OGH 2Ob513/84

OGH2Ob513/8429.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Max W*****, 2.) Gertrude W*****, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Erika L*****, vertreten durch Dr. Franz Speierl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abschlusses eines geänderten Hauptmietvertrages, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 20. April 1983, GZ 41 R 189/83-10, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27. Jänner 1983, GZ 42 C 380/82-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Die beklagte Partei ist Hauptmieterin von Geschäftsräumlichkeiten in dem den Klägern gehörenden Haus Wien *****. Im Mietvertrag vom 18. Oktober 1956 wurde ein Mietzins auf der Basis des Friedenskronenzinses von 6.000 Kronen jährlich vereinbart. § 3 Z 3 des Mietvertrages hat folgenden Wortlaut: "Nach Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ist ein neu zu vereinbarender Mietzins zu bezahlen."

Die Kläger brachten vor, die beklagte Partei sei ihrer Aufforderung, nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes eine Vereinbarung über den Mietzins zu treffen, nicht nachgekommen. Der ortsübliche Mietzins betrage S 45,- pro Quadratmeter. Die Beklagte weigere sich, diesen Mietzins zu bezahlen. Die Kläger begehrten daher das Urteil, die beklagte Partei sei schuldig, einer Abänderung des Hauptmietvertrages vom 18. Oktober 1956 dahingehend zuzustimmen, als daß nunmehr für das Bestandobjekt top. Nr. 32 im Hause ***** Wien, ***** (Erika L*****) ein monatlicher Hauptmietzins von S 45,- je Quadratmeter zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten sowie öffentlicher Abgaben mit Wirksamkeit vom 1. 1. 1982 vereinbart werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-

übersteige.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Kläger. Sie machen den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen Abänderung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Das Erstgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Vereinbarung sei nur als eine Verpflichtung anzusehen, Vertragsverhandlungen über den Mietzins zu führen. Die beklagte Partei sei daher nicht verpflichtet, eine einseitige Vorschreibung zu akzeptieren.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, auch wenn man die Übung des redlichen Verkehrs zur Auslegung der Bestimmung des dritten Punktes des § 3 des Mietvertrages heranziehe, sei für die klagenden Parteien nichts gewonnen. Als Vorvertrag im Sinne des § 936 ABGB wäre die Vereinbarung nur dann gültig, "wenn die wesentlichen Stücke des Vertrages" bestimmt seien. Der Vorvertrag müsse inhaltlich so bestimmt sein, daß er jederzeit als Hauptvertrag bestehen könnte. Dieses Erfordernis sei hier jedoch nicht erfüllt. Bei Abschluß des Mietvertrages sei nämlich in keiner Weise abzusehen gewesen, welche Änderungen der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung einmal konkret eintreten würden. Die im Vertrag getroffene Regelung sollte auf alle in Betracht kommenden Möglichkeiten anwendbar sein, was zwangsläufig ihre inhaltliche Unbestimmtheit mit sich bringen müsse. Als Vorvertrag sei die umstrittene Vereinbarung daher nicht gültig. Sei der "zu vereinbarende" Mietzins jedoch im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mangels jeglicher vorgesehener Ansätze nicht einmal bestimmbar, dann könne die Vereinbarung auch als Hauptvertrag nicht wirksam sein.

Die Revisionswerber halten dem entgegen, die Absicht der Parteien sei nicht erforscht worden, es sei weder eine (vollständige) einfache, noch eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgt. Forsche man nach dem Geschäftszweck bzw der Absicht der Parteien beim Abschluß des Mietvertrages im Jahre 1956, so könne man nur davon ausgehen, daß die ursprüngliche Regelung über die Höhe des Mietzinses nur so lange gelten sollte, als auch die damaligen gesetzlichen Grundsätze über die Mietzinsberechnung (Friedenskronenzins) allgemein rechtsverbindlich wären. Im Fall der Abänderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung sollte die Verbindlichkeit der ursprünglich getroffenen Vereinbarung erlöschen und ein neuer (erhöhter) Mietzins vereinbart werden. Die Vertragspartner hätten im Jahre 1956 über das Ausmaß der im Fall der Änderung der gesetzlichen Mietzinsbildungsvorschriften möglichen Erhöhung etwas Konkretes nicht vereinbaren können. Es stehe jedoch zunächst einmal fest, daß sich die beklagte Partei durch die Zustimmung zu dieser Vertragsvereinbarung verpflichtet habe, bei Eintritt der genannten Bedingung, also im Fall einer Erhöhung des gesetzlichen Mietzinses, einen neu zu vereinbarenden, d. h. einen höheren als den ursprünglich vereinbarten Mietzins zu zahlen. Die Vertragspartner hätten zwischen dem vereinbarten und dem gesetzlichen Mietzins dadurch eine Beziehung geschaffen, daß sie die Erhöhung (Änderung) des gesetzlichen Mietzinses zur Bedingung für die Erhöhung (Änderung) des vereinbarten Mietzinses gemacht hätten. Unter diesen Umständen könne sicher angenommen werden, daß die Parteien auch das nicht erörterte Ausmaß der vorgesehenen Erhöhung (Änderung) des Mietzinses in eine Beziehung zur allfälligen Erhöhung des gesetzlichen Mietzinses bringen wollten. Bei einer Auslegung dieser Vereinbarung nach der Übung des redlichen Verkehrs könne daher ohne weiteres angenommen werden, daß die gewollte, aber nicht zum Ausdruck gebrachte Beziehung zwischen den beiden genannten Größen die einer Proportion sein sollte. Eine Ergänzung bzw Auslegung der Vertragsbestimmung in diesem Sinne erscheine deshalb durchaus zulässig. Da nun durch Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes ab 1. Jänner 1982 eine gesetzliche Änderung der Mietzinsbildungsvorschriften erfolgt sei, also die vereinbarte Bedingung eingetreten sei, und der gesetzliche Hauptmietzins für Geschäftsräume nunmehr nach den Grundsätzen der Angemessenheit bemessen werde, sei das Begehren der klagenden Parteien nach Bezahlung des angemessenen Mietzinses bzw nach Abänderung des Mietvertrages in diesem Sinne durch den Mietvertrag selbst gedeckt.

Dazu ist folgendes zu erwägen:

Da außer dem Hinweis auf den schriftlichen Mietvertrag zur Frage der Absicht der Parteien kein Vorbringen erstattet und keine Beweise angeboten wurden, kann die Absicht nur aus dem schriftlichen Vertrag geschlossen werden. Aus dem Wortlaut des Vertrages geht eindeutig hervor, daß im Fall der Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung der Mietzins neu vereinbart werden sollte. Dies allein würde jedoch für eine Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens nicht ausreichen. Hiezu ist es erforderlich, daß im Wege der Vertragsauslegung auch die Absicht der Parteien über die bei Neufestsetzung des Mietzinses maßgebenden Umstände erforscht werden kann. Da eine wörtliche Auslegung hier zu keinem Ergebnis führt, muß geprüft werden, ob eine ergänzende Vertragsauslegung zu einer Lösung führen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, daß nach dem Mietengesetz für die Höhe des Mietzinses der Friedenskronenzins maßgebend war, nach dem nunmehr in Kraft stehenden Mietrechtsgesetz bei Geschäftsräumlichkeiten aber der Angemessenheit entscheidende Bedeutung zukommt (§ 16 Abs 1 MRG). Da die Parteien bei Abschluß des Vertrages die Höhe des Mietzinses nach dem der damaligen Rechtslage entsprechenden Kriterium vereinbarten, ist die Annahme eines hypothetischen Parteiwillens, den neu zu vereinbarenden Mietzins an den nunmehr nach dem Gesetz für die Höhe des Mietzinses bedeutsamen Umstand der Angemessenheit zu orientieren, gerechtfertigt. Die für die ergänzende Vertragsauslegung bedeutsame Übung des redlichen Verkehrs führt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß ein angemessener Mietzins vereinbart werden sollte, also jener, der der Vorschrift des § 16 Abs 1 MRG entspricht (vgl. MietSlg 24.090; XXIX/8). Daher ist der Vertrag hinreichend bestimmt, der neu abzuschließenden Vereinbarung ist der angemessene Mietzins im Sinne des § 16 Abs 1 MRG zu Grunde zu legen.

Da nicht festgestellt wurde, ob der von den Klägern angeführte Betrag angemessen im Sinne dieser Gesetzesstelle ist, mußten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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