OGH 6Ob670/84

OGH6Ob670/848.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ursula E*****, vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde Gmunden, 4810 Gmunden, vertreten durch Dr. Erasmus Schneditz‑Bolfras, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Feststellung (Streitwert 62.000 S) und Unterlassung (Streitwert 32.000 S), infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 14. März 1984, GZ 3 a R 20/84‑36, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 9. Dezember 1983, GZ 7 Cg 202/82‑26, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00670.840.1108.000

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Kostenausspruch unberührt bleiben, werden im Übrigen mit der Maßgabe bestätigt, dass sie zu lauten haben:

„1) Es wird festgestellt, daß zugunsten der beklagten Partei über die im Eigentum der klagenden Partei stehenden Grundstücke 389/5 Wald, 391 Garten, 389/1 Wiese, 332/6 Wald‑Wiese, 390 Acker jeweils KG *****, Gerichtsbezirk Gmunden, keine Dienstbarkeit der Schiabfahrt besteht, soweit die seit dem Jahre 1930 ohne Aufstiegshilfen bestandene Übung (Tagesfrequenz von etwa 20 Abfahrten an Wochentagen und etwa 50 Abfahrten an Sonntagen) überstiegen wird.

2) Die beklagte Partei ist schuldig, alle sich als Ausübung der 1) verneinten Dienstbarkeit der Schiabfahrt darstellenden Handlungen in Bezug auf die im Eigentum der klagenden Partei stehenden Grundstücke 389/5, 391, 389/1, 332/6, 390, sämtliche Katastralgemeinde *****, zu unterlassen.

3) Das Mehrbegehren auf Feststellung des gänzlichen Nichtbestehens einer Dienstbarkeit der Schiabfahrt und der Unterlassung aller sich als Ausübung einer Dienstbarkeit der Schiabfahrt darstellenden Handlungen auch im Ausmaß der seit dem Jahre 1930 ohne Aufstiegshilfen bestandenen Übung (Tagesfrequenz von etwa 20 Abfahrten an Wochentagen und etwa 50 Abfahrten an Sonntagen) wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.289,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 335,40 S Umsatzsteuer und 600 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG *****, zu deren Gutsbestand unter anderem die Grundstücke 389/5 Wald, 391 Garten, 389/1 Wiese, 332/6 Wald‑Wiese und 390 Acker gehören. Diese am Fuße des G*****s gelegene Liegenschaft wurde der Klägerin von ihrem mittlerweile verstorbenen Gatten Alfred E***** mit Vertrag vom 8. Juli 1970 geschenkt. Im Jahre 1957 wurde eine auf den G***** führende Seilbahn in Betrieb genommen. Über die genannten Grundstücke der Klägerin besteht in 250 m Länge eine Schiabfahrtsmöglichkeit, die in ihrem Verlauf als „S*****‑Abfahrt“ bekannt ist. Nach einer scharfen Rechtskurve führt eine gut 100 m lange schmale Waldschneise („Kanonenrohr“) steil nach unten. Die Trasse erweitert sich dann beim Haus der Klägerin auf Wiesengrund.

Am 1. Dezember 1978 stellte die Klägerin auf den Grundstücken 391 und 389/1 Scherengitter aus Holz auf und sperrte damit die Ausfahrt aus dem sogenannten „Kanonenrohr“ ab. Überdies brachte sie eine Tafel mit der Aufschrift „Betreten des Grundstückes verboten“ an. Die Beklagte erhob eine Besitzstörungsklage. Mittels einstweiliger Vorkehrung wurde der Klägerin die Entfernung des Hindernisses aufgetragen. Im Verfahren selbst trat Ruhen ein. Mit der am 27. März 1981 eingebrachten petitorischen Klage begehrte die Klägerin 1) die Feststellung, dass zugunsten der beklagten Partei bzw der Öffentlichkeit „keine wie immer geartete Dienstbarkeit der Schiabfahrt“ über ihre Grundstücke bestehe, und 2) die beklagte Partei schuldig zu erkennen, alle sich als Ausübung einer Dienstbarkeit der Schiabfahrt darstellenden Handlungen in Bezug auf die klägerischen Grundstücke zu unterlassen. In der Tagsatzung vom 30. Juni 1982 stellte die Klägerin ein „Eventualbegehren“, es werde festgestellt, dass keine wie immer geartete „uneingeschränkte und unentgeltliche“ Dienstbarkeit der Schiabfahrt zugunsten der Öffentlichkeit bestehe. Die beklagte Partei sei schuldig, alle sich als Ausübung einer „uneingeschränkten und unentgeltlichen“ Dienstbarkeit der Schiabfahrt darstellenden Handlungen zu unterlassen.

Die Klägerin brachte vor, ihr Gatte habe die Liegenschaft mit Ausnahme eines markierten Touristenwegs lastenfrei erworben. Anfänglich sei die vereinzelte Benützung der Grundstücke auf Widerruf gestattet worden. Seit dem Bau der Seilbahn, insbesondere aber seit Mitte der 70er‑Jahre habe sich die Frequenz der Schifahrer so erhöht, dass damit eine erhebliche Belästigung verbunden sei. Die durch die Benützung der Grundstücke insbesondere in der schneearmen Zeit auftretenden Schäden an der Grasnarbe hätten das Gras als Futtermittel unbrauchbar gemacht. Der Wert der Liegenschaft sei erheblich beeinträchtigt worden.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, dass die Schiabfahrt über die Grundstücke der Klägerin seit mehr als 30 Jahren von der Öffentlichkeit ungehindert benützt werde. Sowohl der Voreigentümer der Liegenschaft, A*****, als auch der Gatte der Klägerin, ein geborener G*****, hätten die Entfernung von Bäumen zur Verbesserung der Trasse gestattet. Die Benützung der Schitrasse sei für alle Beteiligten eine Selbstverständlichkeit gewesen. Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens sei die Beklagte passiv nicht legitimiert.

Das Erstgericht gab sowohl dem Feststellungsbegehren als auch dem Unterlassungsbegehren mit der Einschränkung auf die mit Aufstiegshilfen beförderten Schifahrer statt. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Hänge des G*****s werden mindestens seit dem Jahre 1930 zum Schifahren benützt. Vom 1866 m hohen Gipfel standen drei Abfahrten zur Wahl. Es gab die Möglichkeit über den M***** unter Mitbenützung eines Grundstücks der Klägerin abzufahren. Diese Abfahrt wurde im Jahre 1955 durch einen Erdrutsch unbrauchbar. Die zweite Abfahrtsmöglichkeit bildet die gegenständliche „S*****‑Abfahrt“, die über fünf Grundstücke der Klägerin führt. Die „E*****‑Abfahrt“ als dritte Möglichkeit stellt die geringsten Anforderungen an das Können der Schifahrer. Demgegenüber war die „S*****‑Abfahrt“ immer die technisch schwierigste. Anfänglich war es nur eine geringe Zahl von sportlichen Schifahrern, die nach stundenlangem Aufstieg einmal pro Tag abgefahren sind. Nur bei guter körperlicher Verfassung konnte eine G*****abfahrt zweimal pro Tag unternommen werden. Bis zum Jahre 1957 kamen bei Schneelage solchermaßen wochentags etwa 50 Personen und am Wochenende, vorwiegend am Sonntag, etwa 100 „in Extremfällen bisweilen bis 150“ Personen auf den G*****. Da alle drei Abfahrten bis 1955 etwa gleich frequentiert wurden, entfiel auf die „S*****‑Abfahrt“ eine Tagesfrequenz von maximal 20 Personen während der Woche und von maximal 30 bis 50 Personen an den Wochenenden. Nach dem Jahre 1955 wichen die Benützer der „M*****‑Abfahrt“ etwa zu gleichen Teilen auf die beiden verbliebenen Trassen aus. Dort wo sich derzeit das Haus der Klägerin befindet, stand ein Landgasthaus. In diesem kehrten die Schifahrer und Bergsteiger ein. Es ist möglich, dass der Schiklub G***** schon vor dem Ersten Weltkrieg ein Schirennen auf der „S*****‑Abfahrt“ veranstaltet hat. Jedenfalls fanden nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl auf der „M*****‑Abfahrt“ als auch auf der „S*****‑Abfahrt“ gelegentlich Schirennen statt, so etwa in den Jahren 1948, 1952 und 1953.

Die Besitzer jener Flächen, über die im Winter gefahren wurde, erhoben keinen Einwand. Im Gegenteil, den Voreigentümern der klägerischen Liegenschaft als Gastwirten waren die Schifahrer als mögliche Gäste sogar willkommen. So gestattete Franz A*****, der von 1949 bis 1959 Eigentümer des Gasthauses „S*****“ war, den Mitgliedern des Schiklubs das Fällen einiger Bäume im Bereich der ehemaligen Abzweigung der „M*****‑Abfahrt“ von der „S*****‑Trasse“.

Am 24. November 1959 verkauften die Ehegatten A***** die Liegenschaft an den Gatten der Klägerin, Alfred E*****. Nach dem Vertragswortlaut übernahmen die Verkäufer unter anderem die Haftung dafür, dass die Liegenschaft mit Ausnahme eines markierten Touristenwegs lastenfrei ist. Sie sicherten auch die Freiheit der Liegenschaft von einem außerbücherlichen Wegerecht zu. Auch der Gatte der Klägerin gestattete kurz nach dem Erwerb der Liegenschaft den Mitgliedern des Schiklubs, mit denen er befreundet war, einige Obstbäume im Bereich seines Hauses zu schlägern.

Nach Eröffnung der Seilbahn auf den G***** im Jahre 1957 steigerte sich die Anzahl der Schifahrer zunehmend. Solange noch eine gewisse Relation zur bisherigen Inanspruchnahme bestand, erhob der Gatte der Klägerin keinen Einwand. Ab Mitte der 60er Jahre und vor allem ab Beginn der 70er Jahre nahm die Zahl der Schifahrer enorm zu. Die Klägerin und ihr Gatte, der 1973 verstorben ist, verfolgten die zunehmende Benützung der Liegenschaft zwar mit wachsendem Unbehagen, setzten vorerst aber keine Gegenmaßnahmen. Es kam dazu, dass an den Wochenenden 1.000 bis 1.500 Schifahrer auf dem G***** waren und die beiden verbliebenen Abfahrten benützten. Durch die Errichtung von mehreren Schleppliften im Bereich des Gipfels erfolgte eine zusätzliche Steigerung der Besucherzahlen. Es ist nunmehr möglich, die Abfahrt bis zur Talstation zehnmal pro Tag zu machen. Die Besucherfrequenz hat sich im Vergleich zum Zeitraum bis 1957/1958 etwa um das Zehnfache gesteigert. Selbst nach Einbruch der Dunkelheit fahren – bisweilen alkoholisierte – Schifahrer am Haus der Klägerin lärmend vorbei. Die enorme Steigerung der Frequenz hatte eine teilweise Verbreiterung der Abfahrtsfläche, die bis 1959 etwa 8 bis 15 m breit war, auf 40 bis 50 m zur Folge. Durch die im Gegensatz zu früher vorhandenen Stahlkanten an den Skiern wird die Oberfläche der Grundstücke beschädigt. Insbesondere dann, wenn bei geringerer Schneelage gefahren wird, was sehr oft geschieht, kommt es zu Schäden an der Grasnarbe. Die Beklagte hat zwar schon mit anderen Liegen-schaftseigentümern Dienstbarkeitsverträge geschlossen, mit der Klägerin kam es jedoch bisher zu keiner Einigung.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Beklagten sei keine vertragliche Dienstbarkeit eingeräumt worden. Wohl seien die Grundstücke der Klägerin seit mehr als 30 Jahren zum Schifahren benützt worden, allerdings nur im verschwindenden Ausmaß von Ortsansässigen, Gasthausbesuchern und Alpinisten. Die Eingriffe in das Liegenschaftseigentum seien nicht ins Gewicht gefallen. Die sprunghafte Steigerung der Benützungsfälle nach der Errichtung der Aufstiegshilfen stelle eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit iSd § 484 ABGB dar, für welche die erforderliche Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen sei. Da sich die Klägerin nach ihrem Vorbringen nur gegen jene Inanspruchnahme zur Wehr setze, wie sie sich seit der Errichtung der Seilbahn ergeben habe, habe das Urteilsbegehren zwar übernommen werden können, es habe aber durch den Bezug auf die Aufstiegshilfen verdeutlicht werden müssen.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass das über den Zuspruch hinausgehende Mehrbegehren der Klägerin auf Feststellung des Nichtbestehens einer Dienstbarkeit der Schiabfahrt auch im Umfange einer seit dem Jahre 1930 ohne Aufstiegshilfen erfolgten Übung abgewiesen wird. Es sprach ferner aus, dass der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstands sowohl im Feststellungs‑ als auch im Unterlassungsbegehren 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt, der von der teilweisen Stattgebung der Berufung der Beklagten (Abweisung des Mehrbegehrens) betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S übersteigt, während der Wert des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 300.000 S nicht übersteigt, und dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO auch hinsichtlich des von der Abänderung betroffenen Streitgegenstands zulässig ist. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts, welche seiner Ansicht nach auf einem mangelfreien Verfahren beruhten. Rechtlich vertrat es die Auffassung, die Offenkundigkeit einer Dienstbarkeit verhindere den guten Glauben eines Liegenschaftserwerbers. Die „S*****‑Abfahrt“ habe es schon seit dem Jahre 1930 gegeben. Nach der unbestrittenen Behauptung der Beklagten sei der verstorbene Gatte der Klägerin ein geborener G***** gewesen und habe durchaus gute Beziehungen zum örtlichen Schiklub gehabt, dem er großzügig sogar das Fällen von Obstbäumen zur Verbesserung der Schitrasse gestattet habe. Schon vor ihm habe Franz A*****, der das Darüberfahren für selbstverständlich erachtet habe, Bäume zugunsten der Abfahrt fällen lassen. Daraus und aus seinem nachfolgenden Verhalten sei zu schließen, dass dem Gatten der Klägerin die Tatsache einer Schiabfahrt über seine Liegenschaft, gegen die er in ihrem damaligen Rahmen auch nichts einzuwenden gehabt habe, schon vor dem Erwerb des Grundstücks wohl bekannt gewesen sei. Zumindest hätte ihm der Verlauf der Abfahrt bei gehöriger Aufmerksamkeit auffallen müssen. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei daher eine ersessene, unregelmäßige Grunddienstbarkeit der Schiabfahrt zugunsten der Beklagten anzunehmen. Von 1930 bis 1957 hätten immerhin wochentags etwa 20 und am Wochenende rund 30 bis 50 Personen die Abfahrt regelmäßig zur Winterszeit benützt. Die Beklagte habe ihren Besitzwillen schon durch die seinerzeitige Besitzstörungsklage dokumentiert. Entgegen der Ansicht der Beklagten könne eine Dienstbarkeit nicht wegen der Vergrößerung des herrschenden Gutes oder der Änderung der Betriebsart erweitert werden. Eine sprunghafte Steigerung der Benützungsfälle durch Errichtung von Aufstiegshilfen sei nicht als eine bloße Anpassung an die fortschreitende technische Entwicklung anzusehen, sondern vielmehr als eine Änderung der Betriebsart des herrschenden Grundstücks. Damit beginne eine allfällige Ersitzungszeit erst mit dieser Änderung der Betriebsart neu zu laufen. Es könne der Klägerin nicht beigepflichtet werden, die Tourenfahrer hätten mangels Zeitablaufs überhaupt noch keine Servitut ersitzen können. Insoweit müsse eine beschränkte Frequenz durch spätere Schifahrer noch beachtlich sein. Lediglich für das „Benützungs‑Plus“ könne die Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen sein. Sicherlich führe die Beschränkung der Dienstbarkeit der Schiabfahrt auf den Rahmen der ersessenen Benützung, sohin auf Tourengeher, im Ergebnis dazu, dass die Dienstbarkeit praktisch nicht mehr ausgeübt werde. Die Art des Aufstiegs sei auch nur ein Mittel der Reduktion der Zahl der Abfahrer, die nicht einseitig vermehrt werden könne. Eine naheliegende zahlenmäßige Beschränkung der Dienstbarkeit auf die von 1930 bis 1960 festgestellten Abfahrer pro Tag würde aber bei der enorm gesteigerten Frequenz das zulässige Kontingent bereits am Morgen erschöpfen und die anschließende Sperre der Abfahrt ermöglichen. Die während der gesamten Ersitzungszeit erkennbar gewesene Inanspruchnahme der Liegenschaft entspreche zwar bei weitem nicht mehr der heutigen Belastung. Sie sei aber doch während des ganzen Tages gegeben gewesen. Auf welche Weise die Beklagte ein Unterbleiben dieser gesteigerten Benützung der klägerischen Grundstücke durch Schifahrer, die mit Aufstiegshilfen bergwärts befördert würden, herbeiführe, sei ihr überlassen. Der Urteilsspruch sei diesbezüglich ausreichend konkretisiert.

Dieses Urteil wird von beiden Parteien mit Revision bekämpft.

Die Klägerin macht den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben werde.

Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es im Sinne einer vollinhaltlichen Klagsabweisung abzuändern, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Beide Parteien beantragen jeweils, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zur Revision der Klägerin:

Die Klägerin meint, eine Ersitzung einer Schiabfahrt zugunsten der Öffentlichkeit durch solche Personen, die ohne Aufstiegshilfen auf den G***** gekommen seien, scheide schon deshalb aus, weil mit dem Betrieb der Seilbahn ab dem Jahre 1957 eine völlig neue Situation eingetreten sei und kein Schifahrer in der Folge ohne Benützung der Seilbahn zu Fuß aufgestiegen sei.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Für die Frage, ob eine Dienstbarkeit der Schiabfahrt ersessen wurde, kommt es nicht darauf an, ob die Schifahrer die Abfahrt benützten, nachdem sie zu Fuß aufgestiegen waren oder ob sie sich hiezu einer Aufstiegshilfe bedienten. Die Errichtung der Seilbahn spielt nur insofern eine Rolle, als hiedurch die Zahl der die Abfahrt benützenden Schifahrer sprunghaft angestiegen ist. Dies bedeutet aber keineswegs, dass eine allenfalls noch nicht vollendete Ersitzung in dem ohne Aufstiegshilfen bestandenen Ausmaß der Benützung der Schiabfahrt nunmehr nicht vollendet werden konnte. Nur für die Steigerung der Benützung hätte ab dem Zeitpunkt derselben eine neue Ersitzungszeit zu laufen begonnen. Dass aber durch das schifahrende Publikum die unregelmäßige Dienstbarkeit der Schiabfahrt zugunsten einer Gemeinde ersessen werden kann, wird in der Revision nicht bestritten und entspricht der ständigen Rechtsprechung (SZ 50/53 mwN; JBl 1979, 429 ua). Da die Abfahrt nach den getroffenen Feststellungen zumindest seit dem Jahre 1930 an Wochentagen von etwa 20 Personen und am Wochenende von etwa 30 bis 50 Schifahrern benützt wurde, hat die Gemeinde in diesem Ausmaß eine Dienstbarkeit erworben.

Ob aber dem Gatten der Klägerin beim Erwerb der Liegenschaft die Benützung der Abfahrt durch Schifahrer bekannt war oder bekannt sein musste, stellt keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO dar.

Der Revision der Klägerin war daher ein Erfolg zu versagen. Allerdings war das abgewiesene Mehrbegehren insoweit zu präzisieren, als der Umfang der ersessenen Schiabfahrt genauer zu umschreiben und in diesem Umfang nicht allein das Feststellungs‑, sondern auch das Unterlassungsbegehren abzuweisen war.

Zur Revision der Beklagten:

Soweit die Beklagte zunächst die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend macht, liegt eine solche nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Die Beklagte meint, die Klägerin müsse die seit Bestehen der Aufstiegshilfen erhöhte Zahl der Abfahrten dulden, weil eine räumliche Ausdehnung der Abfahrt nicht erfolgt und hiedurch auch keine ins Gewicht fallende Mehrbelastung der Grundstücke der Klägerin eingetreten sei.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Wohl hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Steigerung der Zahl der Benützungsfälle für sich allein noch keine unzulässige Erweiterung der Schiservitut bedeutet (SZ 50/53). Er hat dies jedoch in der Folge insofern präzisiert, als eine sprunghafte Steigerung der Benützung einer Schiabfahrt nach Errichtung von Aufstiegshilfen eine solche unzulässige Erweiterung der Servitut darstelle (JBl 1979, 429).

Gerade dieser Fall liegt aber hier vor. Nach Errichtung der Seilbahn stieg die Zahl der die Abfahrt benützenden Schifahrer auf das Zehn‑ bis Fünfzehnfache und die Zahl der von den einzelnen Schifahrern gefahrenen Abfahrten auf das Zehnfache. Eine derart enorme Steigerung der Zahl der Abfahrten stellt ohne Zweifel eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar. Darüber hinaus haben die Vorinstanzen aber auch eine erhebliche Verbreiterung der benützten Trasse von 8 bis 15 m auf 40 bis 50 m im Bereich des Hauses der Klägerin und eine Schädigung der Grasnarbe durch die enorm gesteigerte Frequenz festgestellt. Diesbezüglich geht die Beklagte in ihrer Revision nicht von den getroffenen Feststellungen aus.

Soweit die Beklagte schließlich meint, der Urteilsspruch des Berufungsgerichts sei nicht hinreichend konkretisiert und widerspräche den Bestimmungen des § 7 EO wurde dem durch die Neufassung des Feststellungs‑ und des Unterlassungsbegehrens Rechnung getragen.

Auch der Revision der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass zwar beide Parteien mit ihren Revisionen nicht durchgedrungen sind, im Ergebnis aber die Klägerin mit ihrem Feststellungs‑ und Unterlassungsbegehren im Wesentlichen obsiegt hat. Ihr waren daher die gesamten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

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