OGH 8Ob520/82

OGH8Ob520/8218.11.1982

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Benisch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****, S.A., *****, Frankreich, vertreten durch Dr. Peter Pöch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*****, Limited, *****, Türkei, vertreten durch Dr. Friedrich Mosing, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unwirksamkeit eines Schiedsspruchs (Streitwert 2.700.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 1982, GZ 3 R 211/81-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Juni 1981, GZ 13 Cg 34/80-28, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 16.940 S (darin 1.200 S Barauslagen und 1.166 S USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 24.294,06 S (darin 5.400 S Barauslagen und 1.399,56 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war Handelsvertreter der Klägerin für die Türkei. Für Streitigkeiten aus dem Handelsvertretervertrag hatten die Parteien die Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer Paris (ICC) vereinbart. Nachdem die Klägerin den Handelsvertretervertrag unter Einhaltung der Kündigungsbestimmungen des türkischen Rechts aufgelöst hatte, leitete die Beklagte gegen die Klägerin ein Schiedsgerichtsverfahren ein, in welchem sie ausständige Provisionen, Schadenersatz wegen Nichterfüllung vertraglicher Verpflichtungen und Schadenersatz wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses begehrte. Der Schiedsgerichtshof bestimmte Wien als den Ort, an dem das Schiedsverfahren durchzuführen sei. Am 19. Dezember 1977 unterzeichneten die Parteien das von den Schiedsrichtern entworfene Schriftstück gemäß Art 13 der Verfahrensordnung des Schiedsgerichtshofs der ICC, das eine zusammenfassende Darlegung des Vorbringens der Parteien und die Bezeichnung der zu entscheidenden Streitfälle enthält. Eine Ermächtigung der Schiedsrichter, nach billigem Ermessen zu entscheiden, wäre nach Art 13g der Verfahrensordnung des Schiedgerichtshofs der ICC in diesem Schriftstück festzuhalten. Eine derartige Ermächtigung erteilten die Parteien dem Schiedsgericht nicht. Der Schiedsspruch erging in Wien, seine Ausfertigung wurde am 26. Oktober 1979 errichtet (Causa Nr 3131). Das Schiedsgericht sprach die Klägerin schuldig, der Beklagten

I. 3.965,97 FF , 12.429,65 US-Dollar und 1.320,02 US-Dollar je samt 6 % Zinsen seit 1. April 1977 als Provisionen,

II. den Betrag von 22.650 FF aus dem Titel des Provisionsentgangs wegen teilweiser Nichterfüllung eines Kaufvertrags, zu bezahlen.

Zu Punkt III. stellte es fest, dass die Klägerin für die Auflösung des Handelsvertretervertrags verantwortlich sei und daher 800.000 FF als Schadenersatz zu bezahlen habe. In Punkt IV. des Schiedsspruchs wurden beide Parteien verpflichtet, je zur Hälfte die mit 50.000 US-Dollar festgesetzten Kosten des Schiedsverfahrens zu bezahlen und ausgesprochen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten selbst zu tragen habe.

Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage, diesen Schiedsspruch für unwirksam zu erklären. Zur Durchführung dieses Verfahrens hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 1. Februar 1980 gemäß § 28 JN das Handelsgericht Wien bestimmt (2 Nd 502/80 = JBl 1981, 437). Zur Begründung führte der Oberste Gerichtshof unter anderem aus, es liege ein inländischer Schiedsspruch vor, die inländische Gerichtsbarkeit für das Verfahren zur Anfechtung dieses Schiedsspruchs sei gegeben. Die Klägerin macht die Anfechtungsgründe des § 595 Z 3, 5 und 6 ZPO geltend. Das Schiedsgericht habe Verfahrensbestimmungen verletzt und, ohne hiezu ermächtigt zu sein, nach Billigkeit statt unter Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung entschieden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dem Schiedsgericht sei kein Verstoß gegen die Verfahrensordnung unterlaufen; es habe keine Billigkeitsentscheidung gefällt, sondern nach Rechtsgrundsätzen entschieden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es von den in seiner Entscheidung auf S 6 bis 12 (AS 86 bis 92) enthaltenen Feststellungen, die sich auf Bestimmungen der Verfahrensordnung des Schiedsgerichtshofs der Internationalen Handelskammer, Bestimmungen der Satzungen des Schiedsgerichtshofs und den angefochtenen Schiedsspruch sowie dessen Begründung bezogen, ausging.

Zur Rechtsrüge führte das Erstgericht aus, dass keiner der geltend gemachten Anfechtungsgründe gegeben sei. Der Schiedsgerichtshof habe die Frist für die Fällung des Schiedsspruchs bis 31. Jänner 1980 verlängert, daher rechtzeitig entschieden. Aber auch für den Fall der Fristüberschreitung sehe Art 18 Abs 3 der Verfahrensordnung die Ersetzung der säumigen Schiedsrichter durch andere durch den Schiedsgerichtshof nur als eine mögliche Maßnahme vor. Es wäre daher bei Fristüberschreitung nicht zwingend zu einer Umbesetzung des Schiedsgerichts gekommen, weshalb der Anfechtungsgrund des § 595 Z 3 ZPO (Verletzung einer gesetzlichen oder vertragsmäßigen Bestimmung über die Besetzung des Schiedsgerichts) nicht verwirklicht worden sei. Der weiters geltend gemachte Umstand, das Schiedsgericht habe ohne Ermächtigung nach Billigkeit entschieden, erfülle nicht den Anfechtungsgrund des § 595 Z 5 ZPO (wenn das Schiedsgericht die Grenzen seiner Aufgaben überschritten hat), da das Schiedsgericht den durch den Schiedsvertrag gesteckten Entscheidungsbereich nicht überschritten und im Rahmen der von den Parteien gestellten Sachanträge entschieden habe. Wenn das Schiedsgericht eine Billigkeitsentscheidung fälle, ohne hiezu ermächtigt zu sein, dann verstoße der Schiedsspruch gegen zwingende Rechtsvorschriften (§ 595 Z 6 ZPO), weil das Schiedsgericht mangels abweichender Vereinbarung an das positive Recht gebunden sei und nach Billigkeitsgrundsätzen nur entscheiden dürfe, wenn die Parteien dies formgültig schriftlich vereinbart haben. Aus dem Inhalt des Schiedsspruchs gehe aber hervor, dass die Schiedsrichter, ungeachtet der zweimaligen Verwendung des Worts Billigkeit, von rechtlichen Erwägungen ausgegangen seien. Seine Entscheidung im Punkt I. und II. des Schiedsspruchs habe das Schiedsgericht in Auslegung des Handelsvertretungsvertrags getroffen. Zur Begründung seiner Entscheidung in Punkt III. des Schiedsspruchs habe sich das Schiedsgericht eingehend mit der Frage des anzuwendenden materiellen Rechts auseinandergesetzt und unter Bezugnahme auf eine „lex mercatoria“ den Grundsatz von Treu und Glauben herangezogen. Eine auf diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz basierende Entscheidung sei nicht eine bloße Billigkeitsentscheidung. Auch die Festsetzung der Höhe des Ersatzbetrags mit einem Globalbetrag entspreche in Anbetracht der Schwierigkeiten, diesen Betrag genau rechnerisch zu ermitteln, der im französischen als auch im türkischen Recht für vergleichbare Fälle vorgesehenen Regelung einer Festsetzung der Höhe eines Schadens nach freier Überzeugung durch das Gericht.

Das Gericht zweiter Instanz änderte über Berufung der Klägerin das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass der Schiedsspruch vom 26. Oktober 1979 in seinen Punkten III. (Schadenersatz von 800.000 FF) und IV. (Kostenentscheidung) aufgehoben wurde. Die Abweisung des Mehrbegehrens den Schiedsspruch auch in seinen Punkten I. und II. aufzuheben, wurde bestätigt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands des bestätigenden Teils seiner Entscheidung 60.000 S übersteige. Es erachtete den Anfechtungsgrund nach § 595 Z 3 ZPO nicht als gegeben. Nur eine Verletzung der gesetzlichen oder schiedsvertraglichen Bestimmungen über die Besetzung des Schiedsgerichts, wie etwa Verstöße gegen das Verbot des § 578 ZPO (Bestellung eines aktiven Richters als Schiedsrichter) oder die Mitwirkung eines gemäß § 586 Abs 1 ZPO erfolgreich abgelehnten Schiedsrichters, könne nach § 595 Z 3 ZPO zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen, nicht aber ein Verstoß gegen eine Ordnungsvorschrift über die Dauer des Verfahrens. Gemäß Art 18 Abs 2 der Verfahrensordnung könne der Schiedsgerichtshof die Frist, innerhalb welcher der Schiedsspruch ergehen soll, von Amts wegen verlängern, falls er es für notwendig halte; dies sei im vorliegenden Fall auch geschehen. Hingegen habe das Schiedsgericht in seiner Entscheidung zu Punkt III. des Schiedsspruchs die Grenzen des ihm gesteckten Entscheidungsbereichs (§ 595 Z 5 ZPO) dadurch überschritten, dass es entgegen Art 13 Abs 3 der Verfahrensordnung des Schiedsgerichtshofs der ICC nicht nach den ihm anwendbar erscheinenden Kollisionsnormen das anzuwendende nationale Recht bestimmt, sondern unter Ablehnung der Anknüpfung an eine bestimmte nationale Rechtsordnung sich auf eine lex mercatoria berufen und seine Entscheidung lediglich auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützt habe. Das Schiedsgericht habe aber nicht zum Ausdruck gebracht, das französische und türkische Recht stimme in den maßgeblichen Bereichen vollständig überein, weshalb sich die Lösung der Frage, welche der beiden Rechtsordnungen zur Anwendung zu kommen habe, erübrige. In der Begründung seiner Entscheidung zu Punkt I. und II. des Schiedsspruchs habe das Schiedsgericht aber die Anwendung von Kollisionsnormen und eines nationalen Rechts nicht ausdrücklich abgelehnt, es habe seine Entscheidung vielmehr durch Vertragsauslegung gewonnen. Von einer Billigkeitsentscheidung könne deshalb insoweit keine Rede sein. Ein Verstoß gegen zwingende Vorschriften (§ 595 Z 6 ZPO) liege in einer solchen Vorgangsweise nicht. Das Schiedsgericht habe in seiner Begründung zu Punkt III. des Schiedsspruchs ausgeführt, dass aufgrund des zwischenstaatlichen Charakters des Vertrags jede zwingende Anknüpfung an eine spezielle staatliche Rechtsordnung - sei sie nun die türkische oder die französische - abzulehnen und die internationale „lex mercatoria“ anzuwenden sei. Das Schiedsgericht habe es also ausdrücklich abgelehnt, unter Anwendung von Kollisionsnormen ein nationales Recht zu ermitteln und danach zu entscheiden. Diese Nichtanwendung von Kollisionsnormen sei aber kein Verstoß gegen zwingendes Recht, weil es den Parteien freigestanden wäre, das nationale Recht, das die Schiedsrichter auf den Rechtsstreit anwenden sollen, zu bestimmen (Art 13 Abs 3 der Verfahrensordnung). Wegen der erforderlichen teilweisen Aufhebung (Punkt III. des Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen § 595 Z 5 ZPO) müsse aber die Kostenentscheidung zur Gänze aufgehoben werden, weil diese vom endgültigen Ausgang der Rechtssache abhänge.

Der bestätigende Teil der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz blieb unbekämpft.

Gegen den abändernden Teil des Urteils des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Unter dem Anfechtungsgrund nach § 503 Z 4 ZPO führt die Beklagte aus, die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben durch das Schiedsgericht stelle weder einen Verstoß gegen § 595 Z 5 ZPO, noch gegen Z 6 der genannten Gesetzesstelle dar. Auch die Aufhebung der Kostenentscheidung sei zu Unrecht erfolgt, weil diesbezüglich keiner der Anfechtungsgründe des § 595 ZPO von der Klägerin behauptet worden sei, noch sich aufgrund des Verfahrens ergeben habe.

Hiezu ist Folgendes zu bemerken: Das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit für die Anfechtung des gegenständlichen Schiedsspruchs hat der Oberste Gerichtshof, wie schon erwähnt, in seiner Entscheidung 2 Nd 502/80 = JBl 1981, 437, bejaht. Das Vorliegen der Voraussetzungen eines der im § 595 ZPO erschöpfend aufgezählten Anfechtungsgründe (vgl Fasching, Schiedsgericht und Schiedsverfahren im österreichischen und im internationalen Recht, 149) darzutun, obliegt dem Kläger. Im gegenständlichen Fall hat der Kläger seine Klage auf die Anfechtungsgründe des § 595 Z 3, 5 und 6 ZPO gestützt. Die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 595 Z 3 ZPO durch die Vorinstanzen wird in den Rechtsmittelschriften nicht mehr aufgegriffen. Es genügt daher, auf die zutreffende Begründung der zweiten Instanz zu verweisen.

Gemäß § 595 Z 6 ZPO ist der Schiedsspruch wirkungslos, wenn er gegen zwingende Rechtsvorschriften verstößt. Unter „Rechtsvorschriften“ im Sinne dieser Gesetzesstelle sind nur Vorschriften des materiellen Rechts zu verstehen, nicht aber solche, die das Verfahren regeln (vgl Fasching aaO, 154 lit b, und die dort angeführte Judikatur). Von „zwingenden Rechtsvorschriften“ kann nur dann gesprochen werden, wenn das Gesetz ausdrücklich oder im Zusammenhang mit anderen Rechtsvorschriften die verletzte Norm als unabdingbar, gegenteilige Vereinbarungen und Verfügungen als unwirksam erklärt hat, die Parteien also ausnahmslos gebunden sind. Darüber hinaus müssen als zwingende Rechtsvorschriften auch diejenigen allgemeinen Rechtsgrundsätze gelten, von denen das Gesetz notwendigerweise als selbstverständlich vorausgesetzt ausgeht (vgl Fasching aaO, 154). Die Parteien haben im vorliegenden Fall das Schiedsverfahren der internationalen Handelskammer vereinbart und sich damit gemäß Art 8 Abs 1 der Verfahrensordnung des Schiedsgerichtshofs der internationalen Handelskammer (ICC) dieser Verfahrensordnung unterworfen. Gemäß Art 13 Abs 3 der Verfahrensordnung können die Parteien das materielle Recht, das der Schiedsrichter auf den Rechtsstreit anwenden soll, frei bestimmen. Das Schiedsgericht hat im gegenständlichen Fall unter Ablehnung der Anwendung von Kollisionsnormen eines nationalen Rechts unter Berufung auf die „lex mercatoria“ den Grundsatz von Treu und Glauben zur Lösung der Frage der Ersatzpflicht der Klägerin für den der Beklagten durch die Auflösung des Handelsvertretervertrags verursachten Schaden herangezogen und damit einen den Privatrechtsordnungen immanenten Grundsatz angewendet, der einer zwingenden gesetzlichen Anordnung der hier in Betracht kommenden Staaten keineswegs widerspricht.

Die Frage, ob das Schiedsgericht vom billigen Ermessen Gebrauch machen durfte oder die Schadensbeträge im einzelnen festzusetzen hatte, ist eine den Gang des Verfahrens und dessen Wirkung regelnde Frage, die schon als solche den Anfechtungsgrund nach § 595 Z 6 ZPO nicht bilden kann (vgl Fasching aaO 154).

Dass das Ergebnis dieser Anwendung des billigen Ermessens einer zwingenden materiell rechtlichen Vorschrift widersprochen hätte, wurde nicht einmal behauptet.

Eine Unwirksamkeit des Schiedsspruchs aus dem Anfechtungsgrund nach § 595 Z 6 ZPO liegt daher nicht vor.

Gemäß § 595 Z 5 ZPO ist der Schiedsspruch wirkungslos, wenn das Schiedsgericht die Grenzen seiner Aufgabe überschritten hat. Dieser Aufhebungsgrund kann entweder durch Überschreitung des durch den Schiedsvertrag gesteckten Entscheidungsbereichs, also bei Vorliegen einer zumindest teilweisen Unzuständigkeit des Schiedsgerichts, oder bei Überschreitung der von den Parteien gestellten Sachanträge (entsprechend etwa den für einen Verstoß gegen § 405 ZPO entwickelten Grundsätzen) verwirklicht werden (vgl Fasching aaO, 152 f).

Im gegenständlichen Fall hat das Schiedsgericht jedenfalls die Festsetzung des Ersatzbetrags von 800.000 FF für den der Beklagten aus der Auflösung des Handelsvertretervertrags mit der Klägerin entstandenen Schaden nach billigem Ermessen vorgenommen, ohne zur Anwendung des Ermessens von den Parteien ermächtigt worden zu sein (vgl Art 13 Abs 1 lit g und Abs 4 der Verfahrensordnung). Ob der Verstoß des Schiedsgerichts gegen die zitierten Bestimmungen der Verfahrensordnung dem Anfechtungsgrund nach § 595 Z 5 ZPO zu unterstellen ist, richtet sich nach den oben dargelegten Kriterien. Es war daher zu prüfen, ob das Schiedsgericht dadurch seinen Entscheidungsbereich, also zumindest teilweise die Grenzen seiner Zuständigkeit, oder die von den Parteien gestellten Sachanträge überschritten hat. Nach Ansicht des erkennenden Senats liegt aber in der Anwendung billigen Ermessens durch das Schiedsgericht, ohne von den Parteien hiezu ermächtigt worden zu sein, weder eine Überschreitung seiner Zuständigkeit, was etwa dann der Fall wäre, wenn der Schiedsvertrag - hier die Unterwerfung unter die Verfahrensordnung aufgrund der das Schiedsverfahren der Internationalen Handelskammer vereinbarenden Schiedsklausel im Handelsvertretervertrag - die Entscheidung des konkreten Streitfalls - zumindest teilweise - überhaupt nicht decken würde (vgl Fasching aaO 152 unter V.), noch hat das Schiedsgericht durch die Entscheidung nach billigem Ermessen die von den Parteien gestellten Sachanträge überschritten, etwa über die Höhe des Anspruchs entschieden, obwohl nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Anspruchs begehrt wurde (vgl Fasching aaO, 153 unter V. lit b, EvBl 1968/345). Die Klägerin vermochte somit auch das Vorliegen der Voraussetzungen des Anfechtungsgrundes nach § 595 Z 5 ZPO nicht darzutun.

Was schließlich Punkt IV des Schiedsspruchs (Kostenentscheidung) anlangt, liegt hier keine Entscheidung über den Kostenpunkt (§ 528 Abs 1 Z 2 ZPO) vor, zumal das Schiedsgericht unter anderem auch über den Entlohnungsanspruch der Schiedsrichter entschieden hat, sodass das Rechtsmittel der Beklagten diesbezüglich zulässig ist (vgl RZ 1936, 96, SZ 25/252). Das Rechtsmittel ist aber auch berechtigt. Das Schiedsgericht hat seinen Ausspruch zu Punkt IV. des Schiedsspruchs auf Art 20 der Verfahrensordnung gegründet. Die Klage, die den Schiedsspruch zwar zur Gänze anzufechten erklärte, enthält bezüglich des Punkts IV. überhaupt keine Ausführungen. Der Kläger vermochte in diesem Umfang im Verfahren erster Instanz das Vorliegen eines der Anfechtungsgründe des § 595 ZPO in keiner Weise darzutun. Es bestand daher, wie die Revision zutreffend ausführt, zur Aufhebung des Punktes IV. des Schiedsspruchs keine gesetzliche Grundlage. Da die Revision schon ausgrund der Rechtsrüge berechtigt war, erübrigte sich ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen des Rechtsmittels.

Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte