OGH 12Os108/81

OGH12Os108/8120.8.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. August 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter A wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 3. Februar 1981, GZ 23 Vr 1379/ 80-53, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Wolfram Bitschnau, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser und der Ausführungen des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Imre B zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen § 12 Abs 1 SuchtgiftG (Punkt 1./ des Urteilssatzes) weiters in den Strafaussprüchen nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG und nach § 38 FinStrG sowie im Verfallsausspruch nach § 12 Abs 3 SuchtgiftG aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfange der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner (die gemäß § 12 Abs 1 SuchtgiftG verhängte Freiheitsstrafe betreffenden) Berufung wird der Angeklagte auf die obige Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. September 1956 geborene, beschäftigungslose Peter A 1./ des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG, 2./ des Vergehens nach § 16 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG und 3./ des Vergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG schuldig erkannt und hiefür nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG zu einer Freiheitsstrafe, nach § 38 FinStrG zu einer Geldstrafe und nach § 19 FinStrG zu einer Wertersatzstrafe verurteilt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in Linz 1./ dadurch, daß er von Mitte Februar bis 22. Juni 1980 mindestens 20 Gramm Heroin mit einem Diacethylmorphingehalt von mindestens 31 % in kleinen Einzelmengen an zahlreiche unbekannte Personen und insgesamt in mehreren Teilverkäufen, davon 2,5 Gramm Heroin an Helmut C, 3mal Heroin um insgesamt S 2.500,-- an Franz D, eine geringe Menge an Werner E sowie an Beate F verkaufte, sowie davon unbekannte Heroinmengen Susanne G geschenkweise überließ, vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr gesetzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte;

2./ in der Zeit von Anfang Jänner 1980 bis 23. Juni 1980 wiederholt, und zwar von Jänner bis Mitte Mai 1980

für den wächentlich mindestens einmaligen Konsum und sodann bis zum 23. Juni 1980 für den täglich mehrmaligen Konsum bestimmtes Heroin, sohin ein Suchtgift, unberechtigt erworben und besessen; 3./ durch die zu 1./ und 2./ angeführten Taten vorsätzlich Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen worden war, an sich gebracht bzw verhandelt, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Mit einer auf die Ziffern 5, 8, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte (der Sache nach) lediglich die Punkte 1./ und 3./ des oben wiedergegebenen Schuldspruchs sowie die nach dem Finanzstrafgesetz erfolgten (Geld-)Strafaussprüche. In Ausführung des erstgenannten Nichtigkeitsgrundes behauptet der Beschwerdeführer - damit der Sache nach auch einen Feststellungsmangel zur subjektiven Tatseite im Sinne des § 281 Abs 1 Z 10 StPO geltend machend - es mangle an (entsprechend begründeten) Urteilsfeststellungen darüber, daß die Herbeiführung einer (abstrakten) Gemeingefahr von seinem (zumindest bedingten) Vorsatz umfaßt gewesen sei, zumal er in der Mehrzahl der Fälle derart geringe Mengen (gestreckten) Heroins weitergegeben habe, daß lediglich mit einem Eigenverbrauch durch die Abnehmer zu rechnen war.

Rechtliche Beurteilung

Daran, daß die vom Angeklagten nach den Urteilsannahmen insgesamt in Verkehr gesetzten (mindestens) 20

Gramm Heroin auch bei einem Diacetylmorphingehalt von nur 31 % - was immerhin mittlerer Suchtgiftqualität entspricht (vgl G. Machata-H. Maurer, Mengenstufen von Suchtgift nach der Suchtgiftgesetznovelle 1980, RZ 1981, 45) -

in objektiver Beziehung in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeiführen konnten und demnach über der sogenannten 'Grenzmenge' (durch die 30 bis 50 Menschen der Rauschsucht zugeführt oder in ihr bestärkt werden können) lagen, kann - den weiteren, zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO gemachten Beschwerdeausführungen zuwider - allerdings kein Zweifel bestehen. Denn abgesehen davon, daß der Angeklagte nach den erstgerichtlichen Feststellungen (zumindest an Helmut C) auch größere Teilmengen verkaufte, sind die Suchtgiftmengen mehrerer einzelner Teilhandlungen zu addieren und es ist die Eignung nach dem § 12 SuchtgiftG an der Gesamtmenge zu prüfen, wenn im Sinne einer fortlaufenden Tatbestandsverwirklichung die betreffenden Einzelakte objektiv mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden (vgl ÖJZ-LSK 1979/287 = EvBl 1980/20).

Die Herbeiführung der abstrakten Gemeingefahr - bei bewußt kontinuierlicher Tatbegehung auch der daran geknüpfte Additionseffekt - muß aber in subjektiver Beziehung jedenfalls vom zumindest bedingten Vorsatz des Täters umfaßt sein. In dieser Beziehung mangelt es dem angefochtenen Urteil tatsächlich an ausreichenden Feststellungen. Demselben ist weder mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, daß der Angeklagte das Suchtgift selbst an mindestens 30 bis 50 Personen weitergegeben und in Kenntnis des für eine Gefährdung mengenmäßigen Zureichens des fortlaufend in Verkehr gesetzten Gesamtquantums die Gefährdung einer solchen Personenzahl im Wege eigener Verteilung herbeiführen wollte oder doch wenigstens für möglich hielt und sich damit abfand, noch bringt es einen (allenfalls bedingten) Vorsatz des Angeklagten zum Ausdruck, der sich (im Falle eigener Verteilung an weniger als 30 bis 50 Personen) darauf erstreckt hätte, daß das Suchtgift im Wege der Weiterverbreitung durch die Erstabnehmer letztlich doch mindestens 30

bis 50 Verbrauchern zukommen könne. Die Konstatierung, daß es dem Angeklagten völlig gleichgültig war, was seine Bezieher mit dem Heroin vorhatten, daß er auch mit der Möglichkeit rechnete, daß sie es an andere weitergeben (S 374) und daß er eine Weitergabe des Suchtgiftes durch seine Abnehmer in Kauf nahm (S 377), besagt bloß, daß der Angeklagte die Herbeiführung einer (abstrakten) Gemeingefahr ernstlich für möglich hielt, nicht aber auch, daß er sich mit einem solchen möglichen nachteiligen Ereignisablauf auch abfand und kann daher Ausgangspunkt nicht nur für bedingt vorsätzliches, sondern gleichermaßen auch für bewußt fahrlässiges Handeln sein, das solcherart nicht ausgeschlossen wurde (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2, RN 17 zu § 5).

Da der Punkt 1./ des Schuldspruchs somit schon wegen dieser insbesondere die subjektive Tatseite betreffenden (im zweiten Rechtsgang zu beseitigenden) Feststellungsmängel nicht aufrecht bleiben kann - was im übrigen auch eine Aufhebung des davon abhängigen Strafausspruchs nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG sowie des Verfallsausspruchs nach dem § 12 Abs 3 SuchtgiftG (zu diesem vgl überdies EvBl 1980/9) nach sich ziehen muß - erübrigt es sich, auch noch auf die weiteren diesen Schuldspruchpunkt betreffenden Beschwerdeausführungen einzugehen.

Keine Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten hingegen insoweit zu, als darin unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO die im Zusammenhang mit dem Punkt 3./ des Schuldspruchs erfolgte Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung bekämpft und die Behauptung aufgestellt wird, im Urteil würden für diese Annahme nur die verba legalia gebraucht, aber keine darüber hinausgehenden, einer Überprüfung zugänglichen Überlegungen angestellt. Denn das Erstgericht hat die Absicht des Beschwerdeführers, sich durch die wiederkehrende Begehung der Abgabenhehlerei eine fortlaufende Einnahmsquelle zu verschaffen, durchaus schlüssig, lebensnah, gedeckt durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens und mithin mängelfrei aus der Vielzahl der Suchtgifttransaktionen, aus dem Geldmangel des Angeklagten und schließlich aus der für ihn bestehenden Notwendigkeit, immer wieder Mittel zur Befriedigung der eigenen Sucht zu beschaffen, erschlossen (vgl S 378).

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer jedoch den sich auf den Punkt 3./ des Schuldspruchs beziehenden Strafausspruch nach § 38 FinStrG deswegen als nichtig im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11 StPO, weil die 9. Zolltarifgesetznovelle BGBl Nr 669/1976 - die durch das WertzollG 1980, BGBl Nr 221, neuerlich veränderte Rechtslage hat bei Beurteilung der gegenständlichen Strafsache noch außer Betracht zu bleiben - für Waren, die entgegen den Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes und der Suchtgiftverordnung eingeführt werden, einen Gewichtszoll festgesetzt hat, sodaß sich die gemäß § 38 Abs 1 FinStrG verhängte Geldstrafe lediglich an diesem Gewichtszoll zu orientieren hatte, wogegen den vom Zollamt Linz angestellten (vom Erstgericht übernommenen) Berechnungen (vgl S 266) zuwider beim Suchtgift Heroin weder die Einfuhrumsatzsteuer noch der Außenhandelsförderungsbeitrag zu berücksichtigen waren (vgl ÖJZ-LSK 1980/93 =

EvBl 1981/ 8, 13 Os 35/81, 12 Os 100/80, 12 Os 155/80 ua). Da das Erstgericht demnach bei Bemessung der nach § 38 Abs 1 FinStrG verhängten Geldstrafe rechtsirrig von einem überhöhten strafbestimmenden Wertbetrag (gemäß §§ 37 Abs 2, 38 Abs 1 FinStrG orientiert sich die Strafe am 'Verkürzungsbetrag') ausgegangen ist, erweist sich eine Aufhebung auch dieses Strafausspruches als notwendig. Das Erstgericht wird im erneuerten Verfahren den strafbestimmenden Wertbetrag in richtiger Höhe (nämlich im Umfang des bezüglichen Gewichtszolls) festzustellen und die (neuerlich) gemäß § 38 FinStrG zu verhängende Geldstrafe auf dieser Basis auszumessen haben.

Die nach § 19 FinStrG ausgesprochene Wertersatzstrafe jedoch war nicht - wie der Beschwerdeführer der Sache nach meint - unter Zugrundelegung des (Abgaben-)Verkürzungsbetrages, sondern im Ausmaß von 20 Gramm Heroin die nicht Gegenstand des Schuldspruchs nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG sind, (gemäß § 19 Abs 3 FinStrG) entsprechend dem gemeinen Wert der dem Verfall unterliegenden Gegenstände im Zeitpunkt der Begehung des Finanzvergehens zu berechnen. Hinsichtlich der in Verkehr gesetzten weiteren 20 Gramm Heroin hätte der (insoweit sowohl auf § 12 Abs 4 SuchtgiftG als auch auf § 19 FinStrG zu stützende, jedoch nur einmal auszusprechende) Verfallsersatz sogar nach der Vorschrift des § 12 Abs 4 SuchtgiftG (also in erster Linie nach dem tatsächlich erzielten Erlös) ausgemessen werden sollen (vgl SSt 43/37, 13 Os 35/81). Zwar ist das Erstgericht bei Ermittlung des Wertersatzes weder vom gemeinen Wert (vgl zu diesem Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Kommentar zum FinStrG, Anm 5 zu § 19) noch vom Erlös ausgegangen, doch übersteigt die (anteilmäßig) individuell verhängte Wertersatzstrafe (von S 40.000,--) jedenfalls nicht den gemeinen Wert der an sich dem Verfall unterliegenden, jedoch nicht mehr ergriffenen 40 Gramm Heroin, die der Angeklagte nach den Urteilsannahmen um S 3.000,-- bis S 3.500,-- pro Gramm eingekauft und (im Ausmaß von mindestens 20 Gramm) um S 500,-- pro 0,1-Gramm-Briefchen weiterverhandelt hatte. Insoweit liegt daher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers eine Nichtigkei im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11 StPO nicht vor; vielmehr wäre nach Lage des Falles eine Anfechtung des auferlegten Wertersatzes nur mittels Berufung möglich (vgl ÖJZ-LSK 1980/77). Aus diesen Erwägungen war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im übrigen wie im Spruche zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

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