OGH 9Os30/81

OGH9Os30/817.4.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 1981 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Pramhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter Viktor A wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Jänner 1981, GZ 1 e Vr 9452/80-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Ludovika Hämmerle und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Juli 1947 geborene Angeklagte Walter Viktor A des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 30. September 1980 in Wien den Polizeibeamten Wilhelm B dadurch mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versuchte, daß er diesem, als er ihn zur Ausweisleistung aufforderte, einen Schlag gegen das Gesicht versetzte und in der Folge, als der Beamte ihn festnehmen wollte, auf diesen mit den Fäusten einschlug, ihn zu Boden drückte und zu Sturz brachte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5 und '9' StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Einen Verfahrensmangel im Sinne des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes erblickt er in der Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung - ohne Angabe eines konkreten Beweisthemas - gestellten Antrages auf neuerliche Vorladung und Vernehmung der (nicht erschienen) Zeugin Margarethe C (S 79 unten d. A).

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge versagt.

Schon das Unterbleiben der Angabe, über welche Tatumstände die beantragte Zeugin vernommen werden soll, steht einer wirksamen Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes entgegen (Mayerhofer-Rieder, StPO, Nr 16 zu § 281 Z 4 ua).

Außerdem ergab sich aus der in der Hauptverhandlung verlesenen (S 78 d. A) Zeugenaussage der Margarethe C beim Untersuchungsrichter (ON 5), daß die Genannte den Polizeibeamten B - was der Beschwerdeführer übersieht -

nur bis zur Schwemme des Westbahnhofes begleitete und dann zu ihren Reinigungsarbeiten in der Halle des Bahnhofes zurückkehrte (S 37 unten d.A), somit die - entscheidungsrelevanten - Vorgänge in der Schwemme nicht mehr wahrgenommen hat (S 38 oben d.A). Zu der nunmehr in der Beschwerde als Beweisthema relevierten - an sich nicht entscheidungswesentlichen - Frage, wo die Bierflaschen-Splitter lagen, war die Zeugin von keiner Seite als Beweismittel geführt worden; in der am 30. September 1980 von Inspektor B erstatteten Anzeige (S 11 ff d.A) schien Margarethe C nur als Zeugin einer 'Ordnungsstörung' im Sinne des Art IX EGVG auf (S 11 oben d. A).

Unter diesen Umständen hätte der Beweisantrag des Angeklagten aber außer dem beantragten Beweismittel auch noch das genaue Beweisthema und die Angabe enthalten müssen, inwieweit im Falle der neuerlichen Vernehmung der Zeugin Margarethe C ein für die Schuldfrage voraussichtlich bedeutsames Beweisergebnis erwartet werden könne (vgl Mayerhofer-Rieder Nr 19 zu § 281 Z 4 StPO). Infolge Nichtanführens eines konkreten Beweisthemas und des Fehlens der letztbezeichneten Angaben konnte der Beweisantrag (vom Erstgericht) nicht auf seine Berechtigung überprüft und daher ohne Verletzung der Verteidigungsrechte des Angeklagten abgewiesen werden, zumal es sich, wie das Schöffengericht (ohnedies) zutreffend erkannt hat, bei Margarethe C nicht um eine 'direkte Tatzeugin' handelte (S 80 d.A). Unbegründet ist auch die aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Mängelrüge, mit welcher der Beschwerdeführer dem Urteil Begründungsmängel in Ansehung der erstrichterlichen Annahme zum Vorwurf macht, der Polizeibeamte B habe, als er sich am 30. September 1980 um ca 15,45 Uhr in der oberen Halle des Wiener Westbahnhofes aufhielt, selbst gesehen, daß der Angeklagte, welchen er von früheren Amtshandlungen (nur mit dem Familiennamen 'A' kannte /S 71 unten d.A/), eine Bierflasche von der oberen Halle in die untere warf.

Diese Konstatierungen (S 86 d.A) finden in der vom Schöffengericht für unbedenklich befundenen (S 88 und 89 d. A) Zeugenaussage des Wilhelm B ihre aktenmäßige Deckung (S 69 ff, insbes S 70, 73 und 74 d.A) und sie werden mit dem Hinweis auf diese Aussage vom Erstgericht zureichend begründet. Das Gericht gibt diesbezüglich die verwerteten Beweise aktengetreu wieder und übergeht keine wesentlichen Verfahrensergebnisse; die Argumentation ist in sich folgerichtig, entspricht, mag sie auch nicht geradezu zwingend sein, jedenfalls den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung; schließlich ist sie auch durchaus mit dem Inhalt der Skizze Beilage A zum Hauptverhandlungsprotokoll ON 16 über die Lage der Glassplitter, in Verbindung mit der Zeugenaussage B S 73

d. A, in Einklang zu bringen.

Das sonstige Vorbringen der Beschwerde hat ersichtlich bloß eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des erkennenden Senates zum Ziel; Begründungsmängel des Urteils in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO in Ansehung entscheidungswesentlicher Tatsachen werden in ihm nicht dargetan. In seiner sachlich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Rechtsrüge reklamiert der Angeklagte für sich den Rechtfertigungsgrund des § 269 Abs 4 StGB. Die von Inspektor B beabsichtigte Festnehmung des Angeklagten, der sich dieser nach den Urteilsfeststellungen tätlich widersetzte, sei zumindest als fahrlässige Verletzung der Freiheit (des Angeklagten) zu beurteilen, insoweit daher nach dem § 303 StGB strafbar, und habe demzufolge nicht den Schutz einer rechtmäßigen Amtshandlung gegen Widerstandshandlungen des Betroffenen genießen können. Auch mit diesem Beschwerdeeinwand ist der das Vorliegen der subjektiven Tatseite dieses Deliktes auf Seiten des gegen ihn einschreitenden Beamten nicht einmal behauptende Angeklagte nicht im Recht. Im übrigen läge nach dem Akteninhalt aber auch ein der zitierten Gesetzesstelle entsprechendes Tatgeschehen nicht vor. Den Urteilsfeststellungen zufolge war der Angeklagte am 30. September 1980 bereits mehrmals, und zwar am Vormittag von Revierinspektor D und mittags von Inspektor B selbst wegen Ruhestörung abgemahnt worden (Urteil, S 86, 88 d.A), weil er im Wiener Westbahnhof dort aufhältige Personen belästigt hatte (siehe Zeugenaussage B, S 70 und 72 d.A). Weiters hatte der die Festnahme aussprechende Inspektor B nach den Annahmen des Erstgerichtes selbst das (absichtliche) Hinunterwerfen einer Bierflasche in die untere Halle des Westbahnhofes, sohin eine Fortsetzung des ruhestörenden Verhaltens des Angeklagten, beobachtet (Urteil, S 88 und 90 d.A). Es bestand daher - auch in Berücksichtigung der Mitteilung der Reinigungskraft Margarethe C, daß ein Mann (wiederum) Bierflaschen in die untere Halle geworfen und sich anschließend in die Bahnhofsschwemme begeben habe (S 11 und 86 d.A) - Grund zur Annahme, daß der schon mehrmals beanstandete (leicht alkoholisierte) Angeklagte sein strafbares (ruhestörendes) Verhalten trotz vorangegangener Abmahnungen fortsetzen werde, daß also - mit anderen Worten gesagt - eine Wiederholung seines insgesamt ruhe- und ordnungsstörenden Verhaltens konkret zu befürchten sei, die den Polizeibeamten zur Festnahme gemäß § 35 lit c VStG berechtigte (siehe Hellbling, Komm zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen II/250 ff /insbes 252/253/; Walter-Mayer, Grundriß2, 266 ff), zumal nach der im Urteil als Feststellungsgrundlage bezogenen Zeugenaussage des Polizeibeamten B seit der letzten Beanstandung des Angeklagten wegen Ruhestörung durch ihn (B) bis zu dessen Rückkehr in die Bahnhofshalle nur fünf bis zehn Minuten verstrichen waren (S 75 unten d.A).

Ein Verstoß gegen strafgesetzliche Vorschriften (§ 303 StGB) durch den Ausspruch der Festnehmung des Angeklagten seitens des Polizisten B lag mithin nicht vor; der tätliche Widerstand des Angeklagten gegen die der Durchsetzung seiner Festnehmung dienende Amtshandlung war daher nach dem § 269 Abs 1 StGB strafbar und keineswegs im Sinne der Beschwerdeausführungen gemäß dem § 269 Abs 4 StGB gerechtfertigt.

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Walter Viktor A war daher der Erfolg zu versagen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 269 Abs 1 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Es nahm bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten an; als mildernd wertete es hingegen die Tatsache, daß es beim Versuch geblieben war.

In seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der über

ihn verhängten Freiheitsstrafe an.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die vorliegenden Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Der Umstand, daß der Polizeibeamte bei der Tat nicht verletzt wurde, stellt - dem Berufungsvorbringen zuwider - keinen weiteren Milderungsgrund dar. Es hätte vielmehr eine Verletzung des Polizeibeamten zu einem (zusätzlichen) Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 Abs 2 Z 4 StGB führen müssen.

Von einer Unbesonnenheit des Angeklagten oder dem Vorliegen der Voraussetzungen einer nach § 35 StGB als mildernd zu berücksichtigenden Berauschung kann nach dem Akteninhalt keine Rede sein. Es ist vielmehr insbesondere im Hinblick auf die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten wegen Delikten gegen die körperliche Integrität ua auch von Amtspersonen die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe dem Verschulden des Täters und dem Unrechtsgehalt der Tat angemessen. Ihre Herabsetzung kam deshalb nicht in Betracht.

Der Berufung konnte sohin kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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