OGH 6Ob501/83

OGH6Ob501/8324.2.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Christian K*****, vertreten durch Dr. Walter Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Hanns Gerhard K*****, vertreten durch Dr. Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. September 1982, GZ 1 R 451/82-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 4. März 1982, GZ 11 C 1076/81-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.347,12 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 537,12 S USt und 96 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte verkaufte am 15. 2. 1979 an den Kläger die Liegenschaft EZ ***** II KG M***** um einen Kaufpreis von 3,5 Mill S. Gemäß Punkt IV. des Kaufvertrags wurde vereinbart, dass der Besitz und Genuss hinsichtlich des Kaufobjekts, soweit keine Ausnahmen vereinbart werden, mit 1. 3. 1979 auf den Käufer übergehen. Hinsichtlich des gesamten Erdgeschosses des Hauses H***** und von 2 PKW-Abstellplätzen im dazugehörigen Hof sollten jedoch Besitz und Genuss erst mit Räumung und Übergabe dieses Erdgeschosses und der Abstellplätze auf den Käufer übergehen. Der Verkäufer verpflichtete sich im Punkt IV. des Kaufvertrags, das Erdgeschoss und die PKW-Abstellplätze bis längstens 31. 12. 1980 zu räumen und in geräumten Zustand an den Käufer zu übergeben. Schließlich wurde noch vereinbart, dass die Betriebskosten, die für die gesamte Kaufliegenschaft ungeteilt zur Vorschreibung gelangen, vom Verkäufer bis zur Übergabe des Erdgeschosses und der PKW-Abstellplätze zu bezahlen sind.

Im Punkt VII. wurde vereinbart, dass der Beklagte, wenn er das Erdgeschoss samt PKW-Abstellplätzen nicht bis längstens 31. 12. 1980 räumt, ab 1. 1. 1981 für jedes angefangene Monat der Weiterbenützung pro Quadratmeter der Erdgeschossfläche 40 S und für jeden Abstellplatz 300 S monatlich im Vorhinein an die Käufer zu bezahlen hat. Weiter verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger gegenüber bis längstens 30. 6. 1980 mitzuteilen, ob die Räumung bis spätestens Ablauf des Jahres 1980 durch ihn erfolgen werde. Schließlich verpflichtete sich der Beklagte im Falle der nicht rechtzeitigen Räumung und bei beabsichtigter Längerbenützung des Erdgeschosses über Verlangen des Käufers einen schriftlichen Mietvertrag abzuschließen.

Der Beklagte teilte dem Kläger bis Dezember 1980 nicht mit, ob er bis 31. 12. 1980 die von ihm benützten Objekte räume oder nicht, weshalb es in diesem Monat zu einer Besprechung zwischen den Streitteilen in der Kanzlei der Steuerberaterin Dipl.-Ing. K***** kam. Diese Besprechung betraf die Weiterbenützung der Räumlichkeiten durch den Beklagten bzw den Abschluss eines entsprechenden Mietvertrags. Da aber per 31. 12. 1980 ein Objekt im ersten Stock des Hauses frei wurde, erstreckten sich die Beratungen auch darauf, dass der Beklagte in den ersten Stock übersiedeln könnte und dann einen entsprechend niedrigeren Mietzins zu bezahlen hätte. Grundsätzlich waren beide Parteien mit dieser Lösung einverstanden, doch kam es hinsichtlich des Mietobjekts zu keiner Einigung, da man sich vorher erkundigen wollte, welche Kosten die Adaptierung des ersten Obergeschosses für die Zwecke des Beklagten erfordern würde. In der Folge holte der Beklagte einige mündliche Angebote ein, welche vom Kläger jedoch nicht anerkannt wurden. Als der Beklagte sich bis zum Frühjahr 1981 nicht darüber erklärte, ob er ins erste Obergeschoss übersiedeln oder im Erdgeschoss bleiben werde, versuchte Dipl.-Ing. K***** mit dem Beklagten entsprechende Besprechungen zu führen. Der Beklagte übersandte in der Folge dem Kläger ein Schreiben, worin er mitteilte, dass eine Übersiedlung seines Betriebs in den ersten Stock nach reiflicher Überlegung nicht in Frage komme, und er bereit sei, in einer angemessenen Frist auszuziehen, falls der Kläger für das Parterre lieber einen anderen Mieter habe. Weiter teilte der Beklagte mit, dass er froh wäre, wenn das Mietverhältnis geregelt würde. Da der Kläger für den Auszug des Beklagten aus den Räumlichkeiten einen bestimmten Termin haben wollte, ließ er von Dipl.-Ing. K***** ein Schreiben verfassen, mit welchem er das „Mietverhältnis“ zum 30. 11. 1981 kündigte. Damit wollte der Kläger aber lediglich dem Beklagten einen bestimmten Räumungstermin setzen, um später über die Räumlichkeiten verfügen zu können. Der Beklagte selbst erklärte sich bereit, aus den Räumlichkeiten auszuziehen, und verständigte hievon auch die Wiener Städtische Versicherung, an welche er bis dorthin die Feuerversicherungsprämien überwies. Der Beklagte leistete für die Benützung des Objekts an den Kläger drei Zahlungen, von welchen eine als Akontozahlung bezeichnet, eine überhaupt nicht bezeichnet und eine mit „Miete Juni 1981“ gewidmet wurde. Letztere Zahlung erfolgte Mitte Juli 1981. In mehreren Schreiben des Klägers bzw der Zeugin Dipl.-Ing. K***** wurde der Beklagte als „Mieter“ bzw wurden die von ihm geleisteten Zahlungen als „Mietzahlungen“ bezeichnet.

Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger vom Beklagten die Räumung der ebenerdig gelegenen Räume sowie der beiden Abstellplätze, da sie der Beklagte ohne Titel benütze und auch den monatlichen Entschädigungsbetrag - abgesehen von geringen Teilzahlungen - nicht geleistet habe.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen und wendete ein, zwischen den Streitteilen sei ein Mietvertrag zumindest schlüssig durch Annahme des Mietzinses zustandegekommen. Der Beklagte schulde keinen Mietzins.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, zwischen den Parteien sei konkludent kein Mietvertrag zustandegekommen. Die Annahme von Zahlungen mit der Widmung „Miete“ habe nicht das Zustandekommen eines Mietvertrags bewirkt, da der Beklagte gewusst habe, dass der Kläger mit einem Mietvertrag nicht einverstanden gewesen sei und bereits mitgeteilt gehabt habe, er werde nicht in das Obergeschoss übersiedeln und das Objekt bei Bedarf räumen. Aus diesem Grund schadeten auch die unrichtigen Bezeichnungen „Miete“, „Mietzahlungen“ und „Kündigung“ nicht.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass ein Mietvertrag auch konkludent nicht zustandegekommen sei und der Beklagte daher die Räume und Abstellplätze titellos benütze. Es führte noch aus, selbst wenn aber ein Mietverhältnis vorliegen sollte, sei die sofortige Auflösung des Vertrags gemäß § 1118 ABGB bei Nichtzahlung des Mietzinses zulässig. Die Auflösungserklärung liege dabei nicht nur in der „Kündigung“, sondern auch in der Klage, die sich auch auf die Nichtzahlung des Benützungsentgelts gestützt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt der Beklagte darin, dass das Berufungsgericht die Auffassung vertreten habe, das Räumungsbegehren sei auch gemäß § 1118 ABGB wegen Nichtzahlung des Benützungsentgelts berechtigt. Da das Erstgericht zu dieser Frage keine Feststellungen getroffen habe, stelle die Neueinführung von Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht einen Verfahrensmangel dar.

Darin kann kein wesentlicher Verfahrensmangel liegen, weil - wie noch zur Rechtsrüge ausgeführt werden wird - das Klagebegehren schon deshalb begründet ist, weil der Beklagte die Räumlichkeiten und Abstellplätze ohne Rechtstitel benützt.

Aber auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.

Wenn der Beklagte zunächst meint, schon nach dem Inhalt des Kaufvertrags sei ein Mietverhältnis über die Räume im Erdgeschoss und die Abstellplätze zustandegekommen, kann ihm nicht beigepflichtet werden. Im Kaufvertrag verpflichtete sich der Beklagte, die Räume und Abstellplätze bis 31. 12. 1980 dem Kläger geräumt zu übergeben. Nur für den Fall der nicht rechtzeitigen Räumung wurde ein Benützungsentgelt vereinbart und dem Kläger das Recht eingeräumt, vom Beklagten den Abschluss eines Mietvertrags zu verlangen. Dass sogar der Beklagte diese Bestimmung nicht als Mietvertrag verstanden hat, geht eindeutig daraus hervor, dass er sich bei den ab Dezember 1980 stattgefundenen Besprechungen nicht darauf berufen hat, es bestehe bereits ein Mietverhältnis, sondern zuletzt mitteilte, er wäre froh, wenn das Mietverhältnis geregelt würde, er werde ausziehen, wenn der Kläger für das Parterre lieber einen anderen Mieter habe. Zahlungen während eines Räumungsaufschubs sind im Zweifel als Benützungsentgelt zu werten, selbst wenn diese als Mietzins bezeichnet waren (MietSlg 18.114, 22.093, 22.681). Die Bezahlung eines als „Mietzins“ bezeichneten Entgelts begründet für sich allein noch kein Bestandverhältnis (MietSlg 20.101/15, 24.112 ua). Dass auch der Beklagte diese Bezeichnungen nicht so verstanden hat, geht eindeutig aus seinem oben wiedergegebenen Verhalten sowie der weiteren Tatsache hervor, dass er sich nach der „Kündigung“ bereit erklärt hat, auszuziehen und hievon auch seine Versicherung verständig hat. Da nach den getroffenen Feststellungen auch bei den mündlichen Gesprächen keine Willensübereinstimmung zustandegekommen ist, haben die Vorinstanzen mit Recht den Abschluss eines Mietvertrags verneint. Der Beklagte benützt die Räume und Abstellplätze daher ohne Rechtstitel, weshalb das Klagebegehren berechtigt ist.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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