OGH 7Ob27/84

OGH7Ob27/8420.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Franz Glöckler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. H***** und 2. Otto S*****, vertreten durch Dr. Ernst Zöhrer, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlich 161.270 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Jänner 1984, GZ 2 R 327/83‑35, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 16. September 1983, GZ 9 Cg 548/81‑27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00027.840.0620.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 8.415,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920 S Barauslagen und 590,53 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeklagte, deren Geschäftsführer und persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte ist, exportiert Haflingerpferde nach Indien. Bereits im Februar 1978 hatte sie aus Anlass eines diesbezüglichen Lufttransports telegrafisch bei der Klägerin eine Transportversicherung abgeschlossen, über die die Polizze Nr 51.156 ausgestellt worden war. Die Prämie für diesen Vertrag haben die Beklagten an die Klägerin gezahlt.

Am 21. 3. 1980 sandte die Klägerin über Intervention ihres Versicherungsvertreters an die Erstbeklagte ein Fernschreiben folgenden Inhalts: „Transportversicherung: 400 Haflingerpferde per Flugzeug von Innsbruck nach Bombay inklusive 14 Tage Aufenthalt in Quarantäne. Nach Rücksprache mit Herrn B***** bestätigen wir Ihnen, dass wir den Transport wie folgt in Deckung nehmen: ... Die Prämie beträgt einschließlich der Nebengebühren 12,52 %o. Bitte teilen sie uns die Gesamtversicherungssumme, bzw das Maximum der Einzeltransporte mit.“

Am 24. 11. 1980 antwortete die Erstbeklagte mit folgendem Fernschreiben: „Betrifft: Transportversicherung von Haflingerpferden nach Indien. Wir beauftragen Sie, die Transportversicherung für 4 voraussichtliche Transporte von je 100 Haflingerpferden zum gegebenen Zeitpunkt und nach Meldung unsererseits, wie bereits gehabt, durchzuführen. Aufgrund der großen Menge ersuchen wir Sie außerdem, uns, wenn möglich, bei der Prämie noch einen Rabatt einzuräumen“.

Mit Fernschreiben vom 27. 11. 1980 teilte die Klägerin der Erstbeklagten Folgendes mit: „Betrifft: Versicherung von Haflingerpferden nach Indien. Wir nehmen höflich Bezug auf die zwischen Ihnen und Herrn Gottfried B***** geführten Verhandlungen und ihr Telex vom 24. 11. 1980 und danken für Ihren Auftrag. Die Versicherung gilt zu den gleichen Konditionen und Prämien wie bereits unter Polizze 51.156 gehabt. Mit Rücksicht auf den Umfang dieses Geschäfts sind wir bereit, Ihnen auf die Prämie einen Rabatt von 5 % einzuräumen. Wir bitten Sie, uns jeweils rechtzeitig vor Abgang der einzelnen Transporte die genauen Stückzahlen, Flugnummer und sonstige Daten direkt unter Telex 76794 noch bekanntzugeben und wir werden Ihnen sodann prompt unsere Zertifikate samt Abrechnungen zukommen lassen. Wir danken für das uns erneut erwiesene Vertrauen und empfehlen uns. Mit freundlichen Grüßen“.

Am 14. 8. 1981 richtete die Klägerin ein weiteres Fernschreiben an die Erstbeklagte, das folgenden Inhalt hatte: „Auftrags des Herrn B*****/Der Anker bestätigen wir Ihnen nochmals die Deckung gemäß ihrem Telex vom 24. 11. 1980, viermal je 100 Haflingerpferde per Luftfracht nach Indien. Die Versicherung deckt ... . Wir bitten Sie, uns vor Abgang die genaue Stückzahl, Flugnummer etc bekanntzugeben, Zertifikat und Abrechnung erhalten sie postwendend“.

Die Erstbeklagte hat die in den Fernschreiben der Klägerin erwähnten Daten nie mitgeteilt. Zwischenzeitlich erkundigte sie sich, ob die Klägerin auch eine Versicherung auf Ableben der Pferde anbieten könne, weil ihre indischen Vertragspartner auf einer solchen bestünden. Als die Klägerin dies abschlägig beantwortete, bemühte sie sich um die Möglichkeit einer Lebenstierversicherung bei einer anderen Gesellschaft und teilte der Erstbeklagten auch mit, dass ein solcher Abschluss möglich wäre. Die Erstbeklagte gab der Klägerin jedoch nie bekannt, dass für sie der Abschluss der Transportversicherung ohne Lebenstierversicherung nicht in Frage komme.

Die Erstbeklagte hat inzwischen 226 Pferde nach Indien verschickt, ohne dies jedoch der Klägerin mitzuteilen. Diesbezüglich hat sie bei einer anderen Gesellschaft eine Transportversicherung abgeschlossen. Die Klägerin erfuhr von diesem Transport aus der Zeitung.

Das Erstgericht hat dem auf Zahlung der Prämie für die bereits versandten Pferde in der Höhe von 161.270 S sA gerichteten Begehren mit der Begründung stattgegeben, zwischen den Streitteilen sei es zu einem Vertragsabschluss gekommen, der die Beklagten zur Prämienzahlung verpflichte.

Das Berufungsgericht, das die Revision für zulässig erklärte, wies das Klagebegehren ab. Es trat zwar der Rechtsansicht des Erstgerichts bezüglich des Zustandekommens eines Versicherungsvertrags in der Form einer laufenden Versicherung bei, führte jedoch aus, nach dem abgeschlossenen Vertrag sei die Erstbeklagte nicht verpflichtet gewesen, Transporte bei der Klägerin anzumelden. Bei der laufenden Versicherung entstehe die Versicherung für den einzelnen Transport erst mit der Anmeldung des Transports. Mangels einer solchen Anmeldung, zu der die Erstbeklagte nicht verpflichtet gewesen sei, könne daher nicht von einer Versicherung des bereits stattgefundenen Transports gesprochen werden, weshalb eine Verpflichtung zur Prämienzahlung nicht gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin wegen § 503 Abs 1 Z 4 ZPO erhobene Revision ist im Sinne der Ausführungen der Revisionsbeantwortung unzulässig.

Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, zu § 187 VersVG liege keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs aus neuerer Zeit vor. Dies ist zwar richtig, doch liegt dem vorliegenden Rechtsstreit keine Rechtsfrage zugrunde, die grundsätzliche Bestimmungen des Versicherungsrechts betrifft. Der Klägerin ist zwar beizupflichten, dass hier eine laufende Versicherung abgeschlossen wurde, doch beinhaltet das Gesetz keine näheren Regelungen über derartige Versicherungen. Grundsätzlich gilt für diese die volle Vertragsfreiheit. Gerade in diesem Verfahren sind auch nicht Fragen bezüglich Versicherungsbedingungen, die in einer Reihe gleichgelagerter Fälle zur Anwendung gelangen, zu lösen. Wie die Revision richtig ausführt, handelt es sich hier ausschließlich um die Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrags unter Heranziehung der Bestimmung des § 914 ABGB. Dies wird von der Revision als einzige Rechtsfrage, die eine Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig machen könnte, bezeichnet. Zu der Auslegungsproblematik nach § 914 ABGB gibt es jedoch eine umfangreiche Judikatur, die auf die Lehre Bezug nimmt. Nicht einmal grundsätzliche Fragen zu diesen Problemen sind hier strittig, sondern ausschließlich die Auslegung einer Bestimmung des dem Verfahren zugrundeliegenden konkreten Vertrags. Eine gegen das Gesetz verstoßende Auslegung dieses Vertrags ist nicht erkennbar. Dass bei der Vertragsauslegung auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen ist, wird von niemandem bestritten. Diese Umstände des Einzelfalls sind aber hier so, dass die Wahrscheinlichkeit mehrerer gleichgelagerter Fälle nicht gegeben ist. Sohin würde die Entscheidung dieses Rechtsstreits keinerlei Bedeutung für andere Rechtsstreitigkeiten haben, sodass ihr grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt. Dies wäre aber Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, weil andernfalls von der Notwendigkeit einer Entscheidung zur Wahrung der Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine Rede sein könnte.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Klägerin und im Sinne der Ausführungen der Beklagten erweist sich sohin die Revision als unzulässig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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