OGH 12Os16/84

OGH12Os16/8429.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Wrabetz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A und Siegfried B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB über die von den Angeklagten Walter A und Siegfried B gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 13. Dezember 1983, GZ 20 t Vr 7.954/83-72, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Holy und Dr. Grohmann und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafen herabgesetzt, und zwar bei Walter A auf fünf Jahre und bei Siegfried B als Zusatzstrafe auf vier Jahre und 10 Monate.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Walter A und Siegfried B auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Walter A, Siegfried B und Ljuba C des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erstem Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach haben die Genannten am 13. Juli 1983 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) dem Siegfried D mit Gewalt gegen dessen Person fremde bewegliche Sachen, nämlich 3.700 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem A im Einverständnis mit den am Tatort anwesenden B und C dem Siegfried D einen Faustschlag versetzte, aus dessen Geldbörse den erwähnten Geldbetrag an sich nahm und sie (A, B und C) sodann gemeinsam durch Schläge und Fußtritte die Verbringung der Beute durchsetzten.

Die Geschwornen hatten die entsprechende Hauptfrage (für jeden der drei Angeklagten gesondert) jeweils mit Stimmenmehrheit bejaht und folgerichtig die (für den Fall einer Verneinung der Hauptfrage gestellten) Eventualfragen nach räuberischem Diebstahl und nach Körperverletzung sowie (nur B und C betreffend) nach Hehlerei unbeantwortet gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Den auf die Z 8, vom Angeklagten B auch auf die Z 4 und 6 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten A und B gegen dieses (von Seiten der Angeklagten C unangefochten gebliebene) Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Der wegen Verletzung der Vorschrift des § 310 Abs 3 StPO über die Verlesung der Fragen an die Geschwornen nach deren Ergänzung durch den Schwurgerichtshof erhobenen Verfahrensrüge (§ 345 Abs 1 Z 4 StPO) des Angeklagten B ist einzuräumen, daß das Verhandlungsprotokoll nicht beurkundet (§ 271, 343 StPO), ob nach der Entscheidung des Schwurgerichtshofs, dem auf eine weitere Eventualfrage wegen Hehlerei abzielenden Antrag des Verteidigers stattzugeben (vgl. S 351), diese Eventualfrage 4 (fortl. Zl. 5) vorgelesen wurde. Es ist jedoch unzweifelhaft erkennbar, daß die gerügte Formverletzung auf die Entscheidung keinen dem Angeklagten B nachteiligen Einfluß üben konnte. Denn die vom Beschwerdeführer geäußerte Besorgnis, die durch die hinzugekommene Eventualfrage 4 eröffnete zusätzliche Alternative könnte den Geschwornen solcherart nicht bewußt geworden sein, ist im Hinblick auf die übergabe zweier Ausfertigungen der (ergänzten) Fragen an die Geschwornen (§ 310 Abs 4 StPO) in Verbindung mit der ihnen für jede Frage einschließlich der in Rede stehenden gesondert erteilten Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) jedenfalls unbegründet. Der Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 345 Abs 1 StPO kann daher von diesem Beschwerdeführer nicht zu seinem Vorteil geltend gemacht werden (§ 345 Abs 3 StPO). Ebensowenig zielführend sind die unter dem Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobenen Einwände des Angeklagten B gegen die Fragestellung selbst, mit welchen er die Annahme bekämpft, er habe den Raub in Gesellschaft der Mitangeklagten als Beteiligter begangen.

Seinen Ausführungen zuwider entsprach die Formulierung der Hauptfrage (fortl. Zl. 1) durchaus den gesetzlichen Vorschriften (§ 312 Abs 1 StPO).

Dem Erfordernis einer (eindeutigen) Individualisierung der Tat nach Ort und Zeit trägt die Hauptfrage insofern voll Rechnung, als sie sich auf das gemeinsame gleichzeitige Auftreten der drei Angeklagten in Gesellschaft bezieht. Diejenigen konkreten Tatsachen, in welchen (in der ersten Phase des Tatgeschehens) hinsichtlich des Beschwerdeführers die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung verkörpert sind, wurden als 'Einverständnis' des am Tatort anwesenden Angeklagten B mit dem unmittelbar gegen das Opfer räuberische Gewalt anwendenden Walter A hinreichend deutlich umschrieben. Einer darüber hinausgehenden Anführung von Einzelheiten über das Zustandekommen dieses Einverständnisses - ob durch vorherige Verabredung oder erst spontan bei der Tatbegehung (was für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied macht) - und über eine (bestärkende) Auswirkung des entstandenen Einverständnisses auf den von A gefaßten Tatentschluß bedurfte es - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht, zumal eine erschöpfende Beschreibung der Tat unter detaillierter Anführung aller Umstände des Einzelfalles nicht geboten ist und die Geschwornen in der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage auf die Erfordernisse eines (allenfalls auch erst spontan) gefaßten Raubvorsatzes sowie eines die Tatausführung zumindest in irgendeiner Weise unterstützenden Beitrags des (am Tatort anwesenden) Raubgenossen ausdrücklich hingewiesen wurden. Zu Unrecht vermißt der Angeklagte B eine Eventualfrage (§ 341 Abs 1 StPO) dahin, ob er bloß einen sonstigen Tatbeitrag (§ 12 dritter Fall StGB) zu dem von A ausgeführten Raub geleistet habe. Denn für eine solche Fragestellung bot die in der Beschwerde dazu angeführte, einen Raub leugnende Verantwortung der drei Angeklagten und die diese Darstellung stützende Aussage des Zeugen Emmerich E kein entsprechendes Tatsachensubstrat. Darüber aber, ob der Zeuge Siegfried D von den Angeklagten bereits am Boden liegend vorgefunden wurde und diese ihm - wie sie behaupten - das Geld ohne Gewaltanwendung weggenommen haben, hatten die Geschwornen bei Beantwortung der an sie gerichteten Hauptfrage 1 zu erkennen; es betraf dies die dabei zu berücksichtigende Beweisfrage. Ebenfalls verfehlt ist der Vorwurf, durch die Stellung gemeinsamer Schuldfragen für alle drei Angeklagten trotz ungleichartiger Beweisergebnisse sei es zu einer (unsachgemäß) pauschalen (Gleich-)Beurteilung gekommen. Nach § 317 Abs 2 StPO bleibt es der Beurteilung durch den Schwurgerichtshof im einzelnen Fall überlassen, welche Tatsachen in einer Frage zusammenzufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind. Diese Befugnis ist allerdings durch die Erfordernisse einer ihrem Zweck, den Laienrichtern eine möglichst unproblematische Erfassung aller aktuellen Sachverhaltsvarianten mit ihrem Wahrspruch zu ermöglichen, entsprechenden Fragestellung begrenzt (vgl. EvBl 1965/176 u.a.); danach soll bei mehreren Angeklagten, die der Beteiligung an derselben Tat bezichtigt werden, insbes. die Gefahr einer aus einer Zusammenfassung der Fragen resultierenden unsachgemäß pauschalen Beurteilung trotz ungleichartiger, nach Zahl und Gewicht der Belastungsmomente verschiedener Beweisergebnisse vermieden werden (vgl. Mayerhofer-Rieder, E 28 und 29 zu § 317 StPO). Derartige unterschiedliche Beweisergebnisse vermag aber der Beschwerdeführer selbst bloß darin zu erblicken, daß der Zeuge Siegfried D nach seiner Aussage nur vom größeren der an der Tat beteiligten Männer einen Faustschlag erhalten habe und der Angeklagte Walter A größer als der Beschwerdeführer sei, sodaß sich diese Aussage nur auf A beziehen könne. Das kam aber in der Hauptfrage ohnedies zum Ausdruck und wurde nach dem Inhalt des Wahrspruches von den Geschwornen ohnedies als erwiesen angenommen,sodaß die Rüge versagt.

Unbegründet sind auch die auf eine Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO abzielenden Einwände beider Beschwerdeführer gegen die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung.

Der Vorwurf des Beschwerdeführers A, die Rechtsbelehrung sei 'vor allem' zur inneren Tatseite und (insbesondere) bei der Unterscheidung der den Gegenstand der Schuldfragen bildenden Tatbestände nicht allgemein verständlich abgefaßt, entzieht sich überhaupt einer sachbezogenen Erörterung, weil damit in keiner Weise dargetan wird, worin ein solcher Mangel an Verständlichkeit gelegen sein soll, der für die Laienrichter einer Undeutlichkeit gleichkäme. Entgegen den Behauptungen der Beschwerde wird in der vom Vorsitzenden verfaßten Rechtsbelehrung auch der Unterschied zwischen Raub und räuberischem Diebstahl über die Anführung der Legaldefinition hinaus klar, eindeutig und sachlich richtig erläutert (vgl. Beilage G zu ON 70, S 2, 2 verso und 3), und wurde den Geschwornen dadurch die Gewinnung einer richtigen Vorstellung von der auf Grund der Fragestellung in Betracht kommenden Rechtslage ermöglicht.

Es kann daher keine Rede davon sein, daß die Laienrichter nicht in der Lage waren, den Unterschied zwischen diesen Deliktstypen zu erkennen. Im übrigen bot die im Anschluß an die Rechtsbelehrung des Vorsitzenden mit den Geschwornen gemäß § 323 Abs 2 StPO abzuhaltende Besprechung noch Raum zu weiteren Erörterungen über die Anwendung der schriftlich erläuterten Rechtsbegriffe auf den den Fragen zugrundeliegenden Sachverhalt. Soweit die Beschwerde allerdings behauptet, daß dem Zeugen D die Tatbestandsmerkmale des Raubes bekannt waren und er 'in seinen Angaben auf den Raubtatbestand hingezielt' habe, erschöpfen sich diese Ausführungen in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Der Angeklagte B hinwieder läßt bei seinem Vorwurf, die Geschwornen seien derart unvollständig belehrt worden, daß sie für ihren Wahrspruch wesentliche Rechtsbegriffe mißdeuten konnten, zunächst außer acht, daß in der Rechtsbelehrung zur Hauptfrage nach (schwerem) Raub auf das Tatbestandserfordernis (§ 142 Abs 1 StGB) der Anwendung von Gewalt als Mittel zur Wegnahme oder Abnötigung der Sache ausdrücklich hingewiesen und daran anknüpfend auch klargestellt worden ist, daß eine Anwendung von Gewalt gegen den früheren Sachinhaber erst nach erfolgtem (gewaltlosem) Gewahrsamswechsel nicht als Raub zu beurteilen ist. Des weiteren sind die Geschwornen, wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, darüber belehrt worden, daß als Raubgenosse (§ 143 erster Fall StGB) nur haftet, wer (am Tatort oder in dessen unmittelbarer Nähe) die Tatausführung in irgendeiner Weise unterstützt; dadurch ist aber auch hinreichend klargestellt worden, daß jemand, der der Tatausführung ohne jedweden eigenen Beitrag (§ 12 StGB) bloß zusieht, nicht Raubgenosse ist. Auf den konkreten Sachverhalt war in der schriftlichen Rechtsbelehrung nicht einzugehen; erst in der Besprechung mit den Geschwornen (§ 323 Abs 2 StPO) hatte der Vorsitzende die in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt zurückzuführen und die für die Beantwortung der Fragen entscheidenden Tatsachen hervorzuheben. Eine infolge Unvollständigkeit irreführende und solcherart unrichtige Rechtsbelehrung vermag demnach der Angeklagte B nicht darzutun. Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Walter A und Siegfried B waren sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Walter A nach § 143 erster Strafsatz StGB zu sechs Jahren Freiheitsstrafe, Siegfried B nach dieser Gesetzesstelle unter Bedachtnahme gemäß § 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 30. August 1983, 6 e E Vr 6113/83, Hv 4077/83, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten. Bei der Strafbemessung waren erschwerend bei beiden Angeklagten die einschlägigen Vorstrafen, bei Walter A überdies der überaus rasche Rückfall, mildernd hingegen bei diesem Angeklagten das Alter unter 21 Jahren, bei Siegfried B hingegen nichts.

Den Berufungen der Angeklagten, mit welchen sie eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen anstreben, kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Die in den Berufungsschriften geltend gemachten wei teren Milderungsgründe liegen zwar nicht vor. So kann eine verwahrloste Erziehung beim Angeklagten A schon deshalb nicht ins Gewicht fallen, weil Erziehungsmängel nur dann mildernd wirken können, wenn sie mit der Tat im unmittelbaren Zusammenhang stehen, im vorliegenden Falle aber ein gewisser Abstand zwischen Erziehung und Tat gegeben und die verfehlte Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten durch wiederholte Abstrafungen vor Augen geführt worden ist (13 0s 162/82). Eine durch den Alkoholkonsum hervorgerufene verminderte Zurechnungsfähigkeit hat der Angeklagte nicht behauptet (vgl. S 292), sodaß das Erstgericht der Frage, ob im vorliegenden Falle auf Grund der Alkoholisierung des Angeklagten ein Milderungsgrund anzunehmen ist, mit Recht nicht nähergetreten ist.

Beim Angeklagten B kann im Hinblick auf den vom Erstgericht festgestellten Hergang der Tat nicht davon die Rede sein, daß er an dieser nur in untergeordneter Weise beteiligt war.

Nach Lage des Falles - insbesonders im Hinblick auf den Schuld- und Unrechtsgehalt vergleichbarer Taten - ist die Strafe vom Erstgericht jedoch etwas überhöht ausgemessen worden. Diese war daher in Abwägung der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte