Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Am 29. 6. 1978 ereignete sich in Trausdorf vor dem Hause Untere Hauptstraße 51 ein Verkehrsunfall, an welchem das vom Erstbeklagten gehaltene und gelenkte, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherte Motorrad Honda 500, Kennzeichen *****, und der von Anna Roswitha S***** gelenkte, bei der Klägerin haftpflichtvesicherte PKW Renault 5, Kennzeichen *****, beteiligt waren. Bei dem Unfall wurde Peter U*****, welcher auf dem Soziussitz des Motorrades mitfuhr, schwer verletzt. Die Klägerin leistete an Peter U***** einen Schadenersatzbetrag von insgesamt 231.237,01 S. Sie begehrte von den beiden Beklagten den Ersatz der Hälfte des von ihr an Peter U***** geleisteten Betrags gemäß § 11 Abs 1 EKHG, wobei sie davon ausging, dass keinem der beteiligten Fahrzeuglenker ein Verschulden nachzuweisen und sowohl die außerordentliche als auch die gewöhnliche Betriebsgefahr beider Fahrzeuge gleich zu bewerten sei. Außerdem erhob sie ein Feststellungsbegehren auf Haftung der beiden Beklagten für 50 % der von ihr in Hinkunft an Peter U***** zu erbringenden Leistungen.
Im ersten Rechtsgang erkannte das Erstgericht im Sinne des Klagebegehrens (Leistung von 115.680,50 S sA und Feststellung der Haftung für die von der Klägerin an Peter U***** zu erbringenden Leistungen zur Hälfte). In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass keinem der beteiligten Fahrzeuglenker ein Verschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalls nachzuweisen sei. Die Betriebsgefahr der beiden Fahrzeuge sei gleich. Damit hätten sich die beiden beteiligten Haftpflichtversicherer den Schaden je zur Hälfte zu teilen. Aber selbst wenn man von einem Verschulden beider Verkehrsteilnehmer ausgehen wollte, käme man zum selben Ergebnis, weil das Verschulden der beiden etwa gleich groß sei. Roswitha S***** hätte nicht nach links abbiegen dürfen, der Erstbeklagte habe eine unklare Verkehrssituation vorgefunden.
Dieses Urteil wurde infolge Berufung der Beklagten vom Oberlandesgericht Wien ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Die Rechtssache wurde an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Berufungsgericht führte im Wesentlichen aus, der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung liege schon deshalb vor, weil die erstgerichtlichen Feststellungen in sich widersprüchlich seien und nicht hinreichten, um die Rechtssache einer erschöpfenden und abschließenden rechtlichen Beurteilung unterziehen zu können. Insbesondere sei die Frage zu prüfen, ob Roswitha S***** das Allein- oder ein mehr als gleichteiliges Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe, und ob und in welchem Umfang demgemäß der Klägerin gegenüber den beiden Beklagten ein Rückgriffsanspruch nach § 11 Abs 1 EKHG zustehe. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass unter gewissen Umständen der Linkseinbieger auch unmittelbar vor dem Einbiegen nach links noch einmal verpflichtet sei, den Nachfolgeverkehr zu beobachten. Dies werde etwa dann der Fall sein, wenn die Stelle des Linksabbiegens nicht, wie etwa auf einer Straßenkreuzung, ohne weiteres klar erkennbar sei, oder etwa, wie hier, die Sicht nach hinten möglicherweise erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Dem Erstgericht wurde daher die Feststellung aufgetragen, ob und wann sich Roswitha S***** davon überzeugte, dass niemand zum Überholen ansetzte, weil eine solche Feststellung vom Erstgericht bis dahin überhaupt nicht getroffen worden war.
Im zweiten Rechtsgang erkannte das Erstgericht die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin einen Betrag von 77.079 S sA zu zahlen und traf ein Feststellungsbegehren im Umfang von einem Drittel der von der Klägerin an Peter U***** in Hinkunft zu erbringenden Leistungen. Das Mehrbegehren wies es ab. In seiner rechtlichen Beurteilung führte es unter anderem aus, dass Roswitha S***** auf einer Bundesstraße im Ortsgebiet nach links zu einem Haus zugefahren, somit nicht an einer Straßenkreuzung abgebogen sei. Wenn sie sich auch ordnungsgemäß eingereiht und rechtzeitig geblinkt habe, sei ihr die Sicht durch einen nachfolgenden PKW verstellt gewesen. Das Motorrad (des Erstbeklagten) habe sich länger in ihrem Sichtbereich befunden, als es für ein Unterlassen des Abbiegens notwendig gewesen sei, sodass sie bei Beobachtung des nachfolgenden Verkehrs durch einen Blick in den Rückblickspiegel unmittelbar vor dem Abbiegen den Unfall leicht hätte verhindern können. Da sie dies unterlassen habe, sei ihr ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls anzulasten. Im Ergebnis kam das Erstgericht gemäß § 11 EKHG zu einer Schadensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Gunsten des Erstbeklagten.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden habe, 60.000 S nicht übersteige.
Die Klägerin erhob gegen das Urteil des Berufungsgerichts Revision, die vom Berufungsgericht als unzulässig zurückgewiesen wurde.
Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss wendet sich der Rekurs der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die Vorlage der Revision an den Obersten Gerichtshof aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (vgl Arb 9487 uva), aber nicht berechtigt.
Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel aus, die vom Berufungsgericht in seinem ohne Rechtskraftvorbehalt ergangenen Aufhebungsbeschluss ausgesprochene Rechtsansicht sei von der des aufgehobenen erstinstanzlichen Urteils (Haftungsteilung 1 : 1) insoweit abgewichen, als es diese nur unter der Voraussetzung gebilligt habe, dass Roswitha S***** den Unfall auch dann nicht hätte verhindern können, wenn sie den Nachfolgeverkehr unmittelbar vor dem Abbiegen nach links noch einmal beobachtet hätte. Diese Auffassung des Berufungsgerichts, die aufgrund der im 2. Rechtsgang vom Erstgericht getroffenen Feststellung, die Zeugin S***** hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit das Ausbiegen des Motorrads auf die linke Fahrbahnhälfte im Rückspiegel bemerken und das Abbiegemanöver unterlassen können, zwangsläufig zu einer anderen Schadensteilung durch das Erstgericht hätte führen müssen, sei von der Klägerin sowohl in ihrer Berufung als auch in der Revision ausdrücklich bekämpft worden. Das Berufungsgericht habe dem Erstgericht die Rechtsansicht überbunden, dass von einem überwiegenden Verschulden S*****s auszugehen sei, falls das Erstgericht im zweiten Rechtsgang zu der Feststellung gelangen sollte, die Versicherungsnehmerin der Klägerin hätte das vom Erstbeklagten gelenkte Motorrad bereits in Überholposition wahrnehmen können, wenn sie unmittelbar vor dem Linksabbiegen nochmals in den Rückspiegel geschaut hätte.
Hiezu ist Folgendes zu erwidern: Das Berufungsgericht hat im zweiten Rechtsgang das Urteil des Erstgerichts bestätigt und gemäß § 500 Abs 2 Z 2 ZPO ausgesprochen, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 60.000 S nicht übersteige. Gemäß § 502 Abs 3 zweiter Satz ZPO gilt das Berufungsurteil nicht als bestätigend, wenn das Urteil der ersten Instanz vor Rechtskraft des Beschlusses des Berufungsgerichts, das ein früheres Urteil der ersten Instanz gemäß § 496 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO aufgehoben hatte, gefällt worden ist (§ 519 Abs 1 Z 3) und wegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, von der das Berufungsgericht in jenem Beschluss ausgegangen ist (§ 499 Abs 2), angefochten wird. Die Voraussetzung für die Anwendung dieser, der Regelung des § 502 Abs 5 idF vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 gleichartigen Bestimmung ist etwa dann gegeben, wenn das Berufungsgericht für den Fall der Feststellung eines bisher vom Erstgericht nicht beurteilten Sachverhalts eine bestimmte rechtliche Beurteilung vorgeschrieben, und der Erstrichter im Sinne dieser Rechtsauffassung entschieden hat (vgl die zu § 502 Abs 5 ZPO aF ergangenen E SZ 23/192, MietSlg 17.785 ua). Hingegen ist die Revision unzulässig, wenn das Erstgericht nur die zur Lösung einer bestimmten Rechtsfrage erforderlichen Feststellungen unterlassen hatte und das Berufungsgericht den Auftrag erteilte, diese Feststellungen nachzuholen, ohne aber eine Rechtsansicht selbst bindend aufzuerlegen (vgl Arb 9374 ua). Das Berufungsgericht hat in seinem Aufhebungsbeschluss ausgeführt, wenn auch die Klägerin ihr Begehren lediglich auf die Haftungsbestimmungen des EKHG stütze und behaupte, keinem der beiden unfallbeteiligten Lenker sei ein Verschulden nachzuweisen, sei mit Rücksicht auf die Einwendung der Beklagten, das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe die Lenkerin des bei der Klägerin haftpflichtversicherten Fahrzeugs, doch die Frage zu prüfen, ob Roswitha S***** das Allein- oder ein mehr als gleichteiliges Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe und ob und in welchem Umfang demgemäß der Klägerin ein Rückgriffsanspruch nach § 11 Abs 1 EKHG gegenüber den beiden Beklagten zustehe. Weiters führte das Berufungsgericht aus, ob und in welchem Ausmaß die beiden Fahrzeuglenker ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe, werde sich allerdings erst beurteilen lassen, wenn das Erstgericht im Sinne der obigen Ausführungen widerspruchsfreie und vollständige Feststellungen getroffen haben werde.
Entgegen der Auffassung des Rekurses lässt sich hieraus in keiner Weise ableiten, dass das Berufungsgericht hinsichtlich der Verschuldensteilung eine bindende Rechtsansicht für den Fall der Feststellung eines bisher vom Erstgericht nicht beurteilten Sachverhalts ausgesprochen hat. Die Rechtsfrage, die im Aufhebungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien erörtert und deren Lösung in der Berufung gegen das im zweiten Rechtsgang erflossene Urteil des Erstgerichts bekämpft wurde, war vielmehr die, ob der Linkseinbieger unter bestimmten Umständen auch noch unmittelbar vor dem Linkseinbiegen den nachfolgenden Verkehr beobachten muss. Diese Rechtsfrage wurde aber vom Erstgericht im ersten Rechtsgang mangels entsprechender Feststellungen überhaupt nicht erörtert. Auch mit der Frage, ob das Verhalten der Roswitha S***** nach § 7 Abs 4 StVO 1960 zu beurteilen ist, befassten sich im ersten Rechtsgang weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht. Auch die übrigen in der Berufung der Klägerin gegen das im zweiten Rechtsgang gefällte Urteil des Erstgerichts aufgeworfenen Rechtsfragen wurden im ersten Rechtsgang gar nicht erörtert. Die Klägerin vermochte daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 3 zweiter Satz ZPO nicht darzutun, sodass in der Zurückweisung der Revision durch das Berufungsgericht keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden kann.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
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