Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten die mit 5.789,22 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 357,72 S USt und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin kam am 13. 12. 1979 auf dem am Hause Wien 13., Wolfrathplatz 1, vorbeiführenden Gehsteig zu Sturz und brach sich dabei die rechte Speiche. Sie behauptet, der Gehsteig sei an der betreffenden Stelle mit spiegelblankem Eis überzogen und nicht bestreut gewesen. Die Pflicht zur Gehsteigreinigung habe den Pfarrer Hermann K***** getroffen, der „diese Aufgabe aber auf den Mesner Max M*****, den Beklagten, übertragen gehabt habe“. Dem Beklagten falle eine gröbliche Verletzung seiner übernommenen Verpflichtung und damit eine schuldhafte Verursachung des Schadensereignisses zur Last. Aus dem Titel des Schadenersatzes habe er ihr somit ein Schmerzengeld von 120.000 S zu bezahlen. Auch sei seine Haftung für alle zukünftigen Schäden der Klägerin aus dem Unfall festzustellen.
Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil ihn einerseits keine Pflicht zur Gehsteigreinigung getroffen habe und andererseits am Unfallstag auch keine Notwendigkeit für eine Streuung am Gehsteig gegeben gewesen sei.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, dass die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung wendet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrage auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung, in eventu auf Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig, weil vorliegendenfalls entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht gegeben sind. Hiezu ist auszuführen:
Nach den unterinstanzlichen Feststellungen war für die Reinigung und Streuung des von der Klägerin zum Unfallszeitpunkt benützten Gehsteigs der Pfarrer der Pfarrkirche Ober St. Veit, Hermann K*****, verantwortlich, der im Pfarrhofe wohnt. Der Beklagte war zehn Jahre lang Mesner in der Pfarre Ober St. Veit und ging am 31. 12. 1979 in Pension. Er war zu Diensten im Kircheninneren verpflichtet. Eine vertragliche Verpflichtung zur Reinigung bzw Streuung des Gehsteigs seinerseits bestand nicht. Der Beklagte hatte es freiwillig übernommen, für die Reinigung und Streuung des Gehsteigs zu sorgen, wobei es vorkam, dass Pfarrer K***** den Gehsteig selbst reinigte. Der Beklagte konsumierte im Dezember 1979 noch einen Resturlaub, hatte sich aber bereiterklärt, auch in dieser Zeit, sollte es notwendig sein, die Räumung und Streuung des Gehsteigs zu besorgen. Er ging dabei so vor, dass er aus dem Zustand des Gehsteigs vor seiner etwa 15 Gehminuten von der Pfarrkirche entfernten und höhergelegenen Wohnung auf die Notwendigkeit einer Räumung bzw Streuung am Wolfrathplatz schloss. Bis zum 13. 12. 1979 hatte es keinen Schneefall gegeben, sodass auch keine Veranlassung für den Beklagten bestand, den Gehsteig vor dem Objekt Wolfrathplatz 1 zu säubern.
In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf die Bestimmung des § 93 Abs 5 StVO 1960, wonach die Verpflichtung zur Gehsteigreinigung durch Rechtsgeschäft übertragen werden kann. Vorliegendenfalls habe sich der Beklagte jedoch nicht rechtsgeschäftlich verpflichtet, sondern nur freiwillig bereiterklärt, die Räumung und Streuung des Gehsteigs zu besorgen, falls dies erforderlich sein sollte. Dies reiche zur Übernahme einer Verpflichtung im Sinne der vorgenannten Gesetzesstelle nicht aus.
Das Berufungsgericht hielt die erstgerichtliche Feststellung, der Beklagte habe es nur freiwillig übernommen, für die Gehsteigreinigung zu sorgen, für unbedenklich. Es führte hiezu aus, der Zeuge Hermann K***** habe bereits bei seiner Vernehmung durch die Polizei am 23. 1. 1980 angegeben, dass er für die Gehsteigreinigung als Verwalter des Hauses verantwortlich sei. Seine Aussage als Zeuge im vorliegenden Verfahren, wonach er für die Reinigung und Streuung des Gehsteigs verantwortlich sei und der Beklagte nur zu Diensten im Kircheninneren verpflichtet gewesen sei und keine vertragliche Verpflichtung zur Reinigung und Bestreuung übernommen habe, stimme mit diesen Aussagen vor der Polizei überein. Auch der Beklagte habe bereits bei seiner Einvernahme durch die Polizei im Strafverfahren dezidiert erklärt, dass er den Gehsteig immer freiwillig geräumt habe und diese Tätigkeit nicht in seinem Dienstvertrag enthalten gewesen sei.
Die Rechtsrüge der Klägerin hielt das Berufungsgericht ebenfalls nicht für gerechtfertigt. Als Rechtsgeschäft iSd § 93 Abs 5 StVO 1960 sei nach dem Ausschussbericht etwa ein Dienstvertrag oder ein Bestandvertrag zu verstehen. Aber auch ein Auftrag an einen Dienstnehmer des Hauseigentümers stelle eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung dar; einem Hausbesorger werde eine solche Verpflichtung beispielsweise aber nur dann übertragen, wenn er die Verpflichtung rechtsgeschäftlich übernommen habe. Wenn es aber - wie hier - der Beklagte nur „freiwillig“ dh gefälligkeitshalber übernommen habe, für die Reinigung und Streuung des Gehsteigs auch während seines Urlaubs zu sorgen und andererseits der für die Reinigung und Streuung des Gehsteigs verantwortliche Pfarrer Hermann K***** ebenfalls gelegentlich den Gehsteig selbst gereinigt habe, könne von einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Reinigungspflicht nicht gesprochen werden. Es fehle in diesem Fall das Moment der Verpflichtung des Beklagten, auf die sich der für die Reinigung verantwortliche Hermann K***** hätte verlassen und deren Einhaltung er vom Beklagten notfalls auch fordern hätte können. Da somit keine Übertragung der Reinigungspflicht von K***** auf den Beklagten iSd § 93 Abs 5 StVO 1960 erfolgt sei, habe das Erstgericht zu Recht die mangelnde passive Klagslegitimation des Beklagten angenommen.
Zu seinem Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision führte das Berufungsgericht aus, zum Begriff des „Rechtsgeschäfts“ iSd § 93 Abs 5 StVO 1960 fehle es an einer eindeutigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, sodass der vorliegende Fall diesbezüglich von der Lösung einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO abhänge. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden.
Die Bestimmung des § 93 Abs 5 zweiter Satz StVO 1960 lautet wie folgt: „Wird durch ein Rechtsgeschäft eine Verpflichtung nach Abs 1 bis 3 übertragen, so tritt in einem solchen Fall der durch das Rechtsgeschäft Verpflichtete an die Stelle des Eigentümers.“
Nach diesem klaren Gesetzeswortlaut ist Voraussetzung dafür, dass ein Dritter an die Stelle des Eigentümers tritt, somit die Übertragung der den Eigentümer treffenden Verpflichtung auf den Dritten.
Vorliegendenfalls stellte das Erstgericht fest und diese Feststellung wurde vom Berufungsgericht nach Überprüfung ausdrücklich gebilligt, dass der Beklagte nur zu Diensten im Kircheninneren verpflichtet gewesen sei und es lediglich freiwillig übernommen habe, für die Reinigung und Streuung des Gehsteigs zu sorgen. Im Hinblick auf diese Gegenüberstellung mit den Pflichten des Beklagten unterliegt es keinem Zweifel, dass auch schon das Erstgericht unter „freiwillig“ eine bloß gefälligkeitshalber durchgeführte Gehsteigreinigung und Streuung verstanden hat, und dadurch gerade den Mangel eines diesbezüglichen Verpflichtungswillens zum Ausdruck bringen wollte. Die Frage, ob ein Verpflichtungswille gegeben war oder nicht, gehört aber dem Tatsachenbereich bzw der Beweiswürdigung an (5 Ob 271/67; 6 Ob 33/73; 3 Ob 89/79 ua). Hat der an die Feststellungen der Tatsacheninstanzen gebundene Oberste Gerichtshof somit den Mangel eines solchen Verpflichtungswillens zugrunde zu legen, dann erscheint aber die Frage, welche Typen von Rechtsgeschäften (siehe hiezu Rummel, Kommentar zum ABGB Rdz 14 zu § 859; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts³ II, 23 ff, 81 ff) zum Begriff des Rechtsgeschäfts iSd § 93 Abs 5 StVO 1960 gehören und somit zur Übertragung der Verpflichtung des Eigentümers an einen Dritten geeignet sein könnten, für den vorliegenden Fall völlig unerheblich. Nach der unzweideutigen bisherigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs kommen ausdrückliche und konkludente vertragliche Verpflichtungsvereinbarungen sowie Auftragsübernahme durch Dienstnehmer hiefür jedenfalls in Frage (ZVR 1968/148; MietSlg 27.224; EvBl 1972/41; SZ 51/80; 3 Ob 512/80; 6 Ob 621/79). Ob nach der Absicht des Gesetzgebers - der Ausschussbericht zählt beispielsweise Dienst- und Bestandverträge, also nur vertragliche Regelungen auf - und der Sache nach auch noch andere Rechtsgeschäftstypen geeignet erscheinen, braucht hier aber nicht untersucht zu werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die vorliegende Rechtssache damit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage der im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO genannten Art abhängig. Da der Oberste Gerichtshof an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, war die Revision demgemäß als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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