OGH 11Os106/83

OGH11Os106/8328.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Eier als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 und 4, erster Fall, StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 29. September 1982, AZ Bl 75/81, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Hauptmann, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Steinpach, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Johann A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 und 4, erster Fall, StGB, AZ U 646/77 des Bezirksgerichtes Bregenz, wurde durch das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 29. September 1982, AZ Bl 75/81 (GZ U 646/77-87), insoweit es die Höhe des Tagessatzes höher als im Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 27. November 1978, GZ U 646/

77-36, nämlich mit 500 S gegenüber 250 S, bestimmt, das Gesetz in der Bestimmung des § 477 Abs 2 StPO verletzt.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch über die Höhe des Tagessatzes aufgehoben und gemäß dem § 292 StPO in Verbindung mit dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst dahin erkannt, daß die Höhe des Tagessatzes mit 250 S bestimmt wird.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 27. November 1978, GZ U 646/77-36, wurde unter anderen der am 11. April 1939 geborene Tiefbaupolier Johann A wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 und 4, erster Fall, StGB schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 250 S (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage) verhängt.

Gegen dieses Urteil, welches die Staatsanwaltschaft nicht bekämpfte, erhob der Angeklagte A Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Das angefochtene Urteil wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 4. Juli 1979, AZ Bl 55/79

(ON 44 des Aktes), aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Ein hierauf im zweiten Rechtsgang vom 18. Feber 1981 ergangener Freispruch des Johann A gemäß dem § 259 Z 3 StPO (ON 67) wurde vom Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht mit dem Urteil vom 29. September 1982, AZ Bl 75/81 (ON 87 des Aktes), über Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch nach Wiederholung des Beweisverfahrens aufgehoben; unter einem erkannte das Berufungsgericht den Angeklagten Johann A des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 1 und 4, erster Fall, StGB schuldig und verhängte über ihn eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen (Ersatzfreiheitsstrafe 20 Tage), wobei die Höhe des Tagessatzes nunmehr mit 500 S bestimmt wurde. In der Urteilsbegründung führte das Landesgericht aus, daß das Verschlimmerungsverbot lediglich für die Anzahl der Tagessätze, nicht jedoch für deren Höhe gelte; der Tagessatz sei gemäß dem § 19 Abs 2 StGB nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechtsbrechers im Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz zu bemessen; da es sich bei einem nach Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Sache selbst ergehenden Berufungsurteil sinngemäß um eine vorweggenommene erstinstanzliche Entscheidung handle, sei in einem solchen Fall bei Bemessung der Höhe des Tagessatzes auf den Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung abzustellen; das Strafübel sei im Hinblick auf die gegenüber dem 27. November 1978 verbesserte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten und den mittlerweiligen Wegfall einer Sorgepflicht nicht größer als zum Zeitpunkt des bezirksgerichtlichen Urteils vom 27. November 1978. Das zuletzt angeführte Berufungsurteil steht mit dem Gesetz nicht in Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß dem § 477 Abs 2 StPO darf der Gerichtshof bei Entscheidung über eine lediglich zugunsten des Angeklagten ergriffene Berufung keine strengere Strafe gegen ihn verhängen, als das erste Urteil ausgesprochen hat.

Dieses Verbot der reformatio in peius gilt nicht nur für die Berufungsinstanz, sondern auch für jenes Gericht, an welches die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde (Erl. I zu § 477 StPO bei Foregger-Serini MKK3), und ebenso für den Gerichtshof, der über die Berufung gegen das im zweiten Rechtsgang gefällte Urteil zu entscheiden hat. Dies steht nicht im Widerspruch zur vom Landesgericht Feldkirch angestellten Erwägung, daß die nach Aufhebung des angefochtenen Urteils durch das Berufungsgericht in der Sache selbst gefällte Entscheidung als Vorwegnahme des Urteils erster Instanz anzusehen ist, welches bei Anordnung eines weiteren Rechtsganges zu fällen gewesen wäre (SSt 46/18; RZ 1977/45);

ergibt sich doch auch aus der Gleichsetzung des gemäß dem § 476 StPO ergehenden Erkenntnisses des Berufungsgerichtes mit einem in erster Instanz nach Verfahrenserneuerung geschöpften Urteil, daß das Verschlimmerungsverbot für beide Instanzen gleichermaßen Gültigkeit hat.

Der Ansicht des Landesgerichtes Feldkirch zuwider wird die Wirksamkeit dieses prozeßrechtlichen Verbots nicht durch die materiellrechtliche Vorschrift des § 19 Abs 2

StGB eingeschränkt, welche lediglich die für die Bemessung des Tagessatzes im allgemeinen maßgeblichen Umstände anführt. Zudem geht gerade aus dieser Bestimmung hervor, daß die Höhe des Tagessatzes eine selbständige Strafkomponente ist (ÖJZ-LSK 1976/323 = EvBl 1977/106). Daß das Verschlimmerungsverbot aber nur eine Komponente der Geldstrafe betreffen soll, läßt sich aus § 477 Abs 2 StPO keineswegs entnehmen.

Durch Verhängung einer hinsichtlich der Höhe des Tagessatzes (und auch in Ansehung des Gesamtbetrages) im Vergleich zum Strafausspruch im ersten Rechtsgang strengeren Geldstrafe wurde das Gesetz daher zum Nachteil des Angeklagten verletzt.

Der Feststellung dieser Gesetzesverletzung war konkrete Wirkung zu verleihen und die Höhe des Tagessatzes neu zu bestimmen. Der Oberste Gerichtshof erachtete dabei einen Tagessatz von 250 S in Anbetracht der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten A als keinesfalls überhöht.

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