Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte hat der Klägerin die mit 4.289,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 600 S Barauslagen und 335,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ *****, ***** und eines ideellen Hälfteanteils der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Die Hälfte der Liegenschaft EZ ***** hatte die Klägerin von ihrem verstorbenen Gatten geerbt und in einem Erbübereinkomen die Verpflichtung übernommen, die ererbte Hälfte nach ihrer Wahl einem der beiden Kinder Hermine oder Franz (Beklagter) bei Lebzeiten zu übergeben oder zu hinterlassen. Mit notariellem Übergabsvertrag vom 26. 6. 1980 (Beilage 3) übergab die Klägerin dem Beklagten ihren Liegenschaftsbesitz, von dem allerdings einige Grundstücke ausgenommen wurden, die im Alleineigentum der Klägerin blieben. Die grundbücherliche Durchführung erfolgte in der Weise, dass das Eigentum des Beklagten an der ideellen Hälfte der Liegenschaft EZ ***** sowie sein Alleineigentum an der Liegenschaft EZ ***** eingetragen wurde. Die Klägerin blieb Eigentümerin der Liegenschaft EZ *****, der einerseits Grundstücke der Liegenschaft EZ *****, die sich die Klägerin vorbehielt, zugeschrieben wurden; andererseits wurden Grundstücke der Liegenschaft EZ ***** der Liegenschaft EZ ***** zugeschrieben, darunter das Grundstück ***** Wiese. Der Beklagte hatte als Gegenleistung für die Übergabe Darlehensschulden der Klägerin zu übernehmen und für diese Ausgedingsleistungen zu erbringen.
Die Klägerin brachte vor, das Grundstück ***** hätte nach dem übereinstimmenden Willen der Streitteile nicht mitübergeben werden sollen, durch einen Irrtum des Notars sei dieses Grundstück aber von der Übergabe nicht ausgenommen worden. Die Klägerin begehrt daher den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Abschreibung des Grundstücks ***** Wiese von der EZ ***** KG ***** und die Zuschreibung dieses Grundstücks zu EZ ***** KG ***** einzuwilligen.
Das Erstgericht gab diesem Begehren statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S übersteige, nicht aber 300.000 S und die Revision gemäß § 502 Abs 1 Z 4 ZPO zulässig sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten. Er macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis, es liege hinsichtlich des Grundstücks ***** ein versteckter Dissens vor, weshalb der Übergabsvertrag hinsichtlich dieses Grundstücks unwirksam sei.
Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, von den Feststellungen des Erstgerichts seien nur jene entscheidend, dass die Klägerin nicht die Absicht gehabt habe, das Grundstück ***** zu übergeben und dass dem Beklagten dies habe bekannt sein müssen. Gegen diese Feststellungen bestünden keine Bedenken. Es habe sich zwar nicht um einen versteckten Dissens gehandelt, sondern darum, dass der Übergabsvertrag hinsichtlich der Parzelle ***** nicht dem wahren Willen der beiden Vertragspartner entsprochen habe. Beide Teile seien sich nach den Feststellungen darüber im klaren gewesen, dass dieses Grundstück nicht übergeben werden sollte. Es habe sich hiebei einerseits um einen Erklärungsirrtum insofern gehandelt, als beide Teile davon ausgegangen seien, der Übergabsvertrag entspreche der mündlichen Vereinbarung, was aber nicht den Tatsachen entsprochen habe, weil die Parzelle ***** irrtümlich unter die von der Übergabe ausgenommenen Grundstücke nicht aufgenommen worden sei. Andererseits liege aber auch ein Geschäftsirrtum vor, weil hinsichtlich der Parzelle ***** der Irrtum vorgelegen sei. Vor allem aber habe es sich um einen beiderseitigen Irrtum gehandelt, weil beide Teile der Meinung gewesen seien, dass die Parzelle ***** nicht mitübergeben werde. Liege aber ein gemeinsamer Irrtum vor, so komme es nicht weiter darauf an, ob dieser Irrtum vom Beklagten veranlasst worden sei oder ihm habe auffallen müssen. Der beiderseitige Irrtum stelle nach Lehre und Rechtsprechung einen zusätzlichen Anfechtungsgrund dar. Hinsichtlich der Übertragung der Parzelle ***** sei daher keine entsprechende Willenseinigung vorgelegen, vielmehr sei davon ausgegangen worden, dass diese Parzelle nicht Gegenstand der Übertragung sei. Auf die fehlerhafte und mit dem Vertragswillen nicht übereinstimmende Textierung des Übergabsvertrags könne sich der Beklagte daher nicht berufen. Die Vertragsanfechtung der Klägerin führe nicht zur Aufhebung des gesamten Vertrags, der Beklagte habe auch nie eingewendet, die Klägerin könne unter Zugrundelegung ihres Standpunkts nur die Aufhebung des gesamten Übergabsvertrags begehren. Der vorliegende beiderseitige Irrtum stelle keinen wesentlichen Irrtum in dem Sinne da, dass die Parteien bei Kenntnis der wahren Sachlage das Geschäft nicht geschlossen hätten. Der Irrtum bezieht sich vielmehr auf einen Punkt, den die Parteien dem Geschäft ohnedies nicht zu Grunde gelegt hätten, weil sie davon ausgegangen seien, dass die Parzelle ***** nicht Gegenstand des Übergabsvertrags sei, sondern die Klägerin sich diese vorbehalte. Die bei unwesentlichem Irrtum vorzunehmende Vertragskorrektur führe daher dazu, den Vertrag so zu gestalten, wie ihn die Parteien bei Kenntnis der wahren Sachlage geschlossen hätten. Dies bedeute aber nichts anderes, als dass die Parzelle ***** vom Beklagten der Klägerin rückzuübertragen sei. Eine Änderung der beiderseitigen Leistungen sei damit nicht verbunden, zumal ja ein Äquivalent für die Parzelle ***** ohnedies nicht als bedungen zu gelten habe. Das synallagmatische Verhältnis zwischen den Leistungen der Klägerin einerseits und jenen des Beklagten sei daher durch den beiderseitigen Irrtum nicht gestört, sodass die Vertragsanpassung zu keinerlei Änderungen in den Gegenleistungen des Beklagten für die Übergabe Veranlassung gäbe. Das Erbübereinkommen stehe dem Begehren der Klägerin nicht entgegen. Auch wenn man davon ausgehe, dass der Übergabsvertrag Elemente eines Glücksvertrags enthalte, sei die Geltendmachung eines gemeinsamen Irrtums nicht ausgeschlossen.
Der Revisionswerber hält dem entgegen, durch die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts sei nicht deutlich klargestellt, dass dem Beklagten habe bekannt sein müssen, die Klägerin habe sich die Parzelle ***** vorbehalten wollen. Das Berufungsgericht habe die Feststellungen ohne Beweiswiederholung ergänzt. Das Erstgericht habe lediglich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dem Beklagten habe bekannt sein müssen, dass sich die Klägerin dieses Grundstück vorbehalte. Daraus lasse sich allenfalls entnehmen, der Beklagte habe vor den Vertragsverhandlungen eine Ahnung davon gehabt, dass sich die Klägerin dieses Grundstück zurückbehalten wolle. Für die Zeit der Vertragsverhandlungen und den Vertragsabschluss gelte dies jedoch nicht. Das Berufungsgericht habe die Feststellungen des Erstgerichts unrichtig interpretiert. Für die Annahme einer mündlichen Vereinbarung ließen sich keinerlei Anhaltspunkte finden, es hätten lediglich Vertragsverhandlungen stattgefunden. Das Berufungsgericht habe auch übersehen, dass die Irrtumsanfechtung deshalb nicht möglich sei, weil der Irrtum nicht die Hauptsache betroffen habe. Es könnte höchstens von einem unwesentlichen Irrtum ausgegangen werden, sodass die Klägerin gemäß § 872 ABGB nur angemessene Vergütung, also einen Geldanspruch geltend machen könnte, jedoch gemäß § 877 ABGB den empfangenen Vorteil hätte anbieten müssen. Dem Klagsanspruch stehe auch das Erbübereinkommen entgegen, weil die Klägerin durch die Übergabe der Liegenschaft an den Beklagten ihr Wahlrecht aus dem Erbübereinkommen bereits ausgeübt habe. Gemäß § 906 ABGB könne sie von der einmal getroffenen Wahl nicht mehr abgehen. Der Beklagte habe daher ein Recht auf Übertragung der ideellen Liegenschaftshälfte der EZ *****, und auch deshalb habe die Klägerin keinen Anspruch auf Rückübertragung des strittigen Grundstücks, da gemäß § 1431 ABGB eine irrtümlich erfolgte Zahlung dann nicht zurückgefordert werden könne, wenn jener, dem geleistet wurde, ohnehin ein Recht auf die Leistung gehabt habe. Schließlich sei der Übergabsvertrag als Glücksvertrag zu werten, weil sich der Beklagte zu einer umfangmäßig unbestimmten Ausgedingsleistung verbunden habe. Da Glücksverträge nicht einmal wegen laesio enormis angefochten werden könnten, bleibe für eine Irrtumsanfechtung kein Raum.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Da der Wert des Streitgegenstands 300.000 S nicht übersteigt, kann die Revision nur begehrt werden, weil das Urteil des Berufungsgerichts auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts beruht, der erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt. Bei der Frage, ob es sich bei den vom Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung gemachten Ausführungen, dem Beklagten habe bekannt sein müssen, dass die Klägerin das Grundstück ***** zurückbehalten wolle, um ergänzende Feststellungen handelt, die dahin zu interpretieren seien, beide Parteien seien der Meinung gewesen, das Grundstück ***** werde nicht dem Beklagten übergeben, handelt es sich um keine Frage, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erheblicher Bedeutung zukommt, zumal davon, dass das Berufungsgericht ohne Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichts abging, nicht gesprochen werden kann. Eine iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bedeutsame Verfahrensfrage liegt daher nicht vor.
Der rechtlichen Beurteilung ist somit der Sachverhalt zu Grunde zu legen, von dem das Berufungsgericht ausging. Demnach ist davon auszugehen, dass beide Vertragspartner der Meinung waren, das Grundstück ***** werde nicht übergeben. Der daraus vom Berufungsgericht gezogene Schluss, die Klägerin könne den Vertrag wegen eines gemeinsamen Irrtums anfechten, entspricht nicht der vom Obersten Gerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen vertretenen Ansicht. Hiebei handelt es sich um eine iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bedeutsame Frage des materiellen Rechts, weshalb die Revision zulässig ist. Damit ist allerdings für den Beklagten nichts gewonnen.
Da ein übereinstimmender Parteiwille vorlag, kommt es nicht darauf an, ob und welchen Niederschlag dieser in der Vertragsurkunde gefunden hat. Der Vertrag ist so zustandegekommen, wie er von den Parteien übereinstimmend gewollt wurde (3 Ob 632/79, 5 Ob 735/82). Auch bei einer formbedürftigen Willenserklärung schadet eine bloße Falschbezeichnung nicht; sie ist ungeachtet des Wortlauts der förmlichen Erklärung und ihres normativen Verständnisses entsprechend dem tatsächlichen übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig. Als Vertragsinhalt gilt daher, was beide Parteien gewollt haben (EvBl 1980/99, S 322, 6 Ob 10/83). Über die Parzelle ***** kam daher überhaupt kein Übergabsvertrag zustande. Diese Parzelle wurde nur irrtümlich in den schriftlichen Vertrag aufgenommen (vgl die Entscheidungen 2 Ob 699/54 und 7 Ob 110/68. Dort wurde ausgesprochen, dass dann, wenn der Notar irrig eine Parzelle in den Kaufvertrag aufnahm, welche die Parteien nicht kaufen bzw nicht verkaufen wollten, hinsichtlich dieser Parzelle kein Kaufvertrag zustandekam und die Klage des angeblichen Verkäufers auf bücherliche Rückübertragung dieser Parzelle berechtigt sei.). Da die bücherliche Eintragung des Eigentumsrechts des Beklagten hinsichtlich der Parzelle ***** nicht dem Willen der Parteien entsprach, sondern auf einem bei Abfassung des schriftlichen Übergabsvertrags unterlaufenen Irrtum beruhte hat die Klägerin daher Anspruch auf Rückübertragung des Eigentumsrechts. Auf die Revisionsausführungen, der Irrtum habe nicht die Hauptsache betroffen, die Klägerin müsste gemäß § 877 ABGB das Empfangene zurückstellen, ist daher nicht einzugehen. Da hinsichtlich der Parzelle ***** überhaupt kein Vertrag zustandekam, kann auch den Revisionsausführungen über die Möglichkeit der Anfechtung eines Glücksvertrags auf keinen Fall ein Erfolg beschieden sein.
Auch das Erbübereinkommen steht dem Klagebegehren nicht entgegen. Ob die Klägerin aufgrund des Erbübereinkommens verpflichtet ist, die gesamte ideelle Hälfte der Liegenschaft EZ ***** (mit den Grundstücken, die zur Zeit des Abschlusses des Erbübereinkommen zu dieser Liegenschaft gehörten) zur Gänze entweder dem Beklagten oder ihrer Tochter zukommen zu lassen, muss nicht erörtert werden. Nach dem Erbübereinkommen hat die Klägerin die ideelle Hälfte dieser Liegenschaft ihren Kindern entweder bei Lebzeiten zu übergeben oder zu hinterlassen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Klägerin verpflichtet wäre, dem Beklagten, wenn sie ihm schon zu Lebzeiten einen körperlichen Teil der gesamten Liegenschaft übergeben hat, auch den restlichen körperlichen Teil noch zu ihren Lebzeiten zu übergeben.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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