OGH 6Ob1521/84

OGH6Ob1521/8427.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emma M*****, vertreten durch Dr. Johann Poulakos, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Dkfm. Manfred M*****, vertreten durch Dr. Helmut A. Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 70.524,49 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. März 1984, GZ 11 R 72/84‑9, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB01521.840.0927.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer Pflichtteilsergänzungsklage stellte die Klägerin das Begehren, der Beklagte sei schuldig, zur ergänzenden Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin hinsichtlich des Fehlbetrags von 70.524,49 S samt 4 % Zinsen seit 1. November 1981 zur Hereinbringung dieses Betrags samt Zinsen die Zwangsvollstreckung in den Gegenstand der Schenkung, nämlich die ideelle Hälfte der Liegenschaft EZ 1193 Katastralgemeinde W***** zu dulden; der Beklagte könne durch die Zahlung des Fehlbetrags samt Zinsen die Zwangsvollstreckung in den obgenannten Gegenstand der Schenkung abwenden. Die Klägerin führte zur Begründung aus, das Recht des Beklagten, die Übertragung der ideellen Hälfte der erwähnten Liegenschaft zu fordern, sei aufgrund des im Zuge des Ehescheidungsverfahrens zwischen den Eltern des Beklagten abgeschlossenen Scheidungsvergleichs vom 21. Juni 1952, wonach sich der Vater des Beklagten verpflichtet habe, seinem Sohn Manfred M***** nach Erreichung der Volljährigkeit seinen Hälfteanteil (Anwartschaftsrecht auf eine Eigentumshälfte) des Hauses *****, durch Schenkung ins Eigentum zu übertragen, mit Erreichung seiner Großjährigkeit am 15. Mai 1965 entstanden. Der Vater des Beklagten habe mit Schreiben vom 14. Mai 1972 gegenüber der Gemeinnützigen Wohnungs‑ und Siedlungsgenossenschaft „Baureform Wohnstätte“ eingetragene Genossenschaft mbH, erklärt, dass er hinsichtlich der ihm zustehenden Hälfte am Siedlungshause die grundbücherliche Übereignung auf den Beklagten wünsche. Daraufhin sei zwischen der Genossenschaft, der Mutter des Beklagten und dem Beklagten der Kaufvertrag vom 5. März 1973 abgeschlossen worden, mit welchem dem Beklagten ein Hälfteanteil an der gegenständlichen Liegenschaft übertragen worden sei. Im Zeitpunkt der Durchführung der Schenkung habe der geschenkte Hälfteanteil einen Wert von mindestens 480.000 S gehabt. Die Klägerin habe mit dem Vater des Beklagten am 20. Juli 1957 die Ehe geschlossen, welche im Zeitpunkt des Todes des Verstorbenen (18. August 1980) noch aufrecht gewesen sei. Die Klägerin habe aufgrund des am 21. April 1970 abgeschlossenen Erbvertrags die bedingte Erbserklärung nach ihrem verstorbenen Gatten abgegeben. Die Errichtung des Hauptinventars habe einen Reinnachlass von 9.475,51 S ergeben. Im Hinblick auf diesen geringen Nachlass fordere sie die Anrechnung der dem Beklagten zugeflossenen Schenkung und mache einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend. Unter Einbeziehung der dem Beklagten zugeflossenen Schenkung ergebe sich ein Wert des reinen Nachlasses von mindestens 480.000 S, sodass ihr Pflichtteilsanspruch mindestens 80.000 S und der Ergänzungsanspruch im Hinblick auf den Reinnachlass den Klagsbetrag ausmache.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, ihm gegenüber fehle der Zuwendung seines Vaters die zum Wesen einer Schenkung gehörige Freiwilligkeit; der Beklagte habe auf diese Leistung nach § 881 Abs 2 ABGB einen eigenen Anspruch erworben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, der Wert des Streitgegenstands übersteige 60.000 S, nicht jedoch 300.000 S und die Revision sei gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, die Zuwendung an den Beklagten sei jedenfalls vor Eingehen der Ehe des Erblassers mit der Klägerin gemacht worden. „Gemacht“ sei die Schenkung schon, wenn ein formgerechter Schenkungsvertrag abgeschlossen worden sei; der Zeitpunkt der Erfüllung sei gleichgültig. Der vorliegende Scheidungsvergleich könne nur so verstanden werden, dass sich der Erblasser gegenüber seiner Ehegattin unwiderruflich verpflichtet habe, dem Beklagten seine Liegenschaftshälfte unentgeltlich zu übertragen, sobald dieser die Großjährigkeit erreiche. Es sei daher das Verpflichtungsgeschäft sofort wirksam und lediglich die Übergabe, das heißt die Fälligkeit mit dem Eintritt der Großjährigkeit des Beklagten befristet worden. Mit dem Wortlaut des Vergleichs wäre zwar auch die Auslegung vereinbar, dass sich der Erblasser gegenüber seiner Ehegattin verpflichtet habe, mit dem Beklagten nach Erreichen der Großjährigkeit einen Schenkungsvertrag abzuschließen, der Scheidungsvergleich also einen Vertrag zugunsten Dritter darstelle, dessen Inhalt nicht eine unmittelbare Leistung an den Dritten wäre, sondern eine Verpflichtung, mit dem Dritten erst einen Vertrag abzuschließen, es sich also um einen Vorvertrag zugunsten Dritter handle. Dass eine solch ungewöhnliche Konstruktion in der Absicht der beim Vergleichsabschluss unvertretenen Vergleichsparteien gelegen wäre, sei nicht einmal behauptet worden. Unter Berücksichtigung der von den Parteien verfolgten Absicht, nämlich dem gemeinsamen Sohn die Liegenschaft zuzuwenden, könne der Vergleich nur in dem erstgenannten Sinn ausgelegt werden, wobei das Wort „schenken“ im Sinne der sachenrechtlichen Verfügung, also der Eigentumsübertragung zu verstehen sei. Dem Formerfordernis sei nach ständiger Rechtsprechung durch das Gerichtsprotokoll entsprochen. Der Rechtserwerb des Beklagten sei daher bereits mit der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des zu seinen Gunsten abgeschlossenen Vergleichs erfolgt. Aber auch wenn man aus dem Vergleich die Bedingung herauslesen wollte, dass der Beklagte den Zeitpunkt seiner Volljährigkeit erleben müsse, um in den Genuss der Schenkung zu kommen, würde dies nichts ändern, weil der Schenkungsvertrag auch in diesem Fall nicht erst mit dem Eintritt der Bedingung, sondern mit seinem Abschluss zustande gekommen wäre. Selbst Schenkungen auf den Todesfall gälten als „unter Lebenden“ gemacht und seien deshalb mit Errichtung des formgültigen Vertrags zustande gekommen.

Gegen dieses Urteil richte sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die nicht zulässig ist.

Die Klägerin erachtet folgende Fragen als erheblich im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO: Die Frage, wann eine Schenkung im Sinne des § 785 ABGB als „gemacht“ anzusehen ist, wann die Zusage einer Leistung „bei Erreichung der Volljährigkeit“ als bedingte oder als befristete anzusehen ist und wann der begünstigte Dritte, beim Vertrag zugunsten Dritter, in dem eine befristete oder eine bedingte Leistung an den Dritten vorgesehen ist, das Recht erwirbt.

Diese Fragen sind aufgrund folgender Überlegungen für die Entscheidung dieser Rechtssache nicht von Bedeutung: Auszugehen ist – dies tut auch die Klägerin – davon, dass der hier als maßgeblich behauptete Teil des Scheidungsvergleichs zwischen den Eltern des Beklagten einen Vertrag zugunsten Dritter darstellt, wobei hier auf sich beruhen kann, ob es sich um einen sogenannten echten oder unechten Vertrag zugunsten Dritter handelte. Ein Vertrag zugunsten Dritter ist kein besondere Vertragstyp im Sinne eines besonderen Schuldverhältnisses, sondern Formalbehelf zur Erreichung verschiedenster Zwecke (vgl Ehrenzweig , System 2 II/1, 197 f, Rummel in Rummel ABGB, Rdz 7 zu § 881; Esser/Schmidt , Schuldrecht 6 , Allgemeiner Teil, 590; Münchener Kommentar RdNr 15 zu § 328 BGB). Die Rechtsnatur des Vertrags zugunsten Dritter wird durch das Deckungsverhältnis, das ist das Verhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger, bestimmt (Münchener Kommentar RdNr 20 zu § 328). Dieses Deckungsverhältnis ist für den Inhalt und den Umfang der Leistung des Versprechenden an den Dritten maßgebend ( Gschnitzer in Klang Kommentar 2 IV/1, 227 f; RGRK BGB 12 , Rdz 29 zu § 328; 1 Ob 12/69; SZ 51/82). Ein Vertragsverhältnis zwischen dem Versprechenden und dem begünstigen Dritten entsteht durch den Vertrag zugunsten Dritter nicht (RGRK aaO Rdz 27 zu § 328; Larenz , Schuldrecht 13 I 205; BGHZ 54, 147). Es ist daher zwischen dem Beklagten als begünstigtem Dritten und seinem Vater als Versprechendem durch den genannten Scheidungsvergleich zu keinem Schenkungsvertragsverhältnis gekommen. Die in Erfüllung des Vergleichs erfolgte Zuwendung an den Beklagten stellt daher auch keine Schenkung des Vaters des Beklagten an diesen dar. Damit ist aber auch der Schenkungspflichtteilsergänzungsklage der Boden entzogen und kommt es auf die von der Klägerin als erheblich angesehene Frage, wann eine Schenkung im Sinne des § 785 ABGB „gemacht“ ist, ebenso wenig an wie darauf, ob dem Beklagten ein bedingtes oder befristetes Recht eingeräumt wurde und wann der Beklagte aus der Zusage, dh aus dem Vertrag zugunsten Dritter, Rechte erworben hat. Sind diese Fragen aber nicht entscheidungswesentlich, dann sind sie schon aus diesem Grund keine erheblichen im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO:

Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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