OGH 7Ob605/84

OGH7Ob605/8430.8.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J*****, vertreten durch Dr. Erich Schröfl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 759.380 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. März 1984, GZ 4 R 38/84‑17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 9. November 1983, GZ 13 Cg 28/82‑12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00605.840.0830.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

 

Begründung:

Die Beklagte erzeugt Zitronensäure. Im Jahre 1973 bewarben sich sowohl die S*****gesellschaft mbH als auch die Klägerin um den Generalvertrieb der von der Beklagten hergestellten Produkte. Mit Vertrag vom 29. 5. 1973 wurde der Alleinvertrieb der Klägerin übertragen, die sich allerdings verpflichten musste, nur Zitronensäure aus der Produktion der Beklagten anzubieten. Außerdem verpflichtete sich die Klägerin, die S*****gesellschaft mbH mit Produkten der Beklagten zu einem von dieser genannten Vorzugspreis, zu dem gleichzeitige Produkte auf dem Markt nicht zu erlangen gewesen wären, zu beliefern. Die Belieferung von Großkunden, zu denen auch die S*****gesellschaft mbH gehörte, erfolgte über Auftrag der Klägerin durch die Beklagte.

In den Jahren 1973/74 traten bei der Beklagten Lieferschwierigkeiten auf, die dazu führten, dass die Klägerin ihrerseits ihre Kunden nicht voll und termingemäß beliefern konnte. Aus diesem Grunde wurde sie von der S*****gesellschaft mbH zu 11 Cg 221/75 des Handelsgerichts Wien auf Ersatz der durch Deckungskäufe verursachten Mehrauslagen geklagt. Diesen Prozess hat die Beklagte in allen drei Instanzen verloren, wobei ihr das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. 5. 1979 am 27. 8. 1979 zugestellt wurde. Aufgrund dieses Urteils musste die Klägerin der S*****gesellschaft mbH 759.380 S zahlen. Diesen Betrag verlangt sie mit der vorliegenden Klage von der Beklagten.

Die Beklagte hat unter anderem Verjährung der Schadenersatzforderung der Klägerin eingewendet.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben, wobei es von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:

In der zweiten Jahreshälfte 1973 bis Februar 1974 kam es bei der Beklagten zu einer Mutation der für die Zitronensäureherstellung erforderlichen Bakterienstämme, wodurch ein Produktionsrückgang eintrat, der zu Lieferschwierigkeiten führte. Die Eleminierung des Fehlers ging nur schrittweise vor sich. Am 22. 3. 1974 erstattete Dipl.‑Ing. Dr. Max R***** der Beklagten in deren Auftrag ein Gutachten, in dem er zum Schluss kam, dass die Produktionsminderung der Beklagten insoferne unvorhersehbar war, als nach den Betriebserfahrungen über einen Produktionszeitraum von mehr als vier Jahren, in denen keine gravierende Produktionsminderung durch ungeklärte Umstände eingetreten war, eine solche nicht erwartet werden konnte. Die direkte Ursache der Produktionsminderung sei nicht zu eruieren, doch erblickte sie der Sachverständige in einer unerwarteten Degeneration des Sporenmaterials. Die Beklagte habe alle Faktoren beachtet, die eine Produktions‑ bzw Ausbeuteminderung hintanhalten können.

Der Ausbeuteabfall bei der Beklagten betrug damals etwa 20 %.

Die Beklagte brachte dieses Gutachten ihren Kunden zur Kenntnis und informierte sie von den Lieferschwierigkeiten. Mit einer Reihe von Kunden kam sie zu einem Arrangement.

Als die Klägerin von den Produktionsschwierigkeiten der Beklagten Kenntnis erhielt, verständigte sie hievon ihre sämtlichen Kunden. Von der Beklagten hatte sie die Auskunft erhalten, dass es mit den Lieferungen an Zitronensäure schon gehen werde. Tatsächlich erhielt die Klägerin im Spätsommer 1974 von der Beklagten kaum mehr Lieferungen von Zitronensäure. Während andere Kunden von Klagen Abstand nahmen, forderte die S*****gesellschaft mbH die Auslieferung der bereits bestellten und zugesicherten Warenmengen. Der Geschäftsführer der Klägerin bot hierauf den Vertretern der Beklagten die guten klägerischen Beziehungen zum Ausland zwecks Importes von Zitronensäure an, doch lehnte die Beklagte Importe durch die Klägerin ab und erlaubte der Klägerin auch keine Deckungskäufe bei anderen Herstellern. Die Beklagte war nämlich der Auffassung, dass die Produktionsrückgänge nur vorübergehend wären und verwies darauf, dass alle anderen Kunden, mit Ausnahme der S*****gesellschaft mbH, dem Argument der Beklagten, es liege höhere Gewalt vor, Verständnis entgegen gebracht hätten. Auch als die Klägerin der Beklagten die Ankündigung der S*****gesellschaft mbH, sie werde Deckungskäufe vornehmen, mitteilte, erwiderten die Vertreter der Beklagten mehrfach, die Beklagte werde die Sache in den Griff bekommen und später liefern.

Im Verfahren 11 Cg 221/75 verkündete die Klägerin der Beklagten zweimal den Streit, doch trat die Beklagte dem Verfahren nicht als Nebenintervenientin bei. In diesem Verfahren erstattete Prof. Dr. nat. techn. Dipl.‑Ing. S***** am 17. 9. 1977 ein Sachverständigengutachten. Demzufolge der Beklagten die Minderung der Produktion bereits ab November 1973 ebenso erkennbar gewesen sein müsse wie die daraus resultierenden Lieferschwierigkeiten. Diese erachtete der Sachverständige nicht als unabwendbar.

Im Verfahren 11 Cg 221/75 des Handelsgerichts Wien vertraten die Gerichte den Standpunkt, aufgrund der nach dem Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen könnten die Erzeugungsschwierigkeiten nicht dem Begriff der höheren Gewalt untergeordnet werden, weil die hier Beklagte mit vorübergehenden Betriebsausfällen von 20 % rechnen musste. Insbesondere könne sich aber die hiesige Klägerin nicht auf ein unvorhergesehenes Ereignis bezüglich jener Verträge berufen, die sie nach Kenntnis des Gutachtens des Dipl.‑Ing. Dr. R***** vom 22. 3. 1974 abgeschlossen habe.

Die Beklagte hatte während des ganzen Vorprozesses den Standpunkt vertreten, die Klägerin müsse diesen Prozess aufgrund des Gutachens des Dipl.‑Ing. Dr. R***** gewinnen.

Während des Verfahrens 11 Cg 221/75 des Handelsgerichts Wien unterbreitete die S*****gesellschaft mbH der Klägerin einen Vergleichsvorschlag dahin, dass durch Zahlung von 296.126,50 S zuzüglich 130.000 S Kosten sämtliche gegenseitigen Differenzen bereinigt seien. Die Klägerin gab diesen Vergleichsvorschlag der Beklagten mit der Anfrage bekannt, ob sie zustimme. Mit Schreiben vom 6. 7. 1978 erwiderte der Beklagtenvertreter, dass ein Regressanspruch der Klägerin keinesfalls bestünde, weil die Klägerin ein entsprechend assortiertes Lager an Zitronensäure halten müsse und bei Einhaltung der diesbezüglichen Vertragsbestimmungen in der Lage gewesen wäre, die Produktionsausfälle der Beklagten auszugleichen. Lediglich aus Kulanzgründen sei die Beklagte bereit, sich an dem Vergleichsabschluss mit der Zahlung von 100.000 S zu beteiligen.

Mit Anwortschreiben vom 31. 7. 1978 lehnte der Vertreter der Klägerin den Standpunkt der Beklagten unter Hinweis darauf ab, dass die Beklagte zur Lieferung an die S*****gesellschaft mbH in der Lage, aber wegen des zu geringen Preises nicht gewillt gewesen sei.

Mit Schreiben vom 5. 9. 1978 erwiderte der Vertreter der Beklagten, diese lehne Gespräche ab und frage lediglich an, ob die Klägerin mit der vorgeschlagenen Beteiligung am Vergleich mit 100.000 S einverstanden sei.

Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, die Beklagte habe die Schuldlosigkeit an den Lieferschwierigkeiten nicht bewiesen, weshalb sie gegenüber der Klägerin schadenersatzpflichtig sei. Insbesondere sei hiebei davon auszugehen, dass die Beklagte die Klägerin über die tatsächliche Unmöglichkeit der vollen Auslieferung im Unklaren gelassen und der Klägerin jegliche Deckungskäufe untersagt habe. Der Schaden der Klägerin bestehe in jenem Betrag, den sie der S*****gesellschaft mbH zahlen habe müssen. Die Verjährungsfrist habe erst mit Zustellung des Urteils erster Instanz im Vorprozess zu laufen begonnen, weil die Klägerin vorher einen Schaden nicht als wahrscheinlich ansehen habe müssen. Infolge Klagseinbringung am 3. 2. 1982 sei daher der klägerische Anspruch nicht verjährt.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Es vertrat den Standpunkt, bereits die Erstellung des Sachverständigengutachtens im Vorverfahren im Jahre 1977 habe den Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt, weil ab diesem Zeitpunkt kein Zweifel mehr am grundsätzlichen Bestehen einer Schadenersatzpflicht der Beklagten gerechtfertigt gewesen sei. Aus diesem Gutachten habe sich nämlich bereits ergeben, dass die Minderproduktion bei der Beklagten höchstens zu einem 20%igen Rückgang der Belieferung hätte führen können, weshalb nicht erklärlich sei, wieso die Klägerin darüber hinausgehende Mengen nicht geliefert habe. Auf jeden Fall hätte aber eine Schadenersatzpflicht der Klägerin bezüglich der erst nach dem Erhalt des Gutachtens des Dipl.‑Ing. Dr. R***** abgeschlossenen Verträge bestanden. Selbst wenn man daher im Produktionsausfall bei der Beklagten und den damit zusammenhängenden Lieferschwierigkeiten höhere Gewalt erblicken würde, wäre doch zum Zeitpunkt der Erstattung des Sachverständigengutachtens klar gewesen, dass die Klägerin ihrem Gegner im Vorprozess nicht mit Erfolg höhere Gewalt bezüglich des gesamten eingeklagten Betrags entgegenhalten könne. Lediglich die Schadenshöhe sei strittig gewesen, doch sei deren genaue Kenntnis nicht Voraussetzung für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht hat zwar die für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist geltenden Grundsätze richtig dargestellt, jedoch diese Rechtssätze auf den vorliegenden Fall unrichtig angewendet. Es trifft allerdings zu, dass dem Begehren auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden das Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO schon dann nicht abgesprochen wird, wenn der Eintritt künftiger Schadensfolgen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Damit ist aber noch nicht gesagt, wann die Verjährungsfrist bezüglich des Feststellungsanspruchs zu laufen beginnt. Es würde nämlich zu weit führen, aus der von der Rechtsprechung bejahten Zulässigkeit einer Feststellungsklage den Schluss zu ziehen, dass in jedem Fall einer Schädigung zur Verhinderung der Verjährung innerhalb von drei Jahren ab dem schädigenden Ereignis auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden geklagte werden müsse, wenn der Eintritt solcher künftiger Schäden zwar nicht zu erwarten ist, aber auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Dies hieße nichts anderes, als die Parteien zur Erhebung von Feststellungsklagen zu zwingen, auch wenn diesen oft später keine praktische Bedeutung zukommen wird. Hingegen erscheint es prozessökonomisch und erwägenswert, den Beginn des Laufes der Verjährung künftiger Ansprüche an die Unterlassung eines Feststellungsbegehrens nur dann zu knüpfen, wenn mit künftigen Schäden mit größter Wahrscheinlichkeit oder einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist (SZ 48/27, ZVR 1980/238, ZVR 1979/22 ua). Die Verjährungsfrist beginnt dann, wenn dem Geschädigten die schädlichen Wirkungen des schädigenden Ereignisses bekannt sind, wobei es nicht erforderlich ist, dass die im voraus erkennbaren Wirkungen bereits eingetreten wären (JBl 1970, 621, 6 Ob 690/82 ua). zumindest die Kenntnis der drohenden Auswirkungen des schädigenden Ereignisses wird für den Beginn des Fristenlaufs vorausgesetzt (JBl 1979, 261, 5 Ob 680/83 ua). In allen Fällen, in denen der Ersatzanspruch ein Verschulden des Schädigers voraussetzt, ist für den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist auch die Kenntnis jener Umstände erforderlich, die ein Verschulden des Schädigers begründen (1 Ob 607, 608/83, 5 Ob 293/74 ua).

Zweck der Verjährung ist es, die Geltendmachung von Ansprüchen im Hinblick auf die mit dem Ablauf eines gewissen Zeitraums sich vergrößernden Beweisschwierigkeiten zeitlich zu begrenzen. Diesen Zweck verfolgt auch die Judikatur, nach der in Fällen, in denen die sonstigen Grundlagen für einen Schadenersatzanspruch bereits gegeben sind, jedoch der gesamte Anspruch wegen des noch nicht erfolgten Schadenseintritts oder wegen Unklarheiten über die Schadenshöhe noch nicht mit einer Leistungsklage geltend gemacht werden kann, eine Unterbrechung der Verjährung durch die Einbringung einer Feststellungsklage bewirkt wird. Durch diese Judikatur soll verhindert werden, dass entweder eine Reihe von Prozessen geführt werden muss, obwohl bereits mit einem Prozess innerhalb kürzerer Zeit die Rechtslage endgültig geklärt werden könnte, oder dass schon geringfügige Unklarheiten über die Schadenshöhe zu einer Hinausschiebung des Beginns der Verjährung führen. Dies darf jedoch nicht derart überspitzt werden, dass der Grundsatz des § 1489 ABGB, demzufolge die Verjährung erst ab Kenntnis des Schädigers und des Schadens zu laufen beginnt, weitgehend durchlöchert wird. Betrachtet man die der Judikatur zugrundeliegenden Fälle, so gelangt man zu dem Ergebnis, dass es sich durchwegs um solche handelte, bei denen kein Zweifel am Schadenseintritt bestehen konnte und bei dem die Haftung des in Anspruch genommenen Schädigers mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestand. In der Mehrzahl handelte es sich um Verfahren nach Verkehrsunfällen, bei denen der Schadenseintritt bereits aufgrund der Unfallsfolgen klar auf der Hand lag und schon im Hinblick auf die bestehende Gefähdungshaftung die Schadenersatzpflicht des den Unfall Verursachenden kaum fraglich sein konnte.

Anders liegt die Situation dagegen bei Regressansprüchen, die eine Inanspruchnahme des Regressberechtigten zur Voraussetzung haben. Soweit es sich hier um dem Regress gegen einen Mitschuldner handelt, werden von der Rechtsprechung die Bestimmungen der §§ 1302 ABGB letzter Satz bzw 896 ABGB dahin ausgelegt, dass der Regressanspruch die Zahlung durch den Regressberechtigten zur Voraussetzung hat, sohin die Verjährungsfrist erst mit dieser Zahlung zu laufen beginnen kann (JBl 1977, 49, SZ 18/148, 43/15 ua). Im vorliegenden Fall handelt es sich allerdings nicht um einen Regress gegen einen Mitschuldnern, weshalb auf die oben erwähnten Bestimmungen nicht zurückgegriffen werden kann. Immerhin kann aber der vorerwähnten Rechtsprechung die Tendenz entnommen werden, dass bei der Beurteilung der Entstehung eines Schadenersatzanspruchs des Regressberechtigten in zeitlicher Hinsicht Vorsicht geboten ist, und dass im Zweifel vor der Leistung eher nicht vom Entstehen eines Regressanspruchs gesprochen werden kann. Ob dies dazu führt, dass die Verjährung solcher Regressansprüche in jedem Fall erst mit der Zahlung durch den Regressberechtigten zu laufen beginnt, muss hier nicht abschließend erörtert werden. Schon die die Notwendigkeit einer Feststellungsklage begründende Judikatur ist insoferne nicht einheitlich, als in einigen Fällen, in Übereinstimmung mit der Lehre ( Klang 2 VI 635, Ehrenzweig 2 II/1, 78), der Beginn des Laufes der Verjährungsfrist davon abhängig gemacht wird, dass ein Schadenseintritt mit Sicherheit zu erwarten ist (6 Ob 803/80, JBl 1970, 621, JBl 1964, 371 ua), während ein anderer Teil der Judikatur bereits die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts als ausreichend erachtet (SZ 48/27, ZVR 1979/22, 7 Ob 675/83 ua). Koziol (Haftpflichtrecht 2 I 316 f) neigt, wenn überhaupt, eher der ersten Ansicht zu. Im Allgemeinen steht er aber der strengen Forderung auf Einbringung einer Feststellungsklage zwecks Verhinderung der Verjährung ablehnend gegenüber.

Ist, wie im vorliegenden Fall, der Eintritt eines Schadens des Regressberechtigten von einer Verurteilung in einem Vorprozess abhängig, so kann von einer größeren bzw an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts überhaupt erst dann die Rede sein, wenn eine gerichtliche Verurteilung erfolgt ist, wobei hier unerörtert bleiben kann, ob schon eine erstinstanzliche Verurteilung ausreicht oder die Rechtskraft der Entscheidung gefordert werden muss.

Erachtet man die Wahrscheinlichkeit als ausreichend so ist die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zu fordern. Gerade jene Entscheidungen, die von der Wahrscheinlichkeit sprechen, hatten nämlich Fälle zur Grundlage, in denen diese Wahrscheinlichkeit an Sicherheit genzte. Dies führt aber zu dem Ergebnis, dass bei einem erst durch eine gerichtliche Verurteilung eintretenden Schaden keine zu großen Anforderungen an die Beurteilung der Prozessaussichten durch den Regressberechtigten gestellt werden dürfen. Insbesondere dürfen ihm rechtliche Fehleinschätzungen oder später enttäuschte Hoffnungen auf die richterliche Beweiswürdigung nicht allzu streng angelastet werden. Lediglich eine mutwillige oder leichtfertige Prozessführung könnte eine andere Beurteilung rechtfertigen.

Betrachtet man den vorliegenden Fall unter dem aufgezeigten Gesichtspunkt, so erweist sich, dass die Klägerin, zumindest bis zur Verurteilung erster Instanz im Vorprozess, nicht mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Schadenseintritt erwarten musste. Gestützt auf das ihr von der Beklagten zur Verfügung gestellte Gutachten eines anderen Fachmannes, hat sie den Standpunkt vertreten, dem Begehren ihres Gegners stehe höhere Gewalt entgegen. Diese Rechtsansicht war keineswegs so unvertretbar, dass eine mutwillige oder leichtfertige Prozessführung anzunehmen wäre und zwar auch nicht nach dem Einlangen des im Vorprozess eingeholten Sachverständigengutachtens, weil dieses nicht einmal klar hervorhob, dass die Degenerationserscheinungen bei den Bakterien nicht auf Einflüsse von außen zurückzuführen waren. Der Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass bei der damals herrschenden Marktlage ein Produktionsausfall von 20 % vom Produzenten zu überbrücken gewesen wäre, doch hat er bei der mündlichen Befragung mögliche Varianten unter Zugrundelegung einer umfangreichen Marktforschung angedeutet. Bei dieser Situation musste die Beklagte im Vorprozess (hier Klägerin) nicht davon ausgehen, dass die Minderlieferung auf andere Umstände als dem Produktionsrückgang (der Beklagten) zurückzuführen war. Dasselbe gilt von den Ausführungen des Sachverständigen betreffend die unerklärliche Differenz zwischen den Minderlieferungen einerseits und dem Produktionsausfall andererseits. Schließlich handelte es sich bei dem im Prozess eingeholten Sachverständigengutachten ebenfalls nur um ein Beweismittel, von dem vor Fällung eines gerichtlichen Urteils noch nicht angenommen werden konnte, ob es zur Grundlage der Tatsachenfeststellungen gemacht werden werde. Gerade die vorgenannten Ausführungen des Sachverständigen hat aber das Erstgericht im Vorprozess nicht in seine Feststellungen übernommen, worauf damals das Berufungsgericht ausdrücklich verwiesen hat (S 391 des Aktes 11 Cg 211/75 des Handelsgerichts Wien). Demnach war selbst bei dieser Prozesslage der Schadenseintritt noch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar. Dazu kommt, dass die Verurteilung der Klägerin im Vorprozess von der Annahme eines Verschuldens abhängig war, wenn ihr auch im Hinblick auf § 1298 ABGB der Beweis für ihr fehlendes Verschulden oblag. Im Hinblick auf das vom Erstgericht festgestellte Verhalten der Beklagten und das der Klägerin übermittelte Gutachten des Dipl.‑Ing. Dr. Max R***** konnte die Klägerin bis zu ihrer Verurteilung den Standpunkt vertreten, ihr sei der Beweis ihrer Schuldlosigkeit gelungen. Dies gilt auch für die nach Übermittlung dieses Gutachtens abgeschlossenen Verträge, wobei hier mangels entsprechender Feststellungen gar nicht auf den angedeuteten Umstand einzugehen ist, dass die S*****gesellschaft mbH die betreffenden Lieferungen faktisch unter Umgebung der Klägerin direkt mit der Beklagten vereinbart haben soll. Auch wenn es sich um Verträge handeln sollte, die unmittelbar zwischen der S*****gesellschaft mbH und der Klägerin abgeschlossen wurden, wäre der Standpunkt der Klägerin vertretbar gewesen, diesbezüglich sei sie nicht schadenersatzpflichtig, weil sie aufgrund der ihr von der Beklagten erteilten Information der Meinung sein musste, sie werde diese Verträge im Hinblick auf die zu erwartende kurze Dauer des Produktionsrückgangs ordnungsgemäß erfüllen können.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner das Vorverfahren abschließenden Entscheidung ein Verschulden der Klägerin darin erblickt, dass diese auf die Lösungsvorschläge der S*****gesellschaft mbH vor Einleitung des Vorprozesses nicht eingegangen ist. Damals bestand jedoch für die Klägerin insoferne eine Pflichtenkollision, als sie einersteits ihrer Abnehmerin zur Lieferung verpflichtet war und sie andererseits aufgrund ihrer vertraglichen Bindungen zur Beklagten keine Deckungskäufe vornehmen durfe, was ihr nach den erstrichterlichen Feststellungen im fraglichen Zeitraum sogar ausdrücklich in Erinnerung gerufen worden war. Die Klägerin konnte daher im Vorprozess den Standpunkt, wenn sie ihren Vertragspflichten gegenüber der Beklagten den Vorzug vor den Pflichten gegenüber der S*****gesellschaft mbH gab, zumal sie den Vertrag mit dieser Gesellschaft dahin auslegte, dass die eingetretenen umstände eine Verzögerung der Auslieferung rechtfertigten. Vor allem würde es aber geradezu gegen die guten Sitten verstoßen, wenn die Beklagte ihren Verjährungseinwand darauf stützt, dass die Klägerin im Vorprozess ihre Vertragstreue gegenüber der Beklagten der Forderung eines Dritten, bezüglich der die Beklagte regresspflichtig wird, entgegensetzt.

Was schließlich die Korrespondenz zwischen den Streitteilen im Zuge des Vorprozesses betreffend die Regresspflicht der Beklagten anlangt, so handelte es sich hiebei lediglich um theoretische Erörterungen für den von keinem der Streitteile erwarteten Fall, dass die Klägerin den Vorprozess verlieren sollte. Diese Korrespondenz tut nicht dar, dass der Schadenseintritt für die Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar war. Dass die Klägerin der Beklagten den Vergleichsvorschlag ihres Gegners mitteilte, besagt nichts, weil sie auf dem Standpunkt stand, die Beklagte sei ihr gegenüber für Leistungen, die sie aufgrund eines verlorenen Prozesses zu erbringen haben werde, regresspflichtig. Demnach musste die Klägerin der Beklagten zur Vermeidung des späteren Einwandes einer Verletzung der Schadensminderungspflicht die ihr gebotene Möglichkeit zur vergleichsweisen Bereinigung mitteilen.

Es erweist sich sohin, dass die klägerische Forderung nicht verjährt ist.

Da das Berufungsgericht, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht, zu den übrigen Ausführungen der Berufung, insbesondere im Tatsachenbereich, nicht Stellung genommen hat, erweist sich sein Verfahren als mangelhaft, weshalb das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung aufgetragen werden musste.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich § 52 ZPO.

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