OGH 2Ob273/82

OGH2Ob273/8212.4.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Scheiderbauer sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Friedrich K*****, vertreten durch die Mutter Elisabeth K*****, diese vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wider die beklagten Parteien 1. Josef F*****, 2. W*****-Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Folk, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen 580.000 S und 334.568 S, infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. September 1982, GZ 5 R 123/82-53, womit infolge Berufung aller Parteien das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 12. Mai 1982, GZ 7 Cg 31/80-45, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Revisionen wird teilweise Folge gegeben.

Die unterinstanzlichen Urteile werden dahin abgeändert, dass das erstgerichtliche Endurteil wie folgt zu lauten hat:

Die beklagten Parteien haben dem Kläger zur ungeteilten Hand einen Betrag von 344.568 S samt 4 % Zinsen aus 300.000 S vom 23. 1. 1980 bis 21. 4. 1981, aus 250.000 S vom 22. 4. 1981 bis 5. 11. 1981, aus 317.068 S vom 6. 11. 1981 bis 22. 1. 1982 und aus 344.568 S ab 23. 1. 1982 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Unter Einbeziehung des Teilanerkenntnisurteils vom 10. 6. 1980 wird festgestellt, dass die beklagten Parteien dem Kläger für alle aus dem Unfall vom 5. 4. 1979 entstehenden Schäden im Ausmaß von zwei Dritteln haften, die zweitbeklagte Partei jedoch nur im Rahmen des zum Unfallszeitpunkt mit dem Erstbeklagten für den PKW Kennzeichen ***** abgeschlossenen Haftpflicht-versicherungsvertrags.

Das Mehrbegehren von 520.000 S samt 4 % Zinsen seit 23. 1. 1982 sowie das Mehrbegehren auf Feststellung, dass die beklagten Parteien, die zweitbeklagte Partei eingeschränkt auf die Versicherungssumme, dem Kläger für alle künftigen Unfallsfolgen im Ausmaß eines weiteren Drittels hafteten, werden abgewiesen.

Die beklagten Parteien haben dem Kläger zur ungeteilten Hand die mit 136.757,98 S bestimmten Prozesskosten (darin enthalten 10.125,03 S Umsatzsteuer und 70 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der damals knapp zehneinhalbjährige Kläger wurde am 5. 4. 1979 beim Überqueren der Bundesstraße ***** von dem Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten PKW Kennzeichen ***** erfasst, zu Boden gestoßen und schwer verletzt. Das Bezirksgericht Bruck an der Mur sprach den Erstbeklagten wegen dieses Unfalls rechtskräftig des Vergehens nach dem § 88 Abs 1 StGB schuldig (4 U 992/79).

In der vorliegenden Klage wird zuletzt (AS 209) das Alleinverschulden des Erstbeklagten am Unfall behauptet, aus dem Titel des Schadenersatzes die Zahlung eines Schmerzengeldes von 800.000 S, einer Verunstaltungsentschädigung von 150.000 S sowie der Ersatz von unfallsbedingten Aufwendungen in der Höhe von 10.000 S gefordert und weiters ein Feststellungsbegehren hinsichtlich der Haftung der beklagten Parteien, jene der zweitbeklagten Partei begrenzt durch die Versicherungssumme, für die künftigen Unfallsschäden gestellt.

Die beklagten Parteien anerkannten ein Mitverschulden des Erstbeklagten im Ausmaß von 25 %, zahlten dem Kläger Schadenersatzbeträge von insgesamt 95.432 S und beantragten Abweisung des Mehrbegehrens.

Das Erstgericht fällte zunächst hinsichtlich des Feststellungsbegehrens ein Teilanerkenntnisurteil (AS 109) und sprach schließlich mit Endurteil dem Kläger einen Betrag von 334.568 S sA zu sowie die Haftung der beklagten Parteien, jene der zweitbeklagten Partei beschränkt auf die Versicherungssumme, für weitere 50 % der künftigen Unfallsfolgen aus. Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht gab keiner der von allen Streitteilen erhobenen Berufungen Folge.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erheben der Kläger und die beklagten Parteien jeweils auf den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO gestützte Revisionen. Der Kläger beantragt die Abänderung dahin, dass ihm noch ein weiterer Schmerzengeldbetrag von 530.000 S zugesprochen und auch dem restlichen Feststellungsbegehren stattgegeben werde. Die beklagten Parteien beantragen Abänderung im Sinne der Klagsabweisung. Hilfsweise stellen alle Revisionswerber einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind teilweise gerechtfertigt.

Das Erstgericht fällte seien Urteilsspruch auf der Grundlage der auf den Seiten 8 bis 23 (AS 222 ff) der Urteilsausfertigung angeführten Sachverhaltsfeststellungen. Danach besteht auf der 7,5 m breiten Bundesstraße in der Fahrtrichtung des Erstbeklagten auf mindestens 200 m Sicht auf den Unfallsbereich und aus ca 75 m auf die dort östlich der Fahrbahn gelegene Haltestellenbucht. Der Erstbeklagte fuhr am Unfallstag um ca 17:25 Uhr unter Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von ca 75 km/h in Richtung Süden. Zur selben Zeit wollte der Kläger, der zuvor an der genannten Haltestelle aus einem Postomnibus ausgestiegen und von dort außerhalb der Fahrbahn diese in schnellem Tempo entlanggegangen und solcherart dem Erstbeklagten auf der anderen Straßenseite entgegengekommen war, die Fahrbahn laufend überqueren. Der Erstbeklagte, dessen Anhalteweg bei einer vollen Reaktionssekunde 52 m und bei 0,7 Sekunden Reaktionszeit 46 m betrug, hatte aus einer Entfernung von 75 m vor dem Unfallspunkt, als gerade seine Begegnung mit einem LKW-Zug beendet war, Sicht auf den Kläger und konnte ihn 48 m vor dem Unfallspunkt als Kind erkennen. Als der Kläger nach einer innerhalb von 0,2 Sekunden durchgeführten Drehung um 90 Grad die Fahrbahn betrat, war der Erstbeklagte noch 42 m vom späteren Unfallspunkt entfernt. Durch eine sofortige Bremsung hätte er seine Fahrgeschwindigkeit noch so verzögern können, dass die Fahrbahn auf der restlichen, der Breite seines Fahrzeugs von 1,6 m entsprechenden, Strecke vom Kläger inzwischen bereits passiert gewesen wäre. Tatsächlich hat er den Kläger erst aus einer Entfernung von 16 m vom späteren Anprallspunkt gesehen, als sich dieser laufend bereits ca 2 m innerhalb der Fahrbahn befand. Er gab kein Hupzeichen ab, leitete jedoch eine Bremsung ein, die einen Meter vor dem Unfallspunkt wirksam wurde. Hätte er den Kläger schon in dem Augenblick gesehen, als dieser die Fahrbahn betrat, so hätte er 1,2 Sekunden früher reagieren können. Der Kläger war nach Zurücklegung der ersten 2 m weitere ca 3,5 m auf der Fahrbahn gelaufen, befand sich im Anprallsaugenblick somit 5,5 m innerhalb der Fahrbahn und hatte diese Gesamtstrecke in rund zwei Sekunden zurückgelegt. Er wurde von der linken vorderen Ecke des Fahrzeugs des Erstbeklagten erfasst zunächst auf die Motorhaube und in der Folge zu Boden geschleudert. Hiedurch erlitt er eine Kopfprellung mit Hirnkontusion und Hirndrucksteigerung sowie starkem Hirnödem, es war eine sofortige Entlastungstrepanation notwendig, in der Folge trat eine Sekundärinfektion und ein Hirnvorfall und innerer Wasserkopf auf, wodurch mehrere Operationen erforderlich waren. Weiters erlitt er beim Unfall eine stumpfe Bauchverletzung mit Milzzerreißung, einen Oberschenkelbruch rechts sowie allgemeine Körperprellungen und oberflächliche Weichteilverletzungen. Der Krankheitsverlauf war insgesamt wechselnd und langwierig, die Milz musste entfernt werden, es mussten mehrfach Hirnanteile abgesaugt und wegen des ausgeprägten inneren Wasserkopfs auch Drainagen angelegt werden. Am 12. 8. 1979 wurde der Kläger in häusliche Pflege entlassen, befand sich sodann aber vom 3. 9. 1979 bis 12. 12. 1979, vom 7. 1. 1980 bis 1. 2. 1980 und vom 13. 4. 1980 bis 23. 4. 1980 zu einer ausgedehnten Physiotherapie neuerlich in stationärer Behandlung. Am 6. 8. 1981 wurde festgestellt, dass bei ihm als Dauerfolge eine inkomplette Halbseitenlähmung besteht, wobei eine völlige Unbrauchbarkeit der linken Hand und eine starke Einschränkung des Gehvermögens durch eine komplette Wadenbeinnervlähmung am linken Bein vorhanden ist. Nach den Trepanationen sind an beiden Schläfenbeinen 1,5 cm tiefe, sehr druckempfindliche Knochenlücken zurückgeblieben und muss der Kläger wegen der Verletzungsgefahr ständig einen gepolsterten Kopfschutz tragen. Am Hals besteht auch eine erhebliche Tracheotomienarbe, weiters ist wegen der durchgeführten Tracheostoma-Beatmung eine nicht besserungsfähige relative Heiserkeit und Rauhigkeit der Stimme zurückgeblieben. Die Hirnkontusion hat zwar in psychischer Hinsicht kein auffallendes Psychosyndrom hinterlassen, das Auftreten einer Hirnleistungsschwäche im Rahmen einer narbig bedingten Hirnatrophie liegt jedoch durchaus im Bereich der Möglichkeit. Durch den Verlust der Milz ist keine Störung des Stoffwechsels oder der Blutbildung eingetreten und auch nicht zu befürchten. Der Milzverlust verursachte lediglich für die ersten sechs Monate nach Entfernung des Organs eine Verminderung der allgemeinen körperlichen Widerstandsfähigkeit. Durch die Blutung in die freie Bauchhöhle ist jedoch eine Spätschädigung insofern möglich, als verbliebene Blutreste sich üblicherweise bindegewebsartig zu organisieren pflegen und dadurch Verklebungen und Strangbildungen zwischen den Baucheingeweiden nach sich ziehen können, welche sogenannte Adhäsionsbeschwerden verursachen können. Der Oberschenkelbruch ist folgenlos ausgeheilt. Insgesamt hatte der Kläger durch 12 Tage qualvolle Schmerzen, durch 40 Tage starke Schmerzen, durch 70 Tage mittelstarke Schmerzen und durch 160 Tage leichte Schmerzen zu ertragen. Zu berücksichtigen ist weiters eine in Anbetracht der umfangreichen unfallsbedingten Dauerfolgen und der hiedurch gegebenen starken Behinderung über das übliche Maß hinausgehende psychische Alteration.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf den über den Erstbeklagten gefällten rechtskräftigen strafgerichtlichen Schuldspruch und sein solcherart gemäß § 268 ZPO bindend festgestelltes Verschulden am Unfall. Er sei verpflichtet gewesen, während der Fahrt die vor ihm liegende Fahrbahn in ihrer gesamten Breite einschließlich der beiden Fahrbahnränder und etwaiger anschließender Verkehrsflächen zu beobachten. Insbesondere an den Haltestellen habe er mit dem Auftauchen von Fußgehern rechnen müssen. Demgegenüber habe er den als Kind zu erkennenden Kläger verspätet bemerkt und solcherart auf dessen Überquerungsmanöver verspätet reagiert. Der über zehn Jahre alte Kläger seinerseits hätte allerdings mit seinem Überquerungsmanöver im Hinblick auf das herannahende Fahrzeug zuwarten müssen, das Verschulden eines unmündigen Minderjährigen sei jedoch milder zu beurteilen. Unter diesen Gesichtspunkten erschien dem Erstgericht eine Verschuldensteilung von 1 : 3 zu Lasten des Erstbeklagten gerechtfertigt. Davon ausgehend sprach es dem Kläger sodann einen gekürzten Schmerzengeldbetrag von 310.000 S (rechnungsmäßig somit insgesamt ein Schmerzengeld von 413.333,33 S) als den von ihm erlittenen Verletzungen und Schmerzen angemessen und von der in ihrer begehrten Höhe als gerechtfertigt erachteten Verunstaltungsentschädigung den gekürzten Betrag von 112.500 S zu, weiter drei Viertel der unfallsbedingten Aufwendungen von 10.000 S, das ist ein Betrag von 7.500 S. Ebenso gab es anteilsmäßig dem Feststellungsbegehren statt. Das jeweilige Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt als unbedenklich und trat aus dem im Einzelnen dargelegten Gründen auch seiner rechtlichen Beurteilung bei.

In der Revision der beklagten Parteien wird der Standpunkt vertreten, der den auf der Freilandstraße lediglich mit 75 km/h fahrenden Erstbeklagten treffende alleinige Vorwurf einer Reaktionsverspätung von 1,2 Sekunden müsse zum überwiegenden Verschulden des unmittelbar vor dem herannahenden PKW plötzlich und überraschend über die Fahrbahn laufenden und somit eine eminente Gefahrenlage schaffenden Klägers führen und rechtfertige die angestrebte Verschuldensteilung von 3 : 1 zu dessen Lasten. Weiters bekämpfen die beklagten Parteien der Höhe nach den Zuspruch an Schmerzengeld und Verunstaltungs-entschädigung, wobei sie Letztere als lediglich im Betrag von 80.000 S gerechtfertigt betrachten.

Der Kläger bringt in seiner Revision vor, er habe im Hinblick auf die für das Freilandgebiet geringe Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Erstbeklagten annehmen können, dass dieser bremsen und solcherart eine gefahrlose Überquerung der Fahrbahn möglich sein werde. Lediglich infolge einer Reaktionsverzögerung habe der Erstbeklagte die Verkehrssituation nicht beherrscht. Es sei daher entgegen der Ansicht der Unterinstanzen von dessen Alleinverschulden auszugehen. Darüber hinaus sei auch die teilweise Abweisung des Schmerzengeldbegehrens schon allein im Hinblick auf die schweren Dauerfolgen nicht gerechtfertigt.

Zur Verschuldensteilung:

Dem Erstbeklagten fällt vorliegendenfalls zur Last, dass er den Kläger nicht sofort gesehen und auf dessen plötzliches Überquerungsmanöver demgemäß nicht rechtzeitig reagiert hat. Bei der Beurteilung des Gewichts dieses Fehlverhaltens ist zu berücksichtigen, dass der auf der 7,5 m breiten Fahrbahn im Freilandgebiet mit rund 75 km/h fahrende Erstbeklagte wegen der Begegnung mit einem LKW-Zug erstmals 75 m vor dem Unfallspunkt, das ist 3,5 Sekunden vor dem Unfallsaugenblick, Sicht auf den auf der anderen Fahrbahnseite außerhalb der Fahrbahn gehenden Kläger hatte, ihn sodann 48 m vor der Unfallsstelle, das ist 2,3 Sekunden vor dem Unfall als Kind erkennen konnte und der Kläger bereits 0,3 Sekunden später, also 2 Sekunden vor dem Unfall, plötzlich in die Fahrbahn und über diese lief.

Damit ist aber davon auszugehen, dass dem Erstbeklagten eine Einstellung darauf, dass es sich beim Kläger um ein Kind handle, von vornherein gar nicht mehr möglich gewesen wäre, denn dieser hatte noch vor einer vom Erstbeklagten allenfalls zu fordernden Herabsetzung der im Verhältnis zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h ohnehin verminderten Fahrgeschwindigkeit mit seiner plötzlichen Überquerung der Fahrbahn begonnen. Wohl hätte der Erstbeklagte dagegen auf dieses Überquerungsmanöver aber nach einer entsprechenden Wahrnehmungszeit von 0,3 Sekunden und einer Reaktionszeit von 0,7 Sekunden, somit nach einer Sekunde, durch eine Notbremsung reagieren müssen. Tatsächlich nahm er das Überquerungsmanöver erst 0,7 Sekunden vor dem Anprall und solcherart eine Sekunde verspätet wahr.

Dieser Reaktionsverspätung von einer Sekunde steht bei der Verschuldensteilung das vorschriftswidrige, nämlich 42 m, das ist zeitlich zwei Sekunden vor dem Eintreffen des PKWs des Erstbeklagten und für diesen völlig überraschend durchgeführte Überquerungsmanöver des Klägers gegenüber. Es ist nicht zweifelhaft, dass ein solches von einem Erwachsenen durchgeführtes, dem § 76 Abs 5 StVO 1960 krass widerstreitendes Überquerungsmanöver zu einem Überwiegen des Verschuldens am Unfall gegenüber jenem des lediglich verspätet reagierenden Fahrzeuglenkers führen müsste. Nach ständiger Judikatur ist iSd § 1310 ABGB das Verschulden unmündiger Minderjähriger wegen ihrer noch nicht voll gegebenen Einsichtsfähigkeit bzw der mangelnden Fähigkeit, jederzeit nach dieser Einsicht zu handeln, jedoch milder zu beurteilen als jenes erwachsener Verkehrsteilnehmer. Unter voller Bedachtnahme auf diesen Geischtspunkt erscheint der unterinstanzliche Verschuldensausspruch von 1 : 3 zu Lasten des Erstbeklagten aber dennoch nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist dem Kläger, für welchen das im Begegnungsverkehr zunächst durch den LKW-Zug verdeckte Fahrzeug des Erstbeklagten sodann immerhin bereits mindestens 1,5 Sekunden vor dem Beginn seines Überquerungsmanövers sichtbar war, ein Mitverschulden von einem Drittel anzulasten.

Der Revision der beklagten Parteien war somit im Verschuldensausspruch teilweise, jener des Klägers dagegen nicht Folge zu geben.

Zum Schmerzengeldbegehren:

Die beklagten Parteien haben in ihrer die Verschuldensteilung bekämpfenden Berufung ausdrücklich erklärt, die erstgerichtliche Schmerzengeldbemessung nicht anzufechten. Die gegen die Höhe des von den Unterinstanzen gleichlautend zugesprochenen Schmerzengeldes gerichteten Revisionsausführungen sind daher unbeachtlich (2 Ob 60/70; 2 Ob 224/80 ua).

Die auf vollen Schmerzengeldzuspruch gerichtete Revision des Klägers ist teilweise gerechtfertigt.

Bei der Schmerzengeldfestsetzung ist vorliegendenfalls zu berücksichtigen, dass die sehr schweren Verletzungen des Klägers nicht nur mit lang andauernden, teilweise qualvollen Schmerzen, zahlreichen Operationen, mehrfachen länger andauernden Krankenhausaufenthalten und einem komplizierten Heilungsverlauf verbunden waren, sondern insbesondere auch schwere Dauerfolgen nach sich gezogen haben. Die bei ihm aufgetretene Halbseitenlähmung ist in einer inkompletten Form derart erhalten geblieben, dass auf Dauer eine völlige Unbrauchbarkeit der linken Hand und eine starke Einschränkung des Gehvermögens zufolge einer kompletten Wadenbeinnervlähmung gegeben sind. Auch ist es im Zusammenhang mit der Behandlung des unfallsbedingt aufgetretenen inneren Wasserkopfs zu Hirnsubstanzverlusten gekommen und der Kläger weist an beiden Schläfen als Folge der Trepanationen jeweils 1,5 cm tiefe, druckempfindliche Knochenlücken auf, sodass er wegen der gegebenen Verletzungsgefahr ständig einen gepolsterten Kopfschutz tragen muss. Schließlich ist als Dauerfolge eine Heiserkeit und Rauhigkeit seiner Stimme verblieben. Mit Rücksicht auf das gesamte Verletzungs-, Schmerzens- und Zustandsbild des Klägers und unter Bedachtnahme auf die ähnliche Fälle betreffenden Entscheidungen 2 Ob 142, 143/81 (Zuspruch 500.000 S) und 2 Ob 214/82 (Zuspruch 550.000 S) erscheint dem erkennenden Senat ein Schmerzengeld von rechnungsmäßig 500.000 S angemessen. Unter Bedachtnahme auf die Mitverschuldensquote errechnet sich hieraus ein zuzuerkennender Schmerzengeldbetrag von 333.333,33 S.

Zur Verunstaltungsentschädigung:

Die beklagten Parteien beschränken sich in ihrer Revision auf den Hinweis, dass der Kläger zwar schwerste Verletzungen erlitten habe und verunstaltet worden sei, die Behinderung seines besseren Fortkommens jedoch im Hinblick auf die Rechtsprechung lediglich eine Entschädigung von 80.000 S rechtfertige.

Dem ist entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 607/82 einem zwölfjährigen Schüler wegen der mit einer vorübergehenden Halbseitenlähmung verbundenen Dauerfolgen eine Verunstaltungsentschädigung von 160.000 S zuerkannt hat, weiters kann auf den Fall der Entscheidung 8 Ob 188/82 (nach Halbseitenlähmung ist die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand aufgehoben und es besteht eine leichte Störung der Gesichtsmimik; Zuspruch 130.000 S) verwiesen werden. Die jeweils nach den Umständen des besonderen Einzelfalls vorzunehmende Bemessung der Verunstaltungsentschädigung steht hier hinsichtlich der von den Unterinstanzen festgesetzten Höhe demnach auch mit der Rechtsprechung durchaus in Einklang. Eine Herabsetzung des rechnungsmäßig zugesprochenen Entschädigungsbetrags von 150.000 S ist zufolge der aus der Gebrauchsunfähigkeit einer Hand, der starken Gehbehinderung und der Notwendigkeit des ständigen Tragens eines Kopfschutzes hervorgehenden, offenkundig gewichtigen Behinderung des besseren Forkommens des Klägers nicht in Erwägung zu ziehen. Auf der Grundlage der abgeänderten Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Lasten der beklagten Parteien ist dem Kläger statt des von den Unterinstanzen zugesprochenen Betrags von 112.500 S ein solcher von 100.000 S zuzuerkennen.

Wegen der geänderten Mitverschuldensquote vermindert sich schließlich der in Höhe von 10.000 S begehrte Ersatz weiterer Aufwendungen vom zugesprochenen Betrag von 7.500 S auf 6.666,67 S. Stehen dem Kläger somit 333.333,33 S für Schmerzengeld, 100.000 S für Verunstaltungsentschädigung und 6.666,67 S als Ersatz für Aufwendungen, insgesamt demnach 440.000 S zu, so folgt hieraus nach Abzug der von den beklagten Parteien geleisteten Teilzahlung von 95.432 S der im Urteilstenor enthaltene Zuspruch von 344.568 S sA.

Zum Feststellungsbegehren:

Auf der Grundlage der ausgesprochenen Verschuldensaufteilung war der Revision der beklagten Parteien auch in diesem Punkte teilweise Folge zu geben und ihre Haftung demgemäß festzustellen.

Da die Abänderungen der unterinstanzlichen Entscheidungen gemessen an den jeweiligen Streitwerten im Endergebnis bedeutungslos erscheinen, war die erstgerichtliche Entscheidung über die Prozesskosten aufrecht zu erhalten (§§ 41, 43 ZPO), die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens waren dagegen gegeneinander aufzuheben (§§ 43 Abs 1, 50 ZPO).

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