung der ihm vorgeworfenen Fahrlässigkeit, sodaß der Sache nach der Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a der zitierten Gesetzesstelle ausgeführt wird. Der behauptete Rechtsirrtum haftet jedoch dem Ersturteil nicht an: Unbewußt fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außeracht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Maßstab bei Beurteilung der objektiven Sorgfaltswidrigkeit auch in bezug auf den Tatbestand des § 165 StGB bildet der einsichtige und besonnene Mensch aus dem Verkehrskreis, dem der Täter angehört (vgl. Kienapfel BT II § 165 RN 13 ff). Bereits die Höhe des Geldbetrages von 300 DM, den B dem Angeklagten (ersichtlich) geschenkt hat, manifestiert einen solchen Grad an Freigiebigkeit des Schenkers, der unter Berücksichtigung der (dem Angeklagten bekannten) Person des B und aller sonstigen Umstände des konkreten Falles nicht ohne weiteres erklärlich war und deshalb Anlaß zu (berechtigten) Zweifeln an der redlichen Herkunft des Geldes bieten mußte. Im Zeitpunkt der übernahme der Zigaretten hinwieder war dem Angeklagten bekannt, daß B einen, wenn auch andere Sachen betreffenden, Einbruchsdiebstahl begangen hatte. Solcherart war aber die Annahme sowohl der 300 DM als auch der Zigaretten, orientiert am gedachten Verhalten eines besonnenen und einsichtigen, mit den rechtlich geschützten Werten angemessen verbundenen Menschen (in der Lage des Täters), objektiv sorgfaltswidrig (vgl. ÖJZ-LSK 1984/80 zu § 165 StGB), was das Schöffengericht somit durchaus zutreffend erkannt hat. Da nach den Verfahrensergebnissen keinerlei Anhaltspunkte dafür hervorgekommen sind (und auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet werden), daß die Erfüllung der objektiven Sorgfaltspflicht dem Angeklagten zufolge seiner konkreten geistigen und/oder körperlichen Verhältnisse zur Tatzeit nicht möglich oder von ihm realistischerweise nicht zu erwarten gewesen wäre, hat das Erstgericht zu Recht alle Komponenten unbewußter Fahrlässigkeit bejaht, sodaß sich der bekämpfte Schuldspruch als frei von Rechtsirrtum erweist.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen § 165 StGB gerichtet ist, zu verwerfen. Berechtigt ist dagegen die - aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene - Rüge der Staatsanwaltschaft gegen das Unterbleiben der Verhängung einer Geldstrafe für das Delikt nach § 165 StGB neben der für das Vergehen nach § 16 Abs 1 Z 1 und Z 2 dritter und vierter Fall, Abs 2 erster Satz zweiter Fall SuchtgiftG verwirkten Freiheitsstrafe.

Denn zufolge der Vorschrift des § 28 Abs 2 StGB wäre - wie das Erstgericht nachträglich selbst erkannte - neben der Freiheitsstrafe zwingend eine Geldstrafe für das Vergehen nach § 165 StGB zu verhängen gewesen.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben, der gesamte - weil auf einer unrichtigen Anwendung des § 28 Abs 1

StGB auch in bezug auf die wegen des Vergehens nach § 165 StGB verwirkte Strafe beruhende - Strafausspruch aufzuheben (vgl. hiezu 13 0s 56/76;

12 0s 98/84) und der Angeklagte sowohl zu einer Freiheits- als auch zu einer Geldstrafe zu verurteilen; der Angeklagte war diesbezüglich mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde sowie weiters mit seiner Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

Bei der Strafbemessung war erschwerend die Vorstrafe des Angeklagten wegen Vermögensdelikten, weiters der Umstand, daß er Suchtgift sowohl unbefugt erworben und besessen als auch anderen überlassen hat, und daß er die fahrlässige Hehlerei wiederholt hat; mildernd war hingegen das Teilgeständnis.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen erachtete der Oberste Gerichtshof für das Vergehen nach § 16 SuchtgiftG eine Freiheitsstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als schuld- und tatangemessen. Für das Vergehen nach § 165 StGB war dagegen eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu verhängen, die gleichfalls schuld- und tatangemessen erscheint. Ausgehend von den aktenkundigen Einkommensverhältnissen des Angeklagten (zur Zeit der Urteilsfällung erster Instanz; vgl. S 86: monatliches Einkommen von etwa 7.000 S aus Gelegenheitsarbeiten als Maurer ohne Sorgepflichten) war der Tagessatz mit 80 S zu bestimmen. Die Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe mit 15 Tagen folgt aus § 19 Abs 3 StGB.

Eine bedingte Strafnachsicht kam weder in Ansehung der Freiheitsstrafe noch in Ansehung der Geldstrafe in Betracht, weil der Angeklagte bereits mehrmals straffällig geworden ist und sich innerhalb ihm gewährter Probezeiten nicht bewährt hat, sodaß spezialpräventive Gründe einer Anwendung des § 43 Abs 1 StGB entgegenstehen.

Die Vorhaft war nunmehr sowohl auf die Freiheits- als auch auf die Geldstrafe anzurechnen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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