OGH 8Ob1/84

OGH8Ob1/847.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1090 Wien, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in Linz, und 2. A*****, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger und Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Franz H*****, und 2.) W*****, beide vertreten durch Dr. Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, wegen 1.) 45.113,50 S sA und Feststellung (65.000 S) und 2.) 54.298,47 S sA und Feststellung (61.000 S), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Juni 1983, GZ 2 R 19, 20/83‑38, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 13. Dezember 1982, GZ 6 Cg 103/80‑29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00001.840.0607.000

 

Spruch:

 

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die erstklagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Revisionsverfahrens einen Betrag von 5.026,81 S (darin Barauslagen von 940,80 S und USt von 302,67 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien an Kosten des Revisionsverfahrens einen Betrag von 5.231,98 S (darin Barauslagen von 979,20 S und USt von 315,02 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Erstbeklagte ist der Halter einer Zugmaschine mit dem Kennzeichen O 362.076, die Zweitbeklagte der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeugs. Am 9. 5. 1977 beabsichtigte der Erstbeklagte nach dem Ausfahren von Stallmist mit seiner Zugmaschine und einem daran gekoppelten Miststreuer, auf einem Zufahrtsweg in der Nähe des Anwesens des Florian B***** den Miststreuer zu reinigen. Als er zu diesem Zweck mit der Motorkraft der Zugmaschine die am Ende des Miststreuers befindliche Streuwalze in Bewegung setzte, wurde der in der Nähe befindliche Johann B***** von den Streuschaufeln erfasst und schwer verletzt. Wegen dieses Unfalls wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Unterweißenbach vom 21. 9. 1977, U 85/77‑5, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB schuldig erkannt. Johann B***** war als mitarbeitendes Familienmitglied am Hof seines Bruders Florian B***** sozialversichert. Beide Klägerinnen haben aus Anlass dieses Unfalls Leistungen an Johann B***** erbracht und haben auch noch künftig an ihn Leistungen zu erbringen.

Mit ihren getrennt eingebrachten Klagen begehrten beide Klägerinnen im Sinne des § 332 ASVG im Rahmen des von ihnen errechneten Deckungsfonds von den beiden Beklagten den Ersatz erbrachter Pflichtleistungen, und zwar begehrte die Erstklägerin die Zahlung von 45.113,50 S sA und die Zweitklägerin die Zahlung von 54.298,47 S sA. Überdies stellten beide Klägerinnen ein Feststellungsbegehren bezüglich ihrer künftigen Leistungen. Die Klägerinnen stützten ihr Begehren im Wesentlichen darauf, dass zwar den Verletzten ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden an diesem Unfall treffe, dass aber das den Erstbeklagten treffende Verschulden an der Verletzung des Johann B***** mit zwei Dritteln zu bewerten sei. Dem Erstbeklagten sei als Verschulden anzulasten, dass er die Streuwalze am Miststreuer in Bewegung gesetzt habe, ohne sich zu überzeugen, dass dies ohne Gefährdung anderer Personen möglich sei. Er hafte auch als Halter des Traktors nach den Bestimmungen des EKHG für die Unfallsfolgen. Die Zweitbeklagte habe nach den kraftfahrrechtlichen Vorschriften für den vom Erstbeklagten verursachten Schaden einzustehen.

Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, der Miststreuer, durch den der Unfall des Johann B*****verursacht worden sei, habe Florian B***** und dem Erstbeklagten gemeinsam gehört. Diese beiden hätten am Unfallstag gemeinsam Miststreuarbeiten auf der Landwirtschaft des Florian B***** durchgeführt, auf der auch Johann B***** als landwirtschaftliche Hilfskraft gearbeitet habe. In dieser Eigenschaft habe er auch beim Reinigen des Miststreuers geholfen. Bei dieser Tätigkeit sei der Erstbeklagte als Miteigentümer des Miststreuers und Eigentümer der Zugmaschine, an die der Misstreuer angekoppelt gewesen sei, dem Johann B***** gegenüber als Vorgesetzter anzusehen. Zwischen Florian B***** und dem Erstbeklagten habe im Bezug auf diesen Miststreuer eine Art betriebliche Einheit bestanden, sodass der Erstbeklagte im Unfallszeitpunkt in den Betrieb des Florian B***** eingegliedert gewesen und in dieser Eigenschaft gegenüber Johann B***** weisungsberechtigt gewesen sei. Jedenfalls habe er gegenüber Johann B***** Anweisungen erteilen können. Der Erstbeklagte sei daher gegenüber Johann B***** im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG als Aufseher im Betrieb anzusehen. Gemäß § 334 ASVG käme daher ein Ersatzanspruch der Klägerinnen nur dann in Betracht, wenn der Erstbeklagte den Arbeitsunfall durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit veursacht habe, was aber hier nicht zutreffe, weil der Erstbeklagte vor Inbetriebnahme des Miststreuers Johann B***** gewarnt, dieser aber die Warnung missachtet habe. Sollte aber tatsächlich ein Anspruch der Klägerinnen nach § 332 ASVH vorliegen, dann sei zu berücksichtigen, dass das weitaus überwiegende Verschulden den verletzten Johann B***** treffe. Bei der Berechnung des Deckungsfonds sei zu berücksichtigen, dass Johann B***** durch den Unfall nicht gänzlich arbeitsunfähig geworden sei; er verrichte nach wie vor am Hof seines Bruders leichte landwirtschaftliche Arbeiten.

Diese beiden Rechtssachen wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Johann B***** weist einen sehr niederen Intelligenzgrad auf; er erzielte im WIP‑Test nur einen Intelligenzquotienten von 68 bzw 77 % und ist daher als grenzdebil zu bezeichnen. Johann B***** stammt aus einer Bauernfamilie und lebt seit jeher am elterlichen Hof, der nunmehr von seinem Bruder Florian B***** geführt wird. Seine schwächliche und reduzierte Konstitution ermöglichte es ihm nicht, außerhalb des elterlichen Hofs einer Beschäftigung nachzugehen. Er war daher nach Beendigung der Schulpflicht, die er zur Not hinter sich brachte, mithelfendes Familienmitglied am elterlichen Hof.

Johann B***** war am 9. Mai 1977 damit beschäftigt, auf Feldern seines Bruders Dünger zu streuen. Um 16 Uhr kehrte er zum Anwesen zurück, um dort neuen Dünger zu holen. Dabei kam er an jener Stelle vorbei, wo sein Bruder Florian und der Erstbeklagte den ihnen gemeinsam gehörigen Mitststreuer zu reinigen beabsichtigten. Da er von diesem Vorhaben wusste, öffnete Johann B***** ohne diesbezüglichen Auftrag den Deckel des dort befindlichen Wasserbehälters. Inzwischen waren Florian B***** und der Erstbeklagte mit ihren Zugmaschinen eingetroffen und bereiteten die Reinigung des Miststreuers vor, wobei dieser an die Zugmaschine des Erstbeklagten angekoppelt war, während Florian B***** an seine Zugmaschine eine Hochdruckpumpe angeschlossen hatte, die bei der geplanten Reinigung für die Wasserzufuhr aus dem geöffneten Wasserbehälter heraus sorgen sollte. Der Erstbeklagte startete dann den Motor seiner Zugmaschine und setzte damit die Walze des Miststreuers in Bewegung. Johann B*****, der an der Rückseite des Miststreuers vorbeiging, wurde von den Streuschaufeln am rechten Rockärmel erfasst und mit dem Arm in das Walzwerk gezogen. Er hatte weder von Florian B***** noch vom Erstbeklagten den Auftrag erhalten, sich an der Reinigung des Miststreuers zu beteiligen. Er hatte zwar von sich aus beabsichtigt, zur Beschleunigung der Reinigung dabei zu helfen, ist aber nicht mehr dazugekommen.

Wo sich Johann B***** gerade befand, als der Erstbeklagte den Miststreuer in Bewegung setzte und ob er vorher angewiesen worden war, sich von dem Gerät zu entfernen, kann nicht mehr festgestellt werden.

Rechtlich führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass den Beklagten der Beweis einer Eingliederung des Verletzten in den Betrieb des Erstbeklagten misslungen sei und dass daher für den Erstbeklagten kein Haftungsprivileg im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG bestehe. Das Verschulden des Erstbeklagten stehe schon aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung fest. Ein Mitverschulden des Johann B***** sei nicht mit Sicherheit erwiesen, sei aber jedenfalls mit der von den Klägerinnen eingeräumten Mitverschuldensquote von einem Drittel hinlänglich berücksichtigt. Gemäß § 332 ASVG seien die Ansprüche des Johann B***** auf Ersatz seines Vermögensnachteils durch Aufhebung seiner Erwerbsfähigkeit auf die Klägerinnen übergegangen. Diese hätten den Deckungsfonds richtig errechnet, sodass ihrem Klagebegehren stattzugeben sei.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichts im Sinne der Abweisung des von den beiden Klägerinnen gestellten Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden hat, hinsichtlich der von jeder der beiden Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche jweils nicht den Betrag von 300.000 S übersteigt und dass hinsichtlich der von beiden Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche jeweils die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist.

Das Berufungsgericht führte rechtlich im Wesentlichen aus, nach den insoweit unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts sei davon auszugehen, dass Johann B***** als Landarbeiter zumindest bis zum Unfall vom 9. 5. 1977 Dienstnehmer seines Bruders Florian B***** gewesen sei. Der Unfall habe sich ereignet, als der Erstbeklagte und Florian B***** gemeinsam den in ihrem gemeinsamen Miteigentum stehenden Miststreuer reinigen wollten. Johann B***** sei am Unfallstag mit Arbeiten im landwirtschaftlichen Betrieb seines Bruders und Dienstgebers Florian beschäftigt gewesen. Als er im Zuge dieser Arbeiten (um neuen Dünger zu holen) an der späteren Unfallstelle vorbeigekommen sei, habe er den Deckel des Wasserbeckens geöffnet, weil er von der Absicht seines Bruders, den Miststreuer an die Stelle zu reinigen, gewusst habe. Aus welchem Grund Johann B***** diese Tätigkeit vorgenommen habe, sei belanglos; es habe sich jedenfalls um eine taugliche Vorbereitungshandlung für die beabsichtigte Reinigung des Miststreuers gehandelt. Mit dieser Vorbereitungshandlung habe sich Johann B***** aus folgenden Gründen auch in den Betrieb des Erstbeklagten eingegliedert.

Für die Eingliederung in den Betrieb eines Unternehmers komme es nicht auf die rechtliche Qualifikation als Dienstverhältnis und dementsprechend für die Beurteilung der Aufsehereigenschaft nach § 333 Abs 4 ASVG nicht auf die Betriebshierarchie an; entscheidend seien einzig und allein Funktion und Verantwortlichkeit im Zeitpunkt des Unfalls. In diesem Sinne sei auch Personen, denen keine berufliche Überordnung gegenüber dem Verletzten zugestanden sei, die jedoch im Rahmen der Tätigkeit einer Arbeitsgemeinschaft vorübergehend in eine funktionelle Überordnung über den mit ihnen sonst rechtlich nicht verbundenen Verletzten hineingeraten seien, die Rechtsstellung eines Aufsehers im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG zuzuerkennen. Ähnlich sei es zu beurteilen, wenn zwei Unternehmer zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen seien und der eine von ihnen eine funktionelle betriebliche Überordnung gegenüber einem Dienstnehmer des Partners in der Arbeitsgemeinschaft ausübe. Es komme dabei auf das gleiche rechtliche Ergebnis hinaus, ob man diesen Unternehmer als Aufseher im Betrieb seines Partners ansehe oder aber eine vorübergehende funktionelle Eingliederung des Dienstnehmers des Partners in den eigenen Betrieb annehme. An einer zumindest vorübergehenden funktionellen betrieblichen Überordnung des Erstbeklagten gegenüber Johann B***** im Zusammenhang mit der Reinigung des Miststreuers könne aber nicht gezweifelt werden. Der Erstbeklagte hätte nämlich, bevor er den Motor seiner Zugmaschine startete und damit die Walze seines Miststreuers in Bewegung setzte, den nach dem Straferkenntnis des Bezirksgerichts Unterweißenbach in unmittelbarer Nähe des Geräts befindlichen Johann B***** (§ 268 ZPO) warnen und auffordern müssen, den gefährlichen Bereich zu verlassen; Johann B***** wäre schon nach den Umständen der Situation verpflichtet gewesen, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Ob der Erstbeklagte eine solche Aufforderung tatsächlich ausgesprochen habe, sei nicht relevant. Entscheidend sei vielmehr die für den Fall einer solchen Aufforderung fiktive Über‑ und Unterordnung zwischen dem Erstbeklagten und Johann B***** zur Erteilung eines betrieblichen Auftrags und zu dessen Befolgung. Nicht entscheidend sei, ob Johann B***** einen ausdrücklichen Auftrag zur Mithilfe bekommen habe, zumal in landwirtschaftlichen Kreisen bei Landarbeitern das Selbstverständnis der Notwendigkeit zur Mitarbeit bei den verschiedenen jeweils gerade anfallenden Arbeiten überdurchschnittlich ausgeprägt sei und in der Regel einen konkludenten Auftrag des Dienstgebers zur Vornahme bestimmter Arbeitstätigkeiten in sich einschließe.

Durch das Öffnen des Deckels des Wasserbehälters habe Johann B***** eine Vorbereitungshandlung zur Reinigung des Miststreuers gesetzt. Es könne daher nicht gesagt werden, dass er zufällig in die unmittelbare Nähe des Miststreuers gekommen sei. Da er nach den Feststellungen des Erstgerichts die Absicht gehabt habe, zur Beschleunigung der Reinigung des Miststreuers dabei zu helfen (aber wegen des Unfalls nicht mehr dazu gekommen sei, diese Absicht auszuführen), sei der innere Zusammenhang zwischen der Hilfstätigkeit des Johann B***** und seinem Aufenthalt in unmittelbarer Nähe des Miststreuers gegeben. Johann B***** habe einen Arbeitsunfall erlitten, als er unter Aufsicht des Erstbeklagten und in der Situation, allfällige Weisungen des Erstbeklagten befolgen zu müssen, im wirtschaftlichen Interesse des Erstbeklagten tätig geworden sei. § 334 Abs 1 ASVG finde daher Anwendung.

Dass dem Erstbeklagten grobe Fahrlässigkeit zur Last falle, ergebe sich weder aus dem gegen ihn ergangenen Strafurteil noch aus den Feststellungen des Erstgerichts. Die Behauptung des Erstbeklagten, er habe Johann B***** gewarnt, sei nicht widerlegt worden. Grobe Fahrlässigkeit des Erstbeklagten wäre als Haftungsvoraussetzung nach § 334 Abs 1 ASVG von den Klägerinnen zu beweisen gewesen. Bei den vom Erstgericht nicht gelösten Zweifeln über Umstände, die näher auf den Grad des Verschuldens des Erstbeklagten schließen lassen könnten, sei sohin nur leichte Fahrlässigkeit und daher ein Haftungsausschluss nach § 334 Abs 1 ASVG anzunehmen.

Schließlich sei noch zu untersuchen, ob nicht der gegen die Zweitbeklagte gerichtete Klagsanspruch – soweit der Zweitbeklagten als Haftpflichtversicherer der Zugmaschine nicht das persönlich wirkende Dienstgeberprivileg nach § 334 ASVG zukomme und eine reine Halterhaftung des Erstbeklagten gegeben sein könnte – auf die Bestimmungen des EKHG oder des Kraftfahrgesetzes gegründet werden könnte. Eine solche Haftung würde nach § 1 EKHG jedenfalls voraussetzen, dass sich der Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ereignet habe. Diese Voraussetzung sei hier zu verneinen. Ein stehendes Fahrzeug sei nicht im Betrieb im Sinne des § 1 EKHG, auch wenn der Motor eingeschaltet werde. Betrieb einer Maschine sei die durch ihren Zweck bestimmte Fortbewegung. Tätigkeiten einer Maschine, die nicht der bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs zur Ortsveränderung unter Benützung der Maschinenkraft dienten, fielen nicht unter den Betriebsbegriff.

Das Klagebegehren sei unter diesen Umständen abzuweisen.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, das der vorliegende Sachverhalt so besonders gelagert sei, dass eine wirklich vergleichbare Judikatur weder hinsichtlich der Beurteilung der Aufsehereigenschaft noch hinsichtlich der Abgrenzung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit gegeben sei. Zudem sei hinsichtlich der Anwendbarkeit des EKHG auf derartige Unfälle eine gewisse Trendänderung in der oberstgerichtlichen Judikatur nicht zu verkennen.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Klägerinnen. Sie bekämpfen sie aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Die Beklagten beantragen, beiden Revisionen keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Der von beiden Klägerinnen geltend gemachte Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mit ihren Ausführungen zur Rechtsrüge versuchen beide Klägerinnen darzutun, dass das Berufungsgericht zu Unrecht das Vorliegen der in den §§ 333, 334 ASVG normierten Haftungsprivilegien angenommen habe, dass dem Erstbeklagten grobe Fahrlässigkeit an der Verletzung des Johann B***** anzulasten sei und dass jedenfalls die Haftung der Beklagten nach den Bestimmungen des EKHG bejaht werden müsste.

Wegen des engen sachlichen Zusammenhangs kann hier zu beiden Rechtsmitteln gleichzeitig Stellung genommen werden.

Gemäß § 332 Abs 1 ASVG geht, wenn Personen, denen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes Leistungen zustehen, den Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Versicherungsfall erwachsen ist, aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften beanspruchen können, der Anspruch auf den Versicherungsträger insoweit über, als dieser Leistungen zu erbringen hat. Gemäß § 333 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat. Gemäß § 333 Abs 4 ASVG gilt die Bestimmung des Abs 1 dieser Gesetzesstelle auch für Ersatzansprüche Versicherter gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers und gegen Aufseher im Betrieb. Gemäß § 334 Abs 1 ASVG hat der Dienstgeber oder ein ihm gemäß § 333 Abs 4 ASVG Gleichgestellter den Trägern der Sozialversicherung alle zu gewährenden Leistungen zu ersetzen, wenn er den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat.

Vorwegzunehmen ist, dass beide Klägerinnen im Verfahren erster Instanz ihre behaupteten Klagsansprüche nicht darauf stützten, dass der Erstbeklagte als Dienstgeber oder Aufseher im Betrieb den Arbeitsunfall des Johann B***** vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hätte (§ 334 Abs 1 ASVG), sondern darauf, dass die kongruenten Schadenersatzansprüche des Verletzten gegen die Beklagten auf sie übergegangen seien, soweit sie Leistungen erbracht oder zu erbringen hätten (§ 332 Abs 1 ASVG).

Es ist daher nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 334 Abs 1 ASVG vorliegen, weil die Klägerinnen originäre Ersatzansprüche im Sinne dieser Gesetzesstelle gegen die Beklagten gar nicht geltend gemacht haben; entscheidend ist, ob dem Verletzten gegen die Beklagten Schadenersatzansprüche entstanden, die im Sinne des § 332 Abs 1 ASVG auf die Klägerinnen übergehen konnten.

Dies ist, geht man von den Feststellungen der Vorinstanzen aus, zu verneinen.

Die Anwendung des im § 333 ASVG normierten Haftungsprivilegs setzt nicht voraus, dass der Geschädigte im Betrieb des Schädigers ständig beschäftigt war.

Im vorliegenden Fall handelt es sich darum, dass der Erstbeklagte und Florian B***** als selbständige Unternehmer im Rahmen der von ihnen geführten Landwirtschaften ein gemeinsam angeschafftes und in ihrem Miteigentum stehendes Gerät, nämlich einen Miststreuer, verwendeten. Wenn am Unfallstag dieses Gerät im Rahmen des Betriebs des Florian B***** verwendet wurde, um dort Stallmist auszuführen, so ist im Rahmen dieser Tätigkeit, die ausschließlich dem wirtschaftlichen Nutzen des Florian B***** diente, wohl dieser als Unternehmer anzusehen. Die anschließende Reinigung des Miststreuers diente aber nicht mehr dem ausschließlichen wirtschaftlichen Nutzen des Florian B*****, sondern der Erhaltung der Maschine und damit dem wirtschaftlichen Nutzen beider Eigentümer, also des Florian B***** und des Erstbeklagten. In Bezug auf diese Tätigkeit sind daher beide als selbständige Unternehmer anzusehen, weil die von ihnen vorgenommene bzw geplante Tätigkeit der Reinigung der Maschine nicht mehr ausschließlich dem wirtschaftlichen Nutzen eines von ihnen, sondern der Erhaltung und Instandhaltung der Maschine und damit dem Nutzen beider Unternehmen diente. Zwischen dem Erstbeklagten und Johann B***** bestand kein Vertragsverhältnis; Dienstgeber des Johann B***** war nur dessen Bruder Florian.

Wird nun bei einer gemeinsamen Tätigkeit zweier Unternehmer ein Betriebsangehöriger eines von ihnen verletzt, so kommt es bei der Beurteilung der Frage, ob ihm gegenüber dem anderen Unternehmer, zu dem er in keinem Dienstverhältnis steht, Schadenersatzansprüche zustehen, darauf an, ob der verletzte Betriebsangehörige bei seiner Tätigkeit die Sphäre seines eigenen Betriebs verlässt und sich in den Aufgabenbereich des von ihm in Anspruch genommenen Unternehmers einordnet (SZ 52/66; 8 Ob 76/80 ua). Wird der verletzte Beschäftigte in den fremden Betrieb in der Art eines eigenen Arbeitnehmers eingegliedert, wirkt nach Lehre und ständiger Rechtsprechung der Haftungsausschluss des § 333 Abs 1 ASVG auch zu Gunsten des anderen Unternehmers (8 Ob 11/78; 8 Ob 276/79; 8 Ob 76/80 uva).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beabsichtigte Johann B*****, beim Reinigen des Miststreuers mitzuhelfen. Zu diesem Zweck öffnete er, bevor noch der Erstbeklagte und Florian B***** mit ihren Traktoren und sonstigen Geräten an der für die Reinigung in Aussicht genommenen Stelle eingelangt waren, den Deckel des dort befindlichen Wasserbehälters und verblieb dann an dieser Stelle, um weiter beim Reinigen des Miststreuers mitzuhelfen, wozu es allerdings infolge seiner Verletzung nicht mehr kam.

Dass es sich bei dieser geplanten und durch die Öffnung des Deckels des Wasserbehälters auch bereits begonnenen Hilfeleistung des Johann B***** um eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG handelt, kann nicht bezweifelt werden. Eine derartige betriebliche Tätigkeit liegt vor, wenn es sich um eine – wenn auch nur ganz kurzfristige – ernstliche, dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht – ein ausdrücklicher Auftrag ist dazu nicht erforderlich –, die ihrer Art und den Umständen nach sonst von Personen zu verrichtet werden pflegt, die aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und durch die ein enger ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird. Die allfällige kurze Dauer einer solchen Tätigkeit steht der Anwendung des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG nicht entgegen (SZ 48/50; SZ 48/123; SZ 52/66; 8 Ob 76/80 ua). Unter einer ernstlichen Tätigkeit versteht man dabei Handlungen, die auch sonst in dem in Frage stehenden Betrieb anfallen und gewöhnlich von einem Arbeitnehmer im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet werden. Ob die gelistete Tätigkeit dem Unternehmen dienlich war, muss aus dem Zweck der geleisteten Tätigkeit erschlossen werden (SZ 52/66; 8 Ob 76/80).

Im vorliegenden Fall erfüllte die von Johann B***** geplante und auch bereits begonnene Tätigkeit der Mithilfe bei der Reinigung des Miststreuers diese Voraussetzugnen. Es ist nicht zweifelhaft, dass diese der Instandhaltung und Erhaltung der Maschine dienende Tätigkeit im wirtschaftlichen Interesse beider Eigentümer lag und ihrem mutmaßlichen Willen entsprach, mag auch keiner von ihnen dem Johann B***** einen diesbezüglichen Auftrag erteilt haben.

Zu prüfen bleibt, ob Johann B***** bei dieser seiner Tätigkeit in den Betrieb des Erstbeklagten eingegliedert war. Dazu ist das Vorliegen eines persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der für das Unternehmen Tätige bereit ist, sich während seiner Tätigkeit den Anweisungen des Unternehmers oder des von ihm bestellten Aufsehers im Betrieb zu unterwerfen (SZ 48/50; 8 Ob 11/78; SZ 52/66; 8 Ob 76/80 ua). Solange Johann B***** bei der Reinigung des Miststreuers mitwirkte bzw mitzuwirken beabsichtigte, zeigte er damit seine Bereitschaft, sich der Leitung des Erstbeklagten zumindest insoweit zu unterstellen, als dieser durch seine eigene Tätigkeit die Art und Möglichkeit der Hilfeleistung bestimmte. Wenn nämlich im Zuge dieser Reinigungsarbeiten die Streuwalze am Miststreuer durch den Erstbeklagten mit Motorkraft in Bewegung zu setzen war und auch in Bewegung gesetzt wurde, so war eine sinnvolle Hilfeleistung des Johann B***** bei der Reinigung des Miststreuers im Bereich dieser Gefahrenquelle gar nicht möglich und der Erstbeklagte war im Rahmen dieser seiner eigenen Tätigkeit sicher befugt und sogar gehalten, Johann B***** die für eine sinnvolle Zusammenarbeit nötigen Weisungen zu erteilen.

Unter diesen Umständen war aber Johann B***** während seiner geplanten und auch bereits begonnenen Mitarbeit bei der Reinigung des Miststreuers auch in dem Betrieb des Erstbeklagten eingegliedert, sodass im Sinne obiger Rechtsausführungen dem Erstbeklagten das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG zugutekommt. Dass der Erstbeklagte den Arbeitsunfall des Johann B***** vorsätzlich herbeigeführt hätte, wurde nicht einmal behauptet. Ein Schadenersatzanspruch der Verletzten gegen den Erstbeklagten (und seinen Haftpflichtversicherer), der im Sinne des § 332 Abs 1 ASVG auf die Klägerinnen übergehen hätte können, konnte daher nicht entstehen.

Da der auf Arbeitsunfälle beschränkten lex specialis des § 333 ASVG durch die später erlassene, alle Arten von Unfällen umfassende lex generalis des EKHG nicht derogiert wurde, kommt auch eine Haftung der beiden Beklagten für den dem Johann B***** zugefügten Körperschaden nach den Bestimmungen des EKHG nicht in Betracht (ZVR 1974/146; 8 Ob 76/80; SZ 54/118; ZVR 1982/365 ua).

Auf die Frage eines allfälligen groben Verschuldens des Erstbeklagten an der Verletzung des Johann B***** war unter diesen Umständen nicht einzugehen, weil die Klägerinnen gegen die Beklagten keine originären Ersatzansprüche im Sinne des § 334 Abs 1 ASVG, für die zumindest grobes Verschulden des Schädigers Voraussetzung wäre, geltend machten, sondern auf sie übergegangene angebliche Schadenersatzansprüche des Verletzten im Sinne des § 332 Abs 1 ASVG, die unter den dargestellten Umständen auch nicht im Falle eines groben Verschuldens des Erstbeklagten bejaht werden könnten. Im Übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beweislastumkehr des § 1298 ABGB nur für die Frage des Vorliegens eines Verschuldens überhaupt, nicht aber für die Art des Verschuldens gilt; das Vorliegen grober Fahrlässigkeit hat daher stets der zu beweisen, der sich darauf beruft (1 Ob 283/71; JBl 1977, 648; 4 Ob 2/80 ua). Da im vorliegenden Fall ungeklärt blieb, wo sich Johann B***** gerade befand, als der Erstbeklagte den Miststreuer in Bewegung setzte und ob er vorher angewiesen worden war, sich von dem Gerät zu entfernen, reichen unter diesen Gesichtspunkten die Feststellungen der Vorinstanzen für die Annahme eines groben Verschuldens des Erstbeklagten tatsächlich nicht aus.

Den Revisionen der Klägerinnen musste unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 41, 50 ZPO. Die Klägerinnen haben die Kosten ihrer erfolglosen Revisionen selbst zu tragen. Die Beklagten haben Anspruch auf Ersatz ihrer Kosten im Revisionsverfahren nur insoweit, als diese Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Die Erstattung von zwei getrennten Revisionsbeantwortungen durch die Beklagten war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, zumal schon bei Erstattung der ersten Revisionsbeantwortung beide Revisionen an den Beklagtenvertreter zugestellt waren und beide Revisionsbeantwortungen inhaltlich kaum voneinander abweichen. Den Beklagten gebührt daher nur der Ersatz der Kosten einer Revisionsbeantwortung, allerdings auf der Basis des gesamten Revisionsstreitwerts von 225.411,97 S und mit einem Streitgenossenzuschlag von 15 %. Davon hat entsprechend den Anteil am Revisionsstreitwert (§ 46 Abs 1 2. Satz ZPO) die Erstklägerin 49 % und die Zweitklägerin 51 % zu ersetzen.

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