Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Karl Leslie A des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG., ferner des 'Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG. und § 15 StGB. als Beteiligter (§ 12 StGB.)' - gemeint wohl: des versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG. durch versuchte Bestimmung nach § 15 Abs 2 (§ 12) StGB. - sowie des Vergehens nach '§ 16 Abs 1 und 2 SGG.' - richtig: § 16 Abs 1 Z. 2 (3. und 4. Fall) SGG. - schuldig erkannt. Als Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG. liegt ihm zur Last, in Wien im Sommer 1980
vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr gesetzt zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte, indem er 3,10 kg Haschisch an verschiedene unbekannte Personen verkaufte (Punkt I des Urteilssatzes), sowie am 19.September 1980 dadurch, daß er Inge B und Rudolf E fernmündlich beauftragte, Suchtgift (Haschisch) im Wert von 5.000 S für ihn in Marokko zu erwerben und (nach Wien) mitzubringen und ihnen hiefür den Betrag von 5.000 S überwies, versuchte, die Genannten zu veranlassen, vorsätzlich Suchtgift nach Österreich einzuführen und hiedurch 'die Schädigung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen vorsätzlich herbeizuführen' (Punkt II).
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt Berechtigung zu.
Des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG. macht sich (unter anderem) schuldig, wer vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in solchen Mengen einführt oder (und) in Verkehr setzt, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann. Auf der objektiven Tatseite setzt dieses Verbrechen voraus, daß durch das Verhalten des Täters eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung, das heißt in einer Anzahl von wenigstens 30 bis 50 Personen, entstehen kann.
Der tatsächliche Eintritt einer derartigen (Gemein-) Gefahr, also das wirkliche Naheliegen eines Schadens am Leben oder an der Gesundheit von Menschen in der bezeichneten Größenordnung ist demnach zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich, eine (in diesem Sinn) abstrakte Gefährdung (Gefährdungseignung) reicht aus. Ob aber dem Täterverhalten immerhin diese Eignung zur Herbeiführung einer Gemeingefahr zukommt, muß nach den konkreten Umständen des Einzelfalles geprüft werden: Genügt das tatgegenständlich (erzeugte, eingeführte, ausgeführte oder) in Verkehr gesetzte Suchtgiftquantum, um die vorerwähnte Anzahl von Personen der Sucht auszusetzen, dann ist die in Rede stehende Eignung, sofern es sich nicht ohnedies um eine entsprechend breit gestreute Verteilung durch den Täter selbst handelt, objektiv (nur) gegeben, wenn nach der von ihm für den nächsten Verwertungsschritt in concreto in Aussicht genommenen oder bereits vorgenommenen Disposition über das Rauschgift die reale Möglichkeit besteht, daß es im Weg einer abermaligen (Weiter-) Verbreitung letzten Endes doch wenigstens 30 bis 50 Menschen erreicht und damit der Sucht zuzuführen oder darin zu bestärken vermag, daß mithin die Tat im einzelnen Fall wirklich zu der verpänten (konkreten) Gefahrenlage führen könnte.
Bei einer Weitergabe an einen kleineren Personenkreis wird demnach, sofern die betreffende Suchtgiftmenge nicht von vornherein außerhalb jeder realistischen Relation zum Eigenbedarf einer die bezeichnete Dimension nicht erreichenden Anzahl von Menschen für einen aktuellen Vorsorgezeitraum steht, durch sachdienliche Konstatierungen über alle für die tatbestandsrelevante Breite der im konkreten Fall zu besorgenden Suchtgiftstreuung maßgebenden Umstände - wie insbesondere über die Zahl der (vorgesehenen) Erstabnehmer über deren real in Betracht zu ziehendes Folgeverhalten (in bezug auf eine Weiterverbreitung der ihnen jeweils zur Verfügung gelangenden Rauschgiftmengen) und in diesem Zusammenhang (gegebenenfalls) auch über den Einfluß ihrer eigenen Süchtigkeit darauf (unter dem Aspekt des vom Grad ihrer Sucht und von der Qualität des Rauschgifts abhängigen Eigenbedarfs einerseits sowie des suchtbedingten Finanzierungsaufwands andererseits) - klarzustellen sein, ob daraus wirklich letzten Endes (doch) eine Gemeingefahr entstehen konnte; bei einer Überlassung von Suchtgift an Unbekannte trifft dies aber jedenfalls zu, sobald sich der Täter dabei nach den konkreten Tatumständen (Größe der im Einzelfall jeweils abgegebenen Teilmengen in Verbindung mit der Art ihrer Weitergabe) außerstande setzt, den zur tatbildichen Gefahrenlage führenden Streueffekt auszuschalten, also die aus seiner Tat zwangsläufig resultierende konkrete Gefahr für den (die) Erstabnehmer jederzeit so weit zu begrenzen, daß eine damit (allenfalls) verbundene, darüber hinausgehende Gefährdungseignung in Ansehung zusätzlicher Abnehmer bei einer (teilweisen) Weiterverbreitung den mehrfach bezeichneten Umfang nicht zu erreichen vermag.
Auf der subjektiven Tatseite muß der (zumindest bedingte) Vorsatz des Täters alle solcherart für die durch ihn selbst tatsächlich bewirkte Herbeiführung einer Gemeingefahr oder doch für die Eignung seiner Tat zu einer (im Weg einer Weiterverteilung des tatgegenständlichen Rauschgifts erst letztlich erfolgenden) künftigen Erzielung dieses verpänten Effekts im jeweiligen Einzelfall bedeutsamen Aspekte umfassen. Das Wissen um die rein theoretische Möglichkeit der Weiterverbreitung einer an einen kleineren Personenkreis abgegebenen Suchtgiftmenge allein genügt demnach noch nicht: Auch der Tätervorsatz muß sich vielmehr (in diesem Fall) über das Zureichen des Rauschgiftquantums zur Herbeiführung einer Gemeingefahr hinaus außerdem auf alle (vorerwähnten) Tatumstände - wie etwa bei einer Weiterverbreitung an Unbekannte auf die Unmöglichkeit einer Gefahrenbegrenzung - erstrecken, nach denen in concreto zu besorgen ist, daß das Suchtgift letzten Endes doch mindestens 30 bis 50 Verbrauchern zukommen könnte (vgl. zu alledem 10 Os 122/81, 152/80; ÖJZ-LSK 1979/384, 271, RZ. 1979/5, EvBl 19g8d74, 1974/257 u. a.m.).
Mit Recht macht der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall - im Ergebnis (auch) eine Beurteilung seines Tatverhaltens bloß als Vergehen nach § 16 Abs 1 (Z. 1 und 2) SGG. anstrebend - Feststellungsmängel des Urteils (Z. 9 lit a - sachlich auch Z. 10 - des § 281 Abs 1 StPO.) zur
objektiven und zur subjektiven Tatseite des § 12 Abs 1 SGG geltend.
Der Angeklagte hatte zwar nach dem Inhalt des Schuldspruchs und der Urteilsgründe im Sommer 1980 - demnach während eines Zeitraums von zumindest drei Monaten - insgesamt 3,10 kg Haschisch (in Teil-) Mengen von jeweils 300 g von dem abgesondert verfolgten Boris D (um den Kaufpreis von 50 S je Gramm) übernommen, doch wurde in Ansehung der Verbreitung des bezeichneten Suchtgifts vom Erstgericht lediglich festgestellt, daß der Angeklagte dieses 'in der Folge an Suchtgiftkonsumenten weiterverkaufte' (S. 159). Unter diesen Umständen kann aber, zumal (weitere) Konstatierungen über die für die tatbestandsrelevante Breite der im gegebenen Fall zu besorgenden Suchtgiftstreuung maßgebenden Umstände überhaupt fehlen und hiefür auch die Passage des Ersturteils, beim Angeklagten handle es sich um einen Suchtgifthändler, für sich allein jedenfalls keine zwingende Schlußfolgerung in die aufgezeigte Richtung zuläßt, (noch) nicht gesagt werden, ob durch den vom Angeklagten getätigten Weiterverkauf der den Urteilsfeststellungen zufolge (offensichtlich) in rund zehn Teilmengen (zu je 300 g) übernommenen Suchtgifte - ungeachtet der insgesamt das Dreißigfache der zur Herbeiführung einer Gemeingefahr umfänglich ausreichenden Mindest-('Grenz'-)Menge (von 100 g Haschisch) betragenden Größe des (durch die Weitergabe in Verkehr gesetzten) Rauschgiftquantums - objektiv zu einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung führen konnte.
Das Erstgericht hätte daher jedenfalls Feststellungen darüber treffen müssen, an wieviele (Erst-) Abnehmer der Angeklagte die jeweiligen Suchtigftmengen (zumindest) verteilte; falls solcherart eine unmittelbare Gemeingefahr nicht nachweisbar gewesen wäre, hätte es weiterer Konstatierungen dazu bedurft, ob (unter Bedacht auf den Eigenbedarf der Erstabnehmer und dabei auf die wirkliche Suchtgiftdosierung) eine (teilweise) Weiterverbreitung des Suchtgifts konkret in Betracht kam und sohin doch durch den Verteilungsmodus objektiv eine (teils mittelbare) Gefährdung von Menschen in letztlich größerer Ausdehnung zu besorgen war. Bejahendenfalls - sei es auch nur deswegen, weil der Angeklagte eine aus der konkreten Abgabe des Rauschgifts an Unbekannte durch die Weiterverbreitung drohende Gefährdung eines größeren Personen0reises hintanzuhaltend nicht in der Lage war - hätte das Schöffengericht sodann zudem noch klarstellen müssen, ob alle im gegebenen Fall maßgeblichen objektiven Tatumstände auch vom (bedingten) Vorsatz des genannten Angeklagten umfaßto waren.
In Ansehung des dem Angeklagten unter Punkt II des Schuldspruchs angelasteten versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG. hinwieder - die wahldeutigen Passagen in den Urteilsgründen, Inge B und Rudolf E haben wegen polizeilicher Nachforschungen bei der Mutter des Letztgenannten das für den Beschwerdeführer über dessen Ersuchen (um 5.000 S) in Marokko zu beschaffende Suchtgift (Haschisch) 'nicht besorgt bzw. nicht nach Österreich gebracht' (S. 159, 161), lassen nicht erkennen, ob das Schöffengericht dem Angeklagten insoweit das versuchte Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG. als Bestimmungstäter gemäß § 12 StGB. oder aber das (im Falle einer mißlungenen oder erfolglosen Bestimmung der Genannten Platz greifende) versuchte Delikt durch versuchte Bestimmung nach §§ 15 Abs 2 (12) StGB. zur Last legt - wären Feststellungen sowohl hinsichtlich der Verwendungsbestimmung des von B und E für den Angeklagten einzuführenden Rauschgifts, als auch - für den Fall eines vom Beschwerdeführer beabsichtigten Inverkehrsetzens in Österreich - darüber erforderlich gewesen, ob insoweit nur ein Teilakt der dem Angeklagten zu Punkt I des Urteilssatzes angelasteten Tathandlungen vorliegt. Denn das Verbrechen nach § 12 Abs 1 SGG. setzt - dem Beschwerdevorbringen zuwider - keinesfalls voraus, daß dabei in jedem einzelnen oder mindestens in einem Fall eine Suchtgiftmenge (erzeugt) eingeführt (ausgeführt) oder in Verkehr gesetzt wird, aus der (in Verbindung mit ihrer Verwendungsbestimmung) schon für sich allein in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen kann; das Delikt kann vielmehr auch durch eine Folge von Einzelakten begangen werden, mit denen der Täter sich dem vorerwähnten tatbestandsmäßigen Erfolg nach und nach annähert, bis er ihn schließlich erreicht. Durch die (sich schon aus dem Tatbestandsmerkmal 'Menge' - notwendig - ergebende) Zusammenfassung auch von (mehreren) für sich allein den Tatbestand des § 12 Abs 1 SGG. (noch) nicht erfüllenden Teilakten zu einer 'rechtlichen (tatbestandlichen) Handlungseinheit' unterscheidet sich letztere (sowohl auf der objektiven als auch subjektiven Seite) vom sogenannten 'fortgesetzten Delikt', das eine Mehrheit von durch einen Gesamtvorsatz getragenen, an sich selbständigen Handlungen voraussetzt, deren jede für sich bereits den Tatbestand desselben Delikts voll und ganz verwirklicht.
Eine auf obige Weise zur Annahme einer Handlungseinheit - und damit bei der Frage, ob durch die Summe der einzelnen Tathandlungen insgesamt eine (abstrakte) Gemeingefahr im Sinne des § 12 Abs 1 SGG. begründet wurde, zur Addition aller tatgegenständlichen Suchtgiftteilmengen - führende fortlaufende Tatbestandsverwirklichung ist dann anzunehmen, wenn die betreffenden Einzelakte objektive mit einer am einheitlichen Gefahrenbegriff orientierten Kontinuität gesetzt werden und wenn dabei auf der subjektiven Tatseite der mindestens bedingte Vorsatz des Täters jeweils auch den an die bewußt kontinuierliche Begehung geknüpften Additioneffekt umfaßt (vgl. 10 Os 156/79, RZ. 1979/73). Berechtigt ist die Beschwerde schließlich auch, soweit sie unter Geltendmachung der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO. in Ansehung des dem Angeklagten außerdem noch zur Last gelegten Vergehens nach § 16 Abs 1 Z. 2 (3. und 4. Fall) SGG. ins Treffen führt, der mit dem Tatbestand des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG.
verbundene Erwerb und Besitz des vom Punkt I des Schuldspruchs erfaßten Rauschgifts könne dem Angeklagten nicht (nochmals) als das bezeichnete Vergehen angelastet werden.
Denn das Schöffengericht stützte den Schuldspruch wegen des bezeichneten Vergehens entgegen der Formulierung im Urteilssatz, der Angeklagte habe in der Zeit zwischen 1979 und Anfang Oktober 1980 in Wien und an anderen Orten wiederholt unberechtigt Suchtgifte erworben und besessen (S. 157), und der Erwähnung in den Urteilsgründen (im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Schuldspruchfakten I und II), der Angeklagte habe 'einzig und allein in Marokko zweimal Haschisch konsumiert', (rechtsirrtümlich) darauf, daß der Beschwerdeführer das bezeichnete Vergehen (ausschließlich) durch die Verwahrung des von Punkt I des Urteilssatzes erfaßten Suchtgifts bis zu dessen Weiterverkauf verwirklicht hat (S. 163). Hiebei ließ es vollkommen unberücksichtigt, daß auf Grund der Subsidiaritätsklausel des § 16 Abs 2 1. Satz SGG. die (zusätzliche) Unterstellung von Suchtgiften, die den Tatbestand des § 12 Abs 1 SGG. erfüllen, in Ansehung deren anschließenden (oder zwischenzeitigen) Besitzes durch denselben Täter nach § 16 Abs 1 Z. 2 SGG. rechtlich ausgeschlossen ist (ÖJZ-LSK 1978/257). Bei den aufgezeigten, mit der Beschwerde im Kern zutreffend gerügten Feststellungsmängeln des Urteils ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden, sodaß gemäß § 285 e StPO. (i.d.F. BGBl. 1980/28) nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung über die Rechtsmittel wie im Spruch zu erkennen war, ohne daß es einer Erörterung der weiteren (auf die Z. 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten) Beschwerdeeinwände bedurfte.
Im zweiten Rechtsgang wird (für den Fall eines Schuldspruchs nach § 12 Abs 1 SGG.) zu beachten sein, daß - entgegen der im Ersturteil erfolgten Beschränkung der (zudem über den Zeitpunkt der Urteilsverkündung hinausreichenden !) Vorhaftanrechnung auf die Freiheitsstrafe - nach § 38 Abs 1 StGB. Vorhaften auf Freiheitsund Geldstrafen, somit auch auf die gemäß § 12 Abs 4 SGG. verhängte (Verfallsersatz-) Geldstrafe anzurechnen sind.
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