OGH 7Ob622/84

OGH7Ob622/8413.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Vormundschaftssache des mj Günther M*****, infolge Revisionsrekurses der unehelichen Mutter Grete S*****, vertreten durch Dr. Herbert Hüttner, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 26. Juni 1984, GZ 3 R 165/84‑60, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Mai 1984, GZ 15 P 99/81‑54, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00622.840.0913.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der am 27. 12. 1979 außer der Ehe geborene Günther M***** befindet sich in Pflege und Erziehung seiner Mutter, die mit Günther S***** im August 1981 eine Lebensgemeinschaft aufgenommen und in der Folge die Ehe geschlossen hat. Der Vater des Kindes, Franz K*****, ist seit 1974 verheiratet.

Franz K***** hat bereits einmal, am 30. 10. 1981 (ON 6), den Antrag gestellt, die Pflege und Erziehung des mj Günther der Mutter zu entziehen und ihm zu übertragen, da das Kind bei seiner Mutter nur eine mangelhafte Erziehung genieße und diese die Betreuung des Kindes vernachlässige. Er hat diesen Antrag jedoch – nachdem eine abweisende Entscheidung des Erstgerichts vom 7. 5. 1982, ON 15, vom Rekursgericht aufgehoben worden war (ON 18) – am 23. 3. 1983, ON 30, zurückgezogen.

Am 20. 9. 1983 stellte der Vater neuerlich den Antrag, die Pflege und Erziehung des Kindes ihm zu übertragen (ON 46), und brachte vor, die Mutter sei für die Erziehung des Kindes nicht geeignet. Der Minderjährige besuche ganztägig einen Kindergarten, obwohl die Mutter, die mit ihrem Mann und vier weiteren Kindern in einer gemeinsamen Wohnung wohne, keiner Arbeit nachgehe. Die Mutter kümmere sich nicht ausreichend um das Kind. Der Minderjährige, der einen ungepflegten und nervösen Eindruck mache, werde nicht liebevoll behandelt. Es sei zu befürchten, dass er bei nicht ständiger und ordnungsgemäßer Beaufsichtigung die im Kindergarten erworbenen Verhaltensweisen wieder verlerne.

Die Frau des Vaters – die mit diesem keine gemeinsamen Kinder hat – erklärte sich mit dessen Antrag einverstanden (ON 47).

Die Mutter sprach sich gegen den Antrag aus (ON 53).

Das Erstgericht entzog der Mutter die Pflege und Erziehung des Kindes und stellte fest, dass diese Rechte und Pflichten auf den Vater übergegangen sind (Beschluss vom 8. 5. 1984, ON 54). Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung (Beschluss vom 26. 6. 1984, ON 60). Es ging von folgendem Sachverhalt aus:

Der Minderjährige bewohnt mit seiner Mutter, deren Mann, dessen Mutter und vier Stiefgeschwistern eine aus drei Zimmern und Küche bestehende Wohnung. Dadurch, dass noch vier weitere Kinder an die Mutter – wiewohl diese nicht berufstätig ist – und deren Mann „Ansprüche stellen“, hat der Minderjährige sehr wenig Möglichkeiten, sich zu entfalten. Der Minderjährige besucht seit Februar 1983 den Kindergarten. Dies hat sich auf seine Gesamtpersönlichkeit äußerst günstig ausgewirkt. Das Kind hat sprachliche und intellektuelle Entwicklungsrückstände aufgeholt, die es ohne Kindergarten wahrscheinlich nie hätte gutmachen können. Zwei der drei „Stiefgeschwister“ aus der früheren Ehe des Mannes der Mutter besuchen die Volksschule mit mittelmäßigem Erfolg. Sie haben den Besuch des Hortes beendet. Die Mutter, deren intellektuelle Möglichkeiten und deren Geduld begrenzt sind, muss mit den Kindern die Hausaufgaben machen. Diese akzeptieren die Mutter jedoch nicht zur Gänze, sodass es zu Reibereien kommt. Die Mutter ist wenig belastbar und setzt sich mit Problemen nicht auseinander. Die Entwicklungsmöglichkeiten des Minderjährigen sind bei seiner Mutter und deren Mann eingeschränkt, da die anderen Kinder die Eltern zu sehr beanspruchen, sodass die Zuwendung für Günther zu gering ist. Die Mutter ist in nächster Zukunft den drei Kindern aus der ersten Ehe ihres Mannes sicherlich nicht gewachsen. Franz S***** hat am 9. 2. 1984 gemeinsam mit einem anderen Knaben mehrere Diebstähle in verschiedenen Kaufhäusern begangen.

Der Vater des Kindes verfügt über eine Mietwohnung im Ausmaß von etwa 45 m 2 , die entsprechend eingerichtet ist und die er gemeinsam mit seiner Frau bewohnt. Beide Ehegatten sind berufstätig. Der Vater bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von ca 10.000 S. Die Frau des Vaters hat sich bereit erklärt, den Minderjährigen aufzunehmen. Die Verhältnisse beim Vater scheinen geordneter und für die Zukunft des Kindes gesicherter. Das Kind hat bei seinem Vater viel bessere Entwicklungschachen als im aggressiv‑chaotischen Milieu bei der Mutter, sodass die sich ergebenden Umstellungsprobleme gerechtfertigt sind. Die impulsive Aggressivität des Mannes der Mutter bricht „wie eine Naturgewalt“ über die Kinder herein. Die Auseinandersetzungen zwischen Günther S***** und seinen drei Söhnen aus erster Ehe werden voraussichtlich in nächster Zeit immer unangenehmere Formen annehmen und das Zusammenleben der Familie sehr belasten. Die Gefahr, dass der Minderjährige das Verhaltensmuster seiner „Stiefbrüder“ übernimmt, ist nicht zu übersehen. Er befindet sich derzeit noch in einem Alter, in dem es ihn möglich ist, sich in einer neuen Umgebung einzuwurzeln und die Zuneigung von Erwachsenen zu gewinnen.

Der Vater ist von Montag bis Freitag in der Zeit von 5:30 Uhr bis 14:05 Uhr bei der Firma W***** als Kranführer beschäftigt. Seine Frau hat eine gleitende Arbeitszeit bei der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter. Sie muss spätestens um 8 Uhr die Arbeit aufnehmen und mindestens bis 13 Uhr arbeiten. Der Minderjährige würde bei Übernahme seiner Pflege und Erziehung durch den Vater weiterhin den Ganztageskindergarten besuchen. Er würde von der Frau des Vaters morgens dort hingebracht und von seinem Vater nach 14:05 Uhr abgeholt werden. Er hätte somit im Kindergarten das Mittagessen. Gertrude K*****, die Frau des Vaters, kommt spätestens um 16 Uhr nach Hause. Mitte Juli 1984 wird der Vater eine 75 m 2 große Wohnung beziehen, in der der Minderjährige ein eigenes Zimmer zur Verfügung haben würde. Während der Kindergartenferien würde Sabine J*****, die Tochter seines Schwagers, die eben maturiert hat, den Minderjährigen kennt und sich hiezu bereit erklärt hat, das Kind betreuen. Im Falle ihrer Verhinderung wäre auch Maria H*****, bei der das Kind bereits einmal in Pflege war, bereit, auf das Kind zu schauen. Mit Berücksichtigung des dreiwöchigen Sommerurlaubes des Vaters würde das Kind maximal fünf Wochen tagsüber für einige Stunden von anderen Personen als dem Vater und dessen Gattin beaufsichtigt werden.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Rekursgericht aus, dass die Entziehung der Pflege und Erziehung nach § 176 ABGB vorausssetze, dass die Mutter durch ihr Verhalten das Wohl des Kindes gefährde. Es komme bei der Entscheidung über den Antrag des Vaters nicht darauf an, ob die Unterbringung und die Erziehung des Kindes bei ihm günstiger wären, sondern ob eine konkrete, ernste Gefahr für die Entwicklung des Kindes bestehe, weil die Mutter ihre Pflicht zu dessen Erziehung nicht erfülle oder doch in einer das Kindeswohl gefährdenden Weise vernachlässige. Die Mutter, deren intellektuelle Möglichkeiten und deren Geduld begrenzt seien, sei in der Fürsorge für den Minderjährigen dadurch behindert, dass die drei Kinder ihres Mannes aus dessen erster Ehe Erziehungsschwierigkeiten bereiten. Infolge zu großer Inanspruchnahme der Mutter durch diese Kinder sei ihre Zuwendung für den mj Günther zu gering. Das Zusammenleben in der Familie der Mutter werde durch Auseinandersetzungen zwischen ihrem Mann und dessen Söhnen, die immer unangenehmere Formen annehmen, sehr belastet. Die Mutter sei in nächster Zeit den drei Kindern aus erster Ehe ihres Mannes sicherlich nicht gewachsen. Der mj Günther wachse bei seiner Mutter in einem aggressiv‑chaotischen Milieu auf. Es bestehe die Gefahr, dass er die Verhaltensweisen seien „Stiefbrüder“, von denen einer mehrerer bereits begangener Diebstähle geständig sei, übernehme. Die Mutter sei wenig belastbar und setze sich mit Problemen nicht auseinander. Eine Gefährdung des Kindeswohls iSd § 176 Abs 1 ABGB fordere nicht geradezu einen Missbrauch der elterlichen Befugnisse. Es genüge, dass die elterlichen Pflichten objektiv nicht erfüllt oder subjektiv gröblich vernachlässigt worden seien. Von einer solchen Gefährdung des Kindeswohls sei hier auszugehen, da die Mutter nicht in der Lage und geeignet sei, die Entwicklung ihres Kindes zu fördern. Demgegenüber würde das Kind bei seinem Vater in einer ruhigen Atmosphäre aufwachsen und wesentlich bessere Entwicklungs‑ und Entfaltungsmöglichkeiten vorfinden. Für die Betreuung des Kindes während der berufsbedingten Abwesenheit des Vaters und dessen Frau sei bei entsprechenden Wohnverhältnissen genügend Vorsorge getroffen. Ein schwerer, über das übliche Ausmaß hinausgehender Schaden für das Kind durch den Wechsel des Pflegeplatzes sei auszuschließen.

Die Mutter bekämpft den Beschluss des Rekursgerichts mit außerordentlichem Revisionsrekurs. Sie macht die Rekursgründe der offenbaren Gesetzwidrigkeit und der Nullität geltend und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Antrag des Vaters abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 16 AußStrG können, wenn das Rekursgericht die Entscheidung der ersten Instanz bestätigt, nur die Anfechtungsgründe der Nullität und der offenbaren Gesetz‑ oder Aktenwidrigkeit geltend gemacht werden. Es ist daher die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu prüfen.

Eine Nullität der bekämpften Entscheidung sieht die Mutter darin, dass sie zur Frage der Betreuungsbedingungen beim Vater „und auch schon zu den Vereinbarungen mit dem Kindesvater im März 1983“ nicht gehört und (als unvertretene Partei) über die ihr zu Gebote stehenden Anträge wie Einvernahme der Kindergartentante, Einholung eines Sachverständigengutachtens darüber, wie wichtig in der gegenwärtigen Entwicklungsphase des Kindes die Geborgenheit im vertrauten Familienverband und wie groß die Gefahr einer Schockwirkung durch das plötzliche Herausreißen aus diesem Verband sei, nicht belehrt worden sei.

Nach ständiger Rechtsprechung gelten die Nichtigkeitsgründe der Zivilprozessordnung auch für das außerstreitige Verfahren, soweit sie dafür in Betracht kommen. In ganz besonderen Fällen ist auch anderen Verfahrensverstößen das Gewicht einer Nichtigkeit beizumessen, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind (EvBl 1982/120 ua).

Der Umstand, dass das Rekursgericht durch das Erstgericht Erhebungen über die Betreuungsbedingungen beim Vater durchführen ließ, stellt keinen Verfahrensverstoß dar; denn im außerstreitigen Verfahren gilt der Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht (EFSlg 42.078 ua). Keinen Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit bildet es aber auch, dass der Mutter diese Erhebungsergebnisse nicht zur Kenntnis gebracht worden sind, da es keinen Nichtigkeitsgrund darstellt, wenn im Außerstreitverfahren ein Beteiligter zu einzelnen Beweisergebnisse nicht gehört wurde (EvBl 1966/14). Welchen Vorgang die Mutter damit rügen will, dass sie „zu den Vereinbarungen mit dem Kindesvater im März 1983“ nicht gehört worden sei, ist nicht zu erkennen, und zwar auch nicht im Zusammenhang mit ihren Rekursausführungen ON 55, aus denen lediglich deutlich wird, dass sie sich hiebei auf die Zurückziehung des Antrags des Vaters auf Übernahme des Kindes in seine Pflege und Erziehung (ON 30) und die in der Folge einvernehmlich gestaltete Regelung des Besuchsrechts des Vaters bezieht.

Mit der Frage, ob durch den Wechsel des Pflegeplatzes ein Schaden für das Kind zu besorgen ist, haben sich die Vorinstanzen ausdrücklich befasst, und sie haben sie aufgrund der Feststellung, es sei dem Kind nach seinem Alter (noch) möglich, sich in einer neuen Umgebung einzuwurzeln, verneint. Diese Feststellung gründet sich auf die Stellungnahme der Psychologischen Beratungsstelle des Magistrates Graz, Amt für Jugend und Familie, ON 50. Der Umstand, dass die Untergerichte hiezu nicht auch ein Sachverständigengutachten im Sinne der Ausführungen des Revisionsrekurses eingeholt und eine Zeugenvernehmung durchgeführt haben, – das Rekursgericht hat sich nicht veranlasst gesehen, im Sinne eines entsprechenden Antrags im Rekurs ON 55 vorzugehen –, vermag einen Verfahrensverstoß vom Gewicht einer Nichtigkeit keinesfalls zu begründen.

Unter dem Rekursgrund der offenbaren Gesetzeswidrigkeit macht die Mutter geltend, die Vorinstanzen hätten das Grundprinzip der Wahrung des Kindeswohls verletzt, weil neben dem Aufenthalt im Kindergarten zwei fremde Personen für die zumindest einige Stunden täglich dauernde Beaufsichtigung des Kindes vorgesehen seien, ohne dass geklärt worden wäre, welche besonderen, über die Fähigkeiten der Mutter hinausgehende Qualifikationen diese Betreuungspersonen besitzen und wieso eine Beaufsichtigunhg durch sie mehr der Entwicklungsförderung des Kindes diene als die Betreuung durch die Mutter. Auch die Erwartung einer besseren materiellen Entfaltungsmöglichkeit des Kindes beim Vater werde gegenüber der Geborgenheit im angestammten Familienverband überbewertet. Die Überlastung der Mutter durch die Pflege und Erziehung auch anderer Kinder als des mj Günther könne eine Übertragung dieser Rechte und Pflichten auf den Vater nicht rechtfertigen, weil dieser zufolge seiner Berufstätigkeit noch viel weniger Zeit für das Kind aufbringen könne und überdies mit den Aufgaben einer Kindererziehung nur unzulänglich vertraut sei.

Der Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit ist jenem der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht gleichzuhalten (SZ 39/103). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, dass an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann, und trotzdem anders entschieden wurde (SZ 39/103 uva). Eine Ermessensentscheidung, nämlich eine nach den gegebenen Umständen zu treffende Regelung, begründet noch keine offenbare Gesetzwidrigkeit, wenn der eine oder andere dieser Umstände nicht gebührend gewertet wurde, es sei denn, dass letzteres einen Verstoß gegen eine eindeutige Gesetzslage oder gegen die Grundprinzipien des Rechts bedeutet (7 Ob 282/72). Ein solches Grundprinzip ist im Pflegschaftsverfahren die Außerachtlassung des Wohles des pflegebefohlenen Kindes (1 Ob 249/71 ua).

Die Übertragung der Pflege und Erziehung eines unehelichen Kindes an dessen Vater setzt voraus, dass die Mutter durch ihr Verhalten das Wohl des Kindes gefährdet und damit die Voraussetzungen für die Erziehung der nach § 170 ABGB zunächst ihr allein zustehenden Rechte gegeben sind (4 Ob 533/79). Ein Wechsel in den Pflege‑ und Erziehungsverhältnissen ist nur dann vorzunehmen, wenn dies besondere Umstände, insbesondere eine Gefährdung des Pflegebefohlenen erheischen (EvBl 1972/256). Maßnamen nach dem im Wege der §§ 170, 145 ABGB anzuwendenden § 176 ABGB sind nur gerechtfertigt, wenn die Eltern die Erziehung vernachlässigen oder die Erziehungsgewalt missbrauchen, nicht aber schon dann, wenn die Erziehung bei einer dritten Person besser wäre als die an sich ordnungsgemäße Erziehung bei den Eltern (EFSlg 33.605). Eine gewisse vorübergehende Belastung des Kindes durch den geforderten Wechsel des Pflegeplatzes steht einem solchen Wechsel nicht entgegen; es müsste ein eindeutig über das übliche Maß hinausgehender schwerer Schaden konkret zu befürchten sein (7 Ob 576, 577/80).

In der angefochtenen Entscheidung wurde im Sinne der dargestellten gesetzlichen Regelung und der sich daraus ergebenden Grundprinzipien erhoben, ob besondere Umstände, insbesondere eine Gefährdung des Pflegebefohlenen, einen Wechsel in den Pflege‑ und Erziehungsverhältnissen erheischen, und es wurde eine solche Gefährdung deshalb angenommen, weil die Mutter, deren intellektuelle Fähigkeiten und Geduld begrenzt sind, in ihrer Sorge für den Minderjährigen durch Erziehungsschwierigkeiten mit drei weiteren Kindern ihres Mannes – denen sie nicht gewachsen ist – behindert ist, die Auseinandersetzungen immer unangenehmere Formen annehmen und das Zusammenleben der Familien sehr belasten, sodass der Minderjährige bei seiner Mutter in einem aggressiv‑chaotischen Milieu aufwächst und die Gefahr besteht, dass der Minderjährige die Verhaltensweisen seiner „Stiefbrüder“ (der Kinder des Mannes der Mutter aus dessen erster Ehe) von denen einer bereits mehreren begangener Diebstähle geständig ist – übernimmt. In dieser Beurteilung kann eine offenbare Gesetzeswidrigkeit im dargestellten Sinn nicht gefunden werden. Pflege und Erziehung stehen daher gemäß § 170 ABGB (§ 145 Abs 1, erster Satz, ABGB) dem Vater zu. Dass auch der Vater in einer Weise des § 145 Abs 1, erster Satz, ABGB betroffen wäre, wurde nicht festgestellt. Der Vorwurf, die Betreuung des Kindes beim Vater werde mehrere Stunden täglich durch „zwei fremde Personen“ erfolgen, ist aktenwidrig. Denn eine derartige Betreuung ist nur für einen Zeitraum von fünf Wochen im Jahr (Sperre des Kindergarten zwei Monate, Urlaub des Vaters drei Wochen) vorgesehen. Konkrete Bedenken gegen die Betreuung des Kindes durch diese Personen werden von der Mutter nicht geltend gemacht. Dass das Kind durch den geforderten Wechsel des Pflegeplatzes in einer über das übliche Maß hinausgehenden Weise belastet werden könnte, nimmt die Mutter offensichtlich selbst nicht an, im Gegenteil, sie erwähnt in ihrem Rechtsmittel sogar, dass sich eine anderweitige Unterbringung des Kindes in dessen Interesse auch nach ihrem Dafürhalten in einigen Jahren als notwendig erweisen könnte.

Der angefochtene Beschluss leidet daher nicht an einer offenbaren Gesetzwidrigkeit.

Der Revisionsrekurs war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

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