OGH 8Ob30/84

OGH8Ob30/8420.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) V*****, 2) Rada J*****, beide vertreten durch Dr. Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erste A*****, vertreten durch Dr. Leopold Hammer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 550.000 S sA und Feststellung (10.000 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. März 1983, GZ 15 R 25/83‑32, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrchtssachen Wien vom 15. Dezember 1982, GZ 39 a Cg 545/80‑26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00030.840.0620.000

 

Spruch:

Die Revision der Zweitklägerin wird zurückgewiesen;

2. zu Recht erkannt:

 

Der Revision des Erstklägers wird nicht Folge gegeben.

Ein Kostenausspruch hinsichtlich der Zweitklägerin findet nicht statt; der Erstkläger ist schuldig, der Beklagten die mit 15.972,83 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von 1.178,57 S und USt von 1.095,88 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 16. 12. 1977 ereignete sich auf der Tiroler Straße (B 171) westlich der neuen Innbrücke von Telfs ein Verkehrsunfall, bei welchem die Zweitklägerin, die im PKW Mercedes, pol Kennzeichen *****, mitfuhr, verletzt wurde. Die Beklagte war der Haftpflichtversicherer des PKWs.

Der Erstkläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von 550.000 S sA; die Zweitklägerin habe ihm ihre Schadenersatzansprüche zediert. Die Zweitklägerin stellte nur ein entsprechendes Feststellungsbegehren.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Zweitklägerin habe eine Entfertigungserklärung abgegeben, mit welcher sie gegen Zahlung von 50.000 S auf sämtliche Ansprüche aus dem Unfall verzichtet habe.

Die Kläger replizierten, dass die Unterschrift auf dieser Entfertigung nicht von der Zweitklägerin stamme.

Das Erstgericht wies die beiden Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach mit Berichtigungsbeschluss vom 1. 12. 1983 aus, dass der Wert des Streitgegenstands in Ansehung der Zweitklägerin 60.000 S nicht übersteigt.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision der Kläger aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 2 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil und das Ersturteil aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision der Zweitklägerin ist gemäß § 502 Abs 3 ZPO aF unzulässig, weil der Wert des Streitgegenstands, über den das Gericht zweiter Instanz ihr gegenüber entschied, 60.000 S nicht überstieg (8 Ob 177/83).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Erstklägers ist nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen im Wesentlichen von folgenden Sachverhalt aus:

Die Zweitklägerin wurde im Rahmen der außergerichtlichen Regelung ihrer Ansprüche aus dem Verkehrsunfall vom 16. 12. 1977 vom Rechtsanwalt Dr. Nowak vertreten. In dessen Kanzlei fand am 10. 8. 1978 eine Besprechung statt, in welcher der Zweitklägerin in Anwesenheit einer von dieser zugezogenen Vertrauensperson, die wenigstens teilweise der deutschen Sprache mächtig war, erklärt wurde, dass die Beklagte ein Schmerzengeld im Betrage von 40.000 S geboten hätte. Die Zweitklägerin erklärte, sich mit diesem Betrag zutrieden zu geben; darüber wurde ein Aktenvermerk aufgenommen, der von der Zweitklägerin in lateinischer Schrift unterschieben wurde. Am gleichen Tag unterzeichnete die Zweitklägerin gleichfalls in lateinischer Schrift eine Entfertigungserklärung gegenüber der Beklagten, in welcher sie erklärte, mit der Bezahlung eines Betrags von 50.000 S bezüglich aller Ansprüche aus dem gegenständlichen Unfall gegenüber jederman restlos abgefunden zu sein und zwar auch dann, wenn dieser Vorfall in Zukunft nicht vorhersehbare Folgen nach sich ziehen sollte.

Am 10. 10. 1978 fand in der Kanzlei Dris Nowak, neuerlich im Beisein der Vertrauensperson der Zweitklägerin, eine Besprechung statt, in welcher die Zweitklägerin gegenüber ihrem Anwalt erklärte, mit der Bezahlung von 40.000 S hinsichtlich sämtlicher Ansprüche aus dem gegenständlichen Unfall abgefunden zu sein. Dieser Betrag wurde der Klägerin auch ausbezahlt, den Differenzbetrag von 10.000 S verrechnete Dr. Nowak für Kosten. Schon vorher hatte die Zweitklägerin von der Beklagten eine a conto Zahlung von 20.000 S erhalten, sodass von der Beklagten insgesamt 70.000 S geleistet worden waren. Über die Besprechung vom 10. 10. 1978 wurde in der Kanzlei Dris Nowak gleichfalls ein Aktenvermerk aufgenommen und von der Zweitklägerin in lateinischer Schrift unterfertigt.

Das Erstgericht war der Ansicht, dass die Zweitklägerin rechtswirksam auf sämtliche Ansprüche verzichtet habe. Ihrer Behauptung, keine Unterschrift geleistet zu haben, könne als einer widerlegten Schutzbehauptung nicht geglaubt werden.

Auch das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass die Behauptung, wonach die Unterschriften auf den bezogenen Aktenvermerken und der Erklärung vom 10. 8. 1978 nicht von der Zweitklägerin stammten, eine bloße Schutzbehauptung sei, der nicht gefolgt werden könne. Das Gutachten des Schriftsachverständigen ergänze die übrigen Beweismittel in einwandfreier Weise. Für die Aufnahme weiterer Beweise bestünde bei der eindeutig geklärten Sachlage kein Anlass.

Demgegenüber stellt sich der Erstkläger in seiner Revision auf den Standpunkt, dass sich bei Einholung weiterer Vergleichsunterschriften das Gegenteil der Annahme der Vorinstanzen herausgestellt hätte. Einerseits hätte das Sachverständigengutachten eingehend erörtert werden sollen, andererseits ein weiteres Gutachten eingeholt werden müssen. Es stelle eine vorgreifende Beweiswürdigung des Berufungsgerichts dar, dass es zu einem für die Kläger negativen Beweisergebnis gelangte, indem es sowohl das Sachverständigengutachten als auch die übrigen Beweismittel zur Beweiswürdigung heranzog.

Diese Ausführungen, mit denen im Wesentlichen nur die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bekämpft wird, sind jedoch nicht stichhältig, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO nicht näher zu begründen ist. Ausgeführt sei bloß, dass auch die sogenannte „vorgreifende Beweiswürdigung“ des Berufungsgerichts, also dessen Ansicht, dass weitere Beweise an dem festgestellten Sachverhalt nichts ändern könnten, vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden kann (8 Ob 154/81 uza). Auch die Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, ist als eine Sache der Beweiswürdigung nicht revisibel (8 Ob 184/82 uza). Schließlich ist auf die ständige Judikatur zu verweisen, dass angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, welche vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt wurden, nicht gemäß § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können (SZ 22/106 uza).

Der Revision des Erstklägers war somit der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Erstklägers beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Hinsichtlich der Zweitklägerin erfolgte kein Kostenzuspruch an die Beklagte, weil sie weder auf das Erfordernis einer gesonderten Bewertung des sie betreffenden Streitwerts durch das Berufungsgericht noch auf die allenfalls daraus resultierende Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte