OGH 13Os116/81

OGH13Os116/8117.12.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Dezember 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Franz als Schriftführers in der Strafsache gegen Gottfried A und Johanna A wegen Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB über die von der Angeklagten Johanna A gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 5.März 1981, GZ. 25 Vr 1106/78-55, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung, sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der beiden Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Reisch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten Johanna A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 23.Juni 1940 geborene Baumeister Gottfried A (jun.) und die am 3.Mai 1933 geborene Johanna A wurden des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 2, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt, weil sie vom 19.März 1975 bis 17.August 1977 in Fieberbrunn im bewußten und gemeinsamen Zusammenwirken ihnen anvertraute, für etwa 60 Arbeitnehmer von der Bauarbeiter-Urlaubskasse überwiesene Urlaubsentgelte in einem jedenfalls 100.000 S übersteigenden Betrag dadurch, daß sie diese Gelder nicht an die Arbeitnehmer auszahlten, sondern zur Begleichung anderer Verpflichtungen verwendeten, sich mit Bereicherungsvorsatz zueigneten.

Diesen Schuldspruch bekämpft Johanna A mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund erblickt die Beschwerdeführerin in der (begründungslosen) Abweisung ihres in der Hauptverhandlung gestellten Antrags, einen 'Sachbefund' darüber einzuholen, daß die auf den Deliktszeitraum entfallende Schadenssumme wesentlich geringer als angeklagt sei, ein Teilbetrag von ca. 200.000 S eine Anforderung auf die im September 1977 tatsächlich angetretenen Urlaube darstelle und ein weiterer Teilbetrag von 100.000 S auf die nicht verbrauchten Urlaube der Jahre 1974 und 1975 (also auf einen - ihrer Ansicht nach - von der Anklage nicht erfaßten Zeitraum) entfalle (Band II, S. 103). Das Erstgericht hat zwar nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls diese Entscheidung nicht begründet und die Begründung auch nicht im Urteil nachgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Doch ist die vom Erstgericht verletzte Vorschrift des § 238 Abs 2 StPO im Katalog des § 281 Abs 1 Z. 3 StPO

nicht enthalten, der Verfahrensverstoß darum selbständig gar nicht anfechtbar. Der angerufene Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs 1 Z. 4 StPO) hinwiederum kann nicht zum Vorteil der Angeklagten geltend gemacht werden, weil unzweifelhaft erkennbar ist, daß die Formverletzung auf die Entscheidung keinen der Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 281 Abs 3 StPO). Das Erstgericht ging nämlich davon aus, daß den beiden Angeklagten möglicherweise nicht bekannt war, in welcher Höhe Urlaubsgelder im Rahmen des Firmenbetriebs herangezogen wurden und lastete ihnen nicht den in der Anklage angeführten Schadensbetrag von 791.145,29 S an; es nahm vielmehr nur als erwiesen an, daß dieser Betrag ihrer Vorstellung nach zweifelsfrei 100.000 S bei weitem überstieg (Band II, S. 116, 118). Diese Konstatierung hätte durch das von der Beschwerdeführerin erwartete Ergebnis der begehrten Beweisaufnahme nicht widerlegt werden können.

Mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO rügt die Beschwerdeführerin das Fehlen einer Begründung für die Annahme des Deliktszeitraums vom 19.März 1975 bis 17. August 1977 und zur Höhe der ihr angelasteten Schadenssumme. Im vorliegenden Fall bildet dies jedoch weder einen Begründungs- noch einen Feststellungsmangel noch einen unter Nichtigkeitssanktion stehenden Verstoß gegen das Tatkennzeichnungserfordernis des § 260 Abs 1 Z. 1 StPO, weil auch ohne diese Substantiierungen die Tatbestandsmäßigkeit und die Qualifikation (§ 133 Abs 2/2 StGB) des vorgeworfenen Verhaltens klar erkennbar sind und dieses als individuelles Ereignis voll abgegrenzt ist (LSK. 1978/304, 1979/80, 9 Os 104/72). Dazu kann im übrigen auf das Vorgesagte verwiesen werden.

Eine offenbar unzureichende Begründung macht die Beschwerdeführerin dee Urteil mit der Behauptung zum Vorwurf, es gehe über ihre persänliche Stellung im Betrieb hinweg und lasse unberücksichtigt, daß es sich um das Unternehmen ihres Ehegatten und ihres Schwiegervaters bzw. um deren Kosten und Gelder (und nicht um ihr eigenes) gehandelt habe; ferner fehlten entsprechende tatsächliche Grundlagen für die Annahme eines bewußten und gemeinsamen Zusammenwirkens mit ihrem Gatten.

Diesen Beschwerdeausführungen ist entgegenzuhalten, daß das Erstgericht auf Grund der für glaubwürdig erachteten Zeugenaussage der Herta C als erwiesen angenommen hat, daß bei dem von dieser Zeugin wiedergegebenen Gespräch (Band II, S. 98 f.) beide Angeklagten zugegen waren und ihnen demnach sowohl die Verwendung der eingehenden Urlaubsgelder für Firmenverbindlichkeiten als auch die Rechtswidrigkeit dieser Vorgangsweise bekannt gewesen sind. Daraus zog das Gericht den Schluß, Johanna A habe, indem sie die Urlaubsgelder für die in Urlaub gehenden Arbeiter der Firma anforderte und auf ein Konto bei der Raiffeisenkassa Fieberbrunn, über das auch der gesamte übrige Geldverkehr des Unternehmens abgewickelt wurde, und nicht auf ein eigenes Treuhandkonto überweisen ließ, im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten Gottfried A (jun.) und mit dem Vorsatz gehandelt, dem Bauunternehmen die ihm anvertrauten Gelder durch deren widmungswidrige Verwendung als laufende Firmenmittel zuzueignen; dabei sei ihr auch das Fehlen eines (jederzeit verfügbaren) präsenten Deckungsfonds bewußt gewesen. Dieser Schluß beruht auf einer denkfolgerichtigen und zureichenden Begründung. Die Rechtsrügen der Z. 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO wenden sich gegen die Subsumtion des Tatverhaltens als Veruntreuung und überdies (hilfsweise) gegen deren Zurechnung in der Erscheinungsform der Mittäterschaft: Die von der Bauarbeiter-Urlaubskasse überwiesenen Urlaubsgelder seien nicht der Rechtsmittelwerberin, sondern der Firma ihres Gatten und ihres Schwiegervaters anvertraut gewesen und daher auch ausschließlich von dieser mit Bereicherungstendenz zugeeignet worden;

da ihre Tätigkeit außerdem nur in der Anforderung der Beträge bestanden habe, könne ihr mangels einer Ausführungshandlung keinesfalls Haupttäterschaft (unmittelbare Täterschaft), aber auch Anstiftung oder Beihilfe nicht angelastet werden.

Richtig ist zwar, daß beim Tatbestand der Veruntreuung Haupttäter nur sein kann, wem das Gut anvertraut war, wogegen die übrigen, an der Zueignung Mitwirkenden Gehilfen (§ 12, dritter Fall, StGB) sind. Eine strafrechtliche Haftung der Beschwerdeführerin kam sonach im Hinblick darauf, daß sie im Unternehmen nur als - u.a. für die Anforderung der Urlaubsgelder von der Bauarbeiter-Urlaubskasse verantwortliche, aber sonst nicht über Firmenvermögen verfügungsberechtigte - Büroangestellte fungierte und persänlich haftende Gesellschafter dieser Offenen Handelsgesellschaft der Angeklagte Gottfried A jun. und dessen Vater Gottfried A sen. waren, nicht in der Form der Haupttäterschaft, sondern nur in der Form der Beihilfe in Betracht. Die irrige Annahme des ersten statt des dritten Anwendungsfalls des § 12 StGB vermag indes zufolge der rechtlichen Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen keine Urteilsnichtigkeit zu bewirken, sofern im Urteil alle die Beurteilung des Tatverhaltens als Beihilfe ermöglichenden Tatumstände festgestellt sind (LSK. 1979/116 u.a.). Eben diese Voraussetzungen lagen hier vor. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stellte ihre Tätigkeit, nämlich die Anforderung der Urlaubsgelder auf ein für allgemeine Unternehmenszwecke und zur Begleichung von Firmenverbindlichkeiten bestimmtes Konto, einen die Tatausführung färdernden Beitrag dar. Sie hat auf diese Weise vorsätzlich die Überführung des anvertrauten Wirtschaftsguts in das freie Vermögen der Offenen Handelsgesellschaft unter Verletzung der bestehenden Verwendungspflicht gegenüber den anspruchsberechtigten Dienstnehmern (§ 8 Abs 4 Bauarbeiter-UrlaubsG., BGBl. 1972/414 i.d.F.d. BGBl. 1976 Nr. 393) und der Rückstellungspflicht gegenüber der Bauarbeiter-Urlaubskasse (§ 8 Abs 5 leg. cit.) zum Zweck einer wenigstens zeitweiligen Vermehrung des Firmenvermögens ermöglicht oder zumindest erleichtert.

Dem steht nicht entgegen, daß die Angeklagte solcherart nicht an der Zueignungshandlung selbst, also in der Ausführungsphase, sondern in einem früheren Stadium an der Tat mitwirkte. Wesentlich ist nur, daß ihre auf die Zueignung von Urlaubsgeldern und auf eine hiedurch bewirkte Bereicherung des Unternehmens bzw. seiner Gesellschafter abzielende Hilfeleistung zur Tatausführung in ihrer individuellen Erscheinungsform in einem ursächlichen Zusammenhang stand, d.h. daß die Haupttat ohne die Beihilfe nicht derart zustandegekommen wäre, wie sie sich ereignet hat, mag auch die Beihilfe nicht gerade notwendig und die Vollendung der Haupttat etwa anders möglich gewesen sein (EvBl 1978 Nr. 107).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagten gemäß §§ 41, 133 Abs 2, zweiter Strafsatz, StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Gottfried A zu zehn Monaten und Johanna A zu neun Monaten; es sah die Strafen gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nach. Bei der Strafbemessung wertete das Gericht als erschwerend die langjährige Wiederholung des strafbaren Verhaltens, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und das bisherige Wohlverhalten (was freilich nur zwei Umschreibungen für einen und denselben Milderungsgrund sind) sowie das lange Zurückliegen der Tat und den Umstand, daß den beiden Angeklagten ihre Durchstechereien seitens der Bauarbeiter-Urlaubskasse sehr leicht gemacht wurden und darum eine 'aufstoßende Gelegenheit' bestand.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagte Johanna A eine Herabsetzung des Strafmaßes, die Staatsanwaltschaft hingegen (unter Ausschaltung des § 41 StGB) eine Erhähung der beiden Freiheitsstrafen an.

Die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechts nach § 41 StGB ist vertretbar. Diese Bestimmung stellt u.a. darauf ab, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dabei kommt es aber nicht allein auf die im § 34 StGB beispielsweise aufgezählten 'besonderen' Milderungsgründe an; es sind vielmehr auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle sonst nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung gemäß § 32 Abs 2 und 3 StGB bedeutsamen Momente zu berücksichtigen, welche die Tat als überdurchschnittlich schwer oder als überdurchschnittlich leicht ausweisen. Bedenkt man die Umstände der Tat und die hiefür kausalen wirtschaftlichen Zusammenhänge, so fällt der Unrechtsgehalt im Verhältnis zu vergleichbaren Tathandlungen nicht so sehr ins Gewicht.

Zudem sind die Milderungsgründe nur mit einem einzigen erschwerenden Umstand konfrontiert und die Zukunftsprognosen beider Angeklagten sind im Hinblick auf ihren bisherigen Lebenswandel günstig. Dem Straferhähungsbegehren konnte darum kein Erfolg beschieden sein. Bei sachgemäßem Abwägen der gegebenen Strafzumessungsgründe wird die über Johanna A verhängte Freiheitsstrafe ihrer tat- und persänlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) durchaus gerecht, sodaß auch ihrer Berufung - die nichts aufzeigt, was eine noch weitere Strafermäßigung stichhältig begründen könnte - ein Erfolg zu versagen war.

In die Kosten des Rechtsmittelverfahrens war nur die Zweitangeklagte zu verfällen, weil bezüglich des Erstangeklagten diese Kosten lediglich durch ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Gegners verursacht worden sind (§ 390 a Abs 1 StPO).

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