OGH 2Ob559/84

OGH2Ob559/845.6.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Pflegschaftssache der B***** E*****, infolge Revisionsrekurses der Republik Österreich, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz (Jv 17086-14.9/81, DA-Nr 405005811) gegen den Beschluss des Kreisgerichts Wels als Rekursgericht vom 12. Jänner 1984, GZ R 812/83-85, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Lambach vom 6. Juli 1983, GZ P 107/77-83, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der damals mj B***** E***** wurden ab 1. 1. 1981 Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von 800 S monatlich gewährt. Am 20. 3. 1981 teilte die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Jugendfürsorge Außenstelle Lambach, dem Erstgericht mit, dass die Minderjährige ein Wochengeld von 154,40 S täglich beziehe. Am 11. 9. 1981 erklärte die Mutter der Minderjährigen bei einer Einvernahme vor dem Erstgericht, die Minderjährige habe am 5. 2. 1981 ein Kind geboren und beziehe Krankengeld, die Mutter sei mit einer Einstellung der Unterhaltsvorschüsse einverstanden. Mit Beschluss vom 8. 3. 1983, ON 70, enthob das Erstgericht den Kindesvater von seiner Unterhaltsverpflichtung für die Minderjährige ab 1. 12. 1982. Mit Beschluss vom selben Tag, ON 71, sprach das Erstgericht aus, dass die Bevorschussung des Unterhalts mit Wirkung vom 31. 3. 1981 eingestellt werde und der Anspruch auf Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse ab 1. 10. 1981 bestehe. Daraufhin beantragte der Präsident des Oberlandesgerichts Linz am 17. 3. 1983 aufgrund einer Mitteilung der Buchhaltung des Oberlandesgerichtspräsidiums Linz, wonach für die Monate Oktober 1981 bis März 1983 ein Übergenuss von 14.400 S entstanden sei, über den Ersatz der zu Unrecht gewährten Vorschüsse zu entscheiden.

Das Erstgericht sprach aus, dass B***** E***** die Hälfte der für die Monate Oktober 1981 bis März 1983 zu Unrecht gezahlten Vorschüsse in der Höhe von 14.400 S, somit 7.200 S zurückzuzahlen habe. Das Erstgericht verwies auf die Aussage der Mutter, sie habe die Hälfte des zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschusses für sich und die beiden Kinder B***** E***** verwendet und über den Rest einen Bausparvertrag mit vierjähriger Laufzeit im eigenen Namen angelegt. B***** E***** stünden derzeit monatlich 5.000 S zur Verfügung, wovon sie die Wohnungsmiete von 1.500 S und den Unterhalt für ihre beiden Kinder zu bestreiten habe. Daraus zog das Erstgericht den Schluss, dass gemäß § 22 Abs 2 UVG von einer Rückforderung des verbrauchten Unterhaltsvorschusses abzusehen sei. Dies treffe jedoch für den noch nicht verbrauchten und derzeit auf der Bank liegenden Unterhaltsvorschuss nicht zu, dessen Rückzahlung der Minderjährigen ohne Gefährdung des eigenen Unterhalts möglich sei, da sie als Anspruchsberechtigte die Kündigung des Bausparvertrags und die Ausfolgung des Guthabens oder die anderweitige Schadloshaltung von ihrer Mutter verlangen könne. Eine Haftung des gesetzlichen Vertreters und der Person, in deren Pflege und Erziehung sich das Kind befinde, bestehe nicht, weil die Bezirkshauptmannschaft die eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit rechtzeitig mitgeteilt habe und für Verstöße von anderen Personen gegen die Mitteilungspflicht keine Anhaltspunkte vorlägen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der B***** E***** Folge und änderte den angefochtenen Beschluss dahin ab, dass der Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz, über den Ersatz der zu Unrecht gewährten Vorschüsse zu entscheiden, abgewiesen wurde. Das Rekursgericht ging aufgrund der Aktenlage und zusätzlich vom Rekurgericht veranlasster Erhebungen von folgendem Sachverhalt aus:

B***** E***** ist im Sommer 1980 von der Wohnung der Mutter I***** E***** in ***** ausgezogen. Sie arbeitete zunächst in einem Gasthaus in ***** und kam nur zu den Wochenenden nach Hause. Später hat sie eine Lebensgemeinschaft begonnen. Sie hat am 5. 2. 1981 einen Sohn und am 7. 12. 1981 ein weiteres Kind geboren. Nach dem Bezug des Wochengeldes hat sie vom 1. 5. 1981 bis 11. 10. 1981 ein Karenzgeld in der Höhe von 5.013 S, vom 7. 3. 1982 bis 7. 12. 1982 ein solches von 5.272 S und vom 8. 12. 1982 bis 30. 4. 1983 eine Sondernotstandshilfe von 2.161 S monatlich bezogen. Seit Oktober 1981 (Beginn der festgestellten Rückzahlungsverpflichtung) hat sie weder im Haushalt ihrer Mutter gewohnt, noch von dieser Geldleistungen (aus dem ausbezahlten Unterhaltsvorschuss oder der Familienbeihilfe) erhalten. Ihre Mutter I***** E***** hat lediglich am 1. 4. 1982 einen Bausparbrief für den mj E***** E***** bei der Bausparkasse der Sparkassen abgeschlossen, worauf bis 20. 12. 1983 ein Guthaben von 1.214,45 S aufscheint.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, die EBzRV zur Regierungsvorlage stellten ausdrücklich darauf ab, dass dem Kind die Beträge auch zugekommen seien. Es komme dabei nicht darauf an, wann das Kind im Wege des Zahlungsempfängers Besitz erworben habe und inwieweit ihm dessen Handlungen zuzurechnen seien. Das Gesetz bringe vielmehr zum Ausdruck, dass es im § 22 Abs 1 UVG eine Sonderhaftungsregelung habe treffen wollen, auf die die allgemeinen Grundsätze nur insoweit anzuwenden seien, als die mit dieser in Einklang gebracht werden könnten und unterschiedliche Haftungsgründe für das Kind und die weiters im Gesetz genannten Personen bestehen sollten. Aus der gesetzlichen Vorschrift, dass die Rückzahlungsverpflichtung des Kindes ausgeschlossen sei, wenn der Unterhaltsvorschuss für seinen Unterhalt verbraucht worden sei, folge insbesondere auch aufgrund der zitierten Stelle aus der RV, dass der Haftungsfall dann nicht für gegeben erachtet werde, wenn der Unterhaltsvorschuss dem Kind überhaupt nicht zugekommen sei. Insoweit sei auch eine Übereinstimmung mit bereicherungsrechtlichen Grundsätzen gegeben, die nach weiteren Ausführungen in den EBzRV für die Anspruchsgestaltung maßgeblich gewesen seien. Eine Wertung, wonach die Haftung des Kindes dann ausgeschlossen werden solle, weil es den Unterhaltsvorschuss zu Unterhaltszwecken verbraucht habe, andererseits aber eine Haftung dann bestehen solle, wenn ihm der Unterhaltsvorschuss überhaupt nicht zugekommen sei, könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, weil sie mit dem angeführten Haftungsausschluss in einem unlösbaren und nicht zu harmonisierenden Widerspruch stünde. Eine solche Gesetzesauslegung stünde auch im Widerspruch mit den insbesondere auch in JAB 199 BlgNR 14. GP zu § 1 UVG für das Gesetzesvorhaben unter Berufung auf § 21 ABGB und § 2 Abs 1 AußStrG betonten Schutzgedanken (EFSlg 39.009). Nach den nunmehr getroffenen Feststellungen müsse aber davon ausgegangen werden, dass der B***** E***** der ab Oktober 1981 an ihre Mutter I***** E***** ausgezahlte Unterhaltsvorschuss bis jetzt in keiner Weise zugewendet worden sei, insbesondere auch keine Verwendung in ihrem Interesse stattgefunden habe. Es sei daher auch ihre Haftung für die Rückzahlung ausgeschlossen. Nachdem also eine Rückersatzpflicht des Kindes nicht gegeben sei, könnten auch die übrigen im § 22 Abs 1 UVG genannten Personen nicht zum Rückersatz verhalten werden. Darüber hinaus sei anzumerken, dass der Antrag auf Ausspruch einer Ersatzverpflichtung nach ständiger Rechtsprechung nur dann als tauglicher Anlass für die gerichtliche Sachentscheidung zu werten sei, wenn er hinsichtlich der Person, von welcher der Ersatz der zu Unrecht ausbezahlten Vorschüsse begehrt werde, hinreichend präzisiert sei. Die Auswahl der Ersatzpflichtigen dem zur Entscheidung befugten Gericht zu überlassen, widerspreche dem in diesem Verfahren geltenden Antragsprinzip, wie auch dem verfassungsrechtlich genehmigten Grundsatz der Gewaltentrennung zwischen Gericht und Verwaltung (EFSlg 31.918, 36.585).

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Republik Österreich, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz. Darin wird ausgeführt, daraus, dass die Unterhaltsvorschüsse der B***** E***** nicht zugekommen seien, habe das Rekursgericht zu Recht die Schlussfolgerung gezogen, dass eine Ersatzpflicht der B***** E***** nicht bestehe. Es sei aber nunmehr von Bedeutung, ob nicht die Mutter der B***** E*****, nämlich die empfangsberechtigte I***** E***** oder allenfalls die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als besonderer Sachwalter eine gröbliche Verletzung der Mitteilungspflicht treffe. Obwohl die Minderjährige bereits im Sommer 1980 ausgezogen sei und seit 1. Mai 1981 ein Einkommen beziehe, habe es I***** E***** während der ganzen Zeit des zu Unrecht bezogenen Unterhaltsvorschusses nicht der Mühe wert gefunden, hievon dem Gericht oder allenfalls dem Jugendamt Mitteilung zu machen. Hierin liege zweifellos eine gröbliche Vernachlässigung der Mitteilungspflicht. Im Hinblick auf den langen Zeitraum sei auch ein grobes Verschulden der zuständigen Organe der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land nicht von der Hand zu weisen, zumal diese ja von der Geburt des Kindes Kenntnis habe erlangen müssen. Der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung, der Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts sei nicht hinreichend präzisiert, könne ebenfalls nicht beigetreten werden. Das Außerstreitverfahren sei von der Untersuchungsmaxime beherrscht (§ 2 Abs 1 Z 5 und 6 AußStrG). Es sei Sache des Gerichts, den Verfahrensstoff einzugrenzen und den wahren Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Es werde daher der Antrag gestellt, der angefochtene Beschluss wolle dahin abgeändert werden, dass Frau I***** E***** zur Zahlung des Betrags von 14.400 S binnen 14 Tagen verpflichtet werde. Hilfsweise werde beantragt, das Land Oberösterreich als Rechtsträger der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land werde verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen zu ersetzen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionrekurs ist nicht berechtigt.

Die vom Rekursgericht vertretene, den vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien stammenden Entscheidungen EFSlg 31.918 und 36.585 folgende Rechtsansicht, dass der Präsident des Oberlandesgerichts die Personen, von denen Ersatz begehrt werde, präzisieren müsse, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Bereits in SZ 52/69 wurde ausgesprochen, dass sein Antrag, über die Rückforderung iSd §§ 22, 23 UVG zu entscheiden, ausreichend klarstelle, dass der Ersatz unter den Voraussetzungen und in der Reihenfolge, wie es § 22 Abs 1 UVG vorsieht, beantragt wird. Gemäß § 22 Abs 1 UVG hafte zunächst das Kind, subsidiär sein gesetzlicher Vertreter und die Person, in deren Pflege und Erziehung es sich befindet, zur ungeteilten Hand, hilfsweise der Unterhaltsschuldner. Im Hinblick auf diese genau festgelegte Reihenfolge muss das Gericht zuerst prüfen, ob hinsichtlich des Kindes die Voraussetzungen für eine Rückforderung gegeben sind, erst in zweiter Linie, ob der gesetzliche Vertreter und die Person, in deren Pflege und Erziehung sich das Kind befindet, zur Haftung heranzuziehen sind und erst zuletzt, ob der Unterhaltsschuldner Ersatz für die zu Unrecht gewährten Vorschüsse zu leisten hat. Daher ist es nicht erforderlich, dass im Antrag die Person bezeichnet wird, die zum Ersatz verpflichtet werden soll, weil sich dies bereits aus dem Gesetz ergibt.

Der Antrag des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz reicht daher aus, um über die Rückersatzpflicht zu entscheiden. Die Abweisung des Antrags hinsichtlich B***** E***** blieb im Revisionsrekurs ausdrücklich unbekämpft, weshalb auf die Frage, ob B***** E***** ersatzpflichtig wäre, nicht einzugehen ist.

Die Mutter der B***** E***** und das Land Oberösterreich würden gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz UVG nur haften, wenn sie die Gewährung der Vorschüsse durch unrichtige Angaben oder durch eine Verletzung der Mitteilungspflichten grob fahrlässig veranlasst hätten. Im Hinblick auf die bereits im Jahr 1981 gegenüber dem Erstgericht erfolgten Mitteilungen des Jugendamts und der Mutter hatte das Erstgericht Kenntnis davon, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Unterhaltsvorschusses nicht mehr gegeben sind. Die Weitergewährung der Vorschüsse ist daher nicht auf eine Verletzung der Mitteilungspflicht zurückzuführen, sondern darauf, dass das Erstgericht auf die Mitteilung nicht durch sofortige Einstellung der Vorschüsse reagierte. Eine Ersatzpflicht der im § 22 Abs 1 zweiter Satz genannten Personen besteht daher nicht, zumal - wie der Oberste Gerichtshof in EFSlg 36.580 ausführte - das Gesetz die Rückzahlungspflicht ausdrücklich auf zwei konkret genannte Fälle einschränkte und eine die Haftung auf weitere Fälle ausdehnende Auslegung des Gesetzes nicht möglich ist.

Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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