European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00033.840.0626.000
Spruch:
1. Die Akten werden dem Gericht zweiter Instanz mit dem Auftrag zurückgestellt, die am 7. Juli 1983 gefällte Rekursentscheidung durch die Aussprüche über den Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden hat (15.000 S bzw 300.000 S), zu ergänzen.
2. Dem Rechtsanwalt Dr. Erich Kadlec wird aufgetragen, binnen vier Wochen den Nachweis der Bevollmächtigung durch die Rekurswerber Rosa I*****, Renate S*****, Hildegard K*****, Robert S*****, Johann M*****, Michael A*****, Emilie K*****, Paul W***** und Edith S***** vorzulegen.
Begründung
Dipl.‑Ing. Dr. Rudolf F***** war Eigentümer der Liegenschaft EZ 65 in der Katastralgemeinde ***** mit dem Haus in der *****. Er verkaufte die Liegenschaft am 29. 7. 1970 der G***** Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die die Verpflichtung übernahm, dem Verkäufer in dem auf dem Grundstück zu erbauenden Haus Wohnungseigentum an den Wohnungen 26 und 27 und an den Lagerräumen im Keller und Erdgeschoss zu verschaffen. Am 29. 1. 1971 wurde das Eigentum der Wohnbauvereinigung bücherlich einverleibt. Diese Eigentümerin der Liegenschaft brachte am 25. 3. 1976 bei der Gemeinde den Antrag auf Festsetzung des Nutzwerts (§ 26 Abs 1 Z 1 WEG 1975) ein, dem sie unter anderem eine Namensliste der „Mieter“ der Geschäftsräumlichkeit und der Wohnungen im Haus beilegte. Nach der Einholung des Gutachtens der Magistratsabteilung 40 verfügte die Gemeinde die Anberaumung der Verhandlung auf den 26. 5. 1976 und die Zustellung der Ladung zu dieser Verhandlung an die antragstellende Liegenschaftseigentümerin und an alle Wohnungseigentumsbewerber zu Handen der für I/1 und II/1 genannten Personen. Die Entscheidung der Gemeinde vom 23. 6. 1976, MA 50 – Schli 1/76 *****, mit der die Nutzwerte der selbständigen Räumlichkeiten festgesetzt wurde, ist in einer Ausfertigung den Wohnungseigentumsbewerbern zu Handen der Christine L***** (I/1) am 5. 7. 1976 zugestellt worden.
Mit Kauf‑ und Wohnungseigentumsvertrag wurden die nach der Nutzwertfestsetzung bestimmten Anteile an der Liegenschaft den Käufern ins Eigentum übertragen und es wurde Wohnungseigentum an den einzelnen Objekten begründet. In Entsprechung der schriftlichen Vereinbarung übertrug die Bauvereinigung an Dipl.‑Ing. Dr. Rudolf F***** 1375/4280 Anteile (Wohnungseigentum an Lager im Keller und Erdgeschoss), 83/4280 Anteile (Wohnungseigentum an der Wohnung I/26) und 37/4280 Anteile (Wohnungseigentum an der Wohnung I/27) in das Eigentum. Die bücherliche Einverleibung fand am 13. 7. 1978 statt. Die mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteile übertrug Dipl.‑Ing. Dr. Rudolf F***** mit dem Schenkungsvertrag vom 27. 7. 1976/12. 1. 1978 an Anna F*****. Ihr Eigentumsrecht an diesen Anteilen ist seit dem 9. 4. 1979 einverleibt.
Am 27. 8. 1980 riefen beide Antragsteller das Gericht an. Die Frist sei gewahrt, weil die Entscheidung der Gemeinde, mit welcher die Nutzwertfestsetzung erfolgte, dem damaligen „Eigentümer der Räumlichkeiten“ Dipl.‑Ing. Dr. Rudolf F***** erst am 14. 8. 1980 zur Kenntnis gebracht wurde. Der Nutzwert der Lagerräume im Keller (ca 660 m²) und Erdgeschoss (ca 480 m²) sei viel zu hoch angesetzt.
Das Erstgericht wies am 9. 3. 1983 den „Antrag auf Aufhebung der Entscheidung der Gemeinde vom 23. 6. 1976“ ab. Dipl.‑Ing. Dr. Rudolf F***** sei „nicht Eigentümer der Liegenschaft gewesen“, Anna F***** habe beim Erwerb des Eigentums aufgrund des Wohnungseigentumsvertrags und des Schenkungsvertrags von der Nutzwertfestsetzung Kenntnis erlangt und daher die Frist für die Anrufung des Gerichts versäumt.
Die Antragsteller bekämpften diesen Beschluss mit Rekurs.
Das Rekursgericht wies mit seinem am 7. 7. 1983 gefassten Beschluss den Rekurs des Dipl.‑Ing. Dr. Rudolf F***** zurück, gab dem Rekurs der Anna F***** Folge, hob insoweit die Entscheidung des Erstgerichts auf, trug diesem die Verhandlung und Entscheidung über die Nutzwertfestsetzung auf und setze einen Rechtskraftvorbehalt. Die Zurückweisung des Antrags der Wohnungseigentümerin Anna F***** auf Entscheidung des Gerichts nach § 26 Abs 3 WEG iVm § 37 MG sei verfehlt, weil den Wohnungseigentumsbewerbern im Nutzwertfestsetzungsverfahren Parteistellung zugekommen, eine Zustellung der Entscheidung der Gemeinde an alle Wohnungseigentumsbewerber jedoch unterblieben sei. Die Anrufung des Gerichts sei rechtzeitig und müsse zur Entscheidung in der Sache führen, weil die Entscheidung der Gemeinde außer Kraft getreten sei. Eine Berichtigung der Anteile müsse auch nach Einverleibung des Wohnungseigentums möglich sein.
Rechtliche Beurteilung
Die Akten wurden dem Obersten Gerichtshof mit Rekurs mehrerer Wohnungseigentümer vorgelegt, die, nachdem die Zurückweisung des Rekurses des Erstantragstellers unangefochten geblieben war, die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts auch über den Antrag der Zweitantragstellerin anstreben.
Die Rekurswerber haben die Erteilung der Vollmacht an den für sie einschreitenden Rechtsanwalt nur zum Teil durch Vorlage der Urkunden ./7 und ./8 dargetan. Soweit ein solcher Nachweis fehlt, ist die Verbesserung aufzutragen. Unterbleibt die Vorlage der Vollmachtsurkunden, müsste das Rechtsmittel der Wohnungseigentümer, bei denen der urkundliche Nachweis der gewillkürten Vertretung fehlt, zurückgewiesen werden.
Nach der nun schon ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs findet die Übergangsregelung des § 48 Abs 1 Satz 1 MRG zumindest analog auch auf Verfahren nach § 26 WEG 1975 Anwendung (MietSlg 34.575; 5 Ob 64/82; 5 Ob 39/83 ua). Die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Mietrechtsgesetzes BGBl 1981/520, das in seinem VI. Hauptstück Änderungen der Verfahrensbestimmungen nach § 26 Abs 2 und Abs 3 WEG 1975 vornahm, bei Gericht (der Gemeinde) anhängigen Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 1 WEG 1975 (Nutzwertfestsetzung) sind daher nach den vor dieser Änderung in Geltung gestandenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen durchzuführen. Dies gilt für dieses am 25. 3. 1976 bei der Gemeinde anhängig gewordene Verfahren und bedeutet, dass nach § 26 Abs 2 WEG 1975 in der Fassung vor der erst mit 1. 1. 1982 in Kraft getretenen Änderung durch § 56 Z 3 MRG die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren außer Streitsachen mit den im folgenden aufgezählten Besonderheiten gelten. Danach sind nach § 26 Abs 2 Z 3 WEG 1975 in der alten Fassung unter anderem die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über das Rechtsmittel des Rekurses – mit Ausnahme der Bestimmung über die Unterfertigung eines schriftlichen Rekurses durch einen Rechtsanwalt – anzuwenden. Durch § 56 Z 3 MRG wurde mit dem 1. 1. 1982 die Verfahrensregelung des § 26 Abs 2 WEG 1975 dahin geändert, dass nun auch in den besonderen Verfahren nach § 26 Abs 1 WEG nicht nur die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren außer Streitsachen sondern auch die in § 37 Abs 3 Z 6, Z 8 bis 21 und Abs 4 MRG und die im neuen § 26 Abs 2 Z 1 bis 9 WEG 1975 aufgezählten verfahrensrechtlichen Besonderheiten gelten. Die Spezialregelung des Rechtsmittelverfahrens im § 37 Abs 3 Z 16 bis 18 MRG bewirkt, dass im Bereich der Regelung der Anfechtbarkeit von Sachbeschlüssen (§ 26 Abs 2 WEG 1975 in der Fassung nach § 56 Z 3 MRG und § 37 Abs 3 Z 18 MRG) die Neufassung der Bestimmungen der Zivilprozessordnung über das Rechtsmittel des Rekurses durch die Zivilverfahrens‑Novelle BGBl 1983/135 nicht anwendbar ist, sondern in diesem Bereich die Vorschriften der Zivilprozessordnung in der Fassung vor der Zivilverfahrens‑Novelle BGBl 1983/135 gelten, wenn das Verfahren nach § 26 Abs 1 WEG vor dem 1. 1. 1982 bei Gericht (der Gemeinde) anhängig wurde und daher nach § 48 Abs 1 MRG die Spezialregelung noch nicht anwendbar ist. Außerhalb des Bereichs der Spezialregelung bleibt die Verweisung auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung über das Rechtsmittel des Rekurses (§ 26 Abs 2 Z 3 WEG 1975 in der Fassung vor § 56 Z 3 MRG) mit der Wirkung aufrecht, dass die jeweils in Geltung stehenden Bestimmungen der Zivilprozessordnung maßgebend sind (so schon OGH 18. 10. 1983 5 Ob 58/83). Die Rechtslage ist daher durch zwei verschiedene verfahrensrechtliche Übergangs-bestimmungen gekennzeichnet, weil die Neuregelung der Anfechtbarkeit rekursgerichtlicher Beschlüsse außerhalb der Spezialregelung für Rechtsmittel gegen Sachbeschlüsse (§ 37 Abs 3 Z 17 und Z 18 MRG) nach Art XVII § 2 Abs 1 Z 7 und 8 der Zivilverfahrens‑Novelle BGBl 1983/135 hier anzuwenden ist. Die Entscheidung der zweiten Instanz wurde nämlich nach dem 30. 4. 1983 gefällt. Die „Abweisung“ des Antrags durch das Erstgericht ist, wie schon das Rekursgericht erkannt hat, in Wahrheit eine Zurückweisung der Anrufung des Gerichts, weil sie vom Erstgericht damit begründet wurde, dass die Frist nach § 37 Abs 1 Mietengesetz, der nach § 26 Abs 3 WEG 1975 in der Fassung vor § 56 Z 3 MRG bei Verfahren auf Festsetzung des Nutzwerts anzuwenden ist, verstrichen gewesen sei und das Gericht daher nicht mehr angerufen werden konnte. Das Erstgericht hat eine Sachentscheidung abgelehnt und nicht in der Sache entschieden. Die unter Rechtskraftvorbehalt aufhebende Rekursentscheidung fällt daher nicht in den Bereich der Spezialregelung der Anfechtbarkeit, die die wandelbare Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Rechtsmittel des Rekurses in der jeweils geltenden Fassung ausschließen würde. Für die Rekursentscheidung gelten daher die Bestimmungen über das Rechtsmittel des Rekurses in der Fassung der Zivilverfahrens‑Novelle BGBl 1983/135, also auch die §§ 526 bis 528 ZPO und durch deren Verweisung die Vorschriften des § 500 und des § 502 Abs 4 ZPO in der Neufassung. Da das Rekursgericht nach § 527 Abs 2 Satz 2 ZPO den Rechtskraftvorbehalt nur aussprechen durfte, wenn der Rekurs nicht schon nach § 528 ZPO unstatthaft ist und es die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 ZPO für gegeben erachtete, kann zwar der Bewertungswille angenommen werden, dass der Wert des Streitgegenstands, über den das Rekursgericht entschieden hat, 15.000 S übersteigt und daher der Rekurs nicht schon nach § 528 Abs 1 Z 5 ZPO unzulässig ist (vgl auch § 500 Abs 2 letzter Satz ZPO). Wegen der unterschiedlichen Anfechtungsmöglichkeit kann jedoch nicht darauf verzichtet werden, dass durch den Bewertungsausspruch klargestellt ist, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 oder die des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO für gegeben erachtet wurden. Es bedarf daher des Auftrags, den Ausspruch über die Bewertung des nicht in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstands nachzuholen.
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