OGH 5Ob532/84

OGH5Ob532/8427.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Hans‑Jörg Schachner, Rechtsanwalt in Melk, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Dezember 1983, GZ 13 R 202/83‑13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten vom 26. Mai 1983, GZ 1 Cg 113/83‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00532.840.0327.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.433,50 S (darin 268,50 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Mann erhob am 3. 3. 1983 die Klage auf Scheidung der am 26. 5. 1962 geschlossenen Ehe aus dem Verschulden der Frau. Sie unterhalte ein ehewidriges Verhältnis mit einem anderen Mann. Die Zerrüttung der Ehe sei so tiefgreifend, dass die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei. Er selbst habe schon im Februar 1980 die eheliche Gemeinschaft aufgegeben.

Die Frau trat der Scheidung der Ehe entgegen. Der Mann strebe nur aus der Ehe, weil er seit Jahren eine Geschlechtsbeziehung zu einer anderen Frau unterhalte. Wenn er dieses Verhältnis aufgebe, könne die Ehe fortgeführt werden. Ihre Beziehungen zu dem anderen Mann seien nur freundschaftliche.

Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus und entschied, dass das Verschulden an der Ehescheidung beide Teile treffe, das Verschulden des Mannes aber überwiege.

Es stellte im Wesentlichen fest:

Die Eheleute, die Mutter und ein Bruder des Mannes sind Gesellschafter der A***** Gesellschaft m.b.H., die eine Bäckerei betreibt. Als seine Mutter den Mann ersuchte, seine vor etwa sieben Jahren mit M***** aufgenommene engere Beziehung aufzugeben, erklärte der Mann, er werde ohne Rücksicht auf das Geschäft sein Verhältnis mit dieser Frau aufrecht halten, eher möge der Betrieb zugrunde gehen. Der Mann fuhr seither öfter nach Wien, tätigte höhere Entnahmen und verrichtete nur mehr die unbedingt notwendigen Arbeiten im Unternehmen. Anfang 1980 zog der Mann aus der Ehewohnung aus. Er wohnt bei der Mutter der M*****. Diese, seine Bekannte, ist in Wien beschäftigt. Der Mann verbringt die Sommerferien mit M*****, unternimmt mit ihr Ausflüge und macht ihr Geschenke. Mit der Ehefrau besteht seit der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft kaum mehr Kontakt. Er benützt zwar die eheliche Wohnung noch, um sich umzuziehen, ein Duschbad zu nehmen oder gelegentlich in der Küche zu essen, bespricht sich aber nicht mehr mit seiner Frau, gibt ihr keinen Einblick in sein Privatleben und fährt nicht mit ihr auf Urlaub. Das Ersuchen der Frau an den Mann, er möge zu ihr zurückkehren, blieb ohne Erfolg

Die Frau unterhält mit L*****, der seit zwei Jahren geschieden ist und den sie schon lange kennt, weil seine Schwester im Unternehmen tätig ist, eine geschlechtliche, ehebrecherische Beziehung. Sie spricht mit ihm über ihre persönlichen Probleme und schüttet ihm ihr Herz aus. In der Nacht auf den 13. 5. 1983 fuhr die Frau mit diesem Mann zu seinem Haus. Nach Mitternacht wurde das Licht gelöscht, das Fahrzeug der Frau stand aber noch etwa zwei Stunden später vor dem Haus. Am 14. 5. 1983 fuhr die Frau zum Haus des L***** und hielt sich dort etwa 40 Minuten auf. Um 17:30 Uhr stellte sie ihr Fahrzeug im Garten des L***** ab und fuhr mit ihm in seinem Personenkraftwagen fort. Um 3:40 Uhr parkten beide Fahrzeuge vor dem Haus des L*****, in welchem die Ehefrau in den Nächten auf den 13. 5. 1983 und den 15. 5. 1983 mit ihm zusammen war.

Das Erstgericht sah alle Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG als gegeben an und gab dem darauf gerichteten Begehren statt. Es sprach das überwiegende Verschulden des Mannes an der Ehescheidung aus, doch könne es die Aufnahme ehebrecherischer Beziehungen der Frau zu dem anderen Mann nicht rechtfertigen.

Das Berufungsgericht bestätigte. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung und fügte der rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht noch bei, dass das festgestellte Verhalten der Frau die durch die Aufnahme geschlechtlicher Beziehungen des Mannes zu der anderen Frau und die Aufhebung der gemeinsamen Haushaltsführung vor allem eingetretene Zerrüttung noch vertieft und unheilbar gemacht habe. Auf die Verwirkungsklausel des § 49 Satz 2 EheG könne sich die Frau nicht mit Erfolg berufen, weil ihre Verfehlung nicht durch das schuldhafte Verhalten des Mannes hervorgerufen und die nun auch der Frau vorwerfbare Treueverletzung den Verfehlungen des Mannes nach Wirkung und Inhalt selbständig gegenüberstehe. Die Beklagte könne nicht formell an der Ehe festhalten, selbst aber ehebrecherische Beziehungen zu einem anderen Mann unterhalten.

Das Urteil des Berufungsgerichts bekämpft die Frau mit ihrer auf Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung gestützten Revision. Ihrem auf Abweisung des Scheidungsbegehrens abzielenden Abänderungsantrag fügt sie hilfsweise einen Aufhebungsantrag bei.

Der Mann beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit, in Wahrheit der Rechtsrüge zuzuordnen, dass das Vorliegen der unheilbaren Zerrüttung der Ehe ungeprüft blieb, liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO idF BGBl 1983/135).

Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass die schweren Eheverfehlungen des Mannes aber auch die festgestellte geschlechtliche Beziehung der Frau zu einem anderen Mann zu einer so tiefgreifenden Zerrüttung der Ehe geführt haben, dass die Wiederherstellung der dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr zu erwarten ist. Es kann auch nicht gesagt werden, dass das auf § 49 EheG gestützte Scheidungsbegehren immer schon dann abzuweisen ist, wenn die schuldhaft gesetzten Eheverfehlungen des klagenden Teils erheblich schwerer wiegen, als die des beklagten Ehegatten. Diesem Umstand wurde dadurch Rechnung getragen, dass der Ausspruch erging, die Schuld des Mannes überwiege (§ 60 Abs 3 EheG). Dass die festgestellte ehebrecherische Beziehung der Frau zu dem anderen Mann ihr zurechenbar ist und als schwere Eheverfehlung dann, wenn sie zur endgültigen Zerrüttung der Ehe beitrug, den Scheidungsgrund nach § 49 Satz 1 EheG erfüllt, haben die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum erkannt. An der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens des klagenden Teils mangelt es, wenn dem beklagten Ehegatten zwar eine zur Zerrüttung der Ehe beitragende schwere Eheverfehlung anzulasten ist, diese aber erst durch das schuldhafte Verhalten des klagenden Teils hervorgerufen wurde, wenn ein Zusammenhang der von beiden Teilen gesetzten Verfehlungen besteht oder wenn die Verfehlungen des auf die Scheidung dringenden Teils unverhältnismäßig schwerer wiegen. Dann kann bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe das Scheidungsbegehren sittlich als unberechtigt angesehen werden ( Schwind , EheR², 215; EF‑Slg 38.718; EF‑Slg 41.205 ua). Auch wenn die fortdauernde Treuverletzung des Mannes der Grund für seine Abwendung von der Ehefrau war und ihn noch weitere Verfehlungen vorzuwerfen sind, kann sein Scheidungsbegehren nicht als sittlich unberechtigt bezeichnet werden, wenn die Ehefrau ihrerseits die eheliche Treue verletzt. Ein ehebrecherisches Verhältnis stellt ohne Rücksicht darauf, wie der Partner es empfindet, wegen der Unvereinbarkeit mit dem Wesen der Ehe als einer auf Liebe, Achtung, Treue und Fürsorge aufgebauten und alle Lebensbereiche der Ehegatten umfassenden Lebensgemeinschaft eine schwere Eheverfehlung dar und zeigt einen schweren Mangel an ehelicher Gesinnung auf (EF‑Slg 41.191). Die beklagte Frau hatte ihre Pflicht zur ehelichen Treue grundsätzlich während der ganzen Dauer der Ehe und daher auch nach der Einbringung der Scheidungsklage des Mannes zu beachten (in diesem Sinne auch EF‑Slg 41.197). Sie ist deshalb nicht im Sinne des § 49 Satz 2 EheG schutzwürdig (EF‑Slg 41.213), wenn sie nach der Zustellung der Scheidungsklage zwei Nächte mit dem anderen Mann verbrachte. Ob der beklagten Ehefrau das Scheidungsbegehren des Mannes rechtfertigende die nicht mehr behebbare Zerrüttung der Ehe mit bewirkende schwere Eheverfehlungen anzulasten sind, ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts (des Schlusses der Verhandlung), allenfalls auch noch der des Berufungsgerichts zu beurteilen gewesen. Dies verkennt die Revisionswerberin, wenn sie meint, die festgestellte ehebrecherische Beziehung zu dem anderen Mann habe bei Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens außer Betracht zu bleiben, weil sie nur für eine Zeit nach Einbringung der Scheidungsklage erwiesen worden sei.

Da die Frau ihrerseits eine schwere Treueverletzung zu verantworten hat, kann sie dem Scheidungsbegehren nicht wirksam entgegenhalten, der Mann habe bereits früher und andauernd die Ehe gebrochen, die gemeinsame Haushaltsführung aufgegeben, sie beschimpft und misshandelt sowie den Fortbestand des gemeinsamen Unternehmens gefährdet. Dieses Verhalten konnte nur die vom Mann unbekämpft gelassene Feststellung einer überwiegenden Schuld zur Folge haben, nicht aber die Abweisung des Scheidungsbegehrens.

Der Revision ist nicht stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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