OGH 3Ob68/84

OGH3Ob68/844.7.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Dr. Klaus Hoffmann, Dr. Karl Preslmayr und Dr. Horst Auer, Rechtsanwälte in Wien, wider die verpflichtete Partei „S*****“ *****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. E. Hütthaler-Brandauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Wert des Anspruchs 500.000 S), infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. März 1984, GZ 46 R 78 bis 80/84-14, womit der Beschluss des Exekutionsgerichts Wien vom 27. Oktober 1983, GZ 14 E 5224/83-11a, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Insoweit sich der Revisionsrekurs dagegen richtet, dass die betreibende Partei verpflichtet wurde, der verpflichteten Partei die mit 11.924,92 S bestimmten Rekurskosten zu ersetzen, wird er zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Der Beschluss der zweiten Instanz wird in seinem abändernden Teil sowie im Kostenpunkt dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts vom 27. 10. 1983, ON 11 a, zur Gänze wiederhergestellt wird und dass die verpflichtete Partei die Kosten ihres Rekurses gegen den letztgenannten Beschluss selbst zu tragen hat.

Die mit 14.758,95 S (darin 960 S Barauslagen und 1.254,45 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Exekutionskosten der betreibenden Partei.

Text

Begründung

Aufgrund seiner einstweiligen Verfügung vom 5. 3. 1983, GZ 18 Cg 20/83-3, bewilligte das Handelsgericht Wien mit Beschluss vom 22. 4. 1983, GZ 18 Cg 20/83-6, die Exekution zur Erwirkung der Unterlassung gesundheitsbezogener Angaben im Zusammenhang mit dem Vertrieb des Produktes „so-bit“, vor allem der Verwendung einer Bezugnahme auf physiologische oder pharmokologische, insbesondere schlankmachende und gesunderhaltende Wirkungen und eines Hinweises auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder Gutachten und insbesondere der Verwendung der Behauptungen: so-bit sei ein Schlankheitsmittel, das überflüssige Kilo abbaut ohne zu hungern, es treten Gewichtsreduktionen (Gewichtsabnahmen) beim Genuss von so-bit ein (ON 1 und 2).

Wegen wiederholten Zuwiderhandelns gegen das Unterlassungsgebot verhängte das Exekutionsgericht auf Antrag der betreibenden Partei am 29. 4., 19. 7., und 10. 10. 1983 Geldstrafen von 20.000 S, 40.000 S und 50.000 S (ON 3, 7 und 11).

Wegen des in einem weiteren Strafantrag vom 20. 10. 1983, ON 11 a, behaupteten weiteren Zuwiderhandelns durch Einschalten von Inseraten am 16., 18. und 19. 10. 1983 sowie in der (am 27. 9. 1983 erschienenen) Oktoberausgabe der Zeitschrift „Einkauf“ verhängte das Exekutionsgericht am 27. 10. 1983 eine weitere Geldstrafe von 40.000 S (ON 11 a).

Das Inserat im „Einkauf 10/1983“ trug neben der Abbildung einer so-bit-Dose folgenden Wortlaut:

„so-bit hilft Ihnen, FDH mühelos durchzustehen

- sättigt intensiv

- quillt im Magen auf

- enthält wertvolles Eiweiß

- enthält 50 % Ballaststoffe

Ein reines, überprüftes Naturprodukt.

Erhältlich in Apotheken, Drogerien und Reformhäusern“.

Die Rekurse der verpflichteten Partei gegen die Strafbeschlüsse vom 19. 7. und 10. 10. 1983 blieben gänzlich erfolglos. Den Strafbeschluss vom 27. 10. 1983 bestätigte das Gericht zweiter Instanz hinsichtlich der Verhängung einer Geldstrafe von 40.000 S wegen der Zuwiderhandlungen am 16., 18. und 19. 10. 1983, wies jedoch das Mehrbegehren auf Verhängung einer Geldstrafe auch wegen des oben wiedergegebenen Inserates im „Einkauf 10/1983“ mit der Begründung ab, dass in diesem Inserattext nicht auf physiologische Wirkungen des Produkts hingewiesen und diesem auch keine schlankmachende Wirkung zugeschrieben werde. Die Hinweise auf den Anteil der Ballaststoffe und die aufquellende Wirkung des Produkts im Magen stellten keine gesundheitsbezogenen Angaben, sondern eine zulässige Produktbeschreibung dar. Mit der Einschaltung dieses Inserats sei daher der Exekutionsbewilligung nicht zuwidergehandelt worden.

Wegen dieses (teilweisen) Erfolgs des Rekurses der verpflichteten Partei wurde der betreibenden Partei der Ersatz der (gesamten) Rekurskosten auferlegt.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass der Wert des von der (teilweisen) Stattgebung betroffenen Beschwerdegegenstands 30.000 S übersteige.

Gegen den abändernden Teil der Entscheidung der zweiten Instanz „(einschließlich der Kostenentscheidung)“ richtet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei, in dem die gänzliche Wiederherstellung des erstgerichtlichen Strafbeschlusses vom 27. 10. 1983 und die Abweisung des Rekurskostenersatzbegehrens der verpflichteten Partei beantragt werden.

Insoweit sich das Rechtsmittel (unter Hinweis auf § 43 ZPO) gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Ersatz der Rekurskosten der verpflichteten Partei durch die betreibende Partei, also über den Kostenpunkt richtet, ist es nach dem gemäß § 78 auch im Exekutionsverfahren anzuwendenden § 528 Abs 1 Z 2 ZPO unzulässig und war daher zurückzuweisen.

Im Übrigen ist der Revisionsrekurs nach dem ebenfalls anzuwendenden § 528 Abs 2 ZPO iVm § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässig. Aus dem Ausspruch des Rekursgerichts, „der Wert des von der dem Rekurs stattgebenden Entscheidung betroffenen Beschwerdegegenstandes übersteige 300.000 S“, ergibt sich nämlich, dass der Wert des von der teilweisen Stattgebung betroffenen Beschwerdegegenstandes 15.000 S und der Wert des gesamten Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Insoweit das Rechtsmittel zulässig ist, ist es auch begründet.

So wie für die Exekutionsbewilligung nicht die materielle Rechtslage, sondern nur der Exekutionstitel maßgebend ist (Heller-Berger-Stix I 187; ÖBl 1983, 149; EvBl 1975/94 ua), ist bei der Entscheidung über einen weiteren Strafantrag nach § 355 Abs 1 Satz 2 EO lediglich zu prüfen, ob das darin behauptete Verhalten der verpflichteten Partei aufgrund der Exekutionsbewilligung verboten war. Das Exekutionsgericht hat daher nicht unmittelbar den Titel zu vollstrecken, sondern die Exekutionsbewilligung zu vollziehen (SZ 50/11; EvBl 1975/94).

Der Rechtsmittelwerberin ist darin beizupflichten, dass auch das im „Einkauf 10/1983“ veröffentlichte Inserat gesundheitsbezogene Angaben enthält, die sich auf physiologische Wirkungen beziehen.

Unter dem offensichtlich dem § 9 Abs 1 lit a LMG 1975 entlehnten Begriff „physiologische Wirkungen“ sind nach dem Justizausschussbericht zu dieser Gesetzesstelle die normalen Wirkungen der Lebensmittel bzw ihrer Bestandteile im Stoffwechselgeschehen des gesunden (menschlichen) Organismus zu verstehen. Damit sollten Hinweise auf die Beeinflussung des normalen Stoffwechselgeschehens untersagt werden, die beim Laien den Eindruck einer besonderen Wirkung hervorrufen, nicht aber wahrheitsgemäße Angaben über allgemein verständliche Eigenschaften oder Wirkungen, wie schmackhaft, bekömmlich, leicht verdaulich, erfrischend, belebend, anregend, appetitanregend, süß, sauer etc.

Die Aussage, dass so-bit helfe, FDH, eine Abkürzung für die drastisch umschriebene Gewichtsreduzierungsmethode „Friß die Hälfte“, mühelos durchzustehen, (weil es) intensiv sättige und wertvolles Eiweiß enthalte, kann nicht nur als allgemeine Produktbeschreibung verstanden werden, sondern stellt auch eine gesundheitsbezogene Angabe dar, welche die verpflichtete Partei nach der Exekutionsbewilligung zu unterlassen hat. Die Behauptung, so-bit helfe, eine in der Reduzierung der Nahrungsmittelaufnahme auf die Hälfte bestehende Abmagerungskur durchzustehen, bescheinigt diesem Produkt notwendigerweise Wirkungen auf Lebensvorgänge im menschlichen Organismus, nämlich auf die Beeinflussung (Verminderung) des während solcher Diätkuren möglichen Hungergefühls und Eiweißmangels.

Da die verpflichtete Partei der Exekutionsbewilligung demnach auch durch die Einschaltung des wiedergegebenen Inserates im „Einkauf 10/1983“ neuerlich zuwidergehandelt hat, war auch dieser Verstoß durch die vom Gericht zweiter Instanz nicht herabgesetzte, von der betreibenden Partei der Höhe nach unbekämpft gebliebene weitere Geldstrafe von 40.000 S zu ahnden.

Die Entscheidung über die Kosten des schließlich erfolglosen Rekurses der verpflichteten Partei beruht auf den gemäß § 78 EO anzuwendenden §§ 40, 41 und 50 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses auf den §§ 74 und 78 EO im Zusammenhang mit den §§ 41 und 50 ZPO.

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