OGH 11Os53/82

OGH11Os53/8221.4.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 1982

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pollak als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. November 1981, GZ 3 e Vr 6.919/81-23, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. November 1981, GZ 3 e Vr 6.919/81-23, verletzt das Gesetz 1.) insoweit, als der Angeklagte Karl A für das ihm laut den Punkten III 2 und IV 2 des Urteils angelastete Tatverhalten auch des (in Tateinheit mit dem Vergehen der Urkundenfälschung begangenen) Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, in der Bestimmung des § 108 Abs. 1 StGB, 2.) im Schuldspruch des Angeklagten Karl A wegen des Vergehens des Siegelbruches nach dem § 272 Abs. 1 StGB (Punkt V des Urteilssatzes) in der letztgenannten Bestimmung.

Das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch zu den Punkten IV 2 und V und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und es wird im Umfang der Aufhebung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Karl A wird für die ihm weiterhin zur Last fallenden Taten, und zwar für das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1 StGB (Punkt I des Urteilsspruches), das Vergehen der Entziehung von Energie nach dem § 132 Abs. 1 StGB (Punkt II des Urteilsspruches), das Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 1 und 2, 224 StGB (Punkt III des Urteilsspruches) und das Vergehen der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1

StGB (Punkt IV 1 des Urteilsspruches), nach dem § 128 Abs. 2 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Monaten verurteilt. Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens, über die Vorhaftanrechnung, über den Zuspruch von 5.000 S an die C und über deren Verweisung mit ihrem Mehrbegehren auf den Zivilrechtsweg werden aus dem Ersturteil übernommen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Hingegen wird Karl A von der weiteren Anklage, Ende 1979 in Wien ein Siegel, das ein Beamter in Ausübung seines Amtes angelegt hat, um eine Sache unter Verschluß oder in Beschlag zu nehmen, nämlich die von Beamten der C angebrachte Plombierung der elektrischen Stromleitung, abgelöst und hiedurch das Vergehen des Siegelbruches nach dem § 272 Abs. 1 StGB begangen zu haben, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem nur von der Staatsanwaltschaft und bloß mit Berufung angefochtenen, sohin im Schuldspruch rechtskräftigen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. November 1981, GZ 3 e Vr 6.919/

81-23, wurde der am 3. August 1950 geborene Tischlergeselle Karl A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 2, 129 Z 1

StGB (Punkt I des Urteilsspruches), des Vergehens der Entziehung von Energie nach dem § 132 Abs. 1 StGB (Punkt II des Urteilsspruches), des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 1 und 2, 224

StGB (Punkt III des Urteilsspruches), des Vergehens der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB (Punkt IV des Urteilsspruches) und des Vergehens des Siegelbruches nach dem § 272 Abs. 1 StGB (Punkt V des Urteilsspruches) schuldig erkannt. Nach den zu den Punkten II 2 und IV 2 des Schuldspruches getroffenen Urteilsfeststellungen montierte der Angeklagte Karl A in Wien auf einem am 20. Juni 1981

vom Abstellplatz der Firma E & Co gestohlenen (vgl Punkt I 2 des Schuldspruchs) PKW der Marke 'Peugeot 504 GL' eine selbst angefertigte Kennzeichentafel mit der Nr W 462.088 und nahm mit diesem Fahrzeug bis zu seiner Festnahme am 29. Juni 1981 am Straßenverkehr teil. Dieses Tatverhalten wurde vom Gericht den Tatbeständen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB und der versuchten Täuschung nach den §§ 15, 108 Abs. 1 StGB unterstellt. Als Siegelbruch nach dem § 272 Abs. 1 StGB wurde dem Angeklagten angelastet, zum Zweck der widerrechtlichen Entziehung von Energie (Schuldspruchfaktum II) Ende 1979

die von den C an dem Zähler seiner Wohnung angebrachte Plombierung der elektrischen Stromleitung abgelöst zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Soweit Karl A zu Punkt IV 2 des Urteilssatzes des Vergehens der versuchten Täuschung und zu Punkt V des Urteilssatzes des Vergehens des Siegelbruches schuldig erkannt wurde, steht das eingangs zitierte Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Zum Nachteil des Angeklagten wurde das Gesetz zunächst insofern unrichtig angewendet (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO), als die Anbringung einer nachgemachten Kennzeichentafel an einem gestohlenen Kraftfahrzeug und die Benützung dieses Fahrzeuges nicht nur als Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden, sondern auch als versuchte Täuschung gewertet wurde. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre der Gebrauch der nachgemachten Kennzeichentafel anläßlich der Teilnahme am öffentlichen Verkehr nur dem erstgenannten Tatbild zu unterstellen gewesen. Denn durch diese Tathandlung wurde, über die mit dem festgestellten Gebrauch einer solchen Urkunde im Rechtsverkehr (§ 223 Abs. 2 StGB) regelmäßig verbundene Täuschung über Tatsachen - und dem zwangsläufigen Effekt einer Verhinderung des Ausschlusses von der Teilnahme am Straßenverkehr - hinaus, ein Schaden an konkreten (staatlichen) Rechten nicht herbeigeführt (vgl ÖJZ-LSK 1980/155 = EvBl 1981/79; 13 Os 14/81).

Aber auch der Schuldspruch wegen Vergehens des Siegelbruches entspricht nicht dem Gesetz, weil die vom Angeklagten abgelöste Plombe von Bediensteten der C angebracht wurde, denen Beamteneigenschaft im Sinn des § 74 Z 4 StGB nicht zukommt. Voraussetzung der Strafbarkeit nach § 272 Abs. 1 StGB ist nämlich, daß sich die Tathandlung auf ein Siegel bezieht, das ein Beamter in Ausübung seines Amtes angelegt hat, um eine Sache unter Verschluß oder in Beschlag zu nehmen oder zu bezeichnen. Dies trifft aber auf Plomben, die von Bediensteten einer Teilunternehmung der C angebracht werden, nicht zu, weil es sich bei diesen Betrieben um wirtschaftliche Unternehmungen handelt, die nicht der staatlichen Verwaltung unterfallen (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 14 und Mayerhofer-Rieder2, Entscheidung Nr 4 jeweils zu § 74 StGB).

über die dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden Gesetzesverletzungen war daher, wie von der Generalprokuratur beantragt, abzusprechen.

Bei der infolge teilweiser Urteilsaufhebung erforderlichen Neubemessung der Strafe konnte von den bereits in erster Instanz festgestellten Strafzumessungsgründen ausgegangen werden, die lediglich durch Berücksichtigung der Wiederholung des Diebstahls (§ 33 Z 1 erster Fall StGB) als erschwerend und des Umstandes, daß die strafsatznormierende Wertgrenze des § 128 Abs. 2 StGB bloß gering überschritten wurde, als mildernd zu ergänzen waren. Auf dieser Grundlage und auch unter Bedachtnahme auf den durch Wegfall der Schuldspruchfakten IV 2 und V verminderten Unrechts- und Schuldgehalt des zu ahndenden Verhaltens zeigt sich, daß mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwanzig Monaten das Auslangen gefunden werden kann, wobei sowohl den Erfordernissen der Spezial- als auch der Generalprävention in ausreichendem Maß Rechnung getragen wird.

Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens, über die Vorhaftanrechnung und über das Entschädigungsbegehren des Privatbeteiligten waren aus dem Ersturteil zu übernehmen. Mit ihrer durch die Neubemessung der Strafe gegenstandslos gewordenen Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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