OGH 1Nd1/86

OGH1Nd1/869.4.1983

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann R*****, vertreten durch Dr. Werner Kirchleitner, Rechtsanwalt in Neumarkt, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 78.000 S sA, infolge Anzeige des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien über seinen verneinenden Zuständigkeitsstreit mit dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 7. 2. 1986, GZ 31 Cg 23/86-8, wird aufgehoben.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat die ihm mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. 11. 1985, GZ 16 Cg 159/85-6, gemäß § 31a Abs 2 JN übertragene Rechtssache weiterzuführen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Mit der am 31. 5. 1985 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung von 78.000 S sA. Er sei Eigentümer des Fischereirechts in einem näher bezeichneten Abschnitt des Olsabaches, der dort parallel zur Kärntner Bundesstraße B 83 fließe. Infolge der von der beklagten Partei veranlassten Uferschutzbauten in den Jahren 1981 und 1982 könne der Kläger das Fischereirecht nicht mehr ausüben und verlange deshalb Schadenersatz.

Schon vorher - am 26. 3. 1985 - hatte der Kläger beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine gegen die beklagte Partei und die T***** als Streitgenossen gerichtete Klage auf Zahlung von 153.386 S eingebracht, weil er infolge der schon erwähnten Straßenbauarbeiten in seinem Fischereirecht am Olsabach beeinträchtigt worden und ihm hiedurch ein Schaden in der genannten Höhe erwachsen sei.

Über Antrag der beklagten Partei, die den beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängigen Rechtsstreit in der Klagebeantwortung aktenkundig gemacht hatte, übertrug das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz die Rechtssache mit Beschluss vom 29. 11. 1985 gemäß § 31a Abs 2 JN an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. Dieser Beschluss ist in Rechtskraft erwachsen.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erklärte sich mit Beschluss vom 7. 2. 1986 für nicht zuständig, weil die vereinfachte Delegierung nach § 31a Abs 2 JN - soweit Sachschaden in Betracht komme - nur bei Ansprüchen auf Ersatz aus der Beschädigung einer körperlichen Sache zulässig sei; davon könne bei Beeinträchtigung von Fischereirechten keine Rede sein. Auch sei das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz nicht gemäß § 31a Abs 3 und § 31 Abs 3 JN vorgegangen. Wie bei der Überweisung der Klage gemäß § 261 Abs 6 ZPO bestehe die Bindung des Gerichts, an das die Rechtssache übertragen wurde, dann nicht, wenn wesentliche Überweisungsgrundsätze verletzt wurden. Dieser Beschluss wurde rechtskräftig.

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zeigte den verneinenden Zuständigkeitsstreit dem Obersten Gerichtshof als dem den in verschiedenen Oberlandesgerichtssprengeln liegenden Gerichtshöfen erster Instanz übergeordneten höheren Gericht an.

Der negative Kompetenzkonflikt wurde vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu Unrecht veranlasst, weil es - ebenso wie in den Fällen der Überweisung nach § 261 Abs 6 ZPO oder § 44 JN - an den rechtskräftigen Übertragungsbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz gebunden war und dessen Richtigkeit nicht überprüfen durfte (8 Nd 7/85; 2 Nd 2/85; 3 Nd 510/84; vgl EvBl 1980/52; EFSlg 34.290/4; JBl 1977, 99; SZ 40/97 ua; Fasching, Zivilprozessrecht Rz 214). Es ist zwar richtig, dass Ansprüche auf Ersatz von Schäden aus der Beeinträchtigung von Rechten als unkörperlichen Sachen von der Übertragungsbefugnis des Prozessgerichts gemäß § 31a Abs 2 JN ausgenommen sind; da jedoch die Vorschriften über die Bindung an rechtskräftige Zuständigkeitsentscheidungen und Überweisungsbeschlüsse unerwünschte Kompetenzkonflikt der beteiligten Gerichte unter allen Umständen verhindern sollen, nimmt es der Gesetzgeber in Kauf, dass ein Gericht auch an die unrichtige Entscheidung eines anderen Gerichts gebunden wird. Der Zweck dieser Vorschrift würde verfehlt, würde im Rahmen eines Kompetenzkonflikts, der nur deshalb ausgetragen werden muss, weil eines der beteiligten Gerichte gegen die Bindungswirkung verstoßen hat, auf letztere nicht Bedacht genommen, sondern die Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses überprüft (3 Nd 510/84 ua).

Der verneinende Zuständigkeitsstreit ist daher im Sinne der Zuständigkeit des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zu entscheiden. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass das übertragende Gericht vor seiner Verfügung nicht auch eine Äußerung des Gerichts, an das die Rechtssache übertragen werden soll, einzuholen hat (Fasching aaO), weil § 31 Abs 3 JN, auf den § 31a Abs 3 JN verweist, nur die Einholung einer Äußerung jenes Gerichts, das zur Verhandlung und Entscheidung an sich zuständig ist, anordnet.

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