OGH 1Ob2/84 (1Ob3/84)

OGH1Ob2/84 (1Ob3/84)22.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Elisabeth S*****, 2. mj Gregor S*****, 3. mj Martin S*****, Zweit- und Drittkläger vertreten durch die Erstklägerin als eheliche Mutter, sämtliche vertreten durch Dr. Heinrich Wille, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, 2. Land Vorarlberg, vertreten durch Dr. Reinhold Moosbrugger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 212.315,77 S sA, Zahlung von Renten und Feststellung (Gesamtstreitwert 841.343,77 S, davon Erstklägerin 313.415,27 S, Zweitkläger 315.876,40 S und Drittkläger 212.052,10 S), infolge Revision und Rekurses der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. September 1983, GZ 6 R 151, 152/83, womit infolge Rekurses und Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 29. April 1983, GZ 1 Cg 4/82-24, bestätigt wurde,

1.) den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen;

2.) zu Recht erkannt:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der erstbeklagten Partei je 2.057,93 S und der zweitbeklagten Partei 2.862,56 S (hievon 164,63 S USt und 640 S Barauslagen) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

In der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1979 versahen Gendarmeriegruppeninspektor Alwin St***** als Kommandant einer Funkpatrouille und die Gendarmerierevierinspektoren Karl R***** und Georg Ra***** im Hauptpostenbereich Bregenz Funkpatrouillendienst. Ihr Funkpatrouillenauftrag lautete auf Überwachung der Sicherheitsverhältnisse und einbruchsgefährdeter Objekte, Parkplätze und Hinterhöfe, auf Kontrollen am Bahnhof Bregenz und Haltestelle Riedenburg und in den abgestellten Waggons des Städteschnellzugs, auf Überwachung der Geldinstitute, Postämter, militärischer Einrichtungen und Großkaufhäuser, auf fallweise Kontaktaufnahme mit den Konsulatswachen und Überprüfung der Sperrverhältnisse beim deutschen Konsulat, auf Verkehrsüberwachung mit besonderem Augenmerk auf alkoholisierte Fahrer und Schnellfahrer sowie bei Kontrollen Bedachtnahme auf bedenkliches Gut, auf Kontrollen verdächtiger Personen-PWCO-Anfragen, auf Kontrollen der Dirnen und Zuhälter im Raume Bregenz-Hard, auf verstärkte Kontrolle in der Pumpstation und Pipeline und auf mehrfache Kontaktaufnahme mit Tankwärtern der A*****-Tankstelle Lochau. Die Funkpatrouillenbesatzung nahm um ca 1:30 Uhr im Ortsgebiet von Lauterach auf der L***** einen mit beträchtlich überhöhter Fahrgeschwindigkeit entgegenkommenden VW-Kombi wahr, der gegen die Gehsteigkante stieß, weshalb der Fahrer Ernst S***** den Wagen nach links verreißen musste. Die Gendarmeriebeamten sahen sich daher veranlasst, den Fahrzeuglenker zu überprüfen. Georg Ra***** meinte, der Lenker sei betrunken. Das Dienstfahrzeug wurde daher gewendet, worauf die Funkpatrouille dem Kombifahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht Richtung Hard folgte. Wegen der hohen Geschwindigkeit des VW-Kombis (ca 90 km/h) verlor die Funkpatrouille das Fahrzeug aus den Augen und kehrte schließlich im Ortsgebiet von Hard um. Auf der Rückfahrt von Hard nach Lauterach sahen die Gendarmeriebeamten, wie der VW-Kombi von einer Seitengasse in die L***** einbog und auf dieser in Richtung Lauterach weiterfuhr. Unter Einschaltung des Blaulichts überholte das Dienstfahrzeug den VW-Kombi. Beim Überholvorgang gab der Patrouillenkommandant Alwin St***** dem Fahrzeuglenker Haltezeichen. Das Dienstfahrzeug verlangsamte nach dem Überholvorgang seine Geschwindigkeit, um so den Lenker zum Anhalten zu veranlassen. Ernst S***** flüchtete aber mit seinem VW-Kombi in Richtung der Bahnunterführung. Auf dem ansteigenden Straßenabschnitt bremste er mehrmals ruckartig ab, sodass das nachfolgende Dienstfahrzeug in Gefahr geriet aufzufahren. Während dieser Verfolgungsjagd betätigte Gend.RevInsp. Karl R***** das Blaulicht und das Folgetonhorn. Ernst S***** verminderte nach seinen Bremsmanövern die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs von 90 auf ca 30 km/h. Er fuhr an den äußersten rechten Fahrbahnrand heran, sodass die Gendarmeriepatrouille erneut zu einem Überholvorgang ansetzen konnte. Als das Patrouillenfahrzeug annähernd auf gleicher Höhe war, lenkte Ernst S***** seinen Wagen vom äußersten rechten Fahrbahnrand ruckartig nach links und stieß gegen die rechte Vorderfront des Gendarmeriefahrzeugs, wodurch dieses nach links geschleudert und beschädigt wurde. Hierauf fuhr Ernst S***** auf der B***** Richtung Bregenz mit einer Geschwindigkeit von 120 bis 130 km/h weiter. Während der Fahrt geriet er einmal zur Gänze auf die linke Fahrbahnhälfte, sodass ein entgegenkommender PKW-Lenker über die rechte Gehsteigkante ausweichen musste, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden. Später gefährdete er zwei entgegenkommende PKW-Lenker durch Kurvenschneiden. In der Zwischenzeit wurden über die Leitfunkstelle die umliegenden Gendarmeriedienststellen verständigt und ersucht, Straßensperren zu errichten, um den VW-Kombi anzuhalten. Gend.RevInsp. Horst P***** vom Gendarmeriepostenkommando Bregenz sperrte darauf mit seinem Dienstfahrzeug eine Hälfte der Fahrbahn der Rathausstraße in Bregenz ab und postierte sich auf der freibleibenden Hälfte. Ernst S***** gelangte mit seinem Fahrzeug über die Fußgängerzone in die Rathausstraße. Er fuhr gegen den Anhaltezeichen gebenden Gendarmeriebeamten los, sodass dieser zur Seite springen musste, um nicht überfahren zu werden.

Gen.RevInsp. Horst P***** schoss darauf mit seiner Dienstwaffe auf die Reifen des VW-Kombis, ohne diese zu treffen. Ernst S***** fuhr in der Folge entgegen eine Einbahnstraße in einen sichtbehindernden Kurvenbereich. Die im Patrouillenfahrzeug befindlichen Gendarmen gelangten aufgrund des Verhaltens Ernst S***** zur Auffassung, dass es sich nicht etwa nur um einen Verkehrsrowdy, sondern um einen flüchtigen Straftäter handeln müsse. Gend.GrInsp. Alwin St***** erachtete nunmehr einen Schusswaffengebrauch gegen die Räder des VW-Kombis als gerechtfertigt. Gend.RevInsp. Georg Ra*****, der hinten im Dienstfahrzeug saß, war der Meinung, es müsse ein flüchtender Schwerstkrimineller, eine allgemein gefährliche Person gestellt werden. Er begann vom rechten hinteren Wagenfenster aus mit seiner Dienstwaffe gezielt auf die Räder des VW-Kombis zu schießen. Darauf hielt Ernst S***** sein Fahrzeug vor dem Haus K***** an.

Gend.RevInsp. Karl R***** brachte das Dienstfahrzeug auf gleicher Höhe mit dem VW-Kombi zum Stillstand. Georg Ra***** stieg sogleich aus und näherte sich der linken Fahrertür des VW-Kombis mit entsicherter Dienstpistole. Er öffnete die Fahrertüre und erfasste mit der linken Hand Ernst S***** am linken Oberarm. Er hielt ihn mit kräftigem Griff fest, weil er mit Tätlichkeiten rechnete. Georg Ra***** wollte Ernst S***** festnehmen und rief daher zu ihm „Hände hoch“. In der Zwischenzeit kam Karl R***** zur bereits offenen Tür des VW-Kombis und erfasste Ernst S***** mit der linken Hand am rechten Arm. Ernst S***** leistete keinen Widerstand. Die beiden Beamten führten Ernst S***** zu dem unmittelbar daneben stehenden Dienstfahrzeug. Sie drückten ihn mit dem Oberkörper gegen die Motorhaube. Georg Ra***** hielt dabei die entsicherte Dienstpistole in der rechten Hand. Um Ernst S***** auch mit der rechten Hand niederzudrücken, hielt er die rechte Hand mit der entsicherten Pistole gegen den Rücken des Ernst S*****. Er versuchte, die Beine des Ernst S***** mit seinem rechten Knie auseinanderzuspreizen. Als er Ernst S***** am Arm losließ, erfolgte ein Stoß gegen die rechte Hand Georg Ra*****s. Dadurch löste sich ein Schuss aus seiner Dienstwaffe, durch den Ernst S***** tödlich getroffen wurde. Wegen dieses Verhaltens wurde Georg Ra***** mit Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 6. März 1980, 17 b E Vr 1922/79-22, rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB für schuldig erkannt.

Ernst S***** hinterließ seine Ehefrau, die Erstklägerin Elisabeth S*****, und zwei eheliche Kinder, den Zweitkläger Gregor S*****, und den Drittkläger Martin S*****. Die Erstklägerin hatte am 1. 7. 1979 mit den beiden Kindern die Ehewohnung in Mattersburg verlassen und war zu ihrem Lebensgefährten Rudolf G***** nach Ebenfurth gezogen, wo sie seither mit ihm im gemeinsamen Haushalt zusammenlebt. Es besteht ein eheähnliches Verhältnis einschließlich der Geschlechtsgemeinschaft. Am 23. 7. 1980 hat die Erstklägerin ein von ihrem Lebensgefährten gezeugtes Kind geboren. Die gemeinsamen Haushaltskosten werden teilweise aus den der Klägerin zukommenden Witwen- und Waisenpensionen und zum Anderen aus dem Beitrag des Lebensgefährten von ca 2.000 S monatlich bestritten. Die Erstklägerin und Ernst S***** hatten auf einer im Alleineigentum der Erstklägerin stehenden Liegenschaft ein Eigenheim errichtet, welches, als sich die Ehegatten Mitte des Jahres 1979 trennten, bereits weitgehend fertiggestellt war; die Türen, Fenster, sowie Jalousien waren bereits angebracht, es fehlte noch der Innen- und Außenverputz. Im November 1978 bestellte die Erstklägerin bei der Firma Ro***** Gesellschaft mbH für den Neubau zehn Rollläden zum Preis von 24.117,85 S. Obgleich Ernst S***** den Auftrag mündlich erteilt hatte, hat die Erstklägerin den Bestellschein unterfertigt; ein Vollmachtsverhältnis wurde dabei nicht angegeben. Die Rollläden wurden geliefert und in dem der Erstklägerin gehörigen Neubau montiert. Da keine Zahlung erfolgte, wurde die Erstklägerin gerichtlich belangt und einschließlich Zinsen und Kosten zur Bezahlung des Betrags von 43.839,14 S samt 12 % Zinsen aus 26.866 S verurteilt.

Die Kläger beziehen nach dem verstorbenen Ernst S***** von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter Witwen- bzw Waisenpensionen. Ab April 1980 betrug die Witwenpension der Erstklägerin einschließlich der Wohnungsbeihilfe abzüglich des Krankenversicherungsbeitrags im Monatsdurchschnitt 3.938,92 S, die Waisenpension des Zweit- und Drittklägers belief sich auf je 1.611,98 S.

Mit der am 19. 7. 1982 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehren: a) die Erstklägerin einen Betrag von 100.819,27 S sA (Forderung Firma Ro***** GesmbH und Unterhalt vom 9. 10. 1979 bis 31. 7. 1982) sowie einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.688,30 S ab 1. 8. 1982, b) der Zweitkläger einen Betrag von 67.143,60 S sA (Unterhalt vom 9. 10. 1979 bis 31. 7. 1982) sowie einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.989,44 S seit 1. 8. 1982 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, c) der Drittkläger einen Betrag von 44.352,90 S sA (Unterhalt vom 9. 10. 1979 bis 31. 7. 1982) und einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.314,16 S ab 1. 8. 1982 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit. Außerdem beantragten die Kläger die Feststellung, dass die beklagten Parteien ihnen zur ungeteilten Hand für alle Schäden haften, die ihnen künftig aus dem Titel entgangenen Unterhalts entstehen werden. Zur Begründung brachten die Kläger im Wesentlichen vor, dass sowohl die Republik Österreich als auch das Land Vorarlberg für das schuldhafte und rechtswidrige Organverhalten des Insp. Georg Ra***** hafteten, da die Besatzung des Funkpatrouillenfahrzeugs Agenden der öffentlichen Sicherheitspolizei und der Straßenpolizei zu versehen gehabt habe. Die Anteile der Handlungen des Gend.Insp. Georg Ra***** für die beiden Rechtsträger ließen sich nicht bestimmen, so dass Bund und Land zur ungeteilten Hand hafteten. Der Getötete sei für die Kläger sorgepflichtig gewesen. Sein monatlicher Durchschnittsnettoverdienst habe 23.508,89 S betragen. Die Erstklägerin habe einen Unterhaltsanspruch in der Höhe von 25 %, der Zweitkläger von 16 % und der Drittkläger von 13 % dieses Durchschnittsverdienstes. Die Unterhaltsforderungen errechneten sich aus der Differenz zwischen den Witwen- bzw Waisenpensionen und den Unterhaltsansprüchen. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt sei die Erstklägerin verpflichtet worden, einschließlich von Zinsen und Prozesskosten den Betrag von 43.839,14 S als Entgelt für von ihr bestellte Rollläden an die Firma Ro***** GesmbH zu zahlen.

Die Erstklägerin habe diese Bestellung nur gemacht, weil sie ihr Ehemann Ernst S***** damit beauftragt und ihr zugesagt habe, den Preis dafür zu zahlen. Dazu sei es infolge seines gewaltsamen Todes nicht mehr gekommen.

Die beklagten Parteien beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Die erstbeklagte Partei bestritt die Haftung nur der Höhe nach und wendete zum Feststellungsbegehren Unzulässigkeit des Rechtsweges ein, weil dieses Begehren im Aufforderungsschreiben nicht enthalten gewesen sei. Die zweitbeklagte Partei bestritt die Haftung dem Grunde und der Höhe nach und führte aus, dass das schuldhafte und schadenskausale Organverhalten ihr nicht zugeordnet werden könne, da Gend.Insp. Georg Ra***** im Zeitpunkt der Schadenszufügung funktionell ausschließlich als Organ des Bundes gehandelt habe. Die beklagten Parteien wendeten ein zumindest gleichteiliges Mitverschulden des Getöteten ein, weil das vorsätzliche, rechtswidrige Verhalten von Ernst S***** zumindest im gleichen Umfange zum Erfolg beigetragen habe wie das bloß fahrlässige Verhalten des Gend.Insp. Georg Ra*****. Darüber hinaus machten sie geltend, dass die Unterhaltsforderungen unrichtig berechnet seien und der Höhe nach nicht zu Recht bestünden. Die von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter ausbezahlten Witwen- und Waisenpensionen würden die von Ernst S***** tatsächlich geleisteten Unterhaltszahlungen weit übertreffen, so dass die Kläger keinen Unterhaltsentgang erlitten hätten. Weiters sei zu berücksichtigen, dass die Erstklägerin bereits vor dem Tode des Ernst S***** eine Lebensgemeinschaft eingegangen sei, aus der sie alimentiert werde.

Das Erstgericht wies das Leistungsbegehren ab, das Feststellungsbegehren wies es wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Der am 26. 7. 1952 geborene und am 8. 10. 1979 verstorbene Ernst S***** sei von Beruf Eisenbieger und zuletzt vom 23. 4. bis 5. 10. 1979 bei der Firma I.***** in Lauterach als Eisenlegevorarbeiter tätig gewesen. Während dieses Zeitraums habe er einschließlich Familienbeihilfe, Wohnungsbeihilfe, Trennungszulage, Fahrgeldvergütung, Schmutzzulage und Akkordprämien einen Gesamtnettoverdienst von rund 95.550 S erhalten, sodass sich nach Abzug der Familienbeihilfe von 7.440 S ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von 16.000 S ergebe. Außerdem habe der Dienstgeber an die Bauarbeiterurlaubskasse den Betrag von 14.837 S abgeführt, obwohl Ernst S***** die erforderliche Dienstzeit von 46 Arbeitswochen noch nicht erreicht hatte. Dieser Betrag sei in die Verlassenschaft nach Ernst S***** eingebracht worden; die Firmenunterkunft sei Ernst S***** kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Die Jahre zuvor habe Ernst S***** bei verschiedenen Baufirmen im Raum von Wien, kurze Zeit in Feldkirch, danach einige Monate in Teheran und anschließend wiederum einige Monate in Lustenau gearbeitet; zeitweise sei er arbeitslos gewesen. Das Beweisverfahren habe über das Arbeitseinkommen des Ernst S***** vor seinem Eintritt in die Firma Sc***** keinen hinreichend verlässlichen Aufschluss ergeben. Ernst S***** habe zeitweise auch Schwarzarbeiten verrichtet und dadurch erhebliche Nebenverdienste erzielt. Zusammenfassend sei unter Berücksichtigung der Zeiträume der Arbeitslosigkeit und des Zusatzverdienstes durch Schwarzarbeiten von einem monatlichen Arbeitseinkommen des Ernst S***** von ca 16.000 S netto auszugehen. Ernst S***** habe neben seinem bescheidenen Eigenverbrauch erhebliche Mittel für den Neubau eines Hauses aufgewendet. Gegen Ende Juni 1979 sei zwischen den Ehegatten S***** ein monatlicher Unterhaltsbetrag von 3.000 S für die Erstklägerin und von je 1.500 S für den Zweit- und Drittkläger vereinbart worden.

Die seither von Ernst S***** tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen hätten im Wesentlichen dieser Abmachung entsprochen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Feststellungsbegehren sei zurückzuweisen, weil in Ansehung dieses Teilbegehrens das Aufforderungsverfahren nicht durchgeführt worden sei. Anlass für den Waffengebrauch im Zuge der Verfolgungsjagd sei allein der Verdacht gerichtlich strafbarer Handlungen gewesen. Die Untersuchung mit vorgehaltener Pistole habe der Abwehr der allgemeinen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit von Menschen, der öffentlichen Ruhe und Ordnung gedient. Damit habe Gend.Insp. Georg Ra***** im Zeitpunkt der Schadenszufügung funktionell ausschließlich als Organ des Bundes gehandelt, weshalb das Leistungsbegehren gegen die zweitbeklagte Partei schon aus diesem Grunde unberechtigt sei. Zu Recht habe die erstbeklagte Partei ein Mitverschulden des Getöteten Ernst S***** eingewendet. Dieser habe durch sein festgestelltes Fahrverhalten die Verfolgungsjagd der Gendarmeriebeamten und die Untersuchung unter Bereithaltung der Dienstwaffe schuldhaft ausgelöst. Er habe daher ein Mitverschulden von einem Drittel zu vertreten, das auch die Hinterbliebenen bei Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche gegen sich gelten lassen müssen. Bei der Berechnung des Unterhaltsentgangs sei von dem Ernst S***** zur Zeit seines Todes tatsächlich geleisteten Unterhalt von monatlich 3.000 S für die Erstklägerin und monatlich je 1.500 S für den Zweit- und Drittkläger auszugehen. Der Anspruch sei um die Mitverschuldensquote von einem Drittel zu kürzen, auf den verbleibenden Anspruch seien die vom Sozialversicherungsträger geleisteten Witwen- und Waisenpensionen anzurechnen, sodass den Klägern kein ersatzfähiger Schaden verbleibe. Bei der Erstklägerin wäre außerdem zu berücksichtigen, dass sie durch das Eingehen einer Lebensgemeinschaft ihren gesetzlichen Unterhaltsanspruch verwirkt haben könnte, sodass die von Ernst S***** seit 1. 7. 1979 geleisteten Zuwendungen freiwilliger Natur gewesen seien. Der Anspruch auf Ersatz der an die Firma Ro***** Gesellschaft mbH geleisteten Zahlung finde in § 1327 ABGB keine Deckung. Die gekauften Jalousien seien überdies ohnehin in das Eigentum der Erstklägerin übergegangen.

Das Berufungsgericht gab dem gegen die Entscheidung des Erstgerichts erhobenen Rekurs und der Berufung der Kläger nicht Folge. Zum Anspruch des Drittklägers sprach es aus, dass die Revision zulässig ist. Zum Feststellungsbegehren billigte die zweite Instanz die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Rechtsweg im Hinblick auf die Unterlassung des Aufforderungsverfahrens unzulässig sei. In der Hauptsache verneinte das Berufungsgericht die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens und trat der Beweiswürdigung des Erstgerichts bei. Bei der rechtlichen Beurteilung der Sache trat es dem Erstgericht darin bei, dass Ernst S***** ein Mitverschulden an seinem Tod treffe, das nach ständiger Rechtsprechung auch den Schadenersatzanspruch der Kläger schmälere. In der Ausmessung des Mitverschuldens mit einem Drittel könne eine unrichtige rechtliche Beurteilung zum Nachteil der Kläger nicht erblickt werden. Nach Kürzung durch die Mitverschuldensquote und Anrechnung der von den Klägern bezogenen Witwen- und Waisenpensionen verbleibe kein ersatzfähiger Schaden, zumal es beim Umfang des Ersatzanspruchs nach § 1327 ABGB auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt ankomme. Es könne dann dahin gestellt bleiben, ob der Erstklägerin ein Ersatzanspruch wegen entgangenen Unterhalts schon deshalb nicht zustehe, weil sie durch Eingehen einer Lebensgemeinschaft ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird von den Klägern mit Rekurs und Revision bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Da das Gericht zweiter Instanz den Beschluss des Erstgerichts über die Zurückweisung des Feststellungsbegehrens bestätigte, ist der (Revisions-)Rekurs gegen diese Entscheidung gemäß § 528 Abs 1 Z 1 ZPO unzulässig und daher zurückzuweisen. Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Es ist zunächst der Rechtsansicht des Erstgerichts zu folgen, dass der gegen die zweitbeklagte Partei erhobene Schadenersatzanspruch schon deshalb nicht gerechtfertigt ist, weil ab dem Zeitpunkt, zu dem die durch das Verhalten des Ernst S***** bewirkte Verkehrsgefährdung beendet und eine Fortsetzung seiner Fahrt nicht mehr möglich war, keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Waffengebrauch durch Georg Ra***** wegen der durch Ernst S***** gesetzten Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung erfolgte. Der Waffengebrauch während der von den Gend.Beamten durchgeführten Verfolgung, Anhaltung und der dann folgenden Perlustrierung Ernst S*****s, bei der sich der tödliche Schuss aus der Dienstpistole Georg Ra***** löste, erfolgte vielmehr nicht nur nach den Tatsachenfeststellungen, sondern auch nach den objektiv zu wertenden äußeren Umständen deshalb, weil die Gendarmeriebeamten Ernst S***** als flüchtigen Straftäter (Schwerstkriminellen) und als allgemein gefährliche Person ansahen und auch ansehen mussten, hatte Ernst S***** doch auch während seiner Flucht mehrere gerichtlich strafbare Handlungen begangen. Der Waffengebrauch während der Festnahme und Perlustrierung Ernst S*****s und die gesetzwidrigen Folgen dieses Waffengebrauchs sind daher funktionell nur mehr der erstbeklagten Partei zuzuordnen (so schon 1 Ob 44/83).

Aber auch der gegen die erstbeklagte Partei erhobene Ersatzanspruch ist nicht gerechtfertigt. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung nicht als gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanzen ist zutreffend. Insbesondere ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, dass Ernst S***** ein erhebliches Mitverschulden an seinem Tod anzulasten ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Schaden, wenn der Angriff des Schädigers durch den Verletzten provoziert oder sonst durch sein Verhalten ausgelöst wurde, zu teilen (EvBl 1972/219; SZ 32/24; JBl 1958, 364; SZ 24/214). Voraussetzung für die Anwendung des § 1304 ABGB ist, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Schadenszurechnung, insbesondere Kausalität und Adäquanz des Geschehensablaufs auch auf Seiten des Geschädigten gegeben sind; die Rechtswidrigkeit des Verhaltens kann fehlen, anstelle des Verschuldens kann die Sorglosigkeit gegenüber eigenen Rechtsgütern treten (ZVR 1982/317; SZ 54/85, SZ 51/188 ua; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht² I 236, 237, 238). Ernst S***** hatte sich so verhalten, dass die ihn verfolgenden Gendarmeriebeamten annehmen konnten, es handle sich um einen flüchtigen Straftäter, jedenfalls aber um einen Schwerstkriminellen; diese Annahme war um so mehr gerechtfertigt, als er auf seiner Flucht auch mehrere gerichtlich strafbare Handlungen begangen hatte. Die Tötung war, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, eine durchaus adäquate Folge dieses rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens, weil die intervenierenden Gendarmeriebeamten, obwohl Ernst S***** sein Fahrzeug freiwillig verlassen und keinen Widerstand geleistet hatte, mit einer Fortsetzung des gewalttätigen Verhaltens rechnen mussten. Die Perlustrierung mit vorgehaltener und entsicherter Pistole war dann kein Verhalten der Gendarmeriebeamten, mit dem nach menschlicher Erfahrung nicht gerechnet werden musste. Die Ausmessung des Mitverschuldens Ernst S*****s mit einem Drittel ist bei der gegebenen Sachlage jedenfalls nicht zum Nachteil der Kläger erfolgt (vgl JBl 1967, 320). Die Kläger als mittelbar Geschädigte müssen sich nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung das Mitverschulden des unmittelbar Geschädigten anrechnen lassen (JBl 1981,265; ZVR 1980/330; ZVR 1978/79; ZVR 1977/263; JBl 1975, 155; Koziol aaO 255).

Bei der Berechnung des den Hinterbliebenen zustehenden Schadenersatzanspruchs nach § 1327 ABGB ist nach überwiegender Rechtsprechung auf den tatsächlichen wirtschaftlichen Nachteil des Hinterbliebenen abzustellen (ZVR 1983/17; ZVR 1982/28) und daher davon auszugehen, was der Unterhaltsverpflichtete dem nach dem Gesetz Unterhaltsberechtigten tatsächlich an Unterhalt geleistet hat und allenfalls in Zukunft geleistet hätte (ZVR 1980/323). Der bei Hinterbliebenen eingetretene Schaden beträgt demnach unter Anwendung der Differenzmethode so viel, wie der ohne Tötung ihnen tatsächlich zukommende Unterhalt betragen hätte (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht² II 156). Gelegentlich wurde in der Rechtsprechung der Standpunkt vertreten, dass auf die tatsächliche Unterhaltsleistung nur dann abzustellen ist, wenn der Getötete nicht weniger geleistet hat, als seiner gesetzlichen Verpflichtung entsprochen hat (ZVR 1979/181; 2 Ob 79/81), eine Berechnungsmethode, die auch Koziol aaO II 156 grundsätzlich für vertretbar erachtet. Auch in diesem Falle verbliebe aber für den Drittkläger, der einen Unterhaltsanspruch in der Höhe von 13 % des Nettoeinkommens Ernst S*****s als angemessen erachtet, unter Berücksichtigung des Mitverschuldens Ernst S*****s im Ausmaß von einem Drittel und bei Anrechnung der Waisenpension kein ersatzfähiger Schaden. Gleiches gilt für den Ersatzanspruch der Erstklägerin, selbst wenn man, ihrer Berechnung folgend, einen ihr zustehenden Anspruch von 25 % des Nettoeinkommens des Getöteten annehmen wollte. Es kann dann, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, dahingestellt bleiben, ob der Erstklägerin im Hinblick auf die Aufnahme der Lebensgemeinschaft mit Rudolf G***** überhaupt ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch zustand. Was den Zweitkläger betrifft, so fehlen Behauptungen, dass von ihm ein Unterhaltsanspruch in der Höhe von 16 % des Nettoeinkommens des Ernst S*****s begehrt und zuerkannt worden wäre. Diese Behauptung wäre erforderlich gewesen, wenn der Zweitkläger nicht den tatsächlich geleisteten, sondern einen ihm angeblich zustehenden Unterhalt im Ausmaß von 16 % des Nettoeinkommens Ernst S*****s der Schadensberechnung zugrunde legen wolle.

Was die Forderung der Erstklägerin auf Ersatz des Betrages von 43.839,14 S (Zahlung an Ro***** Gesellschaft mbH) betrifft, so ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die Bestimmung des § 1327 ABGB nach herrschender Auffassung eine erschöpfende Aufzählung der bei Tötung entstehenden Ansprüche Dritter enthält (ZVR 1980/240; ZVR 1979/137; SZ 44/39; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht² II 146), sodass diese Bestimmung keine Grundlage für den Ersatz des an die Firma Ro***** Gesellschaft mbH geleisteten Betrags bilden kann. Selbst wenn man zugrunde legen wollte, dass der Erstklägerin ein Anspruch auf Ersatz dieses Betrags gegen Ernst S***** zustand, läge doch nur ein nicht ersatzfähiger Drittschaden vor.

Demzufolge erweist sich die Revision als nicht gerechtfertigt, sodass ihr der Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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