OGH 8Ob514/84

OGH8Ob514/846.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Christa Maria D*****, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Felix Rudolf D*****, vertreten durch Dr. Franz Müller‑Stobl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 4. Oktober 1983, GZ 6 R 107, 108/83‑109, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 2. Mai 1983, GZ 28 Cg 53/80‑97, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00514.840.0906.000

 

Spruch:

 

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe:

Die am 10. 7. 1928 geborene Klägerin und Widerbeklagte (in der Folge Klägerin genannt) und der am 19. 8. 1920 geborene Beklagte und Widerkläger (in der Folge Beklagter genannt) haben am 22. 11. 1975 vor dem Standesamt Dresden/West die Ehe geschlossen. Es handelte sich seitens der Klägerin um die zweite und seitens des Beklagten um die dritte Ehe. Die Vorehe der Klägerin wurde durch Scheidung aufgelöst, die erste Ehe des Beklagten durch Scheidung, seine zweite Ehe durch den Tod seiner Ehegattin. Der Ehe der Streitteile entstammen keine Kinder. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; sie hatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt in Klagenfurt.

Der Beklagte brachte am 13. 1. 1977 eine auf § 49 EheG gestützte Ehescheidungsklage gegen die Klägerin ein, mit der er die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin begehrte. Diese Scheidungsklage zog er am 10. 10. 1978 (ON 21) unter Anspruchsverzicht zurück, nachdem die Klägerin am 17. 10. 1977 eine auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten gerichtete Widerklage eingebracht hatte. Am 8. 8. 1980 erhob der Beklagte seinerseits eine Widerklage, mit der er die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin begehrte.

Die Klägerin stützte ihr Begehren im Wesentlichen darauf, dass sich der Beklagte schon bald nach der Eheschließung als uneinsichtig, unnachgiebig, rechthaberisch, tyrannisch und rücksichtslos gezeigt habe, sodass es zu Streitigkeiten gekommen sei, in deren Verlauf der Beklagte mit ihr herumgebrüllt und herabsetzende Bemerkungen geäußert habe. Der Beklagte habe wiederholt die Hand gegen sie erhoben, sie beschimpft und wiederholt aufgefordert, aus der Wohnung zu verschwinden. Am 2. 5. 1977 habe der Beklagte der Klägerin die Haushaltsführung entzogen und sie seiner Tochter Karin übertragen. Der Beklagte habe alle Probleme nur mit seinen Kindern besprochen und es geduldet, dass sich seine Kinder in die Ehe eingemischt hätten, wobei er für seine Kinder und gegen die Klägerin Stellung genommen habe, während er die Kontakte der Klägerin zu ihren Kindern abgelehnt habe. Er habe die Anschaffung von Kleidungsstücken für die Klägerin von seiner Billigung abhängig gemacht. Er habe der Klägerin 1.600 S Taggeld aus einer privaten Krankenversicherung vorenthalten und sie, als sie ihm deswegen Vorhaltungen gemacht habe, zusammen mit ihrer Mutter aus der Wohnung gewiesen. Der Beklagte habe der Klägerin die im Jahr 1977 erteilte Bewilligung eines Kurkostenzuschusses verschwiegen, um die eigenen Leistungen zu ersparen. Im Herbst 1977 habe der Beklagte die Klägerin, weil sie eine Lederjacke gekauft habe, mittellos in Riccione zurückgelassen. Während eines Urlaubes in Rügen im Sommer 1978 habe der Beklagte die Klägerin gegenüber ihren Familienangehörigen herabgesetzt. Nach der Rückkehr der Streitteile von diesem Urlaub seien die Töchter des Beklagten im ehelichen Haushalt verblieben, ohne dass das Wirtschaftsgeld erhöht worden wäre. Als die Klägerin eine Tochter des Beklagten ersucht habe, mit ihrem fünfjährigen Sohn in die eigene Wohnung zurückzukehren, habe der Beklagte auf den Verbleib der Tochter bestanden und die Klägerin aufgefordert, das Haus zu verlassen, damit er mit seinen Töchtern in Frieden leben könne. Am 14. 8. 1978 habe er die Klägerin bei den Schultern erfasst und bei der Tür hinausgestoßen, weshalb sie am 17. 8. 1978 den ehelichen Haushalt verlassen habe. Der Beklagte verdiene monatlich netto 30.000 S, gebe der Klägerin aber nur 4.000 S Wirtschaftsgeld und 1.500 S Taschengeld. Er verweigere ihr die Bezahlung von Kleidungsstücken und Arztkosten (Zahnersatz) bzw leiste derartige Zahlungen erst nach wiederholten Mahnungen, während er seinen Kindern gegenüber großzügig sei. Nachdem die Klägerin die Ehewohnung verlassen habe, habe der Beklagte Schlösser an der Haus‑ und Gartentür anbringen lassen, um die Rückkehr der Klägerin zu verhindern. Ferner habe er ein auf den Namen der Klägerin lautendes Prämiensparbuch aufgelassen. Er habe wiederholt, zuletzt am 5. 5. 1980, die Post der Klägerin geöffnet. Weder am 19. 2. 1979 noch später habe zwischen den Streitteilen eine Versöhnung stattgefunden; es sei lediglich eine Probezeit vereinbart worden, während der geprüft werden sollte, ob ein Zusammenleben möglich sei. Verschiedene weitere Vorfälle hätten jedoch das Vertrauen der Klägerin in den Beklagten endgültig zerstört, weshalb sie die Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft mit dem Beklagten abgelehnt habe.

Der Beklagte machte im Wesentlichen als Ehescheidungsgründe geltend, dass die Klägerin, die äußerst herrisch, aufbrausend und aggressiv sei, ihn wiederholt beschimpft habe. Am 22. 1. 1977 habe sie ihn während einer Autofahrt mit der Handtasche auf den Kopf geschlagen. Sie sei wiederholt ohne Herstellung des Einvernehmens mit dem Beklagten ins Ausland gefahren und habe in seinen Privatdokumenten gewühlt und auch solche an sich genommen. Am 17. 8. 1978 habe die Klägerin die Ehegemeinschaft grundlos und gegen den Willen des Beklagten aufgehoben; schon vorher habe sie den Haushalt vernachlässigt. Trotz der im Februar 1979 erfolgten Versöhnung habe sie die eheliche Gemeinschaft nicht wieder aufgenommen. Sie habe wiederholt falsche Anschuldigungen gegen den Beklagten erhoben und das Entgegenkommen, das ihr Hans T***** gezeigt habe, missbraucht.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus beiderseitigen gleichteiligen Verschulden.

Den gegen diese Entscheidung gerichteten Berufungen beider Streitteile gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin bekämpft sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochene Urteil dahin abzuändern, dass ihrem Klagebegehren stattgegeben und die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten geschieden, die Widerklage des Beklagten aber abgewiesen werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichts aus den gleichen Revisionsgründen mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise stellt er den Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Klägerin (und der Abweisung ihrer Widerklage) abzuändern.

Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen gingen im Wesentlichen von folgenden Sachverhalt aus:

Die erste Ehe der Klägerin wurde im Jahr 1974 vom Kreisgericht Aue (DDR) geschieden, wobei der Klägerin ein monatlicher Unterhalt von 200 Mark auf die Dauer von sechs Monaten ab Rechtskraft der Scheidung zuerkannt wurde. Aus dieser Ehe der Klägerin stammen vier volljährige Kinder, die in der DDR leben.

Der Beklagte hat der Klägerin seine erst mit Martha R***** geb. P***** am 22. 7. 1944 geschlossene und mit Urteil des Landesgerichts Zwickau vom 3. 6. 1947 geschiedene kinderlos gebliebene Ehe verschwiegen. Seine zweite Gattin Gertraud M***** geb. H***** brachte in die am 18. 12. 1948 geschlossene Ehe mit dem Beklagten ihre vorehelich geborene Tochter Eveline H***** (durch Namensgebung D*****) mit. Aus dieser Ehe stammen der 1949 geborene Sohn Wolfgang D*****, die 1951 geborene Tochter Karin D***** und die 1954 geborene Tochter Ines D*****. Die zweite Ehefrau des Beklagten starb am 3. 10. 1973. Diese Ehe litt schon im ersten Jahr darunter, dass der Beklagte ein äußerst schwieriger Mensch war. Nachdem er erfahren hatte, dass seine zweite Frau gegen ihn eine Ehescheidungsklage eingebracht hatte, unternahm er einen Selbstmordversuch, indem er eine Flasche Opium austrank. Er konnte aber gerettet werden, worauf die Scheidungsklage zurückgezogen wurde. Der Beklagte ist insofern schwierig, als er spontan unüberlegte Handlungen setzte und dabei Leute beleidigt, dann aber sein Verhalten bereut und sich entschuldigt. Der Beklagte ist intelligent, doch ist mit seiner geistigen Überlegenheit die dargestellte Unbeherrschtheit verbunden.

Schon bald nach der Eheschließung kriselte es in der Ehe der Streitteile. Die vier volljährigen Kinder des Beklagten verstanden sich mit der Klägerin nicht; bei Auseinandersetzungen zwischen ihnen hielt der Beklagte mehr zu seinen Kindern, befolgte deren Empfehlungen und stand der Klägerin nicht bei.

Während einer Autofahrt von Velden nach Klagenfurt am 22. 1. 1977 hatten die Streitteile wiederum wegen der Kinder des Beklagten eine Auseinandersetzung. Der Beklagte äußerte sich schreiend zu der am Beifahrersitz sitzenden Klägerin, sie habe eine Brett vor dem Kopf und schlug ihr während der Fahrt mit der flachen Innenhand zwischen Augen und Nase bzw auf die Stirn, bis ihm die Klägerin mit ihrer Handtasche mehrere Schläge versetzte. Auf ihre Aufforderung hielt er das Auto an, um sie aussteigen zu lassen, setzte es aber plötzlich wieder in Bewegung, als sie erst mit einem Bein aus dem Fahrzeug war, sodass sie in das Auto zurückgeschleudert wurde. Der Beklagte hielt erst zu Hause an, wo er die Klägerin um Verzeihung bat. Als ihm die Klägerin am nächsten Tag die Spuren des Vorfalls auf ihrer Stirn zeigte, sagte er zu ihr, es solle ihr noch lange wehtun, damit sie es nicht vergesse.

Die nervenleidende Klägerin entschloss sich im Februar 1977, für 14 oder 15 Tage zu ihren Verwandten nach Deutschland zu fahren, ohne vorher den Beklagten zu informieren. Sie hinterließ lediglich ein Schreiben vom 16. 2. 1977, in dem sie auf ihre seelische Anspannung, hervorgerufen durch das unberechenbare Verhalten des Beklagten, hinwies und ersuchte, sie nicht zurückzuholen und sie nur in dringenden Fällen unter der angegebenen Telefonnummer anzurufen. Der Beklagte hätte sie bei vorheriger Kenntnis nicht wegfahren lassen. Er erreichte die Klägerin noch am Bahnhof und nahm ihr das Reisegepäck weg, um ihre Abreise zu verhindern, folgte es ihr aber schließlich wieder aus. Er versuchte dann telefonisch ihre frühere Rückreise zu veranlassen. Einen Brief der Tochter der Klägerin schickte er damals mit dem unrichtigen Vermerk zurück, er sei nicht zustellbar, weil der derzeitige Aufenthalt der Klägerin nicht bekannt sei.

Im Sommer 1977 befand sich die Klägerin in schlechter nervlicher Verfassung. Der Beklagte war an ihr vorwiegend nur mehr sexuell interessiert und teilte ihr am 23. 6. 1977 schriftlich mit, dass er nichts dagegen einzuwenden habe, wenn sie sofort (noch vor der Scheidung) aus der Wohnung ausziehe und die Haushaltsführung aufgebe. Er hatte auch die Adresse einer Wohnungsvermieterin aufgeschrieben.

Während eines Streits wegen der Kinder des Beklagten am 15. 7. 1977 warf die Klägerin absichtlich einen Mamoraschenbecher auf den Boden und weigerte sich, ihn aufzuheben. Der Beklagte erfasste sie am Genick und drückte sie zu Boden, um zu erreichen, dass sie den Aschenbecher aufhebe. Schließlich hob er ihn selbst auf. Er erfasste die Klägerin von hinten an den Armen und drängte sie zur Tür hinaus, wobei sie an den Türpfosten stieß und sich verletzte. Als sich später die Ehegatten zu Bett legten und der Beklagte die Klägerin an den Armen erfasste, biss ihn diese in den Unterarm.

Während des gemeinsamen Urlaubsaufenthalts in Riccione im September 1977 ließ sich die Klägerin von dem vom Beklagten bei der Hoteldirektion in Verwahrung gegebenen Geld 1.500 S ausfolgen, um eine Lederjacke zu kaufen. Der Beklagte brach daraufhin den für 14 Tage geplanten Urlaub nach 8 Tagen ab, fuhr nach Hause und ließ die Klägerin ohne Geld zurück, nachdem er sie mit der Innenhand zwischen Augen und Stirn geschlagen und erklärt hatte, so etwas gebe es bei ihnen nicht und werde es auch in Zukunft nicht gebe. Die Klägerin musste die Hoteldirektorin von ihrer misslichen Lage unterrichten. Sie ersuchte vergeblich Hans T***** um die Überweisung eines Betrags von 2.000 S. Nach drei oder vier Tagen verständigte der Beklagte das Hotel, dass er das Geld schicken werde. Er holte die Klägerin auch vom Bahnhof in Klagenfurt ab.

Über Einladung des Beklagten weilte die Mutter der Klägerin im Dezember 1977 und Jänner 1978 vier Wochen in Klagenfurt zu Besuch bei den Streitteilen. Im Zug einer Auseinandersetzung wegen eines Spitaltaggeldes im Betrag von 2.000 S, das die Klägerin vom Beklagten vorenthalten wähnte (der Beklagte ließ ihr in der Folge das Geld zukommen), forderte der Beklagte die Klägerin auf, aus den Haus zu verschwinden, die Mutter solle in ein Hotel ziehen.

Während des Urlaubs den die Streitteile vom 7. 7. bis 2. 8. 1978 in Gesellschaft von Verwandten der Klägerin auf der Insel Rügen verbrachten, hatten beide das ehrliche Bestreben, sich wieder zu versöhnen und miteinander auszukommen. Es kam während dieser Zeit zwischen den Ehegatten mehrmals zu Geschlechtsverkehr. Allerdings äußerste der Beklagte damals gegenüber der Tochter der Klägerin Margita O*****, ihre Mutter tauge nichts, sie habe sich nur in das gemachte Nest setzen wollen.

Während dieser urlaubsbedingten Abwesenheit der Streitteile hatte die Tochter des Beklagten Karin D***** dessen Haus in Klagenfurt (der Beklagte hat es mit Schenkung auf den Todesfall seinen Kindern übertragen) betreut; sie wohnte dort mit ihrem fünfjährigen Sohn Timo. Außerdem hielt sich auch Ines D***** mit ihrem Freund Gerhard H***** in diesem Haus auf. Wegen dieser Verhältnisse kam es ab dem 2. 8. 1978 täglich zu ernsten und tiefgreifenden Auseinandersetzungen zwischen den Ehegatten. Als Karin D***** die Koffer gepackt hatte, um in ihre Wohnung zurückzukehren, ersuchte sie der Beklagte, zu bleiben, was die Klägerin als Affront gegen sich auffasste. Bei diesen Gelegenheiten wie auch schon früher beschimpfte die Klägerin den Beklagten mit Ausdrücken wie „Geizhals, Lump, Gauner, Betrüger; er kenne sie nur, wenn sie mit ihm ins Bett gehe“. Derartige Beschimpfungen dauerten oft mehrere Stunden. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, endlich zu verschwinden, damit er mit seinen Kindern in Frieden leben könne. Die Auseinandersetzungen steigerten sich so weit, dass der Beklagte die Klägerin am 14. 8. 1978 an den Schultern fasste und mit dem Bemerken, sie solle verschwinden, zur Tür hinausschob.

Die Klägerin bereitete nach dem 2. 8. 1978 für den Beklagten kein Essen mehr zu, sodass seine Tochter Karin für ihn das Essen kochte. Die Klägerin aß nicht mehr am gemeinsamen Tisch, sondern ging ins Wohnzimmer essen.

Da die Klägerin diese Zustände im Haus des Beklagten nicht mehr auszuhalten vermeinte, zog sie am 17. 8. 1978 aus der Wohnung aus und kehrte seither nicht mehr dorthin zurück. Eine Antragstellung nach § 92 Abs 3 ABGB erfolgte nicht. Die Klägerin fand zunächst Unterkunft bei Dora H*****, die sie im Rahmen der Hauskrankenhilfe bis zu ihrem Tod pflegte. In der Folge bezog sie eine Mietwohnung in Klagenfurt.

Am 12. 2. 1979 fand zwischen den anwaltlich vertretenen Streitteilen in der Kanzlei des Beklagtenvertreters eine Besprechung statt, um einen Modus zu finden, wie das Scheidungsverfahren am raschesten beendet werden könnte. Der Beklagte brachte dort zum Ausdruck, dass er mit der Klägerin beisammen sein und die Ehe aufrecht erhalten möchte. Dies lehnte die Klägerin zunächst ab, war aber dann auf Drängen ihres Vertreters mit einer Probezeit von sechs Monaten einverstanden. Dr. K***** hielt dazu in einem stenographischen Vermerk fest, dass diese sechsmonatige Probezeit eine Überlegungsfrist darstelle, während der die Streitteile getrennt wohnen und in Gesprächen erkunden sollten, ob die Weiterführung der Ehe möglich sei; nach Ablauf der Probezeit solle dies ausdrücklich erklärt werden. Der Beklagte verpflichtete sich bei dieser Gelegenheit, der Klägerin für die Zeit von September 1978 bis Februar 1979 monatlich Unterhalt von 6.000 S zu bezahlen, ferner die Kosten der Fahrschule der Klägerin und die Kosten ihres Vertreters Dr. K*****. Tatsächlich hat der Beklagte 26.174 S bezahlt. Dem Erstgericht wurde Ruhen des Verfahrens angezeigt.

In der Folge trafen sich die Streitteile dann öfters in der Wohnung des Beklagten, wenn dessen Kinder abwesend waren, und zwar etwa einmal wöchentlich. Sie gingen auch etwa einmal im Monat gemeinsam aus. Sie unterhielten aber zunächst keine intimen Beziehungen. Während des Kuraufenthalts der Klägerin in Baden bei Wien im Juli 1979 unternahmen die Streitteile gemeinsame Ausflugsfahrten ins Burgenland und in den Wienerwald, besuchten Schloss Laxenburg, Schonbrunn und Heiligenkreuz und nahmen auch an einem Tanzabend in der Krainerhütte im Wienerwald teil. Die Klägerin suchte den Beklagten in dessen Hotelzimmer auf, ersuchte, dort duschen und ein Mittagsschläfchen halten zu dürfen und vollzog dort freiwillig und ohne Zwang an zwei aufeinanderfolgenden Nachmittagen mit dem Beklagten den Geschlechtsverkehr.

Nach Ablauf der vereinbarten sechsmonatigen Probezeit (12. 8. 1979) weigerte sich die Klägerin aber, in den ehelichen Haushalt zum Beklagten zurückzukehren, weil er eine notarielle Verpflichtung über die Einräumung der von der Klägerin gewünschten Rechte von einer schriftlichen Erklärung der Klägerin in den Haushalt zurückzukehren, abhängig gemacht habe. Der Beklagte hätte der Klägerin zusichern müssen, dass sie nicht ständig Ärger habe, wenn sie ein Kleidungsstück brauche oder für drei Tage zu ihren Kindern nach Dresden fliegen wolle. Der Beklagte hätte auch dafür sorgen müssen dass sich seine Kinder nicht in die Ehe einmischen und nur dann ins Haus kommen, wenn es die Klägerin erlaube. Außerdem kränkte die Klägerin, dass der Beklagte nach Ablauf der Probezeit seine Unterhaltszahlungen einstellte. Erst ab Mai 1980 wurde der Klägerin ein einstweiliger Unterhalt zuerkannt.

Als sich der Beklagte im August 1979 in stationärer Krankenhausbehandlung befand, übergab er der Klägerin einen Blankoscheck, den sie zur Liquidierung des Unterhaltsrückstands von 36.000 S ausfüllte und bei der Raiffeisenkasse Klagenfurt einlöste. Es erfolgte aber eine Rückbelastung, weil der Beklagte am 3. 9. 1979 die Sparkasse Feldkirchen verständigt hatte, den Scheck nur bis 6.000 S einzulösen. Der Beklagte hatte den Blankoscheck zwar nicht sperren lassen, aber auf die Auszahlung von 6.000 S beschränkt. In der Folge stimmte er aber der Einlösung in volle Höhe zu.

Der Beklagte fuhr der Klägerin, die in der Zeit vom 1. bis 22. 10. 1979 Verwandte in der DDR besuchte, ohne ihm davon Mitteilung zu machen, dorthin nach. Die Klägerin fuhr mit dem Beklagten in dessen PKW nach Hause, weil er erklärt hatte, er fahre nicht früher nach Hause, bevor nicht auch die Klägerin abreise. Einen sexuellen Annäherungsversuch des Beklagten in Bayern lehnte die Klägerin ab.

Nach diesen Vorfällen sanken die ehelichen Beziehungen der Streitteile wieder auf einen Tiefpunkt. Der Beklagte suchte nämlich trotz aller Vorkommnisse die Verbindung mit der Klägerin in sexueller Hinsicht, die aber, dieses Abhängigkeitsverhältnis ausnützend, eine vertraglich bis ins Detail geregelte Ehe durchzusetzen versuchte.

Die Klägerin erlitt im November 1979 einen Fahrradunfall; trotzdem leistete ihr der Beklagte keinen Unterhalt. Er ersuchte wohl Ludmilla R***** im Dezember 1979, sich um die Klägerin zu kümmern, die 8 Tage stationär im Krankenhaus behandelt wurde und anschließend längere Zeit im Krankenstand war. Über Alfred Hafner K***** versuchte er auf Ludmilla R***** einzuwirken, sie möge sich für eine Rückkehr der Klägerin zum Beklagten einsetzen, machte ihr aber in der Folge telefonisch Vorwürfe, dass sie sich in die Angelegenheit einmische.

Im November oder Dezember 1979 äußerte sich der Beklagte beleidigend zur Klägerin dahin, dass sie geldgierig und berechnend sei und nur sein Geld haben wolle, als sie ihn ersuchte, ihr bei der Anschaffung einer eigenen Wohnung finanziell behilflich zu sein.

Am 5. 5. 1980 öffnete der Beklagte eigenmächtig einen an die Klägerin gerichteten Brief und deponierte ihn geöffnet in dem Haus, in dem die Klägerin wohnt.

Im Sommer 1981 äußerte sich der Beklagte zu Edeltrud S*****, er wisse, dass die Klägerin mit einem anderen Mann in Lebensgemeinschaft lebe.

Die Klägerin brachte in der Tagsatzung vom 11. 6. 1980 vor, dass der Beklagte im Jahr 1968 wegen Unregelmäßigkeiten in der Geldgebarung als Kinderdorfleiter in ***** ausgeschieden sei und wegen Betrugs ein Jahr Strafe bekommen habe. Während die erste Behauptung nicht bewusst wahrheitswidrig aufgestellt wurde, weil die Klägerin für diese Annahme gewisse Anhaltspunkte hatte, hatte sie für die zweite Behauptung überhaupt keinen Anhaltspunkt; diese Behauptung wurde von der Klägerin leichtfertig und ohne Wahrheitsgehalt aufgestellt.

Rechtlich beurteilten beide Vorinstanzen den festgestellten Sachverhalt dahin, dass die Ehe der Streitteile aus dem gleichteiligen Verschulden beider Ehegatten zu scheiden sei.

Der von beiden Streitteilen geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Klägerin versucht in ihrer Rechtsrüge im Wesentlichen darzutun, dass es im Sommer 1979 nicht zu einer Versöhnung mit dem Beklagte gekommen sei und dass sie ihr zur Last gelegten Verhaltensweisen ausschließlich als Reaktionshandlungen auf das ehewidrige Verhalten des Beklagten zu werten seien; die ihr zur Last gelegten Eheverfehlungen träten gegenüber den schwerwiegenden Verfehlungen des Beklagten vollkommen in den Hintergrund und hätten nicht zur Zerrüttung der Ehe geführt. Dem gegenüber stellt sich der Beklagte in seiner Rechtsrüge auf den Standpunkt, das die Klägerin insbesondere durch ihre Weigerung, in den ehelichen Haushalt zurückzukehren, die Zerrüttung der Ehe allein und ausschließlich verschuldet habe und dass gegenüber dem ehewidrigen Verhalten der Klägerin die vom Beklagten gesetzten Eheverfehlungen in ihrem Gewicht völlig zurückträten.

Wegen des engen sachlichen Zusammenhangs kann zu beiden Rechtsrügen gleichzeitig Stellung genommen werden.

Was zunächst die Frage anlangt, ob das festgestellte Verhalten der beiden Streitteile im Sommer 1979 die Annahme rehtfertigt, dass darin eine (gegenseitige) Verzeihung der bis dahin gesetzten beiderseitigen Eheverfehlungen iSd § 56 EheG zu erblicken sei, so hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Verzeihung ein innerer Vorgang ist, dessen Annahme auf Schlüssen beruht, die aus dem nach freier Beweiswürdigung ermittelten Verhalten der Ehegatten durch den Richter zu ziehen sind, weshalb die Frage, ob Verzeihung vorliegt, zunächst – soweit sie nämlich den festgestellten Sachverhalt betrifft – eine Frage der Beweiswürdigung ist, deren Überprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (EFSlg 8626; EFSlg 12.000; RZ 1980/29 ua). Wenn aber das Berufungsgericht aus dem festgestellten Verhalten der Ehegatten anlässlich des Kuraufenthalts der Klägerin im Juli 1979 in Baden bei Wien (häufige gemeinsame Ausgänge und Ausflüge und zweimaliger Geschlechtsverkehr) den Schluss zog, dass darin eine Versöhnung der Ehegatten und damit eine gegenseitige Verzeihung der bis dahin begangenen Eheverfehlungen zu erblicken sei, kann darin eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht erblickt werden, weil die maßgebliche Gesamtheit dieses festgestellten Verhaltens der Ehegatten diese Annahme durchaus rechtfertigt.

Im Übrigen ist diese Frage aber nicht von streitentscheidender Bedeutung. Denn dass die Ehe der Streitteile iSd § 49 EheG so tief zerrüttet ist, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden kann, ist augenscheinlich und wird von beiden Streitteilen nicht bestritten. Wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, haben beide Streitteile nach dem Sommer 1979 schuldhafte Eheverfehlungen iSd § 49 EheG von solchem Gewicht gesetzt, dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass beide Ehegatten schon durch diese Eheverfehlungen allein die Ehe schuldhaft unheilbar zerrüttet haben. So hat sich der Beklagte nach dem Fahrradunfall seiner Frau im November 1979 nicht um sie gekümmert, sich ihr gegenüber im November oder Dezember 1979 durch den Vorwurf der Geldgier beleidigend verhalten, am 5. 5. 1980 einen an die Klägerin gerichteten Brief unberechtigt geöffnet und im Sommer 1981 seine Ehegattin wahrheitswidrig einer anderen Person gegenüber bezichtigt, sie unterhalte mit einem anderen Mann eine Lebensgemeinschaft. Der Klägerin ist anzulasten, dass sie sich trotz der erfolgten Versöhnung mit dem Beklagten und der damit verbundenen gegenseitigen Verzeihung der bisher begangenen Eheverfehlungen im Juli 1979 weigerte, ihre aus dem ehelichen Verhältnis entspringenden Verpflichtungen weiter zu erfüllen und insbesondere die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen; auch ihr am 11. 6. 1980 gegen den Beklagten erfolgter Vorwurf einer ausgestandenen Strafe wegen Betrugs ist als schuldhafte Eheverfehlung iSd § 49 EheG zu beurteilen, weil sie für diesen Vorwurf keinerlei Anhaltspunkte hatte. Es kann keine Rede davon sein, dass es sich bei diesem ehewidrigen Verhalten beider Streitteile um Verfehlungen iSd § 49 2. Satz EheG oder gar um entschuldbare Reaktionshandlungen auf ein ehewidriges Verhalten des anderen Ehegatten gehandelt hätte. Daraus ergibt sich, dass bereits aufgrund des von beiden Streitteilen gesetzten ehewidrigen Verhaltens nach dem Juli 1979 ihre Ehe aus beiderseitigem Verschulden zu scheiden und somit sowohl der Klage als auch der Widerklage stattzugeben ist, ohne dass in dieser Frage iSd § 59 EheG auf verfristete oder verziehene Eheverfehlungen zurückgegriffen werden müsste.

Gemäß § 60 Abs 2 EheG sind, wenn der Beklagte Widerklage erhoben hat und die Ehe wegen Verschuldens beider Streitteile geschieden wird, beide für schuldig zu erklären. Ist das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, dass seine Schuld überwiegt. Bei der Verschuldensabwägung im Sinne dieser Gesetzesstelle kommt es auf das gesamte Verhalten der Ehegatten in seinem Zusammenhang, nicht auf eine Gegenüberstellung der einzelnen von ihnen begangenen Eheverfehlungen an (EFSlg 25.088; EFSlg 31.702 ua). Dabei sind verfristete und verziehene Eheverfehlungen ebenso zu berücksichtigen wie solche, auf die eine Scheidungsklage nicht gestützt werden könnte, weil sie in einer unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommenen früheren Scheidungsklage geltend gemacht wurden (siehe dazu Schwind in Klang 2 I/1, 838, SZ 36/108 ua). Gemäß § 60 Abs 2 EheG ist der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten nur dann zulässig, wenn sein Verschulden erheblich schwerer als das des anderen ist, das heißt wenn die Schuld des einen Teiles neben der des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt. Der Unterschied des Verschuldens muss offenkundig hervortreten (EFSlg 38.788; EFSlg 41.281-41.284; 1 Ob 558/84 ua).

Davon kann hier nicht die Rede sein.

Im vorliegenden Fall steht im Vordergrund, dass gewiss zunächst dem ehewidrigen Verhalten des Beklagten insoweit größeres Gewicht zukam, als er dadurch dazu beitrug, dass die Beklagte am 17. 8. 1978 den ehelichen Haushalt verließ. Hier ist dem Beklagen anzulasten, dass er seiner Frau seine erste Ehe verschwieg, die Einmischung seiner Kinder in die Ehe duldete, wenn nicht förderte und seine Frau herabsetzend behandelte, beschimpfte und misshandelte. Gewiss entsprach in diesem Zeitabschnitt auch das Verhalten der Klägerin nicht ihrer Verpflichtung zur anständigen ehelichen Begegnung, so wenn sie ohne Herstellung des Einvernehmens mit ihrem Mann nach Deutschland fuhr, den Beklagten beschimpfte und teilweise auch misshandelte und schließlich nicht mehr für ihn kochte, doch kann es keinem Zweifel unterliegen, dass hier zunächst der Beklagte in überwiegender Weise zum Scheitern der Ehe beitrug. In der Folge verlagert sich aber die Gewichtung des Veschuldens bedeutend zu Lasten der Klägerin. Es mag dahingestellt bleiben, ob das festgestellte Verhalten des Beklagten für die Klägerin einen hinreichenden Grund bildete, die eheliche Gemeinschaft aufzugeben; jedenfalls war sie aber nach der im Juli 1979 erfolgten Versöhnung und der damit verbundenen Verzeihung der bis dahin begangenen beiderseitigen Eheverfehlungen in keiner Weise berechtigt, die Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft abzulehnen bzw sie von der Erfüllung der von ihr gestellten Bedingungen abhängig zu machen. Dass auch durch diese Weigerung der Klägerin die bestehende unheilbare Zerrüttung der Ehe beeinflusst wurde, kann nicht zweifelhaft sein. Das dieser Weigerung der Klägerin folgende Verhalten beider Streitteile ist letztlich nur mehr dadurch charakterisiert, dass beide in gleicher Weise trachteten, einander Schwierigkeiten zu bereiten und das laufende Scheidungsverfahren in einer für sie günstigen Weise zum Anschluss zu bringen.

Betrachtet man in dieser Weise das festgestellte ehewidrige Verhalten beider Streitteile in seiner Gesamtheit und in seinem Zusammenhng, dann kann keine Rede davon sein, dass das Verschulden eines von ihnen erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Daran würde auch ein Eingehen auf die von den Streitteilen in ihren Berufungsschriften vorgebrachten Neuerungen nichts ändern, weil diese nicht von solcher Art sind, dass sie die oben angestellten Erwägungen über die Verschuldensabwägung entscheidend beeinflussen könnten.

Beiden Revisionen musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf en §§ 40, 41, 50 ZPO. Die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittelschriften haben beide Streitteile selbst zu tragen; ihre Kostenersatzansprüche bezüglich der erstatteten Revisionsbeantwortungen heben sich gegenseitig auf.

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