OGH 2Ob16/84 (2Ob17/84)

OGH2Ob16/84 (2Ob17/84)10.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter P*****, vertreten durch Dr. Elfriede Kropiunig, Rechtsanwältin in Leoben, wider die beklagten Parteien 1.) Franz G*****, 2.) Gabriele P*****, 3.) D*****-Aktiengesellschaft, *****, alle vertreten durch Dr. Robert Plaß, Rechtsanwalt in Leoben, wegen 144.284,63 S sA und Feststellung, infolge Revision und Rekurs der beklagten Parteien gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Dezember 1983, GZ 5 R 127/83-63, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 6. September 1983, GZ 3 Cg 261/81-57, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision und dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten haben dem Kläger die mit 3.396,53 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,78 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Auf die Kosten des Rekursverfahrens ist gleich weitere Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 3. Dezember 1979 ereignete sich im Ortsgebiet von St. Peter-Freienstein auf der Kreuzung Traidersbergstraße-Pausenfeldsiedlungsstraße ein Verkehrsunfall. Beteiligt waren der Kläger mit seinem Motorfahrrad und der Erstbeklagte als Lenker eines von der Zweitbeklagten gehaltenen, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten PKWs. Hiebei erlitt der Kläger einen offenen Unterschenkelbruch. Sein Motorfahrrad und seine Kleidung wurden beschädigt. Das Strafgericht verurteilte den Erstbeklagten, die Verletzung des Klägers durch überhöhte Geschwindigkeit und Vorrangverletzung verschuldet zu haben.

Der Kläger begehrte als Ersatz für Sachschäden 7.350,40 S, für Verdienstentgang in den Jahren 1981 und 1982 41.934,23 S sowie ein Schmerzengeld von 175.000 S, abzüglich einer erhaltenen Zahlung von 80.000 S insgesamt daher 144.284,63 S samt Zinsen. Außerdem stellte er ein Feststellungsbegehren.

Die Beklagten wendeten ein, dem Kläger treffe das überwiegende Verschulden am Unfall, weil er die Kurve geschnitten und keine Abwehrreaktion gesetzt habe. Die Ansprüche wurden auch der Höhe nach bestritten.

Ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 3 : 1 zum Vorteil des Klägers gab das Erstgericht dem Leistungsbegehren mit 38.012,80 S samt Zinsen und dem Feststellungsbegehren zu ¾ statt. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil als Teilurteil dahin ab, dass ein Betrag von 102.350,40 S samt Zinsen zugesprochen und dem Feststellungsbegehren zur Gänze stattgegeben wurde. Lediglich ein Zinsenmehrbegehren wurde abgewiesen. Hinsichtlich des Betrags von 41.934,23 S samt Zinsen hob das Berufungsgericht das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Außerdem sprach es aus, dass der Wert des Streitgegenstands insgesamt 300.000 S übersteige.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten. Sie machen den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO geltend und beantragen Abänderung dahin, dass der Berufung des Klägers keine Folge gegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Den Aufhebungsbeschluss bekämpfen die Beklagten mit Rekurs. Sie beantragten, den Beschluss dahin abzuändern, dass das Ersturteil auch hinsichtlich des Betrags von 41.934,23 S bestätigt werde.

Der Kläger beantragt, der Revision und dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rechtsmittel sind nicht berechtigt.

1.) Zur Revision:

A) Zum Verschulden:

Das Erstgericht stellte hiezu folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Erstbeklagte fuhr durch die 7,5 m breite Traidersbergstraße, in welcher die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt ist, von Osten nach Westen. Er hielt eine Geschwindigkeit von ca 45 km/h ein. Der Kläger kam mit etwa 30 km/h aus der 5 m breiten Pausenfeldsiedlungsstraße, die von Nordwesten her in die Traidersbergstraße einmündet und hielt zum rechten Fahrbahnrand einen Abstand von 1,5 m ein. Als der Erstbeklagte, der in der Fahrbahnmitte fuhr und in der Traidersbergstraße gerade weiterfahren wollte, das Licht des schräg von rechts entgegenkommenden Motorfahrrads bemerkte, fasste er den Entschluss zur Vollbremsung. Der Kläger machte eine leichte Ausweichbewegung nach rechts, seine Fahrlinie war etwa 4 m vom nördlichen (in seiner Fahrtrichtung gesehen linken) Fahrbahnrand gelegen. Es kam zu einer Kollision auf dem dem Kläger zukommenden Fahrstreifen, die linke vordere Ecke des PKWs befand sich im Kollisionsmoment 4 m von der (in seiner Fahrtrichtung gesehen) rechten Fahrbahnseite der dort 7,65 m breiten Traidersbergstraße entfernt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dem Erstbeklagten sei eine überhöhte Geschwindigkeit, eine Vorrangverletzung und eine Fahrlinie auf der gegnerischen Fahrbahn vorzuwerfen. Dem Kläger sei hingegen ein Aufmerksamkeitsfehler anzulasten, weil er bei gehöriger Aufmerksamkeit die „erkennbar fahrbahnmittig gelegene Fahrweise des Beklagtenfahrzeugs“ hätte erfassen und sein weiteres Verhalten darauf hätte einstellen müssen. Es wäre ihm möglich gewesen, eine leichte Seitenversetzung vorzunehmen und seitlich an der Unfallstelle vorbeizufahren. Eine Schadensteilung im Verhältnis von 3 : 1 zugunsten des Klägers sei gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, gemäß § 12 Abs 1 StVO habe sich der Kläger der Kreuzung mit einer an die Fahrbahnmitte angelehnten Fahrlinie zu nähern gehabt. Seine Fahrlinie 1 m rechts der Fahrbahnmitte habe daher ohnedies der besonderen Form der Unfallskreuzung Rechnung getragen, er habe auch der Vorschrift des § 13 Abs 2, in weitem Bogen nach links einzubiegen, entsprochen. Überdies müsse der Kläger, wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergebe, seine Geschwindigkeit angesichts des verkehrswidrigen Verhaltens des Erstbeklagten durch eine Bremsung stark herabgesetzt haben. Obwohl von ihm die Ergreifung einer weiteren Abwehrmaßnahme nach ständiger Rechtsprechung nicht habe verlangt werden können, habe der Kläger überdies noch versucht auszulenken. Aus der Tatsache, dass bei etwas weiter rechts gelegener Fahrlinie des Klägers der Unfall unterblieben wäre, könne ihm kein Verschuldensvorwurf gemacht werden. Ein allfälliges Verschulden wäre überdies aufgrund der gravierenden Verstöße des Klägers so gering zu werten, dass es bei der Schadensteilung zu vernachlässigen wäre. Zu einer Schadensteilung bestehe daher kein Anlass.

Dem halten die Revisionswerber entgegen, der Kläger habe die Kurve „geschnitten“ und die Vorschriften der §§ 7 Abs 1 und 13 Abs 1 StVO verletzt, weshalb ihn ein Mitverschulden am Unfall treffe.

Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Einer eingehenden Erörterung des richtigen Fahrverhaltens beim Linkseinbiegen auf der Kreuzung, auf den sich der Unfall ereignete, bedarf es nicht. Auszugehen ist davon, dass der Erstbeklagte bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h eine Geschwindigkeit von 45 km/h einhielt, den Rechtsvorrang des Klägers verletzte und eine Fahrlinie einhielt, bei der sich der von ihm gelenkte PKW teilweise auf der linken Fahrbahnhälfte befand. Im Hinblick auf diese mehrfachen schwerwiegenden Verstöße des Erstbeklagten gegen die Vorschriften der StVO kann dem Kläger, der den rechten Fahrstreifen benützte, an dem Unfall, der sich auf diesem rechten Fahrstreifen ereignete, auf keinen Fall ein ins Gewicht fallendes Mitverschulden angelastet werden, obwohl er zum rechten Fahrbahnrand einen Seitenabstand von 1,5 m einhielt.

B) Zum Schmerzengeld:

Der Kläger erlitt bei dem Unfall einen offenen Unterschenkelbruch. Er befand sich deshalb viermal insgesamt 15 Wochen im Krankenhaus bzw im Rehabilitationszentrum. Es mussten mehrere Operationen durchgeführt werden, die Wundheilung war verzögert, der Kläger musste monatelang Stützkrücken verwenden. An Dauerschäden blieben eine Einschränkung der Gang- und Belastungsfähigkeit des linken Beins sowie eine Einschränkung des linken Sprunggelenks zurück. Der Kläger hatte 15 Tage starke, 30 Tage mittelstarke und 90 Tage leichte Schmerzen.

Das Erstgericht hielt ein Schmerzengeld von 150.000 S für angemessen. Das Berufungsgericht erachtete den begehrten Betrag von 175.000 S als nicht überhöht. Es berücksichtigte hiebei die psychischen Alterationen des Klägers, unter anderem durch den mit der Unfallsverletzung verbundenen, in der heutigen Zeit und im Lebensbereich des Klägers besonders drückenden Verlust des sicheren Arbeitsplatzes.

Die Revisionswerber streben eine Herabsetzung des Schmerzengeldes auf den vom Erstgericht zuerkannten Betrag an und führen insbesondere aus, die Arbeitslosigkeit des Klägers sei eine Folge der wirtschaftlichen Situation im obersteirischen Industriegebiet und könne bei der Schmerzengeldbemessung nicht berücksichtigt werden.

Bei der Bemessung des Schmerzengeldes sind die Art und Schwere der Körperverletzung, die Art, Intensität und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands des Verletzten überhaupt und ferner die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld4 157). Im vorliegenden Fall ist daher zu berücksichtigen, dass der Kläger einen offenen Unterschenkelbruch erlitt, bei dem der Heilungsverlauf kompliziert und langwierig war und mehrere Krankenhausaufenthalte und Operationen notwendig machte. Bedacht zu nehmen ist auch auf die langandauernden Schmerzen. Dazu kommen noch seelische Schmerzen, die auf die Dauerfolgen zurückzuführen sind. Wenn auch der Kläger ohne den Unfall nicht gekündigt worden wäre und sein Versuch, wieder bei der V***** angestellt zu werden, nicht nur wegen der Personalsituation bei diesem Unternehmen, sondern auch wegen der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Klägers fehlschlug, kann nicht die Tatsache der Arbeitslosigkeit bei der Schmerzengeldbemessung berücksichtigt werden, wohl aber die seelischen Schmerzen, die auf die die Arbeitsfähigkeit einschränkenden Dauerfolgen zurückzuführen sind. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann in der Bemessung des Schmerzengeldes mit 175.000 S kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

2.) Zum Rekurs:

Gegenstand des Aufhebungsbeschlusses ist das Verdienstentgangsbegehren des Klägers. Hiezu traf das Erstgericht folgende Feststellungen:

Der Kläger war bei der V***** als Oberbauarbeiter beschäftigt. Am 30. September 1980 wurde er gekündigt. Ohne den Unfall wäre er weiterhin in seiner Stellung verblieben. Im Juli 1982 unternommene Versuche, wieder bei der V***** eingestellt zu werden, schlugen einerseits wegen der Personalsituation, andererseits wegen der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit des Klägers fehl. Auch Versuche des Arbeitsamts, den Kläger wenigstens als Hilfsarbeiter irgendwo unterzubringen, schlugen fehl. Seit 1983 verrichtet der Kläger fallweise Gelegenheitsarbeiten bei Landwirten gegen Kost und geringe Entlohnung. Vom Arbeitsamt Leoben erhielt der Kläger vom 1. Juli 1982 bis 31. Dezember 1982 an Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe insgesamt 34.068 S. In diesem Betrag sind 2.700 S an Familienzuschuss für das am 1. Februar 1981 geborene uneheliche Kind des Klägers enthalten. In der Zeit vom 1. Jänner 1980 bis 30. Juni 1982 erhielt der Kläger von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter Pensionsleistungen von 131.700,10 S (einschließlich des Kinderzuschusses) ohne Berücksichtigung des Krankenversicherungsbeitrags. Mit Ablauf des Monats Juni 1982 wurde die Invaliditätspension eingestellt. Von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt wurde dem Kläger eine Unfallrente gewährt und zwar erhielt er in der Zeit vom 1. Jänner 1981 bis 31. Dezember 1982 insgesamt 76.436,40 S. In diesem Betrag sind 13.727,35 S an Familiengeld enthalten. Im Jahre 1982 erfolgten keine Familiengeldzahlungen mehr an den Kläger, weil dessen Rentenanspruch weniger als 50 % betrug.

Aufgrund dieser Feststellungen kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, der Kläger hätte fiktiv 241.038,60 S an Arbeitseinkommen erzielt. An Arbeitslosengeld und Notstandsunterstützung, Invaliditätspension und Unfallrente habe der Kläger insgesamt 242.204,50 S erhalten. Diese Leistungen müsse er im Rahmen der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen. Kinderzuschuss und Familiengeld seien von der Vorteilsausgleichung nicht auszunehmen, weil es sich um Leistungen handle, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Unfall zugekommen seien. Zum Einwand der Beklagten, der Kläger hätte bereits im Jahre 1981 wieder als Oberbauarbeiter tätig sein können, führte das Erstgericht aus, die Tätigkeit wäre dem Kläger erst ab 1. Jänner 1982 mit einer gewissen Behinderung und subjektiver Belastung wieder möglich gewesen. Nach der Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit des Verletzten hafte der Schädiger nur dann für einen weiterbestehenden Verdienstausfall, wenn der Geschädigte beweisen könne, dass er trotz völliger Wiederherstellung nicht in der Lage gewesen sei, einen Arbeitsplatz mit einem seinem früheren Einkommen entsprechenden Verdienst zu finden. Abgesehen davon, dass der Kläger noch nicht voll wiederhergestellt sei, habe er nachgewiesen, trotz mehrfacher Bemühungen nicht in der Lage gewesen zu sein, einen Arbeitsplatz zu finden. Ausschlaggebend hiefür seien einerseits die mangelnde Vorbildung des Klägers, andererseits die angespannte Arbeitsmarktsituation gewesen. Das Erstgericht meinte daher, dass bis zum Jahresende 1982 - darüber hinaus wohl nicht mehr - ein allfälliger Verdienstausfall des Klägers noch als adäquate Folge der Körperverletzung anzuerkennen sei.

Das Berufungsgericht führte zum Verdienstentgang aus, der Abzug der Leistungen, die der Kläger von den Sozialversicherungsträgern aufgrund seiner Unterhaltspflicht erhalten habe, sei (nicht wegen Vorteilsausgleichung, sondern wegen mangelnder Klagslegitimation infolge Legalzession) gerechtfertigt. Der Abzug sei jedoch nicht vom derzeit bekannten fiktiven Einkommen vorzunehmen. Vielmehr sei zu erheben, welchen Nettolohn der Kläger unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflicht gehabt hätte (Familien- oder andere Zulagen, nicht jedoch Familienbeihilfe). Von diesem unter Umständen höheren Nettolohn seien dann die Nettoleistungen der Sozialversicherungsträger einschließlich der durch die Unterhaltspflicht ausgelösten Teile in Abzug zu bringen. Andernfalls würde es ja an einem Deckungsfonds für den Regress dieser Leistungsteile durch die Sozialversicherungsträger fehlen. Der Schaden infolge Verdienstentgang sei nämlich stets durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, bei der von hypothetischen heutigen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis, der heutige tatsächliche Vermögensstand abzuziehen sei. Daher müsse erhoben werden, wie der Kläger ohne den Unfall, aber unter Berücksichtigung seiner ab 1. Februar 1981 gegebenen Unterhaltspflicht lohnmäßig stünde, und davon seien alle Nettoleistungen der Sozialversicherungsträger abzuziehen. Mit Recht erachte sich der Kläger auch dadurch beschwert, dass von seinem um Lohnsteuer und Sozialabgaben verminderten Lohn zumindest zum Teil Bruttoleistungen der Sozialversicherungsträger in Abzug gebracht worden seien. Das Erstgericht werde daher zu erheben haben, welchen Nettolohn der Kläger unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflicht gehabt hätte, weiters, welche gesetzlichen Abzüge von den Leistungen der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter und der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt getätigt worden seien. Die Notstandsunterstützung mindere nach Lehre und Rechtsprechung den Verdienstentganganspruch nicht, da auf sie kein unbedingter Rechtsanspruch bestehe, im Arbeitslosenversicherungsgesetz eine Legalzession nicht normiert sei und auch ein Vorteilsausgleich wegen des Zwecks dieser Leistung, die nicht den Schädiger entlasten solle, nicht in Betracht komme.

Bezüglich des Arbeitslosengeldes sei der Oberste Gerichtshof zunächst auf dem Rechtsstandpunkt gestanden, dass es nicht dem Vorteilsausgleich unterliege. In RZ 1983/68 habe der Oberste Gerichtshof allerdings erklärt, es sei bei der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Die zur Begründung zitierten veröffentlichten Entscheidungen hätten allerdings nicht die Frage des Vorteilsausgleichs im Verhältnis zwischen Geschädigtem und Schädiger, sondern das Problem, ob ein durch das Schadensereignis dem Geschädigten entgehender Anspruch auf Arbeitslosengeld einen Deckungsfonds für die Leistungen der Sozialversicherungsträger bilden könne, betroffen; der Oberste Gerichtshof habe gemeint, dass das Arbeitslosengeld, auf das ein unbedingter Rechtsanspruch bestehe, einem Erwerbseinkommen gleichzuhalten und daher die sachliche Kongruenz als Voraussetzung für den Rechtsübergang auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 332 ASVG gegeben sei. Hier gehe es aber um die Frage des Vorteilsausgleichs. Im Sinne der Lehre Koziols führe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ZVR 1982/29 selbst aus, dass sich im Meinungsstreit um die sogenannte Vorteilsausgleichung bei Zuwendungen von dritter Seite in letzter Zeit als herrschende Auffassung eine teleologische Betrachtungsweise durchgesetzt habe. Danach sei jeder Vorteil anzurechnen. Würde man das Arbeitslosengeld als Vorteil anrechnen, käme es mangels Normierung einer Legalzession zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers. Es solle zwar auch keine Kumulation beim Geschädigten eintreten, doch sei dies nicht der Fall, da der Anspruch auf Arbeitslosengeld durch besondere Beitragsleistungen der Dienstnehmer und Dienstgeber erworben werde und das Arbeitslosengeld insofern nicht anders behandelt werden könne als Leistungen aus einer privaten Vertragsversicherung, die unbestritten nicht vorteilsausgleichspflichtig seien. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sei daher das Arbeitslosengeld nicht abzuziehen.

Die Beklagten wenden sich im Rekurs gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, Arbeitslosengeld und Notstandsunterstützung seien bei der Ermittlung des Verdienstentgangs nicht zu berücksichtigen. Dies würde zu einer mit den Grundsätzen des Schadenersatzrechts nicht übereinstimmenden Bereicherung des Geschädigten führen. Obwohl einem Dienstgeber, der dem Angestellten ein Entgelt weiter zahlen müsse, keine Legalzession zugute käme, seien diese Leistungen bei Berücksichtigung des Verdienstentgangs zu berücksichtigen. Dies zeige die Unrichtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts.

Hiezu ist Folgendes zu erwägen:

Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in älteren Entscheidungen die Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes im Rahmen der Vorteilsausgleichung bei Geltendmachung von Verdienstentgangsansprüchen ablehnte. So etwa in SZ 33/140, wo hervorgehoben wurde, dass die Bezüge an Arbeitslosengeld und Notstandshilfe wie Leistungen aus der Privatversicherung zu behandeln seien. In SZ 43/130 die einen Regressanspruch eines Sozialversicherungsträgers gemäß § 332 ASVG zum Gegenstand hatte, wurde diese Ansicht jedoch nur für die Notstandshilfe aufrecht erhalten, nicht hingegen hinsichtlich des Arbeitslosengeldes, auf das ein unbedingter Rechtsanspruch bestehe. Es wurde ausgeführt, hinsichtlich des Arbeitslosengeldes könne der Charakter eines dem Erwerbseinkommen gleichzuhaltendes Bezugs nicht verneint werden. Dieser Ansicht folgend berücksichtigte der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 2 Ob 158/76, 2 Ob 35/78 und RZ 1983/68 (in diesen Verfahren machte der Geschädigte selbst Verdienstentgangsansprüche geltend) das Arbeitslosengeld im Rahmen der Vorteilsausgleichung. In ZVR 1982/29 war die Frage der Berücksichtigung des Arbeitslosengeldes nicht zu entscheiden, wohl aber der Notstandshilfe. Hinsichtlich dieser wurde die bisherige Rechtsprechung, dass sie den direkten Verdienstentgangsanspruch des Geschädigten nicht mindere, beibehalten. Als Argument hiefür wurde unter anderem angeführt, auf die Notstandshilfe bestehe kein unbedingter Rechtsanspruch. Diese Entscheidung steht daher mit den oben angeführten Entscheidungen über die Anrechnung des Arbeitslosengeldes in keinerlei Widerspruch. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, von der nunmehrigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs neuerlich abzugehen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist das Arbeitslosengeld bei der Berechnung des Verdienstentgangs des Klägers daher zu berücksichtigen, nicht jedoch die Notstandshilfe. Aus diesem Grund wird das Erstgericht ergänzende Feststellungen über die Höhe des vom Kläger bezogenen Arbeitslosengeldes ohne Notstandshilfe zu treffen haben.

Zu billigen ist die Ansicht des Berufungsgerichts, bei der Berechnung des Verdienstentgangs sei vom fiktiven Nettoeinkommen des Klägers unter Berücksichtigung allfälliger Leistungen, die ihm aufgrund seiner Sorgepflicht zukommen, auszugehen und davon die Nettoleistungen der Sozialversicherungsträger unter Einschluss der Teile, die auf die Unterhaltspflicht des Klägers zurückzuführen sind, abzuziehen. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass in der Ansicht des Erstgerichts, aufgrund des festgestellten Sachverhalts sei ein Verdienstentgang des Klägers bis zum Ende des Jahres 1982 als adäquate Folge der Körperverletzung anzuerkennen, kein Rechtsirrtum erblickt werden kann. Die Frage, ob der Kläger über den 31. Dezember 1982 hinaus noch Verdienstentgang als Folge des Unfalls geltend machen könnte, ist nicht zu erörtern, weil ein derartiges Begehren nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist.

Somit hat es, obwohl die Ansicht des Berufungsgerichts über die Nichtanrechnung des Arbeitslosengeldes nicht geteilt wird, bei der Aufhebung des Ersturteils hinsichtlich des Verdienstentgangsbegehrens zu verbleiben, weshalb dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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