OGH 6Ob516/83

OGH6Ob516/8319.5.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria F*****, vertreten durch Dr. Herwig Medwed, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Rudolf F*****, vertreten durch Dr. Günther Karpf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterhalts, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 26. November 1982, GZ 1 R 428/82-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 29. Juli 1982, GZ 19 C 85/80-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.704,26 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 644,76 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile besteht aufrecht, doch hat die Klägerin die Ehewohnung verlassen.

Sie begehrte zuletzt (AS 353) einen monatlichen Unterhalt von 6.000 S vom 1. 12. 1979 bis 13. 7. 1982 und von 12.000 S seit 14. 7. 1982 sowie einen weiteren Betrag von 65.770 S als Sonderaufwand im Rahmen der Unterhaltspflicht des Beklagten für Kuraufenthalte.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung, wobei er behauptete, die Klägerin habe infolge wiederholten Ehebruchs und mehrfacher Verletzung der ehelichen Treue den Unterhaltsanspruch verwirkt. Außerdem habe sie ihn grundlos verlassen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten zu Unterhaltsleistungen von monatlich 6.000 S vom 1. 12. 1979 bis 13. 7. 1982 sowie von monatlich 8.000 S seit 14. 7. 1982 schuldig, wies indessen das Mehrbegehren ab. Es traf nachstehende Feststellungen:

Bis „etwa 1980“ lebte die Klägerin mit dem Beklagten in häuslicher Gemeinschaft und führte bis dahin auch den gemeinsamen Haushalt. Erst im Mai 1981 (am Muttertag) zog sie endgültig aus. Die Ursache waren jahrelange Streitigkeiten zwischen den Eheleuten, in deren Verlauf es auch zu Misshandlungen der Klägerin durch den Beklagten gekommen war. Die Klägerin hatte deshalb in seiner Gegenwart an Angstzuständen gelitten. Überdies verdächtigte sie den Beklagten ehewidriger Beziehungen zu Ingrid J*****, die in seinem Hause in Klagenfurt gewohnt und dort mit der Tochter der Streitteile, Maria, im Schuljahr 1979/80 einen gemeinsamen Haushalt geführt hatte. Maria F***** jun verweigerte im Scheidungsstreit 23 Cg 33/82 des Landesgerichts Klagenfurt die Beantwortung der Frage, ob der Beklagte ehebrecherische oder ehewidrige Beziehungen zu Ingrid J***** unterhalte. Sie sagte dort auch aus, sie wisse nicht, ob ihr Vater zu anderen Frauen ehewidrigen Beziehungen pflege.

Als die Klägerin am Tage ihres Auszugs noch einmal in den Nachtstunden in die Ehewohnung zurückgekehrt war, um Kleidungsstücke abzuholen, hatte sie der Beklagte in die Wohnung gesperrt. Sie hatte daraufhin die Wohnung durch ein Fenster verlassen müssen.

Der Ehe entstammen vier Kinder; für drei von ihnen muss der Beklagte noch sorgen. Die am 27. 6. 1961 geborene Tochter Maria legte erst 1982 die Reifeprüfung ab. Sie beabsichtigt, zu studieren, und lebt derzeit ohne eigenes Einkommen beim Vater. Der älteste Sohn der Streitteile Rudolf, ist „invalid“ und schon Pensionist. Außerdem leistet ihm der Beklagte einen monatlichen Unterhalt von 1.400 S. Der 18-jährige Franz besucht die Höhere Technische Lehranstalt in Mödling; für ihn erbringt der Beklagte seit 1981 keinen Unterhalt mehr. Der 14-jährige Gerald besucht die Hauptschule und lebt beim Vater.

Der Beklagte ist Holzhändler und Sägewerksbesitzer. Ein Gasthaus und eine Tankstelle hat er verpachtet. Er ist des weiteren Eigentümer mehrerer Liegenschaften. Die Liegenschaft EZ ***** KG *****, auf der sich das Wohnhaus mit der Ehewohnung, eine Garage mit Zubau, ein Rasthaus, eine Holzhalle, ein Spänesilo, ein Bürotrakt und eine Tankstelle befinden, hat einen Verkehrswert von 6.250.996 S. Der Wert der übrigen Liegenschaften - darunter die Liegenschaften EZ ***** KG ***** mit der Sägehalle und EZ ***** KG ***** V. Bezirk (Wohn- und Geschäftshaus in der G*****gasse) - beträgt insgesamt 2.230.278 S. Einschließlich des Betriebsvermögens und abzüglich der Betriebsschulden beläuft sich das Reinvermögen des Beklagten auf 9.488.447,65 S.

Ohne Beeinträchtigung seines Einkommens könnte der Beklagte die Liegenschaften EZ ***** und EZ ***** je KG *****, EZ ***** KG ***** und EZ ***** KG ***** V. Bezirk veräußern, weil sie keinerlei Erträge abwerfen. Die letztgenannte Liegenschaft, die der Beklagte 1978 bei einer Zwangsversteigerung erworben hatte, erforderte 1980 Aufwendungen von 105.838,20 S, während sie bloß Erträge von 28.518,52 S abwarf, sodass sich sein Einkommen im Falle der Veräußerung dieser Liegenschaft jährlich um den Betrag des Betriebsabgangs erhöhen würde.

Das frei verfügbare Einkommen des Beklagten betrug 1979 103.150,91 S und 1980 379.966,89 S; 1981 war es um etwa 60.000 S geringer. Die Klägerin hat selbst kein Einkommen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, der Beklagte sei seiner Unterhaltspflicht iSd § 94 Abs 2 2. Fall ABGB nicht ausreichend nachgekommen, dass die Klägerin den Unterhaltsanspruch verwirkt hätte, sei nicht hervorgekommen. Sie habe zwar den Beklagten verlassen, doch sei dies seinem Verhalten zuzuschreiben gewesen. Seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse rechtfertigten unter Bedachtnahme auf seine Sorgepflichten einen monatlichen Unterhalt von 8.000 S. Nicht berechtigt sei hingegen der von der Klägerin geltend gemachte Sonderbedarf (Kuraufenthalte).

Das Gericht zweiter Instanz gab der lediglich vom Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Es verneinte die behaupteten Verfahrensmängel, übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Beklagte könne die Unterhaltsbemesssungsgrundlage durch bloß vermögensbildende Maßnahmen nicht zum Nachteil der Klägerin schmälern. Er sei deshalb verpflichtet, das Haus in Klagenfurt, mit dessen Eigentum ein erheblicher Gebarungsabgang verbunden sei und das zudem mit seinem Unternehmen in keinem Zusammenhang stehe, zu veräußern, seiner Unterhaltsverpflichtung entsprechen zu können. Schon dann aber wäre er ohne weiteres in der Lage, den über den Betrag von 5.000 S (das ist der einstweilige Unterhalt) hinausgehenden monatlichen Unterhalt zu erbringen. Der zuerkannte Betrag sei zur Bestreitung der Bedürfnisse der Klägerin erforderlich, weil sie eine eigene Wohnung anschaffen und erhalten müsse, nachdem der Beklagte ihr den Aufenthalt in der Ehewohnung verleidet habe.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinn der Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Vorerst ist die Zulässigkeit der Revision zu prüfen, weil gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts ein weiterer Rechtszug unzulässig ist, soweit über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden wurde (§ 502 Abs 2 Z 1 ZPO). Ob und inwieweit die angefochtene Entscheidung die Unterhaltsbemessung betrifft, ist dem Inhalt der Entscheidung zu entnehmen; aus dem Inhalt des Rechtsmittels ist abzuleiten, inwieweit zum Bemessungskomplex gehörige Fragen bekämpft werden. Zu diesen zählen die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (EFSlg 39.232, 34.463 uva). Dass die Vorinstanzen über die für die Bemessung erheblichen Umstände - etwa auch die Sorgepflichten des Beklagten - überhaupt keine Feststellungen getroffen hätten, und damit von einer bloßen Bemessungsfrage nicht mehr gesprochen werden könnte (SZ 49/95 ua), trifft nicht zu; die Vorinstanzen haben vielmehr die Sorgepflichten des Beklagten für die ehelichen Kinder festgestellt und auch rechtlich gewürdigt. Soweit der Beklagte in diesem Belange andere Feststellungen wünscht, geht er von einem urteilsfremden Sachverhalt aus und bekämpft in Wahrheit die irrevisible Beweiswürdigung. Im Übrigen beinhalten diese Ausführungen zum Teil auch unbeachtliche Neuerungen. Die Behauptung, den Vorinstanzen seien bei der Berücksichtigung der weiteren Sorgepflichten Feststellungsmängel unterlaufen, kann vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden (EFSlg 36.769).

Dagegen ist die Entscheidung über eine behauptete Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht zur Bemessungsfrage zu rechnen. Gerade gegen die diesbezügliche Beurteilung durch die Vorinstanzen wendet sich der Beklagte unter anderem. Deshalb ist seine Revision zulässig. Dessen ungeachtet bleibt jedoch dem Obersten Gerichtshof die Prüfung von Bemessungsfragen verwehrt, weil er damit auch im Rahmen einer zulässigen Revision nicht befasst werden darf (EFSlg 39.228 ua).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die der Beklagte in erster Linie in der unrichtigen Anwendung der Bestimmung des § 179 Abs 1 S 2 ZPO durch beide Vorinstanzen erblickt, liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mit der Rechtsrüge bekämpft der Beklagte - soweit er nicht ohnehin die seiner Ansicht nach ungenügende Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflichten bemängelt und damit eine Bemessungsfrage aufwirft, die der Prüfung durch das Revisionsgericht entzogen ist - lediglich die Unterlassung von Feststellungen über die von ihm behaupteten Ehebrüche der Klägerin aufgrund seiner Parteiaussage. Dabei übersieht er, dass das Erstgericht das diesbezügliche Vorbringen gemäß § 179 Abs 1 ZPO für unstatthaft erklärt hat; dieses Vorbringen, das allein Urteilsgrundlage sein könnte, konnte durch die Parteiaussage des Beklagten nicht ersetzt werden.

Da die Rechtsrüge somit bloß unzulässige Ausführungen enthält, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, in die allseitige rechtliche Prüfung des festgestellten Sachverhalts einzutreten.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

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