European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00509.840.0216.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 19.691,89 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.571,99 S an USt und 2.400 S an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Kläger begehren die Zahlung eines Betrags von je 333.333,33 S sA und bringen vor, sie seien zu je einem Drittel Eigentümer der Liegenschaft EZ 527,KG *****, mit dem Haus *****. Die Beklagte sei Alleineigentümerin der angrenzenden Liegenschaft EZ 112, KG *****, und errichte auf dieser eine Wohnhausanlage. In dem Vertrag vom 27. Juni 1979 hätten sich die Kläger verpflichtet, der Beklagten durch eine Widmungsänderung hinsichtlich ihrer Liegenschaft auf Bauklasse 2 bei geschlossener Bauweise und eine Verlegung der inneren Baufluchtlinie eine bessere Verbaubarkeit ihrer Liegenschaft zu ermöglichen, wozu die Zustimmung der Kläger notwendig gewesen sei. Für die der Beklagten dadurch entstehenden Vorteile und zur Abgeltung der den Klägern erwachsenden Nachteile habe sich die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 1.000.000 S an die Kläger verpflichtet. Dieser Betrag sei vereinbarungsgemäß am 31. Dezember 1980 zur Zahlung fällig gewesen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage und wendet ein, ihr Vertragspartner sei der Vater der Kläger, Franz K***** sen, gewesen. Sie habe sich verpflichtet, diesem den Betrag von 1.000.000 S zu bezahlen. Die beklagte habe gegen Franz K***** sen Gegenforderungen, die sie bis zur Höhe der Klageforderung aufrechnungseise einwende. Gemäß Punkt II des Kaufvertrags vom 12. Jänner 1979 habe die Beklagte von Franz K***** sen die Liegenschaften EZ 112, 1914 und 1961 je der KG ***** samt allem rechtlichen und physischen Zubehör erworben. Franz K***** sen habe vertragswidrig Zubehör im Wert von zumindest 850.000 S entfernt. Die Kläger hätten ihn dabei unterstützt und hafteten daher deliktisch für diese Mitwirkung am Vertragsbruch. Der Beklagten seien darüber hinaus erhebliche Mehrkosten durch wiederholte Unterbrechungen der Abbrucharbeiten entstanden, die ihren Grund in der vertragswidrigen Verhaltensweise (auch) der Kläger gehabt hätten.
Die Kläger haben die eingewendeten Gegenforderungen bestritten.
Mit Urteil vom 2. April 1982, ON 8, erkannte das Erstgericht, dass die eingeklagte Forderung zu Recht, die Gegenforderungen der Beklagten dagegen nicht zu Recht bestehen und gab daher der Klage statt. Ausgehend von seinen Feststellungen AS 74 bis 82 vertrat es rechtlich die Ansicht, die Vereinbarung vom 27. Juni 1979 sei zwischen den Klägern und der Beklagten abgeschlossen worden; die Beklagte habe sich hiebei zu Zahlungen an die Kläger verpflichtet. Die Berechtigung der Gegenforderung sei nicht zu prüfen, weil es an dem erforderlichen Tatsachenvorbringen der Beklagten fehle. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts (ON 13). Der Oberste Gerichtshof vertrat entgegen der Meinung der Vorinstanzen die Ansicht, die Berechtigung der Gegenforderung sei zu prüfen. Er hob deshalb beide Urteile auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück (ON 17).
Im zweiten Rechtsgang beantragten die Kläger die Fällung eines Teilurteils über den Klageanspruch (AS 138).
Das Erstgericht fällte das beantragte Teilurteil und vertrat die Ansicht, dass dieses gemäß § 391 Abs 3 ZPO zulässig sei, weil zwischen der auf ein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen gestützten Klageforderung und den aus einem mit diesem Vertragsverhältnis in keinerlei Zusammenhang stehenden deliktischen Verhalten der Kläger abgeleiteten Gegenforderungen kein rechtlicher Zusammenhang bestehe. Der von der Beklagten behauptete Umstand, dass die Einbringung der Gegenforderung gefährdet sei, rechtfertige nicht die Verweigerung eines Teilurteils.
Das Berufungsgericht bestätigte das Teilurteil des Erstgerichts. Gemäß § 391 Abs 3 ZPO sei die Fällung eines Teilurteils über die Klageforderung zulässig, wenn zwischen dieser und der eingewendeten Gegenforderung kein rechtlicher Zusammenhang bestehe. Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen der Gegenforderung und der Klageforderung sei gegeben, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag, einer einzigen gesetzlichen Vorschrift, einem einheitlichen Rechtsverhältnis oder aus einem einheitlichen, unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Sachverhalt abgeleitet werden. Ein rechtlicher Zusammenhang sei auch anzunehmen, wenn zwischen den beiden Ansprüchen ein inniger wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe, der die Durchsetzung des Anspruchs ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch als Treu und Glauben widersprechend erscheinen ließe. Im vorliegenden Fall aber würden die Klageforderung und die Gegenforderung weder aus einem einheitlichen Vertrag, noch aus einer einzigen gesetzlichen Vorschrift, aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis oder einem einheitlichen, unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Sachverhalt hergeleitet und es bestehe auch nicht der von der Rechtsprechung geforderte innere wirtschaftliche Zusammenhang. Konnexität in diesem Sinn sei gegeben, wenn Anspruch und Gegenanspruch zwar verschiedenen Rechtsverhältnissen entspringen, nach dem Zweck und der Verkehrsanschauung aber wirtschaftlich als ein Ganzes erscheinen. Die Klageforderung und die Gegenforderung würden nicht aus demselben wirtschaftlichen Verhältnis abgeleitet; denn die Klageforderung stelle ein Entgelt für die Beeinträchtigung der Liegenschaft der Kläger durch die Verbauung der Nachbarliegenschaft der Beklagten dar, die Gegenforderung werde auf den Titel des Schadenersatzes im Zusammenhang mit der Räumung dieser Nachbarliegenschaft gestützt. Die Räumung der Liegenschaft habe nichts damit zu tun, in welcher Art und Weise die Liegenschaft verbaut werden soll. Es könne auch nicht gesagt werden, dass die Parteien mehrere Rechtsgeschäfte (nämlich die Vereinbarung über die Räumung der Liegenschaft und die Vereinbarung über die Bezahlung eines Entgelts für die Zustimmung zur Änderung der Bauklasse) von vornherein derart zusammengefasst haben, dass sie als innere Einheit untrennbar wären. Nicht jeder zeitliche und örtliche Zusammenhang begründe ein Gesamtverhältnis, das nach der Verkehrsanschauung wirtschaftlich als ein Ganzes anzusehen sei. In der Rechtsprechung sei im Übrigen stets ein Teilurteil als zulässig angesehen worden, wenn der Forderung aus einem Vertrag eine Gegenforderung aus dem Titel des Schadenersatzes wegen eines deliktischen Verhaltens entgegengehalten worden sei. Mangels Konnexität im Sinne des § 391 Abs 3 ZPO sei daher die Erlassung eines Teilurteils zulässig gewesen.
Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichts mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Teilurteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuen Entscheidung unter Abstandnahme von der Fällung eines Teilurteils an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht habe die Frage, ob ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliege, zu wenig, und die Frage, ob es Treu und Glauben widersprechen würde, die Kläger ihren Anspruch ohne Berücksichtigung der Gegenforderung der Beklagten durchsetzen zu lassen, überhaupt nicht untersucht. Es gebe eine Hauptvereinbarung, nämlich den Kaufvertrag vom 12. Jänner 1979 (Beilage ./2), um die sich mehrere Nebenvereinbarungen gruppierten, wobei der Klageanspruch aus der Nebenvereinbarung vom 27. Juni 1979 (Beilage ./11) und die Gegenforderung aus der Hauptvereinbarung und einer Nebenvereinbarung vom gleichen Tag (Beilage ./5) abgeleitet werde. Alle Vereinbarungen gehörten daher einer einzigen wirtschaftlichen Transaktion, also einem einzigen Lebenssachverhalt an, nämlich dem Verkauf eines Teils des Liegenschaftskomplexes EZ 112, 1914, 1961 und 567 je der KG ***** an die Beklagte. Teil dieser Transaktion sei sowohl die Entgeltsvereinbarung vom 27. Juni 1979, die praktisch eine Erhöhung des Kaufpreises darstelle, als auch die Räumung der kaufgegenständlichen Liegenschaft und die damit zusammenhängenden Vereinbarungen, Vertragsverletzungen und deliktischen Handlungen. Der Kaufvertrag vom 12. Jänner 1979 mit allen Nebenvereinbarungen und die daraus abgeleiteten Schadenersatzforderungen seien ein wirtschaftliches Ganzes. Die Nebenvereinbarung vom 27. Juni 1979 wäre nicht als Nebenvereinbarung geschlossen, sondern in den Kaufvertrag vom 12. Jänner 1979 aufgenommen worden, wäre damals schon bekannt gewesen, dass die ursprünglich geplante Verbauung der Liegenschaft nicht realisiert werden könne. Sie sei nur deshalb mit den Klägern und nicht mit ihrem Vater, dem Verkäufer, zustande gekommen, weil dieser unmittelbar nach Abschluss des Kaufvertrags vom 12. Jänner 1979 die ihm verbliebene Restliegenschaft seinen Kindern – unter Vorbehalt des Fruchtgenusses für sich und seine Frau – geschenkt habe. Dieser Umstand vermöge den wirtschaftlichen Zusammenhang nicht zu stören. Der Grundsatz von Treu und Glauben verbiete es, einen einzelnen Anspruch aus den vielfältigen Beziehungen herauszugreifen und diesen isoliert von den Gegenansprüchen durchzusetzen, zumal dann, wenn dadurch eine Vermögensverschiebung bewirkt werde, die angesichts der Vermögenslosigkeit der Kläger nach einem die Klage abweisenden Endurteil nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte eine Einklagung ihrer Gegenforderung im Vertrauen darauf unterlassen habe, dass sie diese im Wege der Aufrechnung werde befriedigen können.
Der Oberste Gerichtshof vermag sich den Ausführungen der Beklagten nicht anzuschließen.
Das Berufungsgericht hat in ausführlicher und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entsprechender (vgl SZ 52/90) Weise die Voraussetzungen dargelegt, unter denen die Fällung eines Teilurteils über die Forderung der Kläger nach § 391 Abs 3 ZPO, zulässig ist. Wenn die Beklagte hervorhebt, dass der Kaufvertrag vom 12. Jänner 1979 (Beilage ./2) die Zusatzvereinbarung vom gleichen Tag (Beilage ./5) und die Vereinbarung vom 27. Juni 1979 (Beilage ./11) letztlich einer einzigen wirtschaftlichen Transaktion angehören, ist ihr gewiss beizupflichten. Ein bloß tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang von Klageforderung und Gegenforderung reicht allerdings nicht aus, um die Fällung eines Teilurteils im Sinne des § 391 Abs 3 ZPO unzulässig zu machen (6 Ob 682/77). Dazu kommt, dass es sich bei dem Klageanspruch keineswegs – wie in der Revision ausgeführt wird – „praktisch“ um „eine Erhöhung des Kaufpreises“ handelt, sondern um eine Abgeltung für die Beeinträchtigung der (zufällig) im Eigentum der Kläger stehenden Nachbarliegenschaft durch die Verbauung der von der Beklagten mit Vertrag vom 12. Jänner 1979 erworbenen Liegenschaft, und dass auch die Gegenforderung der Beklagten nicht auf die Zusatzvereinbarung vom 12. Jänner 1979, Beilage ./5, sondern auf deliktische Handlungen der Kläger gestützt wird. Würde die Klageforderung tatsächlich einen Teil des Kaufpreises bilden und die Gegenforderung auf einer Verletzung der Räumungsverpflichtung beruhen, wäre an einem rechtlichen Zusammenhang der beiden Ansprüche im Sinne des § 391 Abs 3 ZPO nicht zu zweifeln. Bei dem mehrfach dargestellten Sachverhalt aber können die beiden Ansprüche keinesfalls aus einem einheitlichen, unter einem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu beurteilenden Sachverhalt hergeleitet werden. Sie beruhen vielmehr auf durchaus verschiedenartigen Sachverhalten, und ihre rechtliche Beurteilung hat auch nicht unter dem gleichen rechtlichen Gesichtspunkt zu erfolgen (vgl 6 Ob 510/78). Entsprechend der Verschiedenheit der beiden Ansprüche und ihrer rechtlichen Grundlagen kann auch nicht gesagt werden, es bestehe zwischen ihnen ein innerer wirtschaftlicher Zusammenhang – wie er von der Rechtsprechung etwa dann angenommen wird, wenn Hauptforderung und Gegenforderung aus demselben Verkehrsunfall abgeleitet werden –, sodass es Treu und Glauben widerspräche, wenn der Anspruch ohne Berücksichtigung der Gegenforderung durchgesetzt würde (JBl 1962, 639, SZ 52/90, 8 Ob 209/63 ua; Baumbach‑Lauterbach‑Albers‑Hartmann , Kurzkomm z ZPO 41 766, ähnlich Stein‑Jonas , Komm z ZPO 19 II 1233).
Den Ausführungen der Beklagten, dass das Teilurteil die Kompensation mit ihrer Gegenforderung verhindere, ist entgegenzuhalten, dass im Falle einer Exekutionsführung die Möglichkeit einer Exekutionsaufschiebung besteht ( Fasching III, 586, JBl 1952, 347; JBl 1980/548).
Mit Recht haben daher die Vorinstanzen die Zulässigkeit eines Teilurteils angenommen. Die Revision erweist sich deshalb als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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