Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurde der Gendarmeriebeamte Ernest A des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Betruges (unter Ausnützung einer Amtsstellung) nach § 146 (Par 313) StGB verurteilt. Ihm liegt zur Last, am 6. August 1983 in Spielfeld als dem Gendarmeriepostenkommando Spielfeld zur Verkehrsüberwachung zugeteilter Beamter der Stabsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark 1.) mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf Ahndung von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht zu haben, daß er den Lenker eines PKWs (Nicola D***), welcher die für LKW vorgesehene Fahrspur benützte (Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO) nicht an die zuständige Bezirkshauptmannschaft zur Anzeige brachte, sondern vorschriftswidrig weiterfahren ließ und 2.) unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, Nicola D*** als gegen die Bestimmung des § 9 Abs. 5 StVO verstoßenden Lenker eines PKWs durch die Vorgabe, zur Empfangnahme einer vorläufigen Sicherheit und zur Erlassung von Organstrafverfügungen ermächtigt zu sein, zur Bezahlung von 15
DM (100 S), sohin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet zu haben, welche den Genannten an seinem Vermögen schädigten.
Von weiteren Anklagepunkten wurde der Angeklagte (inhaltlich der durch den Berichtigungsbeschluß vom 7. Mai 1984, GZ 9 Vr 4143/83-19, ergänzten Urteilsausfertigung) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (Gründe für diesen Freispruch sind dem Urteil allerdings nicht zu entnehmen, doch muß dies auf sich beruhen, weil der öffentliche Ankläger kein Rechtsmittel erhob). Das Erstgericht führte in den Entscheidungsgründen seines Urteils zwar einerseits aus, die dem Angeklagten im Schuldspruch zur Last gelegten Delikte seien in Realkonkurrenz verübt worden, meinte aber im unmittelbaren Zusammenhang damit, 'die Tätigkeit des Kassierens von Geldstrafen' ohne Ermächtigung zum Einheben dieser Strafen (womit augenscheinlich auf das dem Punkt 2 des Urteilssatzes unterstellte Tatverhalten Bezug genommen wurde) begründe 'den Tatbestand des Amtsmißbrauches' (S 149 d.A).
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil erhobenen, auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kann Berechtigung nicht versagt werden.
Als Amtsmißbrauch lastete das Erstgericht dem Angeklagten die Gestattung der vorschriftswidrigen Weiterfahrt (auf einen hiefür nicht vorgesehenen Fahrstreifen) für Nicola B sowie die Unterlassung der Anzeigeerstattung gegen diesen PKW-Lenker an die zuständige Bezirkshauptmannschaft an.
Das Erstgericht konzedierte dem Angeklagten aber, er sei sich der 'Verpflichtung und seines Rechtes' zur Festnahme des einen verbotenen Fahrstreifen benützenden PKW-Lenkers B 'zumindest bei der Hauptverhandlung nicht bewußt' gewesen (S 147 d.A). Damit brachte es wohl zum Ausdruck, dieses Bewußtsein sei nach seiner Annahme auch zum Tatzeitpunkt nicht gegeben gewesen. Darüber, inwiefern der Angeklagte sonst trotz Abmahnung (oder Abstrafung) des B dessen Weiterfahrt auf dem für ihn verbotenen Fahrstreifen hätte hindern können oder sollen - ungeachtet des vom Erstgericht konstatierten mangelnden Bewußtseins des Angeklagten über die Möglichkeit einer Festnahme nach § 35 (lit. c) VStG - traf das Erstgericht keine weiteren Feststellungen.
Desgleichen unterließ das Erstgericht Feststellungen darüber, weshalb eine Anzeigeerstattung an die zuständige Bezirkshauptmannschaft ungeachtet des Umstandes unterblieb und unabhängig davon unterbleiben sollte, daß der PKW-Lenker B nur wenige hundert Meter vom Ort der Anhaltung durch den Angeklagten neuerlich durch Gendarmeriebeamte angehalten wurde, zum Standort des Angeklagten zurückgebracht wurde und der Angeklagte (nach der bisherigen Aktenlage augenscheinlich) keine Möglichkeit zur mittlerweiligen Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft gehabt hatte. Zur Verurteilung eines Betruges (durch Inkasso einer Organstrafverfügung von 100 S = 15 DM) führte das Erstgericht zur subjektiven Tatseite aus, daß der Angeklagte 'wissen mußte' (S 149 d. A), daß er für den Bezirk Leibnitz 'keine Ermächtigung zur Einhebung von Organstrafverfügungen' besitzt. Damit wird aber - wenngleich nach Lage des Falles in nicht ganz verständlicher Weise - zum Ausdruck gebracht, daß dem Angeklagten insoweit (möglicherweise) bloß Fahrlässigkeit zur Last falle (vgl. hiezu Leukauf-Steininger, StGB 2 RN 18 zu § 5 u.v.a.m.).
Wegen dieser - von der Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend aufgezeigten - Begründungsmängel zeigte sich sofort bei der nichtöffentlichen Beratung, daß eine Kassation des erstgerichtlichen Schuldspruchs und die Anordnung der Verfahrenserneuerung unumgänglich war. Bei der neuerlichen Urteilsfällung wird im übrigen zu prüfen sein, ob die Handlungsweise des Angeklagten ein einheitliches Tatgeschehen darstelltte, bei welchem die Bestimmung des § 302 StGB jene des § 146 StGB verdrängt und der Gesamtwert der Tat durch eine Verurteilung nach § 302 StGB abgegolten wird.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)