Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es zu lauten hat:
Die Klagsforderung besteht mit 13.715,33 S samt 4 % Zinsen seit 27. 9. 1979 zu Recht.
Die Gegenforderung der zweitbeklagten Partei besteht mit 6.134 S zu Recht.
Die beklagten Parteien haben dem Kläger zur ungeteilten Hand den Betrag von 7.581,33 S samt 4 % Zinsen seit 27. 9. 1979 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren von 12.991,67 S samt 4 % Zinsen seit 27. 9. 1979 wird abgewiesen.
Der Kläger hat den beklagten Parteien die mit 3.110,09 S (darin enthalten 155,08 S USt und 1.016,50 S Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Kläger hat den beklagten Parteien weiters die mit 1.528,42 S (darin enthalten 104,32 S USt und 120 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 751,37 S (darin enthalten 53,68 S USt und 26,76 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 4. 6. 1979 um ca 16:40 Uhr stieß der auf der Drautal-Bundesstraße 100 in Oberdrauburg mit seinem Motorrad Kennzeichen ***** fahrende Kläger gegen den vom Erstbeklagten von der Bundesstraße zu einer Tankstelle gelenkten PKW Kennzeichen K *****. Der Zweitbeklagte ist Halter dieses bei der drittbeklagten Partei haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Sowohl das Motorrad als auch der PKW wurden beim Zusammenstoß beschädigt.
Der Kläger begehrt Ersatz des in Höhe von 20.573 S sA erlittenen Sachschadens. Der Erstbeklagte habe ihn durch ein plötzliches und unvermutetes Abbiegemanöver nach rechts am Vorbeifahren gehindert.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung. Der Erstbeklagte sei vorschriftsmäßig nach rechts zur Tankstelle eingebogen, der nachfolgende Kläger sei an den bereits im Tankstellenbereich befindlichen PKW geprallt; es treffe ihn daher das Alleinverschulden am Unfall. Die Gegenforderung betreffend Reparaturkosten und Wertminderung von 18.402 S werde vorsichtshalber aufrechnungsweise eingewendet.
Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung zu Recht, die Gegenforderung dagegen nicht zu Recht bestehe und gab der Klage voll statt.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass die Klagsforderung mit 10.286,50 S und die Gegenforderung der zweitbeklagten Partei mit 9.701 S festgestellt wurde. Es erkannte die beklagten Parteien demgemäß schuldig, dem Kläger einen Betrag von 585,50 S sA zu bezahlen, das Mehrbegehren wies es ab.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrage, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Das Erstgericht traf die auf den Seiten 2 bis 5 (AS 49 ff) seines Urteils enthaltenen Sachverhaltsfeststellungen. In seiner rechtlichen Beurteilung lastete es dem Erstbeklagten Verstöße nach den §§ 11, 12 und 13 StVO an, da er sich vor seinem Einbiegen nach rechts weder überzeugt habe, ob dies ohne Gefährdung oder Behinderung nachfolgender Verkehrsteilnehmer möglich sei, noch dieses Einbiegen in kurzem Bogen vom rechten Fahbahnrand aus durchgeführt habe. Der Kläger habe dagegen aufgrund der Fahrweise des Erstbeklagten, welcher bereits auf der 3 bis 5 m vom rechten Fahrbahnrand entfernten, in der Mitte der Fahrbahn liegenden Sperrfläche fuhr, annehmen können, dass dieser am Ende der Sperrfläche nach links abbiegen werde. Der Kläger sei daher berechtigt gewesen, den PKW rechts zu überholen. Den Erstbeklagten treffe somit das Alleinverschulden am Unfall.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts mit der Einschränkung, dass sich der vom Erstbeklagten gelenkte PKW nicht mit den rechten Rädern im Bereich der Sperrfläche befunden habe, sondern dieses Fahrzeug „mit den Rädern“ im Bereich der Sperrfläche gefahren sei. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Erstbeklagte nicht rechtzeitig, sondern erst 7 m vor der Unfallstelle seine beabsichtigte Fahrtrichtungsänderung angezeigt und somit gegen die Vorschrift des § 11 Abs 2 StVO verstoßen habe. Weiters habe er entgegen den Anordnungen der §§ 12 Abs 2 und 13 Abs 1 StVO seine Fahrtrichtungsänderung nicht in kurzem Borgen durchgeführt und sich trotz der von ihm geschaffenen unklaren Verkehrslage, er fuhr mit den linken oder rechten Rädern seines Fahrzeugs bereits auf der Sperrfläche und verminderte seine Geschwindigkeit von 50 bis 55 km/h auf 15 km/h, nicht davon überzeugt, ob das Rechtseinbiegen aus dieser Position für den nachkommenden Verkehr gefahrlos möglich sei. Dennoch treffe aber den Kläger ein gleichteiliges Mitverschulden am Unfall. Dieser habe nämlich unzulässigerweise rechts überholt. Gemäß § 15 Abs 2 lit a StVO dürften Fahrzeuge lediglich dann rechts überholt werden, wenn deren Lenker die Absicht anzeigten, nach links einzubiegen oder zum linken Fahrbahnrand zuzufahren. Selbst wenn der Erstbeklagte mit dem von ihm gelenkten Fahrzeug bereits zur Gänze die Sperrfläche befahren hätte, wäre der Kläger verpflichtet gewesen, mit ihm Kontakt aufzunehmen, zumal er den linken Fahrtrichtungsanzeiger nicht betätigt gehabt habe. Klagsforderung und Gegenforderung bestünden somit je zur Hälfte zu Recht.
Die Revision bringt vor, dem Kläger sei es in der gegebenen Situation erlaubt gewesen, rechts zu überholen; den Erstbeklagten treffe daher das Alleinverschulden am Unfall. Bei der vom Berufungsgericht dennoch vorgenommenen Verschuldensteilung dürfe aber auch die halbe Gegenforderung nicht von der Forderung des Klägers abgezogen werden, da weder dem Erstbeklagten noch der drittbeklagten Partei eine Gegenforderung gegenüber dem Kläger zustünden, sondern lediglich dem Zweitbeklagten. Es sei daher dem Kläger jedenfalls der Betrag von 10.286,50 S sA zuzusprechen.
Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht dem Kläger zutreffend einen Verstoß gegen § 15 Abs 2 lit a StVO zur Last gelegt. Nach dieser Bestimmung ist für ein zulässiges Rechtsüberholen Voraussetzung, dass der Lenker des zu überholenden Fahrzeugs seine Absicht, nach links einzubiegen oder zum linken Fahrbahnrand zuzufahren, angezeigt und sein Fahrzeug links eingeordnet hat.
Der Erstbeklagte hat nach den unbekämpften Feststellungen sein Fahrzeug wohl auf einer Strecke von rund 30 m nach links und teilweise bereits auf die in der Mitte der Fahrbahn gelegene Sperrfläche gelenkt, sodass sein Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand 2,30 bis 2,50 m betrug. Er hat aber unbestrittenermaßen kein Blinkzeichen nach links gegeben und daher eine Fahrtrichtungsänderung nicht angezeigt.
Da gemäß § 15 Abs 1 StVO grundsätzlich links zu überholen ist und das Rechtsüberholen die Ausnahmeregelung darstellt, muss ein Kraftfahrzeuglenker besonders sorgfältig prüfen, ob alle Voraussetzungen für ein solches Fahrmanöver gegeben sind (RZ 1964/198; ZVR 1978/278 ua). Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass ein Fahrzeug, selbst wenn es die linke Fahrbahnhälfte befährt, allein deshalb nicht rechts überholt werden darf (ZVR 1976/37; 1978/278 ua). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass vorliegendenfalls der Erstbeklagte durch seine Fahrweise dem Kläger als Motorradfahrer faktisch die Möglichkeit zum Rechtsüberholen bot. Für den Kläger entstand vielmehr durch das Verhalten des Erstbeklagten eine unklare Verkehrssituation. Ein Überholen wäre daher nur in Frage gekommen, wenn der Kläger durch Abgabe von Warnzeichen und Kontaktnahme volle Gewissheit über das weitere Verhalten des Erstbeklagten erlangt hätte.
Den Kläger trifft somit entgegen der Meinung der Revision ein Mitverschulden am Unfall, das nach den Umständen des Falls auch nicht als geringfügig bezeichnet werden kann. Bei der Verschuldensteilung darf aber nicht übersehen werden, dass der Erstbeklagte mehrfache gewichtige Verkehrsverstöße gesetzt und vor allem auch die einleitende Unfallsursache zu vertreten hat. Durch sein, entgegen der Anordnung, nach rechts in kurzem Bogen einzubiegen, auf einer längeren Strecke vorgenommenes Auslenken zur Fahrbahnmitte hin mit gleichzeitiger Geschwindigkeitsverminderung von 50 bis 55 km/h auf 15 km/h hat er eine unklare Verkehrslage geschaffen und den nachfolgenden Verkehr über seine wahre Absicht, nämlich nach rechts einzubiegen, getäuscht. Er hat darüber hinaus die bevorstehende Änderung seiner Fahrtrichtung nicht rechtzeitig, sondern nach den Feststellungen erst gleichzeitig mit dem Beginn seines überraschenden Rechtsabbiegemanövers, somit vorschriftswidrig, angezeigt; er hat sich schließlich nicht davon überzeugt, ob er sein Abbiegemanöver ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer durchführen könne.
Diese bereits vom Berufungsgericht aufgezeigten Gesetzesverstöße des Erstbeklagten fallen insgesamt aber zweifellos schwerer ins Gewicht als das Fehlverhalten des Klägers, welcher in der unklaren Verkehrssituation eine Kontaktaufnahme unterließ. Davon, dass letzterer, wie die Revisionsgegner ausführen, versucht habe, sich mit seinem Motorrad „vorbeizuschlängeln“, kann im Hinblick auf die auf einer längeren Strecke gegebene, mindestens 2,30 m breite Durchfahrtslücke keine Rede sein.
Es erscheint daher entgegen der Meinung des Berufungsgerichts eine Verschuldensteilung von 1 : 2 zum Nachteil des Erstbeklagten angemessen. Insoweit ist die Revision teilweise gerechtfertigt. Nicht gefolgt werden kann ihr hinsichtlich der Ansicht, die von den beklagten Parteien eingewendete Gegenforderung könnte der Klagsforderung nur vom Zweitbeklagten als Halter des beschädigten Fahrzeugs, nicht jedoch vom Erstbeklagten als Lenker und der drittbeklagten Partei als Haftpflichtversicherer, entgegengehalten werden.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Wirkung der Aufrechnungserklärung auf den Zeitpunkt zurückzubeziehen, in dem sich die Forderungen zuerst aufrechenbar gegenüberstanden. Da Schadenersatzansprüche in der Regel mit dem Schadenseintritt entstehen war der hier maßgebliche Zeitpunkt der Unfallstag. Die eingetretene Aufrechnung der Gegenforderung mit einem Teil der Klagsforderung wirkt daher entgegen dem Standpunkt des Klägers zu Gunsten sämtlicher solidarisch haftender Beklagten (vgl ZVR 1973/129; 1977/173; 8 Ob 190, 191/76 ua).
Dem Berufungsgericht ist allerdings bei seiner anteilsmäßigen Aufrechnung der Gegenforderung insoweit ein Versehen unterlaufen, als es die halbe Gegenforderung mit 9.701 S statt richtig mit 9.201 S zugrundelegte. Der Sachverständige hat nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolls (AS 37, letzte Zeile) die Wertminderung am PKW des Zweitbeklagten obwohl mit 3.000 S beziffert, eine Ausdehnung der diesbezüglich lediglich mit 2.000 S eingewendeten Gegenforderung auf 3.000 S, somit von insgesamt 18.402 S (AS 7) auf 19.402 S, ist jedoch durch die beklagten Parteien nicht erfolgt. Dennoch geht auch die Revision unter Punkt 2. von letzterem Betrag aus. Da im dreigliedrigen Urteil die Entscheidung über das Zurechtbestehen der Klagsforderung bzw der Gegenforderung allein aber keinesfalls in Rechtskraft erwächst (vgl 7 Ob 585/77 ua) war bei der aufgrund der geänderten Verschuldensaufteilung erforderlichen Neuberechnung der anteiligen Gegenforderung von ihrer eingewendeten Gesamthöhe von bloß 18.402 S auszugehen. Von der mit zwei Dritteln, somit 13.715,33 S zu Recht bestehenden Klagsforderung war ein Drittel dieser Gegenforderung, somit ein Betrag von 6.134 S in Abzug zu bringen und dem Revisionswerber der Betrag von 7.581,83 S sA zuzusprechen.
In diesem Sinne war der Revision somit teilweise Folge zu geben.
Gemäß dem § 43 Abs 1 ZPO hat der Kläger, da er nur mit rund einem Drittel seiner Klagsforderung durchgedrungen ist, den beklagten Parteien ein Drittel ihrer Prozesskosten zu ersetzen. Ebenso hat er ihnen gemäß §§ 43 Abs 1, 50 ZPO jeweils ein Drittel der Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
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