Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist Eigentümerin des einstöckigen Hauses ***** in T*****. Der Beklagte ist Mieter von im Erdgeschoss und im ersten Stock gelegenen Geschäftsräumlichkeiten in diesem Hause, in denen er eine Papier- und Büroartikelhandlung betreibt. Im ersten Stock befindet sich die Wohnung der Beklagten (die sogenannte Hausherrenwohnung), die auf drei Seiten von den Feuermauern begrenzt wird. Unter dieser Wohnung befinden sich Garagen, die Waschküche und ähnliche Räumlichkeiten, die nicht beheizt werden. Am 1. 2. 1982 kam es zu einem Wasseraustritt in der Hausherrenwohnung, wobei große Wassermengen in die Geschäftsräumlichkeiten des Klägers eindrangen und an den dort gelagerten Waren einen erheblichen Schaden verursachten, dessen Ersatz der Kläger begehrt. Infolge Frosteinwirkung sei im Badezimmer der Hausherrenwohnung das Anschlussgewinde am Absperrventil aus der Gewindemuffe herausgedrückt worden. Die Beklagte habe es - anders als in den Vorjahren - unterlassen, im Winter 1981/82 das Wasser abzusperren.
Die Beklagte behauptet, dass nicht eine Frosteinwirkung Ursachen des Schadensereignisses gewesen sei, sondern plötzlich auftretende Druckschwankungen und ein schlecht gefertigtes Gewinde, dessen fehlerhafte Beschaffenheit ihr unbekannt gewesen sei.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht besteht.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den AS 109 bis 111 (S 5 bis 7 der Urteilsausfertigung) dargestellten Sachverhalt zugrunde. Danach wurde die Hausherrenwohnung im Jahre 1958 oder 1959 renoviert. Im Zuge der Renovierung wurden auch die Installationen im Badezimmer verlegt. Vom Zeitpunkt der Renovierung bis zum Jahre 1975 war die Wohnung unbewohnt. Vom Jahre 1975 bis zum Sommer 1978 wohnte der Sohn der Beklagten in der Wohnung. Seither ist die Wohnung unbewohnt; sie wurde auch nicht beheizt. In den Jahren, in denen die Wohnung unbewohnt war, wurde vom Ehemann der Beklagten während der Kälteperiode die gesamte Wasserversorgung abgedreht. Vom September 1981 bis zum April 1982 war der Ehemann der Beklagten im Spital. Die Beklagte kümmerte sich um die Absperrung des Wassers nicht. Im Winter 1981/82 wurde daher die Wasserversorgung nicht abgesperrt. In der Zeit vom 7. 1. 1982 bis 28. 1. 1982 herrschten im Stadtgebiet von T***** durchwegs Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Die Tagestiefsttemperatur betrug am 23. 1. -4 Grad, am 24. 1. -2,3 Grad, am 25. 1. -5,5 Grad, am 26. 1. -10,9 Grad, am 27. 1. -2,5 Grad und am 28. 1. -4,1 Grad. Vom 29. 1. bis 31. 1. 1982 lagen die Temperaturen über dem Gefrierpunkt. Am 1. 2. 1982 betrug die Tagestiefsttemperatur -0,3 Grad.
Der Wasseraustritt erfolgte im Badezimmer aus der Wasserzuführung zum Badeofen. Die Schwachstelle, die den Schaden auslöste, ist das Anschlussgewinde am Absperrventil, das aus der Gewindemuffe des Wandausschlusses gedrückt wurde. Trotz der schlechten Montage dieses Gewindes war diese Verbindung von der Installation im Jahre 1958 bis zum Schadensereignis dicht. Durch die herrschenden Frosttemperaturen bildete sich im Ventil und im daran anschließenden Verbindungsstück aus Doppelnippel und Verlängerung ein Eisstopfen, der mit weiterer Frosteinwirkung weiterwuchs und am Winkelstück in der Wand Widerstand fand. Durch diese Eisbildung wurde das Anschlussgewinde am Absperrventil aus der Gewindemuffe des Wandanschlusses gedrückt.
Das Erstgericht bejahte eine Haftung der Beklagten für den Schaden des Klägers nach § 1318 ABGB. Die exponierte Lage der Wohnung und die Nichtbeheizung während der kalten Periode hätten die Wahrscheinlichkeit des Einfrierens nahegelegt und entsprechende Vorkehrungen erfordert.
Das Berufungsgericht führte aus, dass die Haftung der Beklagten nur dann gegeben sei, wenn überwiegende Gründe dafür vorlägen, dass der Schaden durch ihr Verhalten herbeigeführt worden sei, und sie einen anderen Tatsachenzusammenhang nicht noch wahrscheinlicher mache. Im vorliegenden Fall sei prima facie anzunehmen, dass es in einer unbeheizten, unbewohnten Wohnung, in welcher während der kalten Jahreszeit die Wasserversorgung nicht unterbrochen werde, insbesondere dann, wenn während längerer Zeit weit unter dem Gefrierpunkt liegende Außentemperaturen herrschten, zu Eisbildungen im Leitungssystem komme, welche zu Wasserschäden führten. Die Ausführungen des Sachverständigen, der Schaden könne auch durch Druckschwankungen entstanden sein, habe keine größere Wahrscheinlichkeit für sich. Dasselbe gelte für die Einwendung, die unfachmännische Montage der Gewindemuffe am Absperrventil sei allein unfallskausal gewesen. Die Beklagte habe dadurch, dass sie die Wohnung weder beheizt, noch das Wasser abgesperrt habe, ihre Nebenpflicht aus dem Bestandvertrag verletzt, weil sie nicht alle Vorkehrungen getroffen habe, um eine Beschädigung der vom Bestandnehmer eingebrachten Sachen hintanzuhalten. Es erübrige sich daher, auf die Voraussetzungen des § 1318 ABGB einzugehen.
Der von der Revisionswerberin behauptete Verfahrensmangel wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Gegen die Meinung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit der Begründung, dass zur Entkräftung des Augenscheinsbeweises der Nachweis der ernsthaften Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ausreiche. Dieser Beweis sei der Beklagten gelungen, weil der Wasseraustritt typischerweise an einer Schwachstelle im Rohrleitungssystem erfolgt sei. Daraus ergebe sich auch, dass der Beklagte keine Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht angelastet werden könne, weil sie den Mangel an der Installation nicht zu vertreten habe. Eine Haftung nach § 1318 ABGB sei aber zu verneinen. Wasser in einer Rohrleitung werde auch nicht durch Unterlassung der objektiv zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung eines Wasseraustritts durch Frosteinwirkung zu einer gefährlichen Sache im Sinne dieser Bestimmung.
Der Revision ist darin beizupflichten, dass zur Entkräftung des Augenscheinsbeweises in der Rechtsprechung der Nachweis einer gleich wahrscheinlichen oder auch nur ernsthaft in Betracht zu ziehenden anderen Möglichkeit des Geschehensablaufs für ausreichend angesehen wird (EvBl 1983/120 mwN). Strittig ist, ob die Frage des Vorliegens eines typischen Geschehensablaufs im Einzelfall noch zur Beweislastverteilung gehört und deshalb revisibel ist; ferner ob nur (oder auch noch) das Hervorkommen einer anderen ernstlichen Möglichkeit des Geschehensablaufs zur rechtlichen Beurteilung gehört oder ob die Anwendung der grundsätzlichen Regeln über den Augenscheinsbeweis auf den Einzelfall im Wege der Berücksichtigung von Erfahrungssätzen über typische Geschehensabläufe und ernstlich in Betracht kommender anderer Möglichkeiten des Geschehens zur unanfechtbaren Beweiswürdigung gehört (EvBl 1983/120). Eine Erörterung dieser Fragen kann hier aber unterbleiben. Die Schadensherbeiführung durch Druckschwankungen wird von der Revision - mit Rücksicht auf die festgestellten näheren Umstände des Schadensereignisses und das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte für eine solche Einwirkung, zu Recht - nicht mehr als ernsthaft in Betracht zu ziehende Alternative herangezogen. Bei der Schwachstelle in der Anschlussleitung handelt es sich aber nach den Feststellungen über die Eisstopfenbildung nicht um eine andere mögliche Schadensursache, sondern nur um eine der Bedingungen der Gesamtschadensursache (vgl Koziol, Haftpflichtrecht2 I 54). Bedeutung käme der Schwachstelle nur dann zu, wenn es sich um einen Fall der überholenden Kausalität handelte (vgl ZVR 1979/99), was aber hier nicht der Fall ist.
Die Haftung des Wohnungsinhabers nach § 1318 ABGB (hier für den durch einen Wasseraustritt dem Mieter eines Geschäftsraums zugefügten Schaden) setzt eine gefährliche Verwahrung voraus. Von einer gefährlichen Verwahrung kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn eine nur ganz entfernte Möglichkeit einer Schädigung gegeben ist. Nach ständiger Rechtsprechung muss vielmehr eine nach den allgemeinen Lebenserfahrungen und Lebensgewohnheiten objektiv kalkulierbare Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts gegeben sein (MietSlg 31.254 mwN, Koziol aaO II 390). Das Vorhandensein einer Wasserleitung in einer Wohnung stellt noch keine potentielle Gefahrenquelle in dem Sinn dar, dass das in den Leitungsrohren befindliche Wasser als in einer nach den allgemeinen Lebenserfahrungen und Lebensgewohnheiten unzulänglichen Weise verwahrt und damit als gefährlich aufzubewahrte Sache angesehen werden könnte (MietSlg 31.254). In diesem Sinne macht daher - entgegen der im Schrifttum vereinzelt vertretenen Meinung (Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz 183) - ein Wasserrohrbruch den Wohnungsinhaber noch nicht für den dadurch verursachten Schaden haftbar. Dies gilt nach der Rechtsprechung auch dann, wenn ein Leitungssystem überaltet ist und schon wiederholt Rohrbrüche aufgetreten sind, weil auch dadurch das Wasser noch nicht zu einer gefährlich verwahrten Sache wird (6 Ob 663/81, teilweise veröffentlicht in MietSlg 33.234; MietSlg 17.239). Letzteres wird von Koziol (aaO 391) als höchst problematisch bezeichnet. Eine Haftung des Wohnungsinhabers wird aber bejaht, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die nach den allgemeinen Lebenserfahrungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf die Gefahr eines Wasseraustritts hinweisen, auch wenn der Haftpflichtige die Gefahr in entschuldbarer Weise nicht erkannt haben sollte (MietSlg 31.254), weil die Haftung nach § 1318 ABGB ein Verschulden des Wohnungsinhabers nicht voraussetzt (SZ 39/170 ua; Ehrenzweig, System2 II/1 686; Koziol aaO 391). Solche Umstände sind etwa gegeben, wenn bei geschlossenem Abfluss das Abdrehen des Wasserhahns vergessen wird (ZBl 1937/159; SZ 20/203), bei Verwendung eines zu gering dimensionierten Anschlussschlauchs einer Waschmaschine (SZ 39/170) oder eines Kaffeeautomaten (MietSlg 24.196). Die Haftung des Wohnungsinhabers für den Schaden durch einen infolge Frosteinwirkung verursachten Wasserrohrbruch wurde in zwei Fällen abgelehnt (6 Ob 663/81 und 1 Ob 158/72, teilweise veröffentlicht in MietSlg 24.197). Im Falle der Entscheidung 1 Ob 158/72 wurde die Haftung verneint, obwohl die Wohnung trotz veraltetem Rohrsystem nicht beheizt worden war. In beiden Fällen war jedoch der Wasserrohrbruch in der im Mauerwerk verlegten Rohrleitung entstanden. Im Falle der Entscheidung SZ 27/43 wurde dagegen der Wohnungsinhaber zur Haftung herangezogen. Im Badezimmer war infolge Frosteinwirkung das unter dem Waschtisch befindliche Wasserzuleitungsrohr geplatzt. Der Wohnungsinhaber hatte nichts unternommen, um der Gefahr vorzubeugen. Mit diesem Fall ist auch der vorliegende vergleichbar. Im Mauerwerk verlegte Leitungen haben bei ordnungsgemäßer Ausführung einen gewissen Schutz gegen Frostwirkung, der einem zum Badeofen führenden Zuleitungsrohr nicht zukommt. Ist die von drei Seiten von Feuermauern umgebene Wohnung - wie hier - unbewohnt und wird sie deshalb auch in der kalten Jahreszeit nie beheizt, hat ein erhebliches Absinken der Außentemperatur auch eine Senkung der Raumtemperatur in einem Ausmaß zur Folge, dass mit einer Eisstopfenbildung jedenfalls in den völlig ungeschützten Wasseranschlussrohren zu rechnen ist. Der Eintritt eines solchen Schadens ist geradezu wahrscheinlich. Nach den Lebenserfahrungen hat ein Ansteigen der Außentemperatur nach erfolgter Eisstopfenbildung auch regelmäßig einen Bruch der Leitung und einen damit verbundenen Wasseraustritt zur Folge. Dieser Gefahr kann aber durch Absperren der Wasserzufuhr und durch Auslassen des in den freiliegenden Anschlussleitungen vorhandenen Wassers leicht begegnet werden. Zu Recht hat daher das Erstgericht eine Haftung der Beklagten nach § 1318 ABGB angenommen. Ob ihr auch eine Vertragsverletzung zur Last fällt, braucht demnach nicht erörtert zu werden.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf den §§ 393 Abs 4 und 52 Abs 2 ZPO.
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