OGH 6Ob646/84

OGH6Ob646/844.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz N*****, vertreten durch Dr. Peter Gatternig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. H*****, und 2. G*****, Fotografin und Geschäftsführerin, *****, beide vertreten durch Dr. Johann Werth, Rechtsanwalt in Wien, wegen 31.840,61 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 16. Mai 1984, GZ 16 R 88/84‑27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 4. Jänner 1984, GZ 24 Cg 504/82‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00646.840.1004.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.946,16 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 246,01 S USt und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist zu 153/5103 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit dem Grundstück 193/1 Baufläche Haus KNr 121 in der *****; mit diesen Anteilen ist das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr 14 Stiege I verbunden. Das Haus wurde unter Zuhilfenahme von Mitteln des Wohnhaus‑Wiederaufbaufonds errichtet, dessen Rückzahlungsforderung auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellt ist. Die Förderungsmittel sind von den Wohnungseigentümern in Raten zurückzuzahlen. Über Ansuchen des Klägers teilte ihm das Bundesministerium für Bauten und Technik mit Schreiben vom 3. 10. 1977 mit, der auf ihn entfallende Anteil an dem noch aushaftenden Darlehen betrage zum 31. 12. 1977 263.800 S; darauf werde ihm ein Nachlass von 50 % gewährt, wenn er spätestens bis 1. 1. 1978 einen Teilbetrag von 131.900 S überweise. Der Kläger hat diesen Betrag am 2. 12. 1977 bezahlt.

Anfang Oktober 1977 schloss der Kläger mit den Beklagten einen Mietvertrag über die Eigentumswohnung. Nach Punkt II. des Vertrags sollte das Bestandverhältnis am 15. 10. 1977 beginnen und am 15. 10. 1980 enden, ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Im Punkt III. wurde der Mietzins mit monatlich 4.700 S zuzüglich der Betriebskosten festgesetzt und eine Wertsicherung vereinbart. Ein Hinweis auf die Wohnbauförderung ist in dem Vertrag nicht enthalten.

Der Kläger begehrte von den Beklagten die Begleichung eines Mietzinsrückstands von 31.840,61 S sA.

Die Beklagten wendeten unter anderem ein, das Bestandverhältnis sei den Bestimmungen des Wohnhauswiederaufbaugesetzes unterlegen; der von ihnen bezahlte Mietzins übersteige das danach zulässige Ausmaß.

Das Erstgericht, das in der Verhandlungstagsatzung vom 17. 11. 1983 auf Antrag der Beklagten „das Verfahren auf den Grund des Anspruchs“ eingeschränkt hatte (AS 63), sprach mit Zwischenurteil aus, das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen in der Zeit vom 15. 10. 1977 bis 30. 4. 1982 sei den Mietzinsbildungsvorschriften des § 15 WWG unterlegen. Es führte aus, der Antrag der Beklagten auf Einschränkung der Verhandlung auf den Anspruchsgrund sei als Zwischenantrag auf Feststellung iSd § 259 Abs 2 ZPO zu werten. Im Übrigen bejahte es die Anwendbarkeit der Zinsbildungsvorschriften des Wohnhauswiederaufbaugesetzes.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Zwischenurteil, sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands zwar 60.000 S nicht aber 300.000 S übersteige, und ließ die Revision zu. Es führte aus, der Antrag der Beklagten auf Einschränkung der Verhandlung auf den Grund des Anspruchs könne zwar nicht als Zwischenfeststellungsantrag umgedeutet werden, so dass die Erlassung des nach § 393 Abs 2 ZPO zu beurteilenden Zwischenurteils ohne einen darauf abzielenden Antrag einen Verstoß gegen § 405 ZPO bedeute, doch könne dieser Verfahrensmangel nicht aufgegriffen werden, weil ihn der Kläger in der Berufung nicht gerügt habe. In der Sache selbt sei davon auszugehen, dass die Eigentumswohnung des Klägers mittels Fondshilfe errichtet worden sei. Gemäß § 15 Abs 9 WWG unterlägen solche Mietobjekte den Bestimmungen des Mietengesetzes bis zur Rückzahlung des Fondsdarlehens mit den in den Absätzen 10 bis 15 umschriebenen Abänderungen. Danach sei auf die vorzeitige Rückzahlung des Fondsdarlehens und nicht auf dessen Bewilligung abzustellen. Um Missbräuchen vorzubeugen, müsse auf die tatsächliche Rückzahlung abgestellt werden. Im Schriftsatz ON 14 sei zwar behauptet worden, die Anwendung eines nach dem Wohnhauswiederaufbaugesetz ermittelten Zinses und die hieraus abgeleiteten Ansprüche seien sittenwidrig; dieser Schriftsatz sei aber mangels Vortrags in der mündlichen Streitverhandlung nicht Entscheidungsgrundlage. Im Übrigen könne es nicht sittenwidrig sein, dass ein Bestandobjekt bestimmten gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften unterliege. Ob die von den Beklagten daraus abgeleiteten Rechtsfolgen sittenwidrig seien, könne bei Beurteilung des angefochtenen Zwischenurteils (noch) nicht geprüft werden. Bis zur Rückzahlung des Fondsdarlehens sei ein nach § 15 WWG unzulässiger Mietzins unwirksam. Wohl lasse die Rechtsprechung unter den Voraussetzungen der §§ 16, 16a MG nach vorzeitiger Rückzahlung des Fondsdarlehens freie Mietzinsvereinbarungen auch bei solchen Mietverhältnissen zu, die schon vorher begründet und nach Tilgung des Darlehens mit diesem Mieter fortgesetzt worden seien, doch reiche es – zu einer durchaus möglichen schlüssigen Vereinbarung – nicht hin, dass es die Mieter unterlassen hätten, die an sich unzulässige Vereinbarung anzufechten. Der Vermieter müsse vielmehr den vereinbarten höheren Mietzins vorgeschrieben und der Mieter müsse ihn widerspruchslos bezahlt haben. Da von den Möglichkeiten freier Mietzinsvereinbarungen bloß jene nach § 16 Abs 1 Z 4 MG – dass nämlich das Mietverhältnis wenigstens ein halbes Jahr gedauert habe – in Betracht komme, hätte der Kläger behaupten und beweisen müssen, dass zwischen den Streitteilen nach zumindest halbjähriger Bestanddauer eine schlüssige Vereinbarung über den Zins in der ursprünglich unzulässigen Höhe zustandegekommen sei. Eine solche schlüssige Vereinbarung iSd § 863 ABGB könnte jedoch nur dann angenommen werden, wenn sich die Beklagten nach Tilgung des Fondsdarlehens in Kenntnis der ursprünglichen Unzulässigkeit der Mietzinsvereinbarung zur Weiterzahlung bereit erklärt hätten. Eine solche Behauptung habe der Kläger indessen nicht aufgestellt. Er habe zwar vorgebracht, „im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei kein (gemeint wohl: ein) Bescheid über die vorzeitige begünstigte Rückzahlung bereits erlassen worden“ und die Vertragsteile seien davon ausgegangen, dass keine Mietzinsbeschränkung bestehe, doch lasse dies nur auf einen beiderseitigen Rechtsirrtum schließen. Die Parteiaussage des Klägers in der Verhandlungstagsatzung am 17. 11. 1983, er habe den Beklagten bei der Übergabe der Wohnung gesagt, sie sei solange leer gestanden, bis die Genehmigung der begünstigten Rückzahlung eingetroffen sei, könne ein entsprechendes Vorbringen nicht ersetzen. Dass die Beklagten ab März 1980 einen höheren Hauptmietzins von 4.935 S bezahlt haben, sei offensichtlich auf die schon ursprünglich vereinbarte Wertsicherung zurückzuführen. Am 15. 10. 1980 sei kein neuer Mietvertrag abgeschlossen, sondern der bisherige Vertrag gemäß § 1114 ABGB stillschweigend erneuert, also verlängert worden. Der Bestandvertrag sei nämlich in keinem Punkt geändert worden.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen das Urteil des Berufungsgerichts erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens („unrichtige Lösung von Rechtsfragen des Verfahrensrechtes“) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Kläger beharrt auch in der Revision auf der Zulässigkeit freier Mietzinsvereinbarungen ab dem Zeitpunkt der Bewilligung der vorzeitigen Tilgung des Fondsdarlehens, insbesondere in solchen Fällen, in welchen dieser Zeitpunkt und die tatsächliche Darlehenstilgung zeitlich nahe beieinander lägen. Es ist jedoch dem Berufungsgericht beizupflichten, dass schon nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs 9 WWG (bzw § 12 Abs 3 RBG) ausschließlich die tatsächliche Rückzahlung des Darlehens für die Zulässigkeit von freien Zinsvereinbarungen bedeutsam ist. Der Kläger weist selbst auf den Zweck dieser Bestimmungen – die Verhinderung von Spekulationen mit geförderten Wohnungen – in der Revision hin. Auf den Zeitpunkt der Bewilligung der Sonderbegünstigung kann es schon deshalb nicht ankommen, weil der Wohnungseigentümer von der Möglichkeit vorzeitiger Darlehenstilgung zwar Gebrauch machen kann, ohne aber dazu verpflichtet zu sein. Erst mit der Überweisung des bekanntgegebenen Teilbetrags des ihn treffenden Anteils am noch aushaftenden Fondsdarlehen steht fest, dass er nun nicht mehr im Genuss des zinsen‑ und kostenbegünstigten Darlehens des Wohnhaus-Wiederaufbaufonds steht.

Da nun unbestritten feststeht, dass der Mietvertrag zwischen den Streitteilen vor der Darlehenstilgung errichtet wurde, war bis zur Rückzahlung des Fondsdarlehens die Vereinbarung eines höheren als des nach § 15 Abs 9 ff WWG zulässigen Mietzinses jedenfalls unwirksam, während die Zulässigkeit einer nach der (vorzeitigen begünstigten) Rückzahlung des Darlehens getroffenen Zinsvereinbarung nach § 12 Abs 3 RBG zu beurteilen ist. Durch die letztgenannte Bestimmung sollte nochmals (wie schon im § 15 Abs 9 WWG) ausdrücklich klargestellt werden, dass Vereinbarungen über die Zinshöhe bei der Wohnungsmiete auch nach (vorzeitiger) Darlehenstilgung – nach der hier maßgeblichen Fassung des § 12 Abs 3 RBG (vor Inkrafttreten des § 53 MRG) – rechtswirksam nur innerhalb der Grenzen der §§ 16,16a MG getroffen werden konnten. Nach einhelliger Rechtsprechung (vor allem MietSlg 33.521/21) ließ § 12 Abs 3 RBG für die Zeit bis zum Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes (am 1. 1. 1982 – §§ 58 Abs 1, 53 MRG) bei Zutreffen der Voraussetzungen der §§ 16, 16a MG freie Zinsvereinbarungen auch für solche Mietverhältnisse zu, die schon vor der begünstigten Rückzahlung des Fondsdarlehens begründet wurden und nach Tilgung des Darlehens fortgesetzt werden.

Die Vereinbarung eines höheren als des nach § 15 Abs 9 ff WWG zulässigen Mietzinses war vor der (begünstigten) gänzlichen Darlehensrückzahlung (am 2. 12. 1977) jedenfalls unwirksam. Mit der Tilgung des Fondsdarlehens ist zwar eine neue Rechtslage eingetreten: Trotz der bisher unwirksamen Zinsabmachung stand es den Mietvertragsparteien iSd des § 12 Abs 3 RBG frei, unter den Voraussetzungen der §§ 16, 16a MG – hier kommt, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nur § 16 Abs 1 Z 4 MG in Betracht – nach Ablauf einer halbjährigen Bestanddauer eine Vereinbarung über die Mietzinshöhe treffen.

Eine solche Vereinbarung lässt sich jedoch den Feststellungen des Erstgerichts nicht entnehmen. Als ausdrückliche Vereinbarung käme lediglich die fernmündliche Besprechung der Ehegattin des Klägers mit der Zweitbeklagten um den 15. 10. 1980 in Betracht, bei welcher die Beiden die Fortsetzung des Mietverhältnisses erörterten: Ulrike N***** bot der Zweitbeklagten an, die Bestimmungen des Mietvertrags (selbstverständlich ohne die Befristung) unverändert zu belassen, und in der Folge wurde das Mietverhältnis auch tatsächlich in diesem Sinne fortgesetzt. Diese Verhaltensweise der Streitteile kann nur als stillschweigende Erneuerung des Bestandvertrags iSd §§ 1114f ABGB beurteilt werden, die jedoch nicht den Abschluss eines neuen Vertrags, sondern die Fortsetzung des alten bedeutet, der für die Regelung des Verhältnisses zwischen den Vertragsparteien auch weiterhin maßgebend blieb (JBl 1965, 206; EvBl 1960/271; MietSlg 34.245; Klang in seinem Komm 2 V 103).

Möglich ist allerdings auch eine schlüssige Mietzinsvereinbarung. Hiezu genügt es aber nicht, dass es die Parteien bei der unzulässigen Vereinbarung insofern bewenden ließen, als sie nicht angefochten wurde. Der Vermieter muss in einem solchen Fall den vereinbarten höheren Mietzins vorschreiben und der Mieter muss ihn – in Kenntnis der bisher unwirksamen Vereinbarung – auch zumindest ohne Widerspruch laufend bezahlen (MietSlg 29.290/27; 16.265/39). Diese für die Annahme einer stillschweigenden nachträglichen Mietzinsvereinbarung unabdingbaren Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Es steht zunächst fest, dass den Beklagten nicht bekannt gegeben wurde, das Mietobjekt sei – jedenfalls bei Errichtung des Mietvertrags und zu Beginn des Bestandverhältnisses – den Zinsbeschränkungen geförderter Wohnungen unterlegen; außerdem ist im Punkt XII. des Vertrags ausdrücklich – aber unrichtig – festgehalten, dass die Wohnung keinen die Zinsbildung beschränkenden gesetzlichen Bestimmungen unterliegt. Schließlich ist – zu Lasten des insoweit beweispflichtigen Klägers – auch nicht festgestellt, den Beklagten sei späterhin bekannt geworden, dass ihnen ein gesetzlich unzulässig vereinbarter Zins vorgeschrieben wurde, den sie dennoch widerspruchslos bezahlten. Für die Schlüssigkeit des Verhaltens ist im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen ein strenger Maßstab anzulegen (§ 863 ABGB; Rummel in Rummel , ABGB, Rdz 14 zu § 863), sodass bei diesem Sachverhalt auch die stillschweigende Vereinbarung eines höheren als des ursprünglich zulässigen Zinses verneint werden muss. Daran hat sich auch für die Zeit nach Inkrafttreten des § 53 MRG (1. 1. 1982) bis zum Ende des Bestandverhältnisses (30. 4. 1982) nichts geändert.

Die Vorinstanzen sind somit zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestandverhältnis während seiner gesamten Dauer den Zinsbeschränkungen des § 15 Abs 9 ff WWG unterlegen ist; der Revision musste deshalb ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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