European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00506.840.0410.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.560,70 S (darin 171,90 S Umsatzsteuer und 240 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger schloss am 21. 9. 1968 die Ehe. Seine Ehefrau gebar am 12. 11. 1968 das beklagte Kind. Nach der Scheidung der Ehe am 11. 10. 1973 blieb das Kind in der Pflege und Erziehung der Mutter, die später eine neue Ehe einging.
Der Kläger erhob am 19. 10. 1981 die Klage auf Bestreitung der Ehelichkeit des Kindes. Er habe dieses nach Jahren im Juli 1981 zufällig gesehen. Es sehe ihm nicht ähnlich. Er sei jetzt überzeugt, nicht der leibliche Vater des Kindes zu sein.
Die Beklagte wendete ein, der Kläger sei der leibliche Vater. Er habe auch die Frist zur Bestreitung der Ehelichkeit veräumt. Schon vor der Geburt habe die Mutter der Beklagten dem Kläger mitgeteilt, sie habe vielleicht auch mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt, könne dies aber nicht sagen, weil sie damals stark alkoholisiert gewesen sei. Der Kläger habe daher schon lange Umstände gekannt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen.
Das Erstgericht gab der Klage statt.
Es stellte im Wesentlichen fest:
Der Kläger hatte (auch) in der Zeit vom 14. 1. 1968 bis 16. 5. 1968 (302. bis 180. Tag vor der Geburt) mit der Mutter der Beklagten Geschlechtsverkehr. Sie teilte ihm mit, dass ihre für Ende Jänner/Anfang Februar 1968 erwartete Regelblutung ausgeblieben war. Im Februar oder März 1968 hielt sie sich beruflich eine Woche in Graz auf. Nach ihrer Rückkehr erzählte sie dem Kläger, der Portier habe sie und ihre Kollegin an einem Abend im Hotelzimmer sexuell bedrängt. Sie hätten damals zu viel getrunken gebabt. Wegen ihrer Alkoholisierung wisse sie nicht, wie weit die Annäherung des Hotelportiers gegangen sei. Dass sie Geschlechtsverkehr hatte, habe sie nicht feststellen können. Drei bis vier Wochen nach dem Erlebnis in Graz suchte die Mutter der Beklagten den Arzt auf, der eine Schwangerschaft im dritten Monat feststellte. Dies berichtete sie dem Kläger. Er äußerte sich angeheitert bei Streitigkeiten mit der Mutter der Beklagten, um diese zu verletzen, das Kind „sei wahrscheinlich von Graz“. Sonst äußerte der Kläger nie Zweifel an seiner Vaterschaft. Er war bis 1981 der Meinung, der leibliche Vater zu sein. Erst als er die Beklagte nach Jahren erstmals wieder sah und keine Ähnlichkeit fand, suchte der Kläger den Rechtsanwalt auf und bestritt die Ehelichkeit.
Der Kläger kann das beklagte Kind nicht gezeugt haben. Er ist als leiblicher Vater aufgrund der an den Beteiligten festgestellten Erbmerkmaleverteilung im Duffy‑System, im Enzymsystem der Glyoxalase, bei der Serumeigenschaft InV 1 und beim Properdinfaktor B (B f ) auszuschließen. Auf diesen Mischerbigkeitsauschluss und die drei Reinerbigkeitsausschlüsse war die am 15. 8. 1976 nach einer Appendektomie erfolgte Verabreichung einer Blutkonserve und eine Antibiotikabehandlung im Frühjahr 1981 ohne Einfluss, weil die Abnahme der Blutproben zur serologischen Untersuchung erst am 29. 1. 1982 und am 10. 5. 1982 vorgenommen wurde.
In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, die Bestreitung der Ehelichkeit sei rechtzeitig erfolgt. Die Jahresfrist des § 156 Abs 2 ABGB werde nur durch die Kenntnis genügend beweiskräftiger für die Unehelichkeit des Kindes sprechender Umstände in Gang gesetzt. Der Kläger habe gewusst, dass die Regelblutung schon vor dem Vorfalll in Graz ausgeblieben war, dass die Mutter der Beklagten nichts davon wahrgenommen hatte, dass es in Graz zu einem Geschlechtsverkehr gekommen sei und dass der Frauenarzt drei oder vier Wochen später die Schwangerschaft im dritten Monat feststellte. Er habe daher die Frist gewahrt. Es sei ihm auch gelungen, die für die Ehelichkeit des Kindes streitende Vermutung des § 138 Abs 1 ABGB durch den Beweis zu widerlegen, dass er das Kind nicht gezeugt haben kann. Es bedürfe nicht der Einholung eines Zweitgutachtens oder der erbbiologisch‑anthropologischen Vergleichung, die das Ergebnis der serologischen Untersuchung nicht entkräften könne. Ein Fehler durch Vertauschung der Proben sei auszuschließen, weil der serologische Sachverständige eine unabhängige Kontrolluntersuchung mit gleichem Ausschlussergebnis vorgenommen habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge.
Es holte ein weiteres serologisches Gutachten des Vorstandes des Instituts für Blutgruppenserologie der Universität Wien ein, der an den Beteiligten am 13. 12. 1982 in Wien die Proben abnehmen ließ und nach deren Untersuchung beim Kläger die Ausschlussmerkmale Fy b Fy b , GLO 1 GLO 1 . Inv b Inv b , Bf S Bf S und HLA 1, w35/neg, x A , w35/neg feststellte. Er bestätigte damit die vier schon vom Erstgericht ermittelten Ausschlüsse und fand im HLA‑System einen weiteren Ausschluss, so dass der Kläger das Kind nicht gezeugt haben kann. Das Berufungsgericht übernahm im Übrigen die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts und verneinte das Vorliegen eines Verfahrensmangels. Das Kontrollgutachten habe den Vaterschaftsausschluss bestätigt und auch ergeben, dass durch eine Behandlung mit Antibiotika keine hier bedeutsame Veränderung des Blutbildes des Kindes eintreten konnte. Die Frist zur Bestreitung der Ehelichkeit habe der Kläger nicht versäumt. Er sei aufgrund des Verhaltens der Frau der Meinung gewesen, der leibliche Vater zu sein und habe erst 1981 ernstlich zu zweifeln begonnen, dann aber ohnedies bereits die Klage erhoben. Der durch die serologische Befundaufnahme erkannte Ausschluss der Vaterschaft des Klägers, besonders auch im System Duffy und HLA, sei genügend beweiskräftig, um die Vermutung des § 138 Abs 1 ABGB durch den Nachweis der Unmöglichkeit oder der an Sicherheit grenzenden Unwahrscheinlichkeit der Zeugung des Kindes durch den Kläger zu widerlegen. Ein erbbiologisch‑anthropologisches Gutachten sei in der Regel nicht geeignet, den serologischen Ausschluss zu entkräften, weil die meisten der in die Ähnlichkeitsuntersuchung einbezogenen Merkmale nur deskriptiv aber nicht metrisch fassbar, alters‑, geschlechts‑ und umweltabhängig seien und daher nur eine subjektive Gesamtbeurteilung zulassen. Das Absehen von der Einholung des erbbiologisch‑anthropologischen Gutachtens stelle keinen Verfahrensmangel dar. Es falle in den Bereich der rechtlichen Beurteilung, ob der Grad der Unwahrscheinlichkeit der Zeugung hinreichend sei, um die Vermutung des § 138 Abs 1 ABGB zu widerlegen. Es müsse nicht mehr die 3‑Sigma‑Grenze von 99,73 % erreicht werden. Es bedürfe auch nicht der Vernehmung des Sachverständigen vor dem Berufungsgericht.
Die Beklagte bekämpft das bestätigende Urteil des Gerichts zweiter Instanz mit ihrer Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung in die Abweisung der Bestreitungsklage und hilfsweise die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Streitsache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass zwar der Grundsatz, dass eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz nur in der nächsthöheren Instanz wahrgenommen werden kann, in dem von Amtswegigkeit beherrschten Verfahren über die Bestreitung der Ehelichkeit nicht gilt (EFSlg 34.487; 41.776; JBl 1982, 491 ua), dass aber auch in diesen Verfahren die Beweiswürdigung vom Revisionsgericht nicht überprüft werden kann (EFSlg 36.781 ua).
Als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird in der Revision die Ablehnung der Ladung des mit der Kontrollbegutachtung betrauten Serologen und der beantragten Erörterung seines Gutachtens vor dem Berufungsgericht geltend gemacht. Die Revisionswerberin hat Zweifel an der Verlässlichkeit der Ergebnisse der serologischen Begutachtung vorgetragen und gemeint, es sei in neuerer Zeit hervorgekommen, dass dabei Fehler unterlaufen können und ein scheinbarer Aussschluss der Vaterschaft (Mutterschaft) vorliege, weitere Untersuchungen aber anderes ergeben. Dazu wolle sie nicht nur den Serologen hören, sondern auch einen Zeugen, der als Sachverständiger für Antropologie gutachterlich zu der Problematik Stellung genommen habe und allein zur Aufklärung beitragen könne, vor allem aber den angenommenen Ausschluss der Vaterschaft des Klägers zu dem beklagten Kind durch die Einholung eines von den Methoden der Blutgruppenserologie unabhängigen Gutachtens aus dem Fache der erbbiologisch‑anthropologischen Wissenschaft überprüft wissen, weil nur der Kläger als Vater des Kindes in Frage komme. Die Vernehmung des Gutachters sei auch erforderlich, um Aufschluss über die Richtigkeit der Ausführungen in seinem schriftlichen Gutachten zu gewinnen, es seien Veränderungen durch Antibiotika‑Gaben in der medizinisch‑wissenschaftlichen Literatur nicht bekannt. Das bedeute nicht, dass sich die Wissenschaft damit überhaupt befasst habe, und ausschließen könne, dass dadurch eine den Beweiswert gefundener Vaterschaftsauschlüsse einschränkende oder beseitigende Einwirkung auf die Merkmale im Blut eintrete.
Auszugehen ist davon, dass dem Berufungsgericht das schriftliche Gutachten des erfahrenen Serologen vorlag, der nicht nur aufgrund eigener Ermittlung der Merkmale an den drei Beteiligten, soweit dies in den Ausschlusssystemen geboten war (Gutachten S 2 und S 2c), die Ausschlüsse im System Duffy, im Enzymsystem der Glyoxalase, bei der Serumeigenschaft InV 1 und beim Properdinfaktor B (B f ) bestätigte, die schon zuvor durch zwei voneinander unabhängige Probenuntersuchungen gefunden waren, sondern auch im HLA‑System den Kläger von der Vaterschaft zu dem beklagten Kind auszuschließen konnte und der die Vermutung einer Änderung von erheblichen Blutkörperchenmerkmalen durch Behandlung mit Antibiotika als ungerechtfertigt bezeichnete. Es war daher in der Tat nicht geboten, den Sachverständigen zu den von ihm bestätigten und beigefügten Vaterschaftsausschlüssen und zur Frage der Einwirkung längst zurückliegender Antibiotika‑Behandlungen des Kindes und ihrem Einfluss auf die Merkmale zu hören. Es kann nämlich keine Rede davon sein, dass die Beklagte Unklarheiten des schriftlichen Gutachtens hätte aufzeigen können, die eine Erörterung oder Ergänzung durch den Sachverständigen erforderlich erscheinen ließen (EFSlg 39.267).
Der Untersuchungsgrundsatz geht nicht so weit, dass jeder erdenkliche Beweis aufgenommen werden müsste. Seine Anwendung liegt im pflichtgemäßen richterlichen Ermessen. Werden die Grenzen pflichtgemäßen Ermessens verkannt, stellt die Unterlassung der Aufnahme weiterer Beweis einen – im Abstammungsverfahren auch vom Revisionsgericht zu beachtenden – Verfahrensmangel dar ( Fasching IV 311; EvBl 1978/166; EfSlg 34.525, 41.779). Beruht aber die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines weiteren Gutachtens nicht auf einem – in dritter Instanz überprüfbaren – Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, sondern auf der in den Entscheidungsgründen der Tatsacheninstanzen zum Ausdruck gebrachten Überzeugung von der Richtigkeit der eingeholten Gutachten, so ist eine Bekämpfung der auf ihrer Grundlage getroffenen Sachverhaltsfeststellungen auch im Abstammungsverfahren vor dem Revisionsgericht versagt (EFSlg 32.081, 36.782 ua).
Das Schwergewicht der Revisionsausführungen liegt nun darin, die Überzeugung der Vorinstanzen von der Richtigkeit der Tatsache zu erschüttern, dass der Kläger als leiblicher Vater des Kindes auszuschließen ist. Nur dann, wenn darin ein Verkennen der gebotenen Untersuchungsaufgaben des Gerichts und nicht ein Akt der Beweiswürdigung liegt, dass den Gutachten aus dem Fachgebiet der Blutgruppenserologie gefolgt und daher deren Überprüfung durch das Gutachten eines Anthropologen für entbehrlich gehalten wurde, könnte ein Verfahrensmangel angenommen werden, sonst wäre die Beweiswürdigung unantastbar. Ob nach Vorliegen der serologischen Begutachtung ein erbbiologisch‑anthropologisches Gutachten einzuholen ist, wurde im Einzelfall unterschiedlich beurteilt (EFSlg 33.577; 34.525; 41.779; ÖA 1981, 82). Es wurde einerseits gesagt, die Einholung des erbbiologisch‑anthropologischen Gutachtens könne nicht abgelehnt werden, weil ein vorliegendes Blutgutachten eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit ergeben habe, könne doch ein davon abweichendes erbbiollogisches Gutachten Anlass geben, das Blutgutachten zu überprüfen und eine Fehlbegutachtung aufzudecken (so etwa ÖA 1981, 82), andererseits die Ablehnung der weiteren Beweisaufnahme gebilligt, wenn ein fast 100%iger Vaterschaftswahrscheinlichkeitswert vorlag (EFSlg 34.525), oder ausgesprochen, dass ein gesicherter serologischer Ausschluss durch eine erbbiologisch‑anthropologische Untersuchung nicht widerlegt werden könne, weil diese nur mit Wahrscheinlichkeitsgraden operiere (EFSlg 38.332).
Im Grunde hat auch im Abstammungsprozess der Richter im Sinne des § 272 Abs 1 ZPO nach sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse der gesamten Verhandlung und Beweisführung zu einer Überzeugung zu finden, ob die vorliegenden Beweisumstände im Einzelfall hinreichen, die leibliche Vaterschaft auszuschließen. Der Richter hat die Frage zu beurteilen, welchen Beweiswert das Ergebnis einer naturwissenschaftlichen Untersuchung hat, wobei oft die 3‑Sigma‑Grenze von 99,73 % Sicherheit einer Aussage herangezogen wurde (vgl Kayser , Biomathematischer Beweis der Vaterschaft in Festschrift für Essen‑Möller, Springer‑Verlag 1981, 26; oder etwa EFSlg 40.835). Es soll nun nicht verkannt werden, dass sich neuerdings Stimmen erhoben haben, die ein Misstrauen gegenüber dem Blutgruppenausschluss wecken, weil in der medizinischen Wissenschaft in ganz seltenen Fällen eine genetische Inkompatibilität zwischen Mutter und Kind ermittelt wurde, als deren Ursache eine genetische Aberration vermutet wird. Bei der Begegnung mit der Naturwissenschaft muss der Beurteiler wissen, dass deren Gesetze nur phänomenologisch‑statistisch erfassbar sind. Es wäre aber falsch, durch äußerst seltene genetische Abnormereignisse das Vertrauen in die Tragfähigkeit eines Blutgruppenausschlusses grundsätzlich in Frage zu stellen ( Kayser , aaO, 30 und 31). Weit eher könnte die Sicherheit des Beweiswerts eines serologisch ermittelten Ausschlusses an den sonst denkbaren Fehlerquellen leiden, wie etwa Verwechslung der Proben, Blutunterschiebung, Fehlbestimmungen, Fehlablesungen oder Schreibfehler (vgl dazu Zimmermann , Forensische Blutgruppenkunde, Einführung zum Verständnis von Vaterschaftsgutachten, De Gruyter 1975, 61 ff). In dem hier zu beurteilenden Fall fand eine einwandfreie Indentifizierung der Probanden statt, die übereinstimmenden Ergebnisse dreier unabhängiger Untersuchungen schließen eine Verwechslung bei der Blutentnahme, Transportschäden, Fehlermöglichkeiten der Testreagentien und bei der Verabeitung der Blutproben ebenso aus wie Fehler bei der Ablesung der Befunde, bei der Auswertung oder Schreibfehler.
Nach dem so gesicherten Ergebnis potenzieren sich in drei sich unabhängig voneinander vererbenden Erbmerkmalsystemen festgestellte Reinerbigkeitsausschlüsse und je ein Mischerbigkeitsausschluss Inv und HLA. Es handelt sich also nicht um einen isolierten Reinerbigkeitsausschluss, bei dem das Vorliegen sehr seltener, sogenannter stiller Allele miteinzukalkulieren ist, sondern um Ausschlüsse, deren Sicherheit infolge ihrer Potenzierung den Wert von 99,73 bei weitem überschreitet und der Gewissheit nahe kommt.
Wenn das Berufungsgericht bei einem so gesicherten serologischen Ausschluss ungeachtet der Behauptung der Beklagten, nur der Kläger könne ihr leiblicher Vater sein, weil der Vorfall in Graz schon nach dem zeitlichen Ablauf nicht zur Schwängerung geführt haben könne, von der Tatsache überzeugt war, dass der Kläger das Kind nicht gezeugt haben kann und deshalb von einer weiteren Überprüfung durch die Einvernahme eines erbbiologisch‑anthropologischen Sachverständigen, der mit weit weniger gesicherten Wahrscheinlichkeitswerten aufwarten müsste, abgesehen hat, sind die Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens bei der Anwendung des Untersucherungsgrundsatzes nicht überschritten. Es liegt daher im Unterbleiben der von der Beklagten beantragten weiteren Beweisaufnahme weder ein Mangel des Berufungsverfahrens noch des erstinstanzlichen Verfahrens.
Selbst die von der Revisionswerberin vorgelegten Schriftstücke zeigen nur die Empfehlung auf, bei nicht voll beweiskräftigen, fraglichen oder auch glaubwürdig bestrittenen serologischen Ausschlusskonstallationen im Abstammungsprozess mit Hilfe weiterer Verfahren, etwa des erbbiologisch‑anthropologischen Gutachtens abzuklären, ob die Annahme berechtigt ist, dass eine serologisch scheinbar einwandfreie Ausschluss‑Situation genetisch durch eine vorerst nicht erkennbare Variante nur vorgetäuscht wird. Ob dazu Anlass besteht, hatten im vorliegenden Fall die Tatsacheninstanzen zu beurteilen, von einem Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze kann dabei nicht gesprochen werden.
Dass Angehörige des Klägers dessen Vaterschaft zu dem beklagten Kind anzweifelten, ist für die Beurteilung der Rechtszeitigkeit der Ehelichkeitsbestreitung ohne Belang.
Das Berufungsgericht hat den festgestellten Sachverhalt auch rechtlich zutreffend beurteilt. Dass das Unterbleiben der Einholung des erbbiologisch‑anthropologischen Gutachtens bei den vorliegenden Ergebnissen der Blutgruppengutachten keinen Verfahrensmangel darstellte, wurde bereits gezeigt. Es kann darin auch keine unrichtige rechtliche Beurteilung gefunden werden. Die Sicherheit, dass der Kläger nicht der Vater des Kindes ist, ergibt sich mit der – geringen – Einschränkung, dass naturwissenschaftliche Aussagen in der Regel nie den Wert 100 % erreichen, daraus, dass er in mehreren voneinander unabhängigen Erbmerkmalsystemen von der Vaterschaft auszuschließen ist. Dass die Wahrscheinlichkeit, als Nichtvater erkannt zu werden, nach der Verteilung der Merkmale sehr hoch ist, hat damit in der Tat nichts zu tun.
Musste der Kläger nach der Schilderung der Mutter der Beklagten annehmen, dass sie schon vor der Fahrt nach Graz schwanger war, was auch sie selbst voraussetzt, wenn sie von der Vaterschaft des Klägers überzeugt war, kann in seinen Äußerungen und Vermutungen, es könne doch in Graz mehr vorgefallen sein, nicht mehr als eine Unmutsbekundung in angeheitertem Zustand mit dem Ziel, die Frau zu kränken, erblickt werden. Umstände, die für die Unehelichkeit des Kindes sprachen, also mit Aussicht auf Erfolg eine Prozessführung zuließen, dass die Zeugung nicht durch den Kläger, der mit der Verlobten wiederholte geschlechtliche Beziehungen unterhielt, sondern durch einen anderen Mann erfolgt war, kannte der Kläger nicht. Er musste davon ausgehen, dass kurz nach dem Graz‑Aufenthalt bereits die Schwangerschaft im dritten Monat festgestellt wurde. Auf den von seiner Verlobten geschilderten Vorfall im Hotel in Graz konnte der Kläger damals und bis zur Bestreitung der Ehelichkeit die Empfängnis nicht zurückführen. Die Ausführungen der Revisionswerberin zur Fristversäumnis geben zwar die in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze richtig wieder. Sie verkennt aber, dass der Kläger ernstlich bis zum Vorliegen des serologischen Gutachtens an seiner leiblichen Vaterschaft nicht zweifeln musste und dies auch, wie festgestellt ist, von den beleidigenden Ausfällen abgesehen, nicht tat. Die Bestreitung ist daher rechtzeitig erfolgt.
Der Revision kommt kein Erfolg zu.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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